Weinberg: 21 ~ Nick

„Du siehst... ähm, ja – Ich weiß nicht..." Ich stand sprachlos vor hier und konnte nicht anders als sie anstarren.

„Du siehst super aus, das will er sagen."

Pi drehte den Kopf und ihre Miene hellte sich auf. „Julius!"

„Na, Monster!" Er trat auf sie zu und schloss sie fest in die Arme und schwenkte sie einmal im Kreis herum. „Lass dich ansehen!" Er setzte Pi in einigem Abstand zu mir ab und musterte sie. „Ja, ich würde dich immer noch an der Theke ansprechen."

„Und ich würd dich immer noch abblitzen lassen."

„Verdammt." Er lachte kehlig und sah zum Stehtisch. Tatsächlich hatte er Hannah mitgebracht. Als platonische Freundin. Nicht als Date. Schon klar. „Kommt ihr mit? Oder müsst ihr euch noch eine Weile anstarren und so Sachen klären?"

Pi sah mich an und lächelte vorsichtig in meine Richtung.

„Gleich...", murmelte ich und sah sie an. Sie lächelte und nickte. Bildete ich mir das ein oder war sie erleichtert? Julius lachte nur, drückte Pi einen Kuss auf die Wange und zeigte deutlich auf die Uhr. „Gleich, mein Freund heißt gleich und nicht fünf Stunden später."

Pi sah ihm nach und lächelte. „Er ist schon ne Type."

„Er ist froh, dich zu sehen..." Ich griff von einem Tablett, das an mir vorbei getragen wurde, zwei Sektgläser und reichte ihr eines. „Ich übrigens auch. Und... du siehst wirklich fantastisch aus."

„Danke..." Sie strahlte mich an und stieß sanft ihr Glas an meines.

„Versteh die Frage bitte nicht falsch, aber... Was machst du bitte hier?"

„Willst du mich nicht hier haben?" Sie nippte an ihrem Sekt und zog dabei amüsiert die Augenbrauen hoch.

„Doch! Ich freu mich! Aber... ich bin einfach... überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet..."
„Becky hat mich eingeladen. Die Einladung steckte in meiner Kliniktasche..."
„Oh... Krass."

Pi lächelte schüchtern und trank noch einen Schluck. „Ich war mir nicht sicher, ob ich kommen soll... aber... nachdem du in Düsseldorf warst..." Sie sah zu mir und blinzelte.

Mein Magen machte einen Satz und ich streckte meine Hand zaghaft nach ihrer aus. Pi sah darauf und ergriff sie zögerlich. Sie verhakte unsere kleinen Finger und ließ sich an mich heranziehen. Fast hätte ich aufgestöhnt als ich ihren Duft in die Nase bekam, ihr Shampoo, nach Apfel und Zitrone. „Ich will dich hier haben, okay?" Ich sah ihr in die Augen und suchte ihren Blick. Sie blinzelte. Oh, dieses Blau. Dieses dunkle Blau. Diese langen Wimpern. Dieses Lächeln... diese Lippen...

Sie nickte langsam und lehnte ihren Kopf kurz an meine Brust. Wie sehr ich das liebte, wenn sie das tat. Ich wollte sie küssen. Sofort. Spürte aber die neugierigen Blicke meiner gesamten Familie auf mir. Die Blicke der gesamten Familie. Auch der aus Norddeutschland.

„Gut, ich will nämlich auch hier sein." Sie nahm ihren Kopf von meiner Brust und atmete durch. „Mit dir." Sie verschränkte Ihre Hand jetzt fester mit meiner und sah zu Julius. „Wer ist die Kleine neben Julius?"

„Hannah."
„Aha."

„Jaa....Fang nicht so an. Nur seine Mitbewohnerin. Sagt er."

Pi hielt eine Kellnerin an und tauschte ihr leeres Sektglas gegen ein volles aus. „Ja, klar. Mitbewohner nimmt man aber nicht mit auf Hochzeiten."

„Julius schon."

Sie grinste und setzte sich in Bewegung. „Die Trauung war toll..."

„War sie."
„Und Becky ist wunderschön."
„Das stimmt."
„Du hast geweint."

Ich sah sie schräg an. „Möglich."

„Das ist süß." Sie ließ meine Hand los, steuerte auf den Stehtisch zu und trank den Sekt aus. Ich sah ihr nach. Ihre Hüfte schwang bei jedem Schritt geschmeidig hin und her und ihre Beine waren noch länger als sonst. Diese Schuhe. Dieses Kleid. Ob sie sich bewusst war, was dieses Kleid für eine Wirkung auf mich hatte? Dass das Kleid noch heißer war als das rote Kleid damals auf dem Geburtstag meiner Mutter?

„Starr sie nicht so an, Mann." Tom legte mir den Arm um die Schulter. „Und mach den Mund zu. Es ist ne Hochzeit, Nicki..."

„Sei still, Schwager."

Er lachte heiser. „Ich bin ein sehr glücklicher, verheirateter Mann. Es steht mir nicht mehr zu auf andere Frauen zu gucken." Er grinste. „Aber dieses Kleid... pff..."

„Halt die Klappe, Tom." Ich sah ihn schräg an und er lachte. „Und starr sie nicht an!"

„Eifersucht steht dir nicht."
„Bin ich nicht."

„Geh ihr hinterher, nicht dass Arthur oder Scholzi anfangen sie anzubaggern." Er zwinkerte mir zu. Tatsächlich stand Pi bei Julius und Hannah am Stehtisch, und wurde sofort eingekesselt von Arthur und Scholzi, die ich von Toms JGA kannte.

Als ich am Stehtisch ankam hatte Pi ihren dritten Sekt vor sich stehen. Ordentliches Tempo. Sie sollte vielleicht einen Gang runter schalten. Sie sah zu mir und strahlte mich an, während sie das Glas an ihre Lippen hob. Ich stellte mich zu Julius und beobachtete Pi, während sie mit Arthur und Scholzi sprach. Die zwei fragten sie ein bisschen aus. Name, Alter, zu welcher Familienhälfte sie gehörte.

„Ah, eine der Bitches der Braut", sagte Scholzi.

„War ja klar, dass Becks nur so heiße Geräte zu den ihren zählt!" Arthur lachte.

Pi sah die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen an. Den Blick kannte ich. Julius hatte sie auch einmal so angesehen. Damals, im Wunder. Julius warf mir den gleichen Blick zu wie ich ihm. Ich lachte leise. Das dürfte interessant werden.

„Was lachst du, Deadshot?", fragte Scholzi.

Ich schüttelte abwehrend den Kopf. „Nichts. Alles gut."

„Er amüsiert sich über den Begriff heißes Gerät." Pi nippte an ihrem Sekt. Ich hörte de unterschwelligen Sarkasmus in ihrer Stimme. „Oder über die Tatsache, dass er weiß, dass ich über euch Affen die Augen gerollt habe, weil er weiß, dass mich sowas irre nervt." Sie zuckte mit den Schultern und sah die beiden herausfordernd an. „Ich kann nämlich so abfällige Machokommentare echt nicht ab, schon gar nicht, wenn ich vorher so geiernd angesabbert wurde, wie von euch."

„Wuhu!" Scholzi riss die Augen auf. „Was ist mit dir denn los?!"

„Ich hasse so respektlosen Umgang Frauen gegenüber, Jungs!", gab Pi zurück und schob den Sekt von sich und atmete durch. „Wir sind keine heißen Geräte. Und die vorn montierten Dinger heißen Brüste und nicht Titten."

Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Arthur offensichtlich schon, denn seine Augen wurden ziemlich groß. Julius räusperte sich unauffällig neben mir und trat mir etwas auffälliger auf den Fuß.

„Hast du das etwa gehört?" Arthur sah Pi entsetzt an.

„Klar, schon als ich reingekommen bin." Pi überkreuzte die Beine am Stehtisch und warf mir einen kurzen Blick zu, vermutlich um meine Stimmung abzuprüfen. Dann musterte sie Arthur kühl.

„Sorry, das war daneben."

„War's." Sie lächelte entspannt. Das hatte sie im Griff.

Julius lachte dunkel und murmelte. „Darf ich vorstellen: Nicks persönliches Biest. In Farbe und Natura."

Arthur und Scholzi sahen beide schnell zu mir und schienen eins und eins zusammen zu zählen, sofern das nach dem Begrüßungssekt noch möglich war. Zudem war rechnen noch nie Scholzis Stärke gewesen.

Ich versteifte mich etwas. Hoffentlich packten die beiden jetzt nicht die Geschichte vom JGA im Wunder aus. Das konnte ich jetzt nicht gebrauchen.

„Ich bin kein Biest, Kevin-Thaddäus." Pi funkelte Julius herausfordernd an und er ging zum Glück darauf ein und streckte ihr die Zunge heraus.

„Du bist das Ober-Biest vorm Herrn. Du hast mein Selbstbewusstsein zerstört und mich wimmernd und weinend im Wunder zurück gelassen!"

Hannah lachte. „Ach, du warst das?" Sie reichte Pi über den Tisch die Hand. „Danke! Der Dämpfer hat ihm wirklich gut getan! Ich hatte ganze zwei Wochen lang Ruhe vor seinen Weibergeschichten. Ich hab dich wirklich gern!"



Die Situation entspannte sich danach deutlich. Scholzi verschwand und holte Getränke und ich rutschte neben Pi.

„Alles klar bei dir?", fragte ich leise.

„Die Jungs haben mich genervt mit ihren Sprüchen", gab sie leise zurück und blinzelte zu mir hinauf.

„Du hattest die doch ziemlich gut im Griff..." Ich schmunzelte und schlang vorsichtig und mit klopfendem Herzen den Arm um ihre Taille. Ich spürte, dass sie sich ein wenig gegen mich lehnte, spürte ihren Arm an meinem und drückte ihr, als keiner hinsah, einen kurzen Kuss auf den Scheitel. Pi atmete aus und das Gewicht, das gegen mich lehnte wurde etwas mehr. Mein Lächeln wurde breiter, als ich spürte, dass sie nach der Hand griff, die auf ihrer Hüfte lag und ihre Hand dort mit meiner verschränkte.

Scholzi kam mit einem Tablett Getränke zurück, Sekt für die Mädels, gezapftes Bier für uns. Keine Ahnung, wo er das jetzt schon her hatte.

Pi griff nach dem Sekt, zögerte aber. „Ich sollte langsamer machen", murmelte sie leise und ließ ihn stehen.

Arthur neben mir lachte leise. „Schätzchen, das ist ne Hochzeit. Da gibt es kein langsam, nur Vollgas."

Pi sah ihn schräg an, sagte aber nichts. Der Griff ihrer Hand auf meiner verstärkte sich und sie atmete tief ein. Für einen Moment musste ich daran denken, wie sie in der Nacht in Düsseldorf vor mir gestanden hatte. Nackt, zitternd und panisch – und ich dachte daran, wie betrunken wir in dieser Nacht gewesen waren. Und wie oft wir danach telefoniert hatten und ich das Gefühl gehabt hatte, dass sie vielleicht... abwesend war.

„Magst du was anderes?", raunte ich an ihr Ohr. „Cola, Wasser..."

„Nicki! Ist das etwa wirklich Sophie?!"

Ich verzog das Gesicht und schnappte Julius Blick auf.

„Ha! Hast du gedacht, du kommst um deine Mum drum rum?"

Pi schob mich bestimmt nach hinten und machte sich los von mir. „Marion..."

„Oh, Liebes..." Meine Mutter zog Sophie in eine feste Umarmung und ließ sie nicht los. Pi überragte meine Mutter in den hohen Schuhen deutlich, trotzdem wirkte sie in der mütterlichen Umarmung winzig. Den Blick, den meine Mum mir dabei zuwarf, war tödlich. „Du hättest mir das sofort sagen sollen, dass sie kommt, Nicki!"

„Wann denn?", sagte ich bissig. „Ich wusste das auch nicht. Da musst du deine Tochter anfauchen. Ich kann nichts dafür."

Mama ließ Pi los und musterte sie. „Liebes, du bist dünn geworden. Wie geht es dir, Schätzchen? Kommst du klar? Das muss furchtbar für dich gewesen sein." Sie zog Pi noch einmal in eine Umarmung und ich war mir nicht sicher, ob Pi das wollte oder nicht. Sie sah ziemlich steif aus, aber dann atmete sie schließlich aus. Mum strich ihr ruhig über den Rücken, dann ließ sie Pi los. „Aber was rede ich..." Mum schüttelte den Kopf. „Ich bin so froh, dass du hier bist... Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass er dich zurück hat... Er ist durchgedreht... Mein Nicki war einfach nicht mehr er selbst..."

„Mum, nicht jetzt, ja?" Ich rollte die Augen und überlegte, ob ich Pis Sekt auf dem Tisch einfach exen sollte. Diese übergriffige Frau zur Mutter zu haben war wirklich eine Strafe.

„Jaja, ich bin dir peinlich und unangenehm, ich weiß. Tom und Becky gehen jetzt Fotos machen."

„Und?"

Meine Mutter sah mich auffordernd an. „Schätzchen... dein Job? Als Trauzeuge? Du musst da mit? Wegen dem Schleier?"

„Alter!" Ich stöhnte. „Die Braut hat hundert Schwestern!"

Mama lachte. „Das wüsste ich, wenn ich so viele Kinder aus mir herausgepresst hätte."

Pi kicherte und griff nach meiner Hand. „Na auf, du mega Trauzeuge. Ich besorg dir einen Gin Tonic und dann gehen wir den Schleier in den Wind werfen..."

Ich sah sie an. „Pi, du musst nicht..."

Sie grinste breit. „Musst ich nicht. Aber es wird mir eine Freude sein, dir dabei zuzusehen." 



........

*seufz* Isn't it romantic??

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