Weinberg: 21 ~ Nick
Ende Oktober
Es herrschte ein aufgeregtes Gedrängel und Gewusel im Haus. Meine Mutter aufgelöst, hatte schon viermal geweint und ich war eigentlich nur damit beschäftigt mit Taschentüchern durch die Gegend zu laufen und zu kontrollieren, dass ich wirklich die Personalausweise und die Ringe hatte. Beides hatte ich in der Hosentasche. Beides kontrollierte ich alle fünf Minuten.
„Bist du dir sicher, dass du --" Lea steckte den Kopf aus dem Wohnzimmer. Sie hatte den Kopf voller Lockenwickler.
„Nein, ich habe die Persos mittlerweile verloren."
„Nick!!"
„Ihr stresst mich."
„Du bist der Trauzeuge!"
„Ich würde Geld für geben, jetzt bei Tom zu sein und den Gin Tonic zu bekommen, der mir im Vorfeld versprochen wurde!!" Ich stöhnte genervt auf und betonte Gin Tonic so laut, dass Becky es hören musste. Aus dem Wohnzimmer hörte ich: „Jetzt gebt ihm endlich seinen Gin Tonic! Dann hört er auf zu meckern."
„Spatz, findest du das in Ordnung, dass du vor der Trauung von Alkohol trinkst?", fragte meine Mutter. Sie streckte genauso den Kopf aus der Wohnzimmertür wie Lea zuvor.
„Ich bin alleine im Haus mit lauter aufgekratzten Frauen als einziger Mann. Ja. Ich finde das total in Ordnung."
„Mutter! Gib ihm den Gin Tonic!" Beckys Stimme fauchte mittlerweile.
Die Tür schwang auf und eine ihrer Freundinnen, Anna, Hanna oder Susanna, keine Ahnung – irgendwann hatte sie versucht, mich mit ihr zu verkuppeln, kam heraus und reichte mir endlich den versprochenen Gin Tonic – mit Zitrone und Gurke.
„Danke, Becks!"
„Voll gerne!", flötete sie zurück und ich musste schmunzeln. Sie klang wie diese Zeichentrinkfigur aus dem Disneyfilm Vaiana. Ich lehnte mich auf dem Sessel im Flur zurück und nippte daran. Ich verstand nicht, warum ich sie nicht sehen durfte. Ich war nicht Tom. Ich war Beckys Trauzeuge.
Isa verließ das Wohnzimmer, fertig gestylt, und warf mir einen skeptischen Blick zu. „Betrinkst du dich wieder?"
„Nein." Ich seufzte genervt. „Ich trinke einen Gin Tonic. Wie viele Prosecco hattet ihr da drin?"
Isa grinste. „Touché."
„Wird das heute noch was?" Ich warf einen Blick auf die Uhr. „Oder soll ich Tom schon mal anrufen, dass er die Party ohne Becks anfangen soll." Ich übertrieb maßlos. Wir hatten noch viel Zeit.
Isa zuckte mit den Schultern. „Ach, entspann dich Nicki, du bist den Frauenkram doch gewöhnt. Du bist mit fünf Schwestern aufgewachsen und warst immer der letzte im Bad."
„Ja, und ich weiß auch noch, dass ihr meinen Rasierer Zweck entfremdet habt. Biester."
Sie zuckte die Schultern. „Schärfere Klinge, glattere Beine."
Die Tür ging erneut auf und Lucy kam zu uns. „Worüber redet ihr?"
„Er beschwert sich über seine schwere Jugend... Bartwuchs mit fünf Schwestern und so."
„Hallo? Ich hab mich überhaupt nicht beschwert!"
„Trink deinen Gin, Bridesmaid..." Lucy lachte und warf ihre Haare zurück.
„Du bist nur neidisch, dass ich Gin habe..." Ich wackelte mit den Augenbrauen und lehnte mich entspannt zurück.
Lucy grinste breit. „Nicki, du bist so... süß... Du weißt schon, dass wir die ganze Zeit die ganze Flasche da drin hatten? Was meinst du, wie dein Drink zu dir kam?"
Ich starrte sie an. „Du... Das... Du... Nein!"
„Er ist so niedlich, oder?"
„REBECCA!!!"
„Nicki, bleib locker!"
„Ihr seid --" Ich sprang auf und riss die Tür zum Wohnzimmer auf. „—Biester! Echt, Biester! Fiese, gemeine, hinterhältige Biester! Becky, den Gin her!!" Dann fiel mein Blick auf Becky und mein Herzschlag setzte ohne mein Zutun für einen Moment aus. „Ohh..." Und... „Wow..."
Aus dem Flur hörte ich Isa und Lucy lachen. „Er hat sie gesehen..."
„Becks..." Ich konnte sie nur anstarren, wie sie vor dem Spiegel stand. Die Haare lockig zusammen gesteckt, mit dem luftigen Schleier, der ihr über den Rücken fiel... Das Kleid saß perfekt. Sie drehte sich gerade und betrachtete sich von allen Seiten und warf mir über die Schulter einen strahlenden Blick zu. Meine Mutter schnäuzte schluchzend in einen Taschentuch und Drea und Lea tupften sich ebenfalls die Tränen aus den Augenwinkeln.
„Du bist..." Ich bekam kaum ein Wort heraus. „Man..."
„Was, hm?", Lucy legte mir von hinten den Arm um die Schultern. „Deshalb solltest du draußen bleiben, kleiner Bruder. Um richtig überwältigt zu sein."
Sie machte den Moment kaputt... Wirklich. Sie machte diesen Moment kaputt. „Wunderschön. Das wollte ich sagen..."
Becky strich ihr Kleid am Oberschenkel glatt und atmete tief durch.
„Na dann..." Lucy griff nach einem halbvollen Proseccoglas und trank es leer. „Auf auf, verheiraten wir diese Schwester!"
............
I can hear the church bells ringing... ringing... *träller*
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