My Home is my Castle: 19 ~ Pi

Nicks Anspannung wurde weniger, je weiter wir uns von meinem Elternhaus entfernten. Wir liefen Hand in Hand Richtung Flingern und bummelten durch die Straßen, bis wir ein Café fanden und uns draußen in die Oktobersonne setzten und Frühstück bestellten.

Wenn man nicht gewusst hätte, was in den letzten Monaten passiert war, man hätte ihn und mich für ein ganz normales, verliebtes Pärchen halten können.

Immer wenn er mich ansah, kribbelte es in meinem Bauch – wie früher. Es war wie früher. Es war... Ich hatte endlich das Gefühl, wieder etwas mehr ich selbst zu sein...

Das Frühstück war der Knaller, als es serviert wurde. Croissants, Nutella, Bacon, Eier, Pancakes...

„Mega..."

„Warst du schon mal hier?"

Ich schüttelte den Kopf und stach in einen der Pancakes. „Nein... Merk ich mir aber."

Der Kellner kam zurück und servierte uns noch zwei Kaffee und zwei Sekt. Nick roch sofort am Kaffee und verdrehte die Augen, als er den ersten Schluck trank. „Ja. Merk dir das auf jeden Fall. Guter Kaffee."

Ich starrte auf den Sekt vor uns.

Sie wirken benommen, ihr Blick ist nicht klar.

Sie nehmen vermutlich Rauschmittel oder trinken.

„Ist was?", fragte er.

Ich schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein." Ich griff nach dem Croissant auf meinem Teller und biss hinein. „Ich bin einfach froh... dass du das gemacht hast und mir mein Auto her gebracht hast." Ich lächelte ihn an. So sehr mich das auch überrumpelt hatte im ersten Moment, ich war wirklich froh, dass er hergekommen war. Ich hatte das Gefühl, dass das zwischen uns etwas repariert hatte. Etwas, das ich kaputt gemacht hatte, als ich ihn um Zeit und Abstand gebeten hatte. Etwas, das ich kaputt gemacht hatte, als ich ihn aus der Klinik geworfen hatte, als er mir nicht hatte sagen wollen, was da alles an Ermittlungen gelaufen war.

Ich griff nach dem Sektglas und setzte es an.

Sie müssen erstmal nüchtern werden.

Die Worte der beigefarbenen Psychotherapeutin kamen mir in den Sinn. Ich stellte das Glas zurück.

„Ich bin auch froh, dass ich dir das Auto hergebracht habe." Er grinste schief. „Allerdings war ich mir nicht so sicher, ob du mir nicht vielleicht die Hölle heiß machst." Er sah mich einen Augenblick nachdenklich an. „Du hast gesagt, du wärst sauer... warst du wirklich sauer?"

Hatte ich das wirklich gesagt? Ich erinnerte mich nicht daran. Ich sah wieder zu dem Glas Sekt und musste wirklich an mich halten, um nicht davon zu trinken. „Nicht wirklich... nur..." Ich seufzte schwer.

„Nur?"

Du hast so lange gewartet..." Redeten wir jetzt doch über die Dinge, über die ich eigentlich noch gar nicht sprechen wollte?

Nicks Blick veränderte sich. „Ja. Hab ich... Das tut mir leid..." Er schluckte. „Ich... wusste nicht, ob ich kommen soll." Er griff nach seinem Sektglas, nahm es in die Hand, trank aber ebenso wenig wie ich. „Nach diesem Vorfall mit deinem Vater und nachdem du mich dann nochmal rausgeworfen hattest..." Nick seufzte schwer. „Das war alles echt schwer. Ich hab dich nicht erreicht. Und... ich musste, um ehrlich zu sein, auch erst mal meine Wunden lecken."

„Und dann hab ich dir diese Dinge am Telefon gesagt."

„Ja, auch das." Er zuckte mit den Schultern und trank jetzt doch einen großen Schluck Sekt. Es fiel mir schwer, es ihm nicht gleich zu tun. Sehr schwer. Zu schwer. Verdammt.„Aber jetzt hast du dein Auto wieder..." Er lächelte knapp, aber aufrichtig.

„Wie kommst du eigentlich nach Hause?"

„Ähm", verlegen fuhr er sich durch den Nacken und räusperte sich. „Gute Frage. Keine Ahnung. Soweit hab ich nicht gedacht. Zug oder so, dachte ich."

Ich nickte langsam. Plötzlich wurde mir klar, dass er wieder fahren würde. Dass er wieder zurückfahren würde und zwar vermutlich heute noch.


Wir verbrachten den Tag zusammen und fuhren raus nach Kaiserswerth, bummelten durch die Altstadt, saßen am Rhein in der Sonne und genossen die Zeit zu zweit.

Immer, wenn er mich ansah und lächelte – und das tat er fast unentwegt – fühlte es sich so an, als wäre nichts geschehen. Das Kribbeln war zurück. Die Schmetterlinge. Das gute Gefühl. Es war, als würde die Sonne in mir wieder scheinen. Als wäre alles wieder gut. Als wäre als das nie geschehen. Als wäre all das ausgelöscht.

Ich ignorierte die Anrufe von meinen Eltern und Maja auf meinem Handy, das stumm in meiner Jackentasche vor sich hin klingelte, genoss die kleinen Berührungen von ihm und die Stromschläge, die mir jedes Mal durch den Körper schossen. Und immer wenn er stehen blieb und mich so schräg von oben herab ansah wurde ich rot wie ein Schulmädchen. Ich bin nie rot geworden - vorher.

Und jetzt... jetzt war ich so... nervös in seiner Nähe. Nach gestern noch ein bisschen mehr. Er war so toll gewesen in dieser Nacht. So unglaublich toll. Er war so...

„Was ist?" Er blieb stehen, mitten in der Fußgängerzone, den kleinen Finger mit meinem verhakt und sah mich an. Er trug seine Sonnenbrille, weil die Sonne schien und ich konnte seine Augen nicht sehen, was eine Schande war, weil ich diesen Farbton so liebte. Dieses helle, klare blau. Blau, wie das Wasser in der Karibik.

Perfekt", flüsterte ich und sah ihn an.

„Was?" Er runzelte die Stirn.

Ich lächelte und trat vor ihn, stellte mich auf die Zehenspitzen, griff ihm in den Nacken und küsste ihn bestimmt. „Perfekt", wiederholte ich, „Du bist verdammt perfekt..."

Nick holte tief Luft und ließ sich von dem Kuss mitziehen. Ich spürte seine Hände locker auf meiner Hüfte und seine Zunge an meiner. „Ich bin nicht perfekt... Glaub mir, davon bin ich weit entfernt..." Er atmete aus und lehnte seine Stirn an meine. „Ganz weit entfernt."

Mit dem Daumen strich ich ihm durch den Nacken und lächelte, während ich spürte, dass der Wind auffrischte. „Für mich bist du es..." Ich sah, dass sich seine Ohren rosa färbten.

„Ähm..." Er räusperte sich und löste seine Stirn von meiner. Er räusperte sich erneut. „Kann es sein, dass du gerade Süßholz geraspelt hast?"

Ich grinste. „Eventuell."

Er griff sich gespielt entsetzt ans Herz. „Oh, mein Gott! Dass ich das noch erleben darf!"

„Du machst es kaputt."

Nick grinste, nahm mich in den Arm und küsste mich, allerdings wie in einem dieser Hollywoodküsse, bei denen der sexy Hauptdarsteller die Hauptdarstellerin bis auf den Boden hinab beugte und ihr den Atem raubte. Und genau so fühlte ich mich danach, als ich wieder auf meinen eigenen Füßen stand.

„Du Idiot."

Er grinste noch breiter und nahm wieder meine Hand. Langsam liefen wir zurück zur U-Bahn und fuhren dann zurück Richtung Innenstadt. Richtung Hauptbahnhof.

Erst, als wir dort angekommen waren und er sich ein Ticket für den nächsten ICE nach Hause kaufte, wurde mir wirklich klar, dass er ganz sicher wieder fahren würde. Mein Herz zog sich zusammen. Das war... Mist. Richtig großer Mist. Ich wollte nicht, dass er zurückfuhr.

„Bleib doch noch ein bisschen...", murmelte ich, als ich mit ihm auf dem Bahngleis stand.

Nick sah mich lange schweigend an und seufzte schwer. „Das würde ich... sofort."

„Aber?"

Er sagte nicht „Ich kann nicht", sondern küsste mich stattdessen. „Denk daran, dein Auto zu holen." Er räusperte sich. „Es steht noch im Parkhaus." Noch ein Kuss.

Ach ja. Das Auto. Mechanisch griff ich in meine Jackentasche und spürte meinen Autoschlüssel. Der Grund, weshalb er eigentlich hier war. Weshalb er hergekommen war. Ich seufzte schwer und lehnte mich gegen ihn. Ich schob ihm die Arme in die offen stehende Jacke und atmete seinen Geruch ein. Sehr tief. Ich wollte nicht, dass er ging. Er war... mein Fallstrick, mein Sicherheitsnetz. Ich konnte ihn nicht gehen lassen. Was sollte ich ohne ihn nur hier tun?

Auf Gleis 2 fährt ein...", knackte es aus dem Lautsprecher und seine Verbindung wurde angekündigt.

„Ich will nicht...", flüsterte ich und krallte mich im Stoff seines Pullovers fest. Gestern Nacht hatte ich den Pullover getragen. Es war lächerlich, ihn anzuflehen hierzubleiben, das war mir klar.

„Ich ruf dich an, wenn ich angekommen bin, okay? Wenn... du das willst." Er lächelte knapp. „Weil... du willst ja eigentlich Zeit und Abstand."

Ich starrte ihn an. „Ja..." Ich schluckte. „Das... war... vielleicht... nicht meine beste Idee..." Ich sah unter mich und seufzte schwer. „Nick, ich..." Der ICE fuhr ein und mein Herz zog sich fest zusammen. Geh nicht, wollte ich schreien.

„Ja?"

„Ich...", setzte ich an und wollte sagen, dass ich ihn liebte, wie ich es in der letzten Nacht getan hatte, aber ich bekam es nicht heraus. Es kam einfach nicht über meine Lippen. „Ich will, dass du mich anrufst, ja? Ruf mich bitte an, ja?"

Er strich mir lächelnd die losen Haare aus der Stirn. „Mach ich. Pass auf dich auf, Pi-Sophie... Ich..." Der Zug kam zum Halten, die Türen glitten auf, die ersten Passagiere stiegen aus.

„Ja?" Ich blinzelte ihn an. Lag ihm auch ein Ich liebe dich auf den Lippen wie mir?

„Ich fand es schön, dich zu sehen... Wirklich schön..." Sanft legte er seine Lippen auf meine und atmete aus, während er mich küsste. Und wollte nicht aufhören damit. Ich wollte den Kuss vertiefen. Ihn gierig aufsaugen, um mehr davon zu haben, auf Vorrat, weil er in diesen Zug steigen würde und ich ihn nicht mehr sehen würde bis... Ja, bis wann eigentlich?

Und dann gab er mich frei, drehte sich um und stieg ein.

Ohne sich umzudrehen.

Was besser war.

Ich wäre ihm sonst hinterher gerannt.

Er fehlte mir schon jetzt.

Verdammt.


........

🚄

Seht ihr: Keinen Katastrophen... 😊
Ich kann auch nett sein zu den beiden 😇

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top