„Meinst du nicht, du hast dich jetzt genug gerächt?", fragte ich prustend und schüttelte mir das Wasser aus den Haaren. Julius blaue Augen blitzten vergnügt aus und wappnete mich auf einen erneuten Angriff. Seit zehn Minuten ging das so. Ich wurde regelrecht mit Wasser überschüttet und getunkt und geworfen, es war regelrecht frech, dass er sich so über mich her machte. Wie ein vierzehnjähriger Teenie.
Vermutlich fühlten sich die anderen Badegäste der Therme in Sinsheim längst von uns belästigt, weil wir so laut und – im wahrsten Sinne des Wortes – spritzig unterwegs waren.
„Hm...", machte Julius gedehnt. „Fast." Er grinste breit und ließ sich ein Stück zurücktreiben. „Aber ich gönne dir ein wenig Erholung. Der nächste Angriff kommt bestimmt."
Ich nutzte die Gelegenheit und machte zwei, drei ausladende Schwimmbewegungen, um etwas Abstand zwischen mich und Julius zu bringen und ließ mich auf den Beckenrand zu treiben. Hannah saß am Rand und ließ die Beine im Wasser baumeln. Ihre Haare hatte sie zum Dutt hochgebunden und ein süffisantes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Er ist ein Spinner."
„Immerhin ist er jetzt mehr in seinem Element als in der Kletterhalle." Ich verschränkte meine Arme auf dem Beckenrand und legte mein Kinn auf meinen Händen ab. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Julius das Wasser über die Leiter verließ und dann auf uns zugestapft kam. „Achtung", warnte ich Hannah leise, aber da zuckte sie schon zusammen. Julius tropfte sie von hinten voll mit Wasser, und amüsierte sich offensichtlich wirklich königlich, uns Mädchen zu ärgern.
Nick beobachtete das ganze von der Liege aus. Dort lag er lang ausgestreckt und las Das Institut von Stephen King mit angestrengter Miene.
Das hier war so viel besser als Wandern im Regen. Das hier war wie ein Tag Urlaub in den Tropen. Wie ein Vorgeschmack auf unsere Reise nach Bali. Überall waren echte Palmen und Orchideen und dieses riesige Glasdach vermittelte den Eindruck, im Freien zu sein. Im Sturm, der draußen tobte. Es regnete im Strömen, mehr noch als vorhin – und hier drinnen, in der Therme, hatte es angenehme, hochsommerliche Temperaturen. Das Wasser war herrlich warm. Gerade nach dem Bouldern war das eine regelrechte Wohltat für die Muskeln, sich genüsslich treiben zu lassen.
„Kinder, kommt ihr mit in die Sauna?", fragte Julius.
„Mit dir?", ich lachte, „Ganz sicher nicht."
„Wird deinen müden Muskeln gut tun." Er wackelte mit den Augenbrauen.
„Spricht da der Physiotherapeut?"
„Der Fiesotherapeut", korrigierte Hannah und schwang ihre Füße aus dem Wasser. „Ich komm mit. Sauna find ich super."
Ich nicht. Ich hatte mit Sauna noch nie viel anfangen können. Ich mochte die Hitze nicht und das Schwitzen ebenfalls nicht. Mit Schwung wollte ich mich gerade aus dem Wasser stemmen, doch Julius stupste mich geradewegs zurück ins Nass. „Ha!", lachte er, schlang seinen Arm um Hannahs Taille und stolzierte triumphierend mit ihr davon.
„Dieser kleine...", murrte ich, als ich wieder aufgetaucht war und sah am Beckenrand in Nicks strahlend blaue Auge. Er hockte dort und lächelte schief, seine Haare waren ein wenig zerzaust. „Arsch?", half er mir aus und hielt mir die Hand hin. „Madame?"
Ich musterte seine Hand und lächelte verschlagen, als ich danach griff. Ich zögerte kurz, schloss meine Finger fest um seine und sah, wie sich seine Augen weiteten. „Pi! Wehe!" Dann zog ich mit einem kräftigen Ruck an seinem Arm, er verlor das Gleichgewicht und landete bei mir im Wasser. Schnaubend tauchte er auf, schüttelte sich die triefnassen Haare aus dem Gesicht und grinste. „Na, warte."
Aber ich war schon auf der Flucht. So schnell ich konnte, tauchte ich auf die andere Seite des Beckens, wusste allerdings, dass Nick mich wenigen Kraulzügen eingeholt haben würde. Als ich seinen Arm um meine Taille spürte, tauchte ich sofort auf und holte Luft, während er mich mit einer fließenden Bewegung zu sich herum drehte. „Frechheit", murmelte er leise und zog mich fest an sich. So fest, dass ich spüren konnte, wie kühl seine Haut sich durch das Wasser anfühlte. „Ich glaube, ich muss Sie festnehmen..."
„Weswegen?", fragte ich und versuchte mich aus der Umarmung zu winden.
Er grinste schief. „Angriff auf einen Polizeibeamten. Und es besteht offensichtlich Fluchtgefahr." Ich spürte, wie sich sein Griff um meine Taille verstärkte. „Das heißt... vermutlich muss ich Sie in Sicherheitsverwahrung nehmen..." Seine Finger spreizten sich auf meiner Haut und ich atmete tief ein. Gott, hatte mir das gefehlt. Das, zwischen uns. Die Nähe, das Kribbeln, das sich langsam aufbaute. Sein schiefes Grinsen, das er an den Tag legte, wenn er etwas im Schilde führte. Wenn er entspannt war – wenn wir beide entspannt waren. Wenn wir wir waren, und nicht dieser angespannte Abklatsch von uns, der wir in den letzten Monaten gewesen waren. Jetzt gerade fühlte es sich ganz einfach an.
Ich hörte auf mich zu winden und schlang ihm beide Arme um den Hals, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. „Tja, dann ist die Flucht offenbar gescheitert, Herr Kommissar..."
„Ganz offensichtlich." Er strich mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht und atmete geräuschvoll aus. Dann ließ er sich mit mir langsam rückwärts zurück ins Wasser sinken und hob mich auf seine Hüfte. Langsam fuhr ich ihm mit gespreizten Fingern durch das feuchte Haar und schmunzelte, als er die Augen schloss. „Versucht sich die Flüchtige gerade mit Streicheleinheiten frei zu kaufen?"
Ich beugte mich zu ihm hinunter und streifte seine Mundwinkel vorsichtig mit meinen Lippen. „Eventuell..." Er seufzte leise. Sein Griff um meine Hüfte verstärkte sich ein wenig. „Funktioniert es?"
Nicks Zeigefinger streichelte träge über der glatten Stoff meines Bikinihöschens und ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. „Eventuell...", wiederholte er und versiegelte meine Lippen mit seinen. Seine Zunge berührte sanft meine und ich musste noch im Kuss breit lächeln. „Was ist?" Nick zog den Kopf zurück und steuerte uns abseits vom Trubel in eine ruhigere Nische des Beckens.
„Ich musste gerade an unser erstes Date denken..." Ich fuhr langsam mit dem Zeigefinger seinen Nacken entlang und legte den Kopf ein wenig schief. „Als wir an dem See waren. Um ehrlich zu sein... ich hätte damals schon am liebsten so mit dir im Wasser getrieben wie jetzt..."
Seine Augen blitzten schelmisch auf. „Du hättest es damals gerne mit mir im Wasser getrieben?"
„Hey!" Ich kniff ihm in die Rippe. „Das habe ich nicht gesagt, und das weißt du." Er lachte leise und ich spürte das Vibrieren seines Lachens durch das Wasser hindurch. „Ich meine... damals, ich hätte gerne... Ich will eigentlich nur sagen, ich bereue das nicht. Das mit uns. Ich bin froh, sehr froh, dass ich mich auf dich eingelassen habe..."
Nick schwieg eine ganze Weile, während sein Blick über mein Gesicht wanderte, als ob er etwas darin suchte. Dann schluckte er schwer und sagte leise: „Ich bin froh, dass ich dich nicht verloren habe, nach dem, was passiert ist."
Jetzt war es an mir zu schlucken. Die Leichtigkeit von eben drohte zu verschwinden. Ich spürte, wie der vertraute Kloß in meiner Kehle immer größer wurde und ich legte ihm mechanisch die Hand auf die Brust. „Nick...", murmelte ich. Alles was ich jetzt sagen würde, würde die Stimmung kaputt machen. Vermutlich würde ich losheulen. Vermutlich würde...
Sanft strich er mir die Haare aus dem Gesicht und betrachtete mich stillschweigend, während ich mit dem Moment kämpfte und den Kloß hinunter schluckte. Ich bekam noch immer keinen Ton heraus, während er unter Wasser unerlässlich kleine Kreise mit dem Zeigefinger auf meine Haut malte.
Mit einem leichten Rums stießen wir gegen den Beckenrand und Nick stoppte seine Malereien für einen Moment, legte den Kopf dann schief und stellte seine prüfende Musterung ein. „Ich hätte das nicht sagen sollen", sagte er leise. „Du denkst jetzt an alles und nichts, und die Stimmung ist hin..."
Meine Hand lag noch immer auf seiner Brust, doch nun rutschte auch meine zweite Hand daneben, als ob ich etwas Halt brauchte, um die folgenden Worte auszusprechen. „Ist sie nicht..."
Nick lachte leise. „Klar... gar nicht." Er nahm eine Hand aus dem Wasser und zeichnete meine Nasenlinie nach. Sanft drückte er meine Nasenspitze und zwinkerte mir verschmitzt zu. Biep. Ich musste lächeln und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter, während sich mein Magen zusammenzog, vor lauter Brauseschaum, der sich gerade darin befand. Diese Geste war so klein, und doch so groß, so gewaltig, dass sie alles, was je zwischen uns passiert war auf einen keuschen Stupser auf die Nasenspitze komprimieren konnte. Es war verrückt. Nick lachte noch immer, während seine Fingerspitzen sanft über meine Schulter tanzten und dann über mein Schulterblatt zurück ins Wasser verschwanden.
„Wenn du damit weitermachst", murmelte ich und hob den Kopf, so dass ich ihm in die Augen sehen konnte, „ist die Stimmung überhaupt nicht– Nick!" Überrascht starrte ich ihn an, als er sehr waagemutig unter Wasser den Knoten meines Bikinihöschens gelöst hatte. „Schäm dich, Gehrig!" Ich funkelte ihn empört an, kam aber nicht zu weiteren Erwiderungen, denn ich spürte als nächstes nur seine Lippen an meinen. Und der Kuss war alles andere als schüchtern oder keusch. So sollte er mich auf gar keinen Fall in einem öffentlichen Schwimmbad küssen, während mir das Bikinihöschen halb davon schwamm! Das war doch alles Berechnung, dieser Idiot!
Ich seufzte schwer, als er denn Kuss jäh unterbrach. „Schnucki, bind dir mal dein Höschen zu, das ist ja total unschicklich, die Leute gucken schon."
„Was?!" Ich schoss mit dem Kopf herum, doch er grinste bloß noch breiter. „Argh! Du Arsch!" Mit einem unsanften Rempler stieß ich mich von ihm ab und ließ mich ein Stück weg von ihm treiben und behob zunächst den „Schaden", den er angerichtet hatte. Dann sicherte ich beide Seiten vorsichtshalber mit Doppelknoten und warf Nick, der amüsiert auf dem Rücken vor mir her trieb, einen genervten Blick zu. „Dir geht es viel zu gut."
„Heute?", fragte er gedehnt und seine Augen blitzten auf. „Ganz ehrlich: ja. Das war eine meine besseren Ideen in letzter Zeit, mit dir diesen Ausflug zu machen."
Ich schloss mit zwei kräftigen Zügen zu ihm auf und schlang einen Arm um seinen Bauch, was ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht brachte, allerdings fing er sich schnell und steuerte die Schleuse zum Außenbecken an. „Es regnet."
„Und?" Er grinste. „Du bist doch eh schon nass, Pi-Sophie..." Belustigt hob er eine Augenbraue hoch, drehte sich herum, holte tief Luft und tauchte unter der Schleuse hindurch.
Ich sah ihm nach und spürte bereits an den Beinen, wie viel kühler das Wasser draußen sein würde. Verdammt, wir hatten Januar. Es regnete in Strömen, wir konnten von Glück sprechen, dass es nicht schneite.
Ich folgte ihm, jedoch ohne unter der Schleuse hindurch zu tauchen, sondern schob mich unter den kalten, nassen Plastikplanen hindurch, indem ich angewidert das Gesicht verzog, und absolut zwecklos den Bauch gegen die Kälte einzog.
Draußen erwartete mich vollkommene Stille. Es war nichts zu hören, außer dem Prasseln des Regens auf der Wasseroberfläche und der entfernten Autobahn. Keine schreienden Kinder, kein Gelächter, keine anderen Badegäste. Aufgrund der Witterungsverhältnisse war es wirklich ungemütlich draußen, niemand hielt sich draußen auf. Es war still.
Außerdem hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Schon den ganzen Tag über war es nicht richtig hell geworden, das schlechte Wetter machte nur, dass es jetzt noch früher dunkel wurde als gewöhnlich. Der See, der im Sommer als Badesee diente lag jetzt nur aufgepeitscht und schlammbraun hinter dem Außenbecken, von dem aus Dampfschwaden in die einsetzende Dunkelheit aufstiegen.
Regentropfen trafen wie eiskalte Nadelspitzen mein Gesicht und ich verfluchte Nick in Gedanken dafür, dass er hier raus geschwommen war. „Du bist doch eh schon nass. Ha ha", äffte ich ihn nach und sah mich nach ihm um, entdeckte ihn aber zunächst nicht. „Nicht witzig, Gehrig. Ich hab keine Lust auf die weiße Hai-Nummer." Sofort spielte in meinem Kopf die Titelmelodie des Filmklassikers. Da dam. Da dam. Nicht hilfreich. Auch nicht hilfreich war, dass sich mein Herzschlag beschleunigt, obwohl ich wusste, dass hier kein weißer Hai im Becken war.
„Gehrig!" Ich bemühte mich, genervt zu klingen, während ich mich auf der Wasserfläche umsah. Das konnte doch nicht wahr sein. Dieser Vollidiot. So eine Aktion hätte ich eher Julius zugetraut aber nicht Nick. „Wahnsinnig witzig. Ich lach mich tot." Langsam bewegte ich mich durch das Becken auf eine Nische zu, hinter der zwei hufeisenförmige Buchten eingelassen waren. „Das wird mir zu blöd, ich-" geh rein, wollte ich sagen. Aber just in dem Moment schob sich warm und fest eine Hand über meinen Bauch – und ich hielt instinktiv die Luft an. Ich hätte aufschreien sollen. Ich hätte ihm eine Kopfnuss geben sollen. Aber als er leise „Da dam" an mein Ohr murmelte, hatte ich Gänsehaut am ganzen Körper, und das lag weder am kalten Regen noch am deutlich kühleren Wasser hier draußen.
„Idiot...", flüsterte ich, als sich seine Lippen auf meine Haut in meinem Nacken legten.
„Sorry..." Er grinste, das konnte ich hören, obwohl ich ihn nicht sah. Seine Lippen streiften mein Ohrläppchen und er drückte mir einen warmen Kuss genau auf die Stelle, wo meine Halsschlagader heftig pulsierte. „Konnte nicht wiederstehen..."
„Da war fies."
Seine Hand wanderte weiter über meinen Bauch, vermutlich tiefer als es erlaubt war und ich seufzte leise auf, als er sich mit mir ins Wasser sinken ließ. „Sieh es aus Revenge dafür, dass du mich ins Wasser geworfen hast."
„Du bist ja nachtragend, Nicki..." Ich drehte mich in seiner Umarmung herum und manövrierte uns in eine der Buchten hinein. „Das sind ja ganz neue Züge an dir..." Schmunzelnd schob ich ihn auf eine der eingelassenen Bänke und setzte mich rittlings auf seinen Schoss. Der Regen prasselte auf meine Schultern, doch davon nahm ich kaum noch Notiz. All meine Aufmerksamkeit ruhte mittlerweile auf Nick, der mich wachsam beobachtete und unter Wasser die Konturen meines Höschens mit dem Finger nachzeichnete. Nur dass es diesmal nichts neckendes mehr hatte, wie vorhin. Ich war mir sehr wohl bewusst, wie still es um uns herum war. Dass außer ihm und mir hier draußen kein anderer Badegast war. Dass es in leichtes wäre, wenn...
Ich lehnte mich ein wenig nach vorne und spürte mehr als deutlich, dass dieser Gedanke gerade nicht nur in meinem Kopf war.
Eine Windböe drückte den Regen nur noch heftiger gegen meinen Oberkörper und ich sah die feinen Wasserperlen über Nicks Gesicht laufen. Seine blauen Augen funkelten herausfordernd. „Küsst du mich jetzt, oder was?"
***
„Ihr seht total durchgefroren aus." Julius sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie lange wart ihr bitte im Wasser?"
Nick und ich sahen uns schulterzuckend an. Um seine Mundwinkel zuckte es, aber er sagte bloß: „Keine Ahnung. Zu lang. Pi hat blaue Lippen bekommen, dann mussten wir leider raus."
„Ich hab gar keine blauen Lippen bekommen, du hast-" Aber ich brach ab. Mit einem breiten Grinsen kaute ich weiter meine Portion Pommes und kuschelte mich in den flauschigen Bademantel ein, in den ich nach unserem Regenaufenthalt geschlüpft war.
„Ich hab gar nichts." Nick schnappte sich eine Pommes und wackelte mit den Augenbrauen. „Wie war die Sauna?", fragte er und griff nach der Cola, die auf dem Tisch stand. „Habt ihr ordentlich geschwitzt?"
„Es war interessant." Hannah grinste breit. „Wusstet ihr, auf wie viele verschiedene Arten ein Penis gepierct werden kann?"
Laut prustete Nick die Cola quer über den Tisch. Er verschluckte sich so heftig, dass ihm vor lauter Husten die Tränen in die Augen stiegen. „Bitte, was?"
„Da war dieser Typ in der Sauna, ich habe achte Piercings gezählt, drei davon in seiner Eichel, ist das nicht krass?"
„Hannah!" Julius starrte sie entsetzt an.
„Sag bloß, du hast da nicht hingeschaut? Der hatte mehr Metall am Schwanz, als ich damals mit dreizehn im Mund, als ich meine feste Zahnspange hatte."
„Nein, ich habe da nicht hingeschaut, und schon gar nicht gezählt!", zischte er ihr zu und ich hätte schwören können, dass Julius rot wurde.
Nick sah mich an und zuckte mit den Schultern. „Ich habe kein Interesse meinen Penis piercen zu lassen, Sophie."
„Nein, das musst du auch nicht, Nick, dein Penis ist okay so, wie er ist. Ne glatte 9,0."
Um seine Mundwinkel zuckte es. „War das gerade ein Upgrade, Pi-Sophie?"
„Argh, verdammt." Ich verzog das Gesicht. „Das liegt nur daran, dass ich so durchgefroren bin."
„Jaa", sagte Nick gedehnt, „Red dir das nur ein, Schätzchen..."
„Ähm..." Julius sah zwischen uns hin und her, „Was für ein Upgrade hat dein Penis erhalten?"
„Das willst du nicht wissen", sagten wir wie aus einem Mund, sahen und für einen Moment perplex an und brachen dann in lautes Gelächter aus. „Hannah, erzähl du lieber von diesem gepiercten Penis." Ich wedelte mit erwartungsvoll mit der Hand.
„Da gibt es nichts zu erzählen. Witzig, dass die Jungs da immer schauen, als ob man ihnen gerade selbst mit ner Stricknadel das beste Stück durchstoßen hätte. Ich frage mich nur immer: tut das weh? Wie fühlt sich das beim Sex an? Hat die Frau da Mehrwert? Das muss doch--"
Ich hätte an dieser Stelle einige ihrer Fragen beantworten können, doch das ließ ich bleiben. Ich hatte mal einen One-Night-Stand gehabt, der... lassen wir das. Das würde ich sicher nicht erzählen, während Nick neben mir saß, und ich ihn gerade derart glücklich gemacht hatte. Mit dieser 9,0.
„Hannah... Julius wird hier gleich panisch..." Ich grinste. Denn genauso sah er gerade aus. Mr. Ich-habe-einen-Körper-aus-Stahl wurde beim Gedanken, sich mit einem Kontrahenten, der ein Körperteil mit Stahl verschönert hatte, messen zu müssen, gerade fast verrückt.
„Ich werde nicht panisch." Julius verzog das Gesicht, aber ganz offensichtlich war ihm das Thema noch unangenehmer als Nick.
„Klar wirst du." Nick schob ihm den Rest meiner Pommes rüber. „Weil dieses ganze Beziehungsding Neuland für dich ist, und so. Und du jetzt hinterfragst, ob Han-Han einen Stahlpenis präferiert."
„Ich töte dich, Gehrig. Dienstag. In der Physio. Das ist dir klar, oder?"
Ich zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Wir kürzen das Drama ab: sie möchte keinen Stahlpenis, Idiot. Sie möchte deinen. Mit oder ohne Stahl."
Hannah runzelte gespielt nachdenklich die Stirn, beugte sich dann aber zu Julius hinüber und küsste ihn sanft. „Also, wenn du ihn dir piercen lassen möchtest, ich bin da offen... Wenn es doch glücklich macht, macht es mich glücklich." Sie zwinkerte ihm zu. „Aber dein Penis ist auch so ne 10."
Erschüttert starrte Nick mich an. „Eine 10! Sophie! Hast du das -- Frechheit!"
Aber ich tätschelte ihm nur entspannt die Schulter. „Das ist der Mann aus Stahl, Nicki... Sorry... Du musst wohl einfach damit leben, dass ich dich ihm vorgezogen habe."
Es war der beste Tag seit langem. Wir hatten so unglaublich viel Spaß in der Therme, dass mir am Ende die Bauchmuskeln weh taten. Tatsächlich überzeugten mich die drei dann doch noch, mit ihnen in die Sauna zu gehen. In die 50 Grad „Mädchen"-Sauna. Damit es mir auch bloß nicht schlecht ging.
Ging es mir auch nicht. In der Tat war es wirklich witzig, vor allem, weil weder Hannah noch Julius stillschweigend auf den Holzbänken saßen, sondern genauso viel Quatsch erzählten, wie außerhalb der Sauna. Vermutlich fühlten sich einige Saunagäste von uns belästigt, aber das war zumindest Julius und Han-Han egal. Wir hatten richtig viel Spaß.
Am Ende des Tages fuhren Julius und Hannah nach Hause, und Nick und ich übernachteten im Hotel der Therme. Das sei nötig, sagte er. Nötig für uns. Ich wusste zunächst nicht, was er damit meinte und hielt es für unnötig und blöd, doch dann...
Wir gingen abends essen und im Anschluss, nachdem wir im Hotelzimmer wirklich fantastischen, knisternden Sex gehabt hatten, korrigierte ich noch einmal nach auf 9,2.
Und als ich dann neben ihm lag, in den gestärkten, weißen Hotellaken, seine warme Haut an meiner spürte und lächelnd jeden seiner gleichmäßigen Atemzüge wahrnahm, wusste ich, warum Nick das hier alles getan hatte.
Es war nötig.
Es war wirklich wie... Urlaub. Wie ein Kurztrip nach... ja, wie nach Bali. Wie ein Vorgeschmack auf die Reise, die ich ihm zu Weihnachten versprochen hatte. Die ich mir zu Weihnachten versprochen hatte. Es war ein Einatmen, ein Luftholen, bevor all das losgehen würde, vor dem ich eigentlich am liebsten davon laufen würde.
Nach diesem Tag, dieser Nacht, dieser Auszeit, waren wir endlich wieder ganz wir. Es gab keine Handbremse mehr. Die Mauer zwischen uns, die Kluft, die die Entführung zwischen uns geworfen hatte, vielleicht auch meine Alkoholeskapaden, war für mich nicht mehr existent.
Für mich war klar, dass die nächsten Wochen die Hölle werden würden. Ich stand vor der Konfrontation mit meinem schlimmsten Alptraum. Aber ich war mir nach heute sicher, dass ich das schaffen würde. Dass wir das schaffen würden.
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