Fucking Superheld: 16 ~ Nick
Zimmer 221 lag genau vor mir. Die Tür war geschlossen, der Fußboden glänzte, es roch vertraut nach Desinfektionsmittel. Die Schwester, die Dienst hatte, war auch am Mittwoch hier gewesen und hatte mir fröhlich zu gelächelt.
Ich stand ewig vor dem Zimmer, trat aber nicht ein. Mir lagen Wackersteine im Bauch. Ich hielt stumpfsinnig einen Blumenstrauß in der Hand. Ich kam mir total ungelenk vor, aber ich hatte etwas mitbringen wollen und...
Schnaps. Ich brauchte dringend einen Schnaps.
„Sie können ruhig klopfen..." Die Schwester lächelte mich freundlich an. „Sie ist wach."
„Hat sie..." Gott, wenn ihr Eltern da waren? Das war meine größte Angst. „Hat sie keinen Besuch?"
Die Schwester schüttelte den Kopf. „Nein. Heute war noch niemand da. Sie wird sich freuen."
Mein Kopf pochte. Heute war noch niemand da. Wo waren ihren Eltern? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich früher her gefahren und hätte nicht bis nachmittags gewartet.
Ich holte tief Luft und klopfte leise an die Tür.
„Herein..."
Mein Magen sackte durch bis zu meinen Füßen und die Türklinke ließ sich nur mit aller Gewalt öffnen. Mir war schlecht. Die Tür öffnete sich schwer wie ein Burgtor, gegen das sich eine Armee Orks stemmte. Ich räusperte mich heiser und trat ein. „Ähm.. hi... hi, Pi-Sophie..."
Sie saß im Schneidersitz auf dem Bett und las in einem Buch. Sie steckte in einem übergroßen Sweatshirt und Leggins. Ihre Augen weiteten sich ein wenig als sie mich erkannte, aber ihre Miene verriet nichts. Keine Freude, keine Abneigung, nichts. Sie sah mich einfach nur ausdruckslos an und klappte dann das Buch zu. „Hallo."
Ich schluckte. Keine Ahnung, was ich sagen sollte. Das Blumengestrüpp in meiner Hand half auch nicht dabei. Hätte ich die Blumen nur nicht mitgebracht. Ich kam mir so unglaublich ungelenk vor. So unbeholfen und dumm. „Darf ich?"
„Tu dir keinen Zwang an." Pi beobachtete mich, wie ich näher kam und sehr umständlich – umständlicher als nötig – einen der Stühle heran zog und den Blumenstrauß ans Fußende des Bettes legte.
„Ähm... ja... Blumen...", murmelte ich verlegen. „Für dich..."
Sie sah mich an und hob ihre Augenbrauen ein Stück. „Danke."
Ich konnte ihrem Blick nicht Stand halten und stand wieder auf. „Hast du eine Vase hier?" Suchend sah ich mich um und entdeckte ein großes, leeres Wasserglas auf dem Tisch. „Darf ich?", fragte ich und stellte die Blumen hinein, füllte Wasser vom Waschbecken in der Ecke hinein und den Strauß auf den Tisch. Dann setzte mich zurück zu ihr. Ich war nervös. Mein Bein wippte hibbelig auf und ab, ohne dass ich es steuern konnte.
Sie sah mich noch immer an, ohne einen Ton zu sagen.
„Wie geht es dir?", fragte ich leise. Ich wusste, dass ich die Frage nicht stellen sollte. Dass es eine der Killerfragen war, die ich sicherlich auf alle Fälle vermeiden sollte. Bernicke hätte mir vermutlich den Hals umgedreht, wenn sie das gehört hätte.
Pi reagierte nicht auf meine Frage. Stattdessen blinzelte sie nur. „Wo warst du?"
„Was?"
Sie schluckte. „Wo - zur Hölle - warst du?"
Ich schloss die Augen. Na toll. Sie kam also gleich zur Sache. „In Heidelberg..."
„Oh..." Sie ließ die Schultern sinken und ihre Miene verrutschte. Verwirrung machte sich breit, dann sah ich Enttäuschung und zuletzt Wut. Sehr viel Wut. „Aber du warst hier. Und dann haust du ab nach Heidelberg und sagst noch nicht mal tschüss?"
Ich schloss die Augen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nicht mit dieser ungehaltenen Wut, die mir entgegen schlug. Dagegen war ich nicht gewappnet... „Pi... ich..."
„Du?"
„Es tut mir leid..." Ich atmete tief durch. „Es tut mir wirklich sehr, sehr leid..."
„Warum bist du einfach abgehauen?"
„Ich bin nicht einfach abgehauen..." Ich schluckte. Ich konnte ihr nicht sagen, dass ihr Vater mich weggeschickt hatte. Das bekam ich nicht heraus.
„Du hast dich nicht verabschiedet."
„Du hast geschlafen. Deine Eltern waren bei dir... Ich..." Ich rieb mir über die Nasenwurzel und spürte das Pochen in meinem Kopf. „Ich hätte mich verabschiedet. Aber du hast geschlafen und ich musste... ich musste zurück."
„Warum?"
Ich schloss die Augen. „Weil ich nicht mehr konnte... Ich hatte keine Kraft mehr." Das war zumindest nicht gelogen. Wenn Jan mich nicht nach Hause geschickt hätte, wäre ich irgendwann zusammengebrochen. Mental und vermutlich auch körperlich. Wenn meine Schwester mir die Schlaftabletten aufgeschrieben hätte, wäre ich in den letzten Tagen durchgedreht.
„Und warum kommst du erst heut? Warum?" Sie starrte mich noch immer mit dieser Wut im Blick an. Ich hielt das kaum aus. Es war der gleiche Blick, mit dem sie mich damals in meiner Küche angesehen hatte, als sie Carries Akte angesehen hatte. Nein, nicht der gleich. Ähnlich. Jetzt war sie verletzter. Verwundeter.
„Es tut mir leid..."
„Warum, Nick?!"
„Deine Eltern waren hier... ich wollte nicht... Ich... ich wollte nicht stören..." Ich ließ die Schultern sinken und sah sie an. Suchte ihren Blick – und fand ihn. Und in diesem Moment brach sie.
Ihre blauen Augen füllten sich mit Tränen. „Du hättest stören müssen..." Sie schluckte. „Du hättest einfach stören müssen..."
„Pi..."
„Sie haben mich wahnsinnig gemacht...", flüsterte sie und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.
„Es tut mir so leid..." Ich schluckte. Hätte ich das nur gewusst... Nein. Ich hatte das gewusst. Ich hatte gewusst, wie schwierig das Verhältnis von Pi zu ihren Eltern war. Wie angespannt die Situation damals gewesen nach Carries Tod gewesen war, dass Pi ihre Eltern nach Bali geschickt hatte. Ich hätte wissen müssen, dass sie Pi wieder erdrückten. Ich hatte es ja selbst mitbekommen, als sie das Zimmer nicht verlassen hatten. Und ich hatte nichts gemacht. Ich war wie gelähmt gewesen. Ich war nicht ihr fucking Held gewesen. Ich war einfach ein Typ gewesen, der gewartet hatte. Auf was auch immer.
Pi kämpfte einen Moment mit ihren Tränen, dann richtete sie sich auf und sah mich aus großen blauen Augen an. „Es geht."
„Was geht?"
„Du hast gefragt, wie es mir geht. Es geht." Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bekomme besser Luft und die Prellungen verheilen. Dienstag werde ich vermutlich entlassen."
„Wow. Das ist toll."
Sie lächelte matt. „Ja. Ist es."
„Und..." Ich holte tief Luft. „Wie... also... wie steckst du... das alles weg?"
Sie wich meinem Blick aus und schluckte. Sie zuckte wieder mit den Schultern. „Geht."
......
❄🌩⚡❄❄❄❄
Na? Bisschen frostige Stimmung auf der Party, was?
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