Die DTA: 5 ~ Jan
Nick schuldete mir was. Ernsthaft. In drei Stunden würde meine Freundin am Flughafen landen und ich hatte sie seit vier Wochen nicht gesehen. Ich verstand ihn, ehrlich, auch ich machte mir Sorgen um Sophie, aber wenn ich in drei Stunden nicht in Frankfurt am Flughafen sein würde, würde Sarah mir den Kopf abreißen. Und sie war eigentlich mega verständnisv--... Nein, sie war ne Dramaqueen. Mein Kopf würde definitiv rollen.
Aber ich verstand ihn. Und ich mochte den Typen mittlerweile. Außerdem ging es um Sophie und alle waren immer noch angespannt - ich auch, obwohl ich es mir nicht anmerken ließ. Die Familie konnte nicht noch ein Wrack gebrauchen. Fred hielt sich mäßig wacker, Marina war fix und fertig und Nick war... schwer berechenbar. Ich hatte früher in meiner Jugend durchaus Erfahrung mit psychischen Erkrankungen gemacht und soweit ich das einschätzen konnte war der Junge in einer totalen Traumaschleife. Der gehörte weitaus besser betreut als wir es ihm im Moment familiär bieten konnten und ich war mir durchaus bewusst, dass der garantiert ein noch viel größeres Paket mit sich herumtrug als die aktuelle Situation. Ein sehr viel größeres Paket.
Als ich klingelte öffnete mir sein Kumpel Julius. Ich hatte ihn vor ein paar Tagen bereits kennengelernt, als wir alle, auch Pis Eltern, bei Becky und Tom zum Essen gewesen waren. Es war eine trostlose Runde gewesen. Irgendwie wünschte sich jeder, dass endlich ein Erpresserbrief auftauchen würde, so makaber das klang. Fred war bereit jede Summe zu zahlen um seine Tochter wieder zu bekommen, das hatte er sogar der Polizei gesagt. Und mit jede Summe meinte er jede, die das Familienvermögen hergab.
„Hey...", grüßte ich die beiden. Die zwei saßen in Nicks Küche. Auf dem Tisch standen einige leere Bierflaschen und ich fragte mich unwillkürlich, wie lange die Jungs schon zusammensaßen. Sie boten mir auch ein Bier an, aber ich lehnte ab. „Ich hab nicht allzu lange Zeit... ich muss zurück nach Frankfurt." Ich zog mir einen der Stühle heran und setzte mich vorsichtig darauf, so dass mir die alte Hüftverletzung nicht allzu große Schwierigkeiten bereitete.
„Ich hab ein paar Fragen über Pi", begann Nick ohne Umschweife und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Sein Blick war glasig und ich überlegte, ob das an der Situation lag oder dem Alkohol geschuldet war.
„Schieß los."
„Du hast erzählt, Pi hätte diese Geste gemacht..."
Ich nickte. Sie hatte immer wieder nach etwas gegriffen. „Ja. Die ganze Zeit über."
„Aber sie hat nicht gesagt, warum?"
„Nein. Sie ist nur plötzlich aufgesprungen und hat gesagt, sie müsse zurück nach Heidelberg. Dann ist sie gefahren..."
Nick rieb sich das Kinn. Er schien eine Weile nachzudenken. Dann lehnte er sich vor, stützte sich auf den Ellbogen ab und sah mich aufmerksam aus seinen blauen Augen an. „Wie gut kennst du ihren Freund Mo?"
„Es geht so." Ich fragte nicht, wieso er fragte. Wieso auch? „Die zwei kennen sich seit der Schulzeit. Waren immer ein Kopf und ein Arsch. Sein Vater ist in NRW im Landtag für die Grünen, glaube ich. Er hat manchmal die Ferien im Schlosshotel mit ihr verbracht."
„War da mal mehr?"
Ich erwiderte seinen Blick und legte den Kopf schief. „Eifersüchtig?" Aber so, wie Nick mich an sah, hatte er für den Scherz gerade überhaupt kein Verständnis. Ich wusste auch nicht, ob ich es als Scherz gemeint hatte. „Ich weißt nicht. Ehrlich nicht." Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich zurück. Nicks Blick wurde nicht eine Spur weicher. „Du musst wissen, ich... war ein paar Jahre... von der Bildfläche verschwunden. Pi und ich hatten zwar immer ein gutes Verhältnis als sie jünger war und sie hat mir viel erzählt, was sie so angestellt hat und mit wem. Aber wir hatten nicht permanent Kontakt. Ich bin nicht ihr Kumpel. Ich weiß ein bisschen was...", ich zuckte mit den Schultern, „Aber nicht viel von Moritz..."
Ich sah, wie Nick ein wenig aufatmete. Nicht viel, aber immerhin. „Und von seiner Seite?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Kann sein. Schau sie dir an..." Ich seufzte leise und spürte, wie er sich anspannte. Sein Kiefer knackte hin und her und er stand so unter Strom, er wäre sicher geplatzt, wenn man ihn angestochen hätte.
Julius räusperte sie. „Und...", sagte er dann und übernahm das reden für Nick, der offensichtlich gerade in seinem eigenen Film gefangen war. „Kennst du auch diese Jana?"
Ich runzelte die Stirn. „Wen?"
„Die Ex?" Julius sah mich offen an. „Moritz war wohl mit ihr zusammen, kurz bevor das mit Carrie passiert ist."
Ich dachte nach, schüttelte dann aber den Kopf. „Ne, tut mir leid. Ich war in der Zeit davor in den Staaten und bin selbst erst kurz bevor das passiert ist zurück nach Deutschland gekommen. Diese Jana kenne ich nicht."
„Fuck." Nick ließ den Kopf sinken.
„Wieso?"
„Ich weiß nicht..." Er rieb sich über die Augen. „Weil diese Jana plötzlich aus der Versenkung auftaucht, meine Freundin sich mit ihrem besten Freund überwirft, dieses beschissene Freundschaftsband wieder auftaucht und Pi verschwindet. Deshalb. Einfach deshalb. Fuck!"
Ich sah ihn stumm an.
„Vielleicht Zufall?", murmelte Julius leise.
„Vielleicht Zufall", echote ich und sah auf Pis Freund vor mir, der den Kopf hängen ließ und dem die Verzweiflung ganz offensichtlich ins Gesicht gemeißelt stand. „Es gibt keine Zufälle im Leben...", murmelte ich. „Ist alles Schicksal..."
Wir schwiegen eine ganze Weile. Nick, weil er offensichtlich keinen Ton mehr heraus bekam und Julius – ich glaubte, der war mit der Situation gänzlich überfordert. Ich dachte einfach nach. Über Moritz, dem ich nicht zutraute, Pi entführt zu haben. Die beiden waren viel zu gut befreundet. Das passte einfach nicht zu ihm. Der Junge war grundehrlich. Aber diese Sache mit Carrie... Das Freundschaftsband? Wie passte das da rein?
„Was ist diese Jana für ne Type?", fragte Julius irgendwann.
„Wie meinst du das?"
„Ich meine, was wissen wir über die?" Er rutschte auf seinem Stuhl herum und knippelte am Etikett seiner Bierflasche herum. „Wo kommt die her? Was macht die?"
„Jana war mit Pi und Mo auf der Schule", sagte Nick langsam und zuckte dann mit den Schultern. „Wesentlich mehr weiß ich nicht." Schwer atmete er ein und hob langsam den Kopf. „Sie war mit Mo zusammen. Etwa zur Zeit als das mit Carrie passiert ist... ich glaube, sie haben davor Schluss gemacht." Er schloss wieder die Augen und sah mit einem Mal unglaublich müde aus. „Mehr weiß ich auch nicht."
„Nachname?", fragte Julius.
Nick schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung."
„Man! Du musst doch irgendetwas haben, was du ---"
„Nein, man!!", fauchte Nick plötzlich und schlug auf den Tisch.
„Junge, du bist Polizist. Bring deinen Arsch in Stellung und finde was über das Mädchen raus! Es muss doch irgendetwas geben, das ---"
Ich sah Julius scharf an. „Julius, ich glaube es reicht."
„Was?! Er kann sich doch nicht so hängen lassen!"
Nick stand kommentarlos auf und verließ die Küche. Die Tür knallte hinter ihm zu.
Julius starrte ihm geschockt nach.
„Doch, kann er." Ich seufzte schwer. „Er kann nicht mehr..." Ich sah auf mein Handy und stöhnte innerlich auf. Ich würde gleich telefonieren müssen und meiner Freundin erklären, dass sie Taxi fahren musste. Egal. Ich würde jetzt auf gar keinen Fall zurück nach Frankfurt fahren. Sarah würde das verstehen.
„Aber er..." Julius brach ab. „Er ist mein bester Freund... Ich... Wir müssen irgendetwas machen... Der darf daran nicht zerbrechen. Nicht nochmal..."
Ich hatte keine Ahnung, was er mit nochmal meinte, nickte aber.
Ich sah auf den Küchentisch. Ich wusste genau, was er meinte. Den besten Freund so zu sehen war ein beschissenes Gefühl. Ich kannte das nur zu gut. Bei mir war es zum Glück schon viele Jahre her. Aber die Zeit damals war für meinen besten Freund die Hölle gewesen. Da war viel Aufbauarbeit nötig gewesen und viel Zeit... Und...
„... die DTA...", murmelte ich.
„Was?" Julius sah mich an.
Es war ein Gedankenblitz. Ich musste lächeln, während ich nach meinem Handy griff. Natürlich. Warum hatte ich da nicht früher dran gedacht? Ich öffnete Facebook und suchte nach Pis Kontakt. Suchte in ihrer Freundesliste nach Moritz Meier. Zu meiner eigenen Überraschung war ich selbst mit ihm befreundet, was das weitere Vorgehen erleichterte. Ich rief seine Freunde auf und suchte nach möglichen Janas. Er war mit 6 Janas befreundet. Das grenzte die Suche deutlich ein.
„Was ist die DAT?"
„DTA", korrigierte ich automatisch.
Ich stand auf, ging an den Kühlschrank und holte mir jetzt selbst ein Bier heraus. Ich trank eigentlich nicht, aber darauf, auf diesen Geistesblitz, musste ich zumindest mit mir selbst anstoßen.
„Die Deutsche Tratschagentur", sagte ich dann und hörte aus dem Flur Schritte. Dann wurde die Tür zur Küche wieder geöffnet und Nick kam zurück. Er sagte kein Wort, setzte sich nur und nahm sich eine Flasche Wasser.
Ich schob ihm kommentarlos mein Handy hin.
„Was ---?", fragte er, scrollte dann aber über den Bildschirm.
„Ist sie dabei?"
Er starrte angespannt auf die Profilbilder und nickte dann. Ja Na Ste. Gut. Ich nickte.
„Das Profil ist nicht öffentlich", sagte er und gab mir mein Handy zurück. Ich lächelte mild, machte einen Screenshot und wählte eine Nummer.
Die Jungs beobachteten mich schweigend, während ich in der Küche auf und ab lief. „Schrecki, du mein liebstes Schreckgespenst. Alles fit im Süden Mordors?"
„Nerv mich nicht im Feierabend. Ich hab ne Schlammmaske im Gesicht und trinke Dosenprosecco mit meinem Traummann und hab was Versautes mit ihm vor. Frankyboy, was willst du?" Maica grinste, das hörte ich an ihrem genervten Tonfall.
„Ich brauche deine Dienste."
„Als was? Auftragskillerin? Typberatung? Oh, warte: darf ich jemanden zu Tode quatschen??"
„Das bleibt abzuwarten." Ich lächelte. „In erster Linie brauche ich deine Agenten-Softskills."
„Wuuhu, klingt gefährlich. Bin ganz Ohr, Franky."
Ich lehnte mich gegen die Spüle und sah Nick lange an. „Warte kurz." Ich schickte Maica den Screenshot, den ich von Janas Profilbild gemacht habe. „Hör zu, wir brauchen Informationen über die Person hinter diesem Profilbild. Alles, was du findest. Facebook, Insta, Social Media, alles. Jedes fucking Tik Tok Video, das sie mit 13 gemacht hat. Alles."
Maica sagte tatsächlich für ganze 10 Sekunden nichts. Dann nannte sie mich zum ersten Mal seit bestimmt drei Jahren bei meinem echten Namen. „Warum?"
„Weil sie vielleicht ein böses Mädchen ist."
„Uhh, wie Ficki? Oder richtig böse?"
Ich schwieg kurz. „Machst du es?"
Und tatsächlich signalisierte mir Maicas Schweigen ihre volle Aufmerksamkeit. „Jan, bittest du mich gerade im Dreck zu wühlen?"
Sie nannte mich nie Jan. „Ja."
„Was hat das Mädchen gemacht?"
Ich schwieg einen Moment und sah hinüber zu Nick. „Offiziell nichts."
„Und inoffiziell?"
„Inoffiziell zahle ich dir ein Jahr lang Schokobons. Und wenn es sein muss... dieses Wellnesswochenende mit Sarah, von dem du die ganze Zeit vor Basti sprichst."
„Verstehe. Dann muss es dir echt wichtig sein..." Sie schwieg wieder. „Wie geht's Sarah?"
„Die lyncht mich später, weil sie vom Flughafen nach Hause laufen muss."
„Oh, geil, nach nem 13 Stunden Flug?! Mega. Das heißt bestimmt keinen Sex, Frankyboy..." Sie lachte. „Aber daran bist du ja gewöhnt. Diese Fernbeziehungen sind furchtbar."
„Miststück."
„Ich liebe dich auch. Ich melde mich, wenn ich was für dich habe."
„Gruß an Basti. Bis dann..." Damit legte ich auf.
Die Jungs starrten mich an.
„Will ich wissen, mit wem du da gesprochen hast?", fragte Nick. „Ich bin immer noch bei der Polizei..."
„Du bist suspendiert."
„Noch nicht." Er starrte mich an, ließ dann aber die Schultern sinken.
„Eine Freundin von mir mit... speziellen Fähigkeiten, was... Social Media Recherche angeht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen." Maica war unschlagbar. Sie hatte Psychologie und Kommunikationswissenschaften mit Schwerpunkt Social Media studiert und während des Studiums war sie sehr gut in Spurensuche im Internet geworden. Es gab Firmen, die sie engagierten, um hinter ihnen im Internet aufzuräumen. „Sie meldet sich, wenn sie was hat. Das wird nicht lange dauern."
Mein Handy klingelte. „Sorry, da muss ich dran..." Ich lächelte und nahm ab. „Hallo Welt."
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Hallöchen aus dem Süden Mordors,
ich hoffe, ihr hattet genauso viel Freude mit dem kleinen Cameo Auftritt wie ich 💕🦄🎉🌞
#MaicamachtdasWürstchen #lieblingscharakter #schokobons
So, ich drossele mal mein Tempo, Ostern ist vorbei. Wünsche euch ne gesunde, Coronafreie Woche, ich und mein 🐰🦄 hoppeln mal in die Anstalt gibt.
LG
Emci
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