Das Verschwinden: 1 ~ Nick
Ich klingelte unten an Sophies Haustür, aber die Tür war offen, deshalb lief ich direkt die Treppe hinauf. Als ich Pi angerufen hatte war ich erleichtert, aber zeitgleich total alarmiert gewesen. Irgendetwas war passiert.
Es war ihr Tonfall gewesen. Sie hatte so distanziert geklungen, so kalt und abweisend. Als ob sie total neben sich gestanden hatte. Aber immerhin war sie ans Telefon gegangen. Das war ein Anfang, oder? Dieser beschissene Streit. Ich hätte mir niemals diese Akte schicken lassen dürfen. Damit hatte es angefangen. Ich hätte sie fragen sollen. Ich hatte Pi versprochen, keine Nachforschungen über ihr totes Pferd anzustellen. Ich hätte mich einfach daran halten sollen. Aber das hatte ich nicht getan. Irgendetwas hatte mich angetriggert. Vermutlich meine eigene Dummheit. Am Ende hatte ich mir die Ermittlungsakte aus Düsseldorf schicken lassen, Pi hatte sie gefunden und wir hatten uns furchtbar gestritten. Zu recht. Seitdem ging alles schief. Mit uns. Dann noch dieser Vorfall auf dem Einsatz... Egal. Das war jetzt scheißegal.
Ich hatte sie angerufen. Nach diesem Streit war das das einzige, was zählte.
Ich hatte nicht ganz zwanzig Minuten gebraucht zu ihr.
Jetzt stand ich vor ihrer Haustür und wartete, dass sie öffnete. Aber es tat sich nichts. Ich klingelte erneut. Nichts. Ich klopfte. Keine Reaktion.
„Pi?" Ich klopfte erneut, diesmal etwas lauter. „Ich bin's, Nick. Ich bin da, mach auf." Ich klingelte noch mal. Wieder keine Reaktion.
Ich spürte, wie mein Puls sich beschleunigte. Scheiße. Da stimmte was nicht. Ich fischte aus meiner Hosentasche mein Handy und klopfte noch mal. „Sophie!!"
Ich wählte ihre Nummer. Für einen kurzen Moment hatte ich gehofft, dass sie die Wohnung verlassen hatte. Aber ich hörte ihr Handy klingeln. Shit, hoffentlich war sie nicht umgekippt. Ich legte auf und wählte die 112, während ich lauthals gegen die Tür hämmerte. Ich schilderte die Situation. Ich sollte ruhig belieben, nicht über reagieren. Jaa, sicher. Dafür war ich im Moment prädestiniert. Ich hatte gestern im Dienst einen scheiß Drogendealer zusammengeschlagen und würde garantiert für die kommende Zeit suspendiert werden. So viel zum nicht über reagieren.
Mir selbst sagte ich in den folgenden Minuten wieder und wieder, dass ich auf gar keinen Fall die Tür eintreten durfte. Wieder und wieder rief ich Pis Handy an in der Hoffnung, dass sie abheben würde. Aber irgendwann schaltete mein Verstand einfach aus.
Ich hatte zu viel Schiss, dass ihr etwas passiert war.
Es brauchte nicht viel Kraft. Die Tür war nicht abgeschlossen, sie gab sofort nach und sprang einfach nach innen auf.
„Pi?!" Ich stürmte in die Wohnung - aber sie war leer. Verlassen.
Das einzige, was ich fand, war ihr Handy auf dem Boden im Flur und daneben, neben dem Teppich ein verkrustetes, verdreckter Klumpen, der aussah wie ein Streifen Stoff.
Mein Verstand setzte aus. In meinem Ohr war nur noch ein lautes Rauschen zu hören.
Wo war Pi?
Ich wartete geschlagene zehn Minuten auf den Streifenwagen, Feuerwehr und den Rettungswagen. Die Kollegen von der Rettung waren sehr nett, aber das war mir egal. Ich war total durch. Kaum aufnahmefähig.
„Was ist hier los?", fragte der Streifenpolizist.
Ich schilderte die Situation. Wieder und wieder. Pis Anruf. Ihre genauen Worte, dass ich geklingelt, geklopft hatte, dann das Handy angerufen hatte. Mir Sorgen gemacht hatte, ob sie umgefallen war.
Ob die Tür verschlossen gewesen war? Ob sie die Wohnung verlassen hatte? Waren ihre Schlüssel da? War sie zum Bäcker gegangen? Eine wichtige Besorgung machen?
Warum hatte das Handy dann auf dem Boden gelegen?
Scheiße. Die glaubten mir nicht.
Okay. Nick, beruhig dich. Komm runter. Du bist vom Fach.
Ich wollte sofort eine Vermisstenanzeige aufgeben. Aber die zwei Kollegen lachten mich regelrecht aus.
„Jetzt machen Sie mal halblang, Kollege." Der Kollege von der Streife legte mir die Hand auf die Schulter. Ich wollte ihm am liebsten die Faust ins Gesicht schlagen. „Die taucht bestimmt gleich wieder auf. Die ist sicher kurz beim Bäcker."
Wie denn ohne Geldbörse? Und wenn nicht, mein Freund, mach ich dich persönlich dafür verantwortlich. Das schwör ich dir.
Die beiden Jungs von der Streife rauschten ab, nachdem sie den Schaden von der Tür aufgenommen und die Feuerwehr das Schloss getauscht hatte. Die Mieterin sollte den neuen Schlüssel gegen Vorlage des Personalausweises auf der Wache abholen. Haha.
Mich ließen sie vor der geschlossenen Tür alleine zurück. Ich war kurz vorm Ausrasten.
Nervös saß ich zwei Stunden lang im Treppenhaus und wartete, dass sie zurückkommen würde.
Shit.
Sie war nicht bei Moritz.
Sie war nicht bei Ida. Ida war bei ihrer Familie in Kassel.
Sie war bei niemandem ihrer Uni-Freunde. Ich hatte alle angerufen, von denen ich die Nummer hatte. Pis Handy lag noch immer hinter der Tür. Ich hatte es nicht angerührt.
Ich musste mich ablenken.
Ich musste dringend runterkommen.
Ich drehte langsam durch.
.....
Naja, erster Tag und so. Wir brauchen einen RICHTIGEN Start. Hab ich gedacht.... wir müssen erst mal richtig in die Gänge kommen. Corona und so. Ein Danke an alle, die gerade arbeiten, durchdrehen und so #wirbleibenzuhause #ichdrehelangsamdurch
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