Casterlystein: 30~ Pi
Alles in mir sträubte sich dagegen, diesen Anruf zu tätigen. Ich wollte das nicht tun. Ich wusste, warum ich seit Wochen diesen Anruf vor mir herschob und ich wollte auch nicht von ihm unter Druck gesetzt werden.
Auf der andren Seite war mir aber auch klar, dass ich nicht weiter Ausflüchte finden konnte. Dr. Harris hatte das gesagt und Bärenfels hatte das gesagt und der neue Therapeut hatte das auch schon ein paar Mal gesagt.
Ich war ja auch nicht blöd. Ich wusste, dass ich Ruhe in die Beziehung zu meinen Eltern bringen musste. Ich hatte aber keine Lust auf die Auseinandersetzung mit meinem Vater.
Nick malte sanft auf meinem Rücken herum. „Komm schon..."
Ich sah auf das Display meines Handys und seufzte schwer. „Ich hasse dich..."
Seine Hand auf meinem Rücken wanderte höher, bis hinauf zu meinem Schulterblatt. Er hielt inne, vermutlich stellte er fest, dass ich auf einen BH verzichtet hatte. „Tust du nicht..."
Ich rollte die Augen und genoss die sanften Berührungen viel zu sehr. Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter und ich entriegelte das Handy. Störrisch starrte ich auf die Kontakte im Telefonbuch, bis ich mir einen Ruck gab, mich aufsetzte und wählte. Nicks Hand rutschte von meinem Rücken und er beobachtete mich aufmerksam, während ich nervös wartete, dass jemand in Düsseldorf ans Telefon ging.
„Siehst du?", pampte ich ihn an und war schon drauf und ran, das Telefon in die nächste Ecke zu werfen, als –
„Pi?"
Ich verschluckte mich. Es war Maja. Darauf war ich nicht eingestellt gewesen. Auf Mama oder Papa, aber nicht auf meine kleine Schwester. „Ähm, ja... hi, Maja."
„Was willst du?" Ihre Stimme klang kühl und reserviert.
Tja, gute Frage. Ich wollte nichts. Ich wollte meine Ruhe und dass sie meine Entscheidung akzeptierten, wieder in Heidelberg sein zu wollen. „Frohe Weihnachten sagen...", murmelte ich und sah Nick an. Siehst du, wollte ich am liebsten sagen.
„Weihnachten ist fast rum", ätzte Maja, „Du hast es verpasst. Du hast noch nicht mal Bescheid gesagt, dass du nicht kommst" Weiß du eigentlich, wie enttäuscht Mama war?! Und Oma und Opa erst?!"
Ich hielt das Handy von meinem Ohr weg und schloss die Augen. Meine Augen fühlten sich an, als hätte jemand Sand hinein gestreut. „Gibst du mir Mama?", flüsterte ich und spürte, wie meine Stimme brach.
„Sophie..." Nick legte mir beruhigend eine Hand aufs Knie, während sich meine Augen immer weiter mir Tränen füllten und ich dagegen ankämpfte. Diese dumme Kuh. Diese blöde Ziege. Ich wollte auflegen. Ich wollte wirklich auflegen, während ich hörte, wie Maja quer durchs Haus nach meiner Mutter schrie.
Maja sagte nicht, wer am Telefon war, das hörte ich und als ich die gehetzte Stimme meiner Mutter mit einem knappe „Ja, hallo?" hörte, wusste ich, dass sie nicht ahnte, dass ich am anderen Ende der Leitung war.
Ich hielt die Luft an, bis ich das Gefühl hatte, vor lauter Sauerstoffmangel umzufallen. „Hi, Mama..."
„Sophie." Ihre Stimme brach ab und ich hörte ein Geräusch im Hintergrund. Vermutlich hatte sie die Tür zum Arbeitszimmer geschlossen. Dann entstand Schweigen zwischen uns. Langes, zähes Schweigen, in dem niemand etwas sagte. Keine Vorwürfe, nichts. Nur Stille.
Ich hörte ihren Atem, sie meinen.
Ich kämpfte mit dem Kloß in meinem Hals und mit meiner unverhohlenen Wut auf Maja. Und ich stellte fest, wie sehr mir meine Mutter fehlte. Wie sehr mir mein Vater fehlte. So anstrengend und ätzend die beiden auch waren, sie waren meine Eltern. Sie hatten sich furchtbar verhalten. Aber ich konnte das nicht mehr...
Ich musste ihnen vielleicht doch die Hand reichen.
Also nahm ich Anlauf... und sprang. Wie damals bei Nick.
„Fröhliche Weihnachten...", flüsterte ich.
„Fröhliche Weihnachten", gab sie nach einer Ewigkeit zurück und legte auf.
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Ein kleiner Teil zum wieder rein kommen... evtl hab ich nachher "Nachschlag"
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