7. August 1976
Sirius' POV
Ich weiß nicht genau, was ich zu finden erwartet hatte, als ich begonnen hatte, das Tagebuch meines Bruders zu lesen, doch ich hatte nicht damit gerechnet, einige meiner ehemaligen Feinde in Hogwarts besser verstehen zu lernen. Evan Rosier. Severus Snape. Zwei Menschen, die ich bis vor Kurzem allein dem Begriff Todesser zugeordnet hätte. Bis vor Kurzem, waren sie für mich nur zwei Todesser gewesen. Zwei von vielen. Genau genommen, waren sie dies mehr oder weniger immer noch, aber trotzdem war es ein wenig anders, wenn man auch nur minimal mehr über sie und ihre Vergangenheit wusste.
Trotzdem sah man das Ganze mehr oder weniger aus ihrem Blickwinkel. Nicht nur aus meiner Perspektive. Womöglich bewirkte es sogar, dass ich ihre Beweggründe besser nachvollziehen konnte. Verstehen konnte, warum sie sich dazu entschieden hatten, Voldemort zu folgen. Warum sie geglaubt hatten, dass ihre Leben dadurch besser werden würden. Doch vor allem wollte ich verstehen, warum Regulus sich ihnen ebenfalls angeschlossen hatte.
Denn mittlerweile, konnte ich ihn nicht mehr nur als willenlosen Todesser sehen, der in Voldemort den Retter der Zaubererwelt gesehen hatte. Ich könnte mir Regulus, so, wie ich ihn bis jetzt durch das Tagebuch kennen gelernt hatte, nicht als kaltblütigen Mörder vorstellen, der sich Voldemort aus purer, höchster Überzeugung angeschlossen hatte. Vielleicht lag dies aber auch daran, dass ich es mir gar nicht so vorstellen wollte. Dass ich meinen Bruder nicht so sehen wollte.
Dennoch konnte ich mir Regulus nicht als Mörder vorstellen. Ein Todesser, ja. Aber kein Mörder. Dafür war er viel zu sensibel, viel zu zögerlich gewesen. Vielleicht auch ein wenig zu gutherzig. Dennoch hatte er sich ihnen angeschlossen.
" Verdammt, Regulus.", hörte ich mich selbst sagen. " Wer zur Hölle warst du?"
7. August 1976
Hallo.
Entschuldige bitte meine Schrift, aber ich fürchte, mir geht es momentan nicht besonders gut.
Ich fühle mich seltsam. Kraftlos. Erschöpft. So, als hätte ich den ganzen Tag über Quidditchtraining gehabt, welches besonders anstrengend war. Doch das hatte ich nicht, nein. Meine Erschöpfung hat wohl keinen physischen Hintergrund. Im Gegenteil. Heute ist wieder einmal zu viel passiert- zu viel, für einen einzigen Tag. Zu viel, als dass ich es ebenso schnell verarbeiten könnte, wie es passiert ist. Zu viel, als dass ich mich sonderlich schnell daran gewöhnen könnte.
Eigentlich, war heute ein ganz normaler Tag. Sirius und ich waren von Kreacher geweckt worden, die Familie hatte im Salon gefrühstückt, und dabei kaum ein Wort geredet. So, wie so oft. Kaum jemand redet beim Essen, Mutter hatte uns einmal beigebracht, dies wäre unhöflich. Auch weiß ich ehrlich gesagt nicht, was ich am Esstisch erzählen, oder über was ich reden soll. Schließlich glaube ich, dass es wenig gibt, was den Rest der Familie besonders interessieren würde.
Viele von ihnen, machen oft einen recht gleichgültigen Eindruck, so, als wären sie stets ein wenig gelangweilt. Als wäre ihnen das Meiste auf dieser Welt egal. Doch das ist es nicht, und das weiß ich jetzt. Auch, wenn Mutter und Vater kühl und gleichgültig wirken, so bedeutet dies nicht, dass ihre Laune nicht von einer Minute auf die nächste umschlagen, und aus kühler Wirkung plötzlich glühende Wut werden kann.
Auch, wenn sie oft ruhig wirken, so, als wären sie nur schwer aus der Ruhe zu bringen, so weiß ich nun, dass dies täuscht. Oft braucht es nur ein einziges, falsches Wort, ehe der Sturm im Grimmauldplatz losbricht. Ehe meine Eltern ihre kalten Masken ablegen, und ihre dahinter versteckt gehaltene Wut zum Vorschein kommt. So, wie es heute passiert ist. Doch dazu später mehr.
Wenn ich mich in meinem Stuhl zurück lehne, und mich an den heutigen Tag erinnere, so höre ich ihre Stimme und die Wut darin noch immer. Höre noch immer ihr Fluchen, das Geschrei, das von der unteren Etage des Hauses zu kommen scheint. Das Geschrei, doch worum genau es geht, höre und verstehe ich nicht. Noch immer nicht. Ebenso, wie ich nicht alles davon gehört habe, als es heute ursprünglich passiert ist. Ich weiß nicht genau, worum es ging, ich weiß nur, wo es letzten Endes hingeführt hat.
Dazu, dass ich nun vermutlich so etwas wie ein Rinzelkind bin- zumindest, wenn man nach dem Stammbaum geht. Denn das Bild meines Bruders, ist nun nicht mehr auf diesem zu sehen. Sirius ist nicht mehr zu sehen. Weder auf dem Stammbaum, noch im Grimmauldplatz.
Du fragst dich vielleicht, wie es dazu kommt, nicht wahr? Oder vielleicht würdest du dich dies fragen, wenn du dazu in der Lage wärst.
Nun ja. Es ist heute, am späten Nachmittag passiert. Wie ich bereits erwähnt habe, habe ich nicht Alles wirklich mitbekommen und verstanden. Zumal ich in meinem Zimmer gewesen war, als Mutter Sirius in den Salon gerufen hatte. Ich habe mir damals noch nicht sonderlich viel dabei gedacht, schließlich diskutierte und stritt sie oft mit ihm. Ich weiß nicht, warum sie das bis zum heutigen Tag getan hat, obgleich es fast schon eindeutig war, dass Sirius sich nicht wieder auf die Seite der Familie schlagen würde. Vielleicht Vater gehofft, ihn irgendwie doch noch bekehren zu können, auf irgendeine Art und Weise.
Vielleicht hat sie gehofft, ihn doch dazu zu bekommen, der Familie nicht ganz den Rücken zu zu drehen. Wenn es sein muss, auch durch Schläge, harte Worte und Gardinenpredigten. Mutter ist es gewohnt, irgendwann zu bekommen, war sie will, auch, wenn dies eine gewisse Zeit lang dauert. Auch, wenn sie womöglich lange dafür arbeiten muss. Viel dafür tun muss, doch am Ende, bekommt sie fast immer das, was sie will- außer im Falle meines Bruders .
Sie wollte einen Sohn, der ihren Idealen entspricht. Einen Sohn, der nach Slytherin kommen und die Tradition der Familie ehrwürdigen würde. Einen Sohn, der gut genug dafür war, ein Nachkomme der Familie Black zu sein. Einen Sohn, auf den sie stolz sein könnte. Den sie auf den Treffen der Reunblüterfamilien stolz als ihren Sohn vorstellen könnte.
Sirius hatte sich als das genaue Gegenteil ihres Ideals entpuppt. Ein Gryffindor, der sich mit Zauberer angefreundet hatte, die Mutter oft als " falsche Gesellschaft " bezeichnet. Ein Gryffindor, dem der Blutstatus der anderen Zauberer egal ist. Ein Gryffindor, dem nichts an seiner Familie und deren Tradition liegt, der am liebsten gar nicht erst zu jener Familie gehören wollen würde. Ein Gryffindor, der seine besten Freunde als seine Familie bezeichnete. Der so oft es nur möglich war, gegen seine Familie rebelliert hat. Der seine Eltern oft zur Weißglut gebracht hatte. Der sich von der Familie abgewendet hatte. Der das Ganze heute auf die Spitze getrieben hatte.
Als Mutter also mit Sirius im Salon war, war es anfangs noch relativ ruhig, so, als würden sie in normalen Tonfall miteinander sprechen. Um das Gespräch von Anfang an mitbekommen zu können, hätte ich zu diesem Zeitpunkt wohl noch an der Türe lauschen müssen. Doch ich habe es unterlassen, und so bekam ich erst dann wirklich etwas von dem Steht mit, als der Geräuschpegel ziemlich rasant zugenommen hatte.
Ich hörte, wie Mutter's Stimme immer lauter , und oft von Sirius unterbrochen wurde. Niemand von den beiden, hätte den jeweils Anderen wirklich aussprechen lassen- so, als wären sie dabei gewesen, sich zu bemühen, mehr Beleidigungen und Ähnliches heraus zu bringen, als ihr jeweiliges Gegenüber. Als wäre es eine Art Wettbewerb, wer von beiden mehr zu dem Streit betrug. Ich weiß noch, wie ich in meinem Zimmer jedes mal ein wenig zusammen gezuckt war, wenn erneut jemand unten im Salon begonnen hatte, in jenem Tonfall zu sprechen.
Um ehrlich zu sein, überrascht mich dies fast ein wenig, denn nach fünfzehn Jahren im Hause Black, sollte ich vermutlich schon an jenen kalten, lauten und strengen Tonfall gewöhnt sein. Dennoch erschreckt es mich immer wieder ein wenig, ihn zu hören. Wenn sich die Familienmitglieder gegenseitig wegen etwas abfahren, oder aber, wenn jener Tonfall sogar an mich selbst gerichtet ist.
Vielleicht liegt es daran, dass ich teilweise nicht richtig einschätzen kann, wann ich mit so einem Tonfall zu rechnen habe. Damit, dass ich zum Beispiel heute nicht mir jenem Streit gerechnet hatte, und deshalb ein wenig überrascht gewesen war.
Wie auch immer dem sei. Es ging noch eine kurze Weile so weiter. Und dann, hörte ich die Schritte auf der alten Holztreppe, die in das zweite Stockwerk des Hauses führte. In das zweite Stockwerk, und somit auch zu den Zimmern von mir und Sirius, die direkt nebeneinander liegen. Ich weiß nicht genau warum, doch ich hatte bereits im Gefühl gehabt, dass jene Schritte zu Sirius gehört hatten. Dass er derjenige war, der nach diesem Gespräch wütend die Treppe hoch gestapft und in sein Zimmer gegangen war.
Es klang fast schon, als hätte er es eilig gehabt, in sein Zimmer zu kommen. Als hätte er noch etwas zu erledigen gehabt, was die hastigen, lauten Schritte erklären würde. Mittlerweile, kenne ich den wahren Grund dafür. Er wollte so schnell wie möglich hier weg. Weg von meinen Eltern, weg von der Familie, weg von diesem Haus. Und dieses mal wirklich. Ich weiß noch, wie es sich von meinem Zimmer aus angehört hatte, als würde er in dem seinen irgendwas suchen. Als würde er seine Sachen zusammen suchen, so, wie nach den Sommerferien vor einem neuen Jahr in Hogwarts. Und mir war klar geworden, dass er wohl einen Koffer gepackt haben musste. Einen Koffer, vermutlich mit den für ihn wichtigsten Sachen darin.
Einen Koffer, der das Einzige sein würde, dass er aus dem Hause Black mitnahm. Mir ist schlagartig klar geworden, dass er vorgehabt hatte, abzuhauen. Dass er geplant hatte, aus dem Grimmauldplatz abzuhauen, auch, wenn er zu dem Zeitpunkt vermutlich selbst noch nicht ganz gewusst hatte, wohin. Als ich hörte, wie seine Schritte sich erneut auf die Treppe zubewegen, hatte ich einen kurzen Moment lang überlegt, aus meinem Zimmer zu treten. Ich hatte überlegt, was passieren würde, wenn ich mich ihm in den Weg stellen würde.
Was er sagen würde, wenn ich ihn bitten würde, nicht zu gehen. Denn egal, wie oft wir uns in den letzten Jahren gestritten haben. Egal, wie verschieden unsere Meinungen, unsere Persönlichkeiten waren. Egal, wie wenig wir mittlerweile miteinander auskamen, ich wollte nicht, dass er geht. Ich wollte nicht, dass er uns endgültig den Rücken gekehrt, denn immerhin war er noch mein Bruder- bis zu jenem Tag zumindest.
Ich wollte nicht alleine zurück bleiben. Wollte nicht komplett vergessen und im Stich gelassen werden. Doch ich habe es unterlassen, mich ihm in den Weg zu stellen, oder mitnahm zu reden. Ich habe es unterlassen, in jenem Moment mein Zimmer zu verlassen, nur, um einem kalt und verachtend angeklickt zu werden, ehe Sirius sich vermutlich ohnehin ohne ein weiteres Wort an mir vorbei geschoben hätte. Vermutlich hätte er mich gar nicht erst beachtet, mir gar nicht erst zugehört. Er hätte nicht verstanden, was ich jetzt, nach all den Jahren von ihm wollte. Warum ich ihn am Gehen hindern wollte. Und so blieb ich in meinem Zimmer, während Sirius die Treppe hinunter ging. So blieb ich in meinem Zimmer, während er durch den Salon an Mutter vorbei Schritt. Und so blieb ich auch in meinem Zimmer, als man die alte Eingangstüre mit einem lauten Knall zuschlagen hörte.
Da wusste ich, dass Sirius weg war. Weg war, und vermutlich niemals wieder in den Grimmauldplatz zurück kehren würde. Noch immer empfinde ich jene Trauer, Wut, und Ratlosigkeit, die ich heute bereits schon einmal verspürt habe. Trauer, meinen Bruder verloren zu haben. Trauer, da ich weiß, dass es ihn nicht interessiert, wie es mir geht. Dass es ihn nicht interessiert, wie ich mit seinem Verschwinden klar komme. Weil er sicv nur für sicj interessiert- wieder einmal. Weil er gegangen ist- ohne ein weiteres Wort gegangen ist, und uns alle im Stich gelassen hat. Trauer, weil ich ihm egal bin. Trauer, weil er vermutlich nicht einmal einen einzigen Gedanken an den Rest der Familie verschwendet.
Und zu gleicher Zeit, macht mich all das so unglaublich wütend. Wütend, auf Sirius. Wütend auf seine Freunde. Wütend auf meine Eltern und wütend auf mich selbst. Doch vor allem wütend deswegen, weil er einfach gegangen ist. Wieso lässt er uns einfach so im Stich? Ich verstehe, dass er sich hier nicht gut gefühlt hat, aber dennoch ist es egoistisch von ihm, einfach abzuhauen. Einfach zu gehen, ohne darüber nachzudenken, was für Folgen das haben könnte. Ohne darüber nachzudenken, wie die Familie reagieren würde. Ich weiß, dass er uns hasst. Ich weiß, dass wir ihm egal sind. Doch auf das, was heute passiert ist, war ich dennoch nicht vorbereitet.
Ich glaube, ich sollte jetzt aufhören. Es ist ziemlich spät, und mir geht es nicht sonderlich gut...
Regulus
Ich schluckte. Natürlich war es klar gewesen, dass Regulus irgendwann über mein Abhauen aus dem Grimmauldplatz schreiben würde. Natürlich war es klar gewesen, dass er vermutlich nicht sonderlich erfreut darüber sein würde, aber dennoch hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, dass es ihn so mitnehmen würde. Dass es ihn so durcheinander bringen würde, wenn ich gehen würde.
Wenn ich ehrlich war, so hatte ich mir damals, zu dem Zeitpunkt als ich abgehauen bin, keine wirklichen Gedanken über Regulus, oder den Rest der Familie gemacht.
Es war mir egal gewesen, wie es ihnen damit ging, ein Familienmitglied verloren zu haben. Wie es sich auswirken würde, dass ich nicht mehr da sein würde. Ich hatte es so lange an jenem Ort ausgehalten, hatte Schläge , Ohrfeigen, und Beleidigungen über mich ergehen lassen. Bin geblieben, obgleich meine Eltern meine Freunde regelmäßig beleidigt hatten. Bin geblieben, obgleich ich mich eingesperrt gefühlt hatte. Obgleich die Schläge geschmerzt hatten, und das nicht nur auf physischer Ebene.
Doch an jenem Tag, von dem Regulus in seinem Tagebuch berichtet hatte, hätte ich es nicht mehr ausgehalten. All das, was ich in all den Jahren durchgemacht hatte, war während eines einzigen Streits mit meiner Mutter wieder hochgekommen. Die Wut, der Hass auf meine Eltern. Das Gefühl, eingesperrt, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Gefangen, an einem Ort, den ich gehasst hatte.
Und so, war ich abgehauen, nur, um einige Jahre später erneut hier gefangen zu sein. Nur, um erneut hier fest zu sitzen, mit den Erinnerungen an die frühere Zeit. Hier fest zu sitzen, und an meine Fehler erinnert zu werden. Daran, dass ich gegenüber Regulus versagt hatte. Als Bruder versagt hatte. Ob er mir mein damaliges Verhalten jemals verzeihen konnte?
5. November 1976
AN: Joa, ein neues Kapitel^^ wie findet ihr es? Ich bin irgendwie nicht ganz zufrieden 😶 Aber schreibt mir gerne eure Meinung dazu in die Kommis und Joa😊 Dann bis bald 😉❤
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