6. Februar 1975
Sirius' POV
Warum war ich damals abgehauen? Warum hatte ich damals nicht realisiert, dass ich nicht der Einzige gewesen war, der sich zu Hause schwer getan hatte? Vermutlich hatte ich es einfach nicht realisieren gewollt. Vermutlich habe ich mir einfach eingeredet, Regulus hätte es besser gehabt als ich. Versucht mir einzureden, er würde sich im Grimmauldplatz gut fühlen, er wäre dort glücklich. Versucht mir einzureden, er würde es gut finden, so, wie es gewesen war.
Es war einfacher für mich gewesen, auf jene Art. Einfacher, wenn ich mir einredete, der Einzige zu sein, der Familienprobleme hatte. Der Einzige, dem es nicht sonderlich gut ging. Es war einfacher gewesen, mir einzureden, der Einzige zu sein, der Hilfe benötigte. Der Einzige, der mit seinen Eltern nicht gut klar kam, der sich zu Hause eingeengt fühlte. Einfacher, so zu tun, als hätte Regulus all das gewollt. Hatte er es gewollt? Ich wusste es, um ehrlich zu sein, auch jetzt noch nicht genau.
Ich wusste nur, dass ich mir früher eingeredet hatte, es wäre so gewesen. Denn so, hatte ich mir keine Gedanken darüber machen müssen, wie es ihm ergehen würde, wenn ich einmal nicht mehr zu Hause wohnen würde.
Doch selbst das hatte nicht wirklich geklappt. Selbst dadurch hatte ich nicht komplett vermeiden können, dass ich an meinen Bruder gedacht hatte.
6. Februar 1975
Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Die Sache mit dem Irrwicht ist nun fast schon einen Monat lang her, und doch fühlt es sich an, als würde mich das, was ich damals erlebt habe, immer noch fertig machen. Jedes mal, wenn ich unser Klassenzimmer für jenes Fach betrete, fällt mir jener Vorfall wieder ein. Jedes mal, wenn ich Professor Stone sehe, muss ich daran denken, wie ich mich vor der ganzen Klasse blamiert habe.
Denn, obgleich Professor Atome der Meinung ist, es wäre nicht weiter schlimm, wenn man es nicht gleich beim ersten Versuch hinbekommen würde, so habe ich das Gefühl, dass einige meiner Mitschüler das relativ anders sehen würden. Dass einige meiner Mitschüler sich vermutlich schon darüber lustig machen, was in der einen Stunde passiert ist. Dass einige Schülern ihre Köpfe zusammen stecken, und über mich reden. Es ist nicht so, dass sie das sonst nicht tun würden, schätze ich. Doch nie hätte ich das Gefühl, ihnen so viel Grund dazu zu geben, wie dieses Mal. Nie hätte ich das Gefühl, als gäbe es etwas wirklich Seltsames an mir. Doch nun? Nun hat sich dies geändert.
Ich habe Angst, dass sich das Ganze in der Schule herum spricht. Angst davor, dass eines Tages jeder wissen könnte, um was es sich bei meinem Irrwicht handelt. Angst davor, dass jeder meine Schwächen kennt. Ich weiß, dass ich nicht so viel darüber nachdenken sollte. Ich weiß, dass ich das Thema vielleicht lieber ruhen lassen sollte, doch ich kann nicht aufhören, daran zu denken. Ich kann nicht aufhören zu überlegen, ob es nicht doch an irgendwelchen Umständen gelegen hat, dass der Irrwicht die Gestalt von Mutter angenommen hat.
Ob er sich nicht vielleicht doch in etwas Anderes verwandeln würde, wenn ich in meinem Leben jemals wieder einem Irrwicht begegnen sollte. Vielleicht hat er sich bloß aus dem Grund in Mutter verwandelt, dass ich in jenem Moment an sie gedacht habe. Dass ich überlegt habe, wie sie reagieren würde, wenn sie erfahren würde, dass ich es nicht geschafft hatte, mit einem Irrwicht fertig zu werden. Vielleicht habe ich dies auch unterbewusst getan.
Ein Teil von mir versucht, das zu glauben. Ein Teil von mir will noch immer nicht wahr haben, was damals passiert ist. Doch ein anderer Teil sagt mir, dass ich es so hinnehmen muss. Dass dies nunmal die Wahrheit ist, die ich akzeptieren muss. Die ich als diese anerkennen muss, auch, wenn es schwer fällt. Auch , wenn ich sie noch immer nicht ganz begreifen kann. Auch, wenn ich am liebsten glauben würde, dies wäre Alles nur ein schlechter Traum. Ein schlechter Traum, aus dem ich am nächsten Morgen erwachen würde. Erwachen, und feststellen, dass nichts davon real gewesen war.
Doch das wird nicht passieren.
Was Mutter wohl dazu sagen würde, wenn sie es wüsste? Sie würde sich schämen. Sie würde sich für mich und meine Art schämen. Mich als Schwächling ansehen. Sie würde mir sagen, ich solle mich zusammen reißen. Dass ich mich in meinem Leben noch oftmals schlimmeren Dingen stellen müsse, als ihren Erziehungsmethoden. Dass noch in meinem späteren Leben noch ganz andere Dinge erwarten würden, Dinge, mit denen ich fertig werden müsse. Dinge, mit denen ich alleine klar kommen müsse.
Und dann würde ich nicht weiter kommen, wenn ich Schwäche zeigen würde. Wenn ich Schwäche zeigen würde, würde ich als verwundbar gelten. Die Menschen in meinem Umfeld würden wissen, wo sie zutreten müssen, damit es weh tut. Wo sie zuschlagen müssen, um mir zu schaden. Vermutlich ist dies auch der Grund, weshalb ich verhindern will, dass andere Leute von meinem Irrwicht erfahren.
Weil ich nicht will, dass sie wissen, was mich fertig macht. Weil ich nicht will, dass sie meine Probleme kennen, und diese gegen mich verwenden können. Ich bin ein Black. Ein verwirrter, vielleicht sogar ein wenig gebrochener Junge, aber noch immer ein Black. Und Black geben nicht so schnell auf, wie Mutter so oft sagt.
Ich muss einfach weiter machen, und das, was passiert ist hinter mir lassen. Doch ich kann nicht. Noch nicht. Noch, habe ich nicht Alles richtig verarbeitet, schätze ich.
Ich habe das Gefühl, mit jemandem darüber sprechen zu müssen, doch ich weiß nicht, mit wem. Evan weiß es bereits, immerhin war er im gleichen Klassenzimmer wir ich gewesen, als es passiert ist. Evan weiß es bereits, doch bin ich mir nicht sicher, was er mir sagen würde, wenn ich mit ihm über jenen Vorfall sprechen wollen würde. Ich weiß nicht, ob er Verständniss dafür hätte. Ob er verstehen könnte, wie es mir geht. Ob er sich in meine Lage hinein versetzen könnte, zumal wir in so ähnlichen, und doch in so verschiedenen Lagen sind.
Obgleich ich ihn schon so lange kenne, weiß ich nicht, ob er mich in jener Hinsicht verstehen könnte. Denn Evan's Eltern sind streng, doch sind sie auf gewisse Weise auch recht liebevoll zu ihrem Sohn. Obgleich sie Evan's Leistungen oft bemängeln, scheinen sie ihn trotzdem zu lieben. Obgleich sie sich oft wünschen, er wäre in bestimmten Bereichen besser, so scheinen sie in gewisser Weise doch recht zufrieden mit ihrem Sohn zu sein. Wenn er gute Leistungen erbringt, schreiben sie ihm manchmal Briefe, in denen sie ihm sagen, wie stolz sie auf ihn sind.
Manchmal bekommt er sogar Pakete mit Süßigkeiten von ihnen zugeschickt. Evan scheint nicht wirklich dem gleichen Maße Druck ausgeliefert ist, wie ich. Er scheint nicht die gleiche Last auf sich spüren zu müssen, wie ich. Obgleich auch er versucht, seine Eltern stolz zu machen, so scheint ihm dies viel leichter zu fallen, als mir. Vielleicht liegt es daran, dass Evan ein Einzelkind ist, und seine Eltern somit niemand anderen haben. Vielleicht liegt es daran, dass es in Evan's Familie noch keine Fälle gegeben hat, in denen sich ein Familienmitglied vom Rest der Familie abgewandt hatte.
Vielleicht, weil seine Eltern nicht wirklich befürchten, dass Evan den falschen Weg einschlagen könnte. Weil sie dafür sorgen wollen, dass er sich zu Hause wohl fühlt, um zu verhindern, dass er auf dumme Gedanken kommt. Um zu verhindern, dass er auf die Idee kommt, ihnen den Rücken zu kehren. Das würde Evan nicht tun. Evan liebst seine Eltern, auch, wenn er sich manchmal durch ihre Erwartungen überfordert fühlt.
Er würde seine Familie nicht im Stich lassen, da bin ich mir sicher. Seine Eltern müssen nicht fürchten, dass er sich von einem älteren Bruder beeinflussen lässt, der der Familie den Rücken gekehrt hat. Evan hat keinen Grund, sich gegen sie zu stellen. Doch habe ich das? Nein. Habe ich einen Grund dazu, allein weil der Irrwicht die Gestalt meiner Mutter angenommen hat? Hat das irgendeine Art von Bedeutung ? Ich weiß es nicht. Und doch glaube ich es nicht.
Ich glaube nicht, dass dies etwas daran ändert, dass ich versuchen sollte, meine Familie stolz zu machen. Dass ich mich nun noch mehr anstrengen sollte, um dies zu tun. Denn schließlich ist meine Familie mir noch immer wichtig. Auch, wenn meine Eltern anders mit mir umgehen, als Evan's mit ihm selbst, so habe ich die Pflicht, das zu tun, was sie von mir verlangen. Oder? Wenn Sirius sich weigert, der Erbe der Familie zu sein, dann muss ich das übernehmen. Oder?
Doch mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ich gut genug dafür bin. Ob ich es wirklich würdig bin, der Erbe meiner Familie zu sein. Ob ich fähig dazu bin, wo ich noch nicht einmal fähig dazu bin, mit einem Irrwicht fertig zu werden. Ob ich gut genug dazu bin, wo ich doch so viel besser sein sollte. Sein sollte, aber dennoch nicht sein kann. Ob ich stark genug dazu bin, wo ich mich allein wegen einem Irrwicht selbst anzweifle. Stark genug, obwohl ein einziger Irrwicht gereicht hat, um mich durcheinander zu bringen. Obwohl ein einziger gereicht hat, um das mit mir anzustellen, was er mit mir angestellt hat.
Würden meine Eltern überhaupt so einen Erben wie mich wollen? Würden sie es überhaupt anerkennen? Würden sie es wollen, obgleich ich in ihren Augen oft nicht gut genug bin? Obgleich ich ihre Erwartungen oft nicht so erfüllen kann, wie sie es gerne hätten? Obgleich ich mich ihrer Meinung nach oft nicht genug anstrenge?
Ich glaube, ich sollte diesen Eintrag auch hier beenden.
Regulus
Es tat weh, zu lesen, was Regulus durchgemacht hatte. Was er wegen jenem Irrwicht durchgemacht hatte. Es tat weh, zu lesen, wie fertig ihn dies gemacht hatte. Und doch hatte ich das Gefühl, dass dies nicht nur negativ war. Dass es auch etwas Positives hatte, dass ich mich daran gemacht hatte, das Tagebuch meines Bruders zu lesen.
Denn allmählich, begann ich ,ihn immer ein Stück besser zu verstehen. Mit jeder Seite ein wenig mehr Verständnis für ihn aufzubringen, auch, wenn ich einige Dinge wohl lieber nicht gelesen hätte. Auch, wenn ich mir teilweise wünschte, dass er einige von jenen Dingen nicht hätte mitmachen müssen. Auch wenn ich begann, mich selber ein wenig dafür zu hassen, dass ich damals vor all den Jahren von zu Hause abgehauen war. Auch, wenn ich mich während des Lesens immer öfter fragte, ob es etwas geändert hätte, wenn ich geblieben wäre. Ob es etwas geändert hätte, wenn wir uns nicht verstrichen hätten. Wenn ich mehr auf ihn geachtet hätte.
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich es nun wohl nie erfahren würde.
24. Juli 1975
AN: Uff, zweites Kapi heute XD wie findet ihr es so? Schreibt mir gerne eure Meinung dazu in die Kommis und Joa 😊 Dann bis bald 😉❤
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top