31. August 1972

Sirius' POV

Der letzte Tag vor Hogwarts. Am Tag danach wäre der Start eines neuen Schuljahres in Hogwarts. Eines neuen Schuljahr für mich. Und dem ersten Schuljahr, das Regulus damals je begonnen hatte. Schon am Morgen von jenem Tag hatte er ziemlich nervös gewirkt, hatte während dem Essen kaum noch wirklich etwas herunter bekommen. Selbst beim Dessert hatte er einfach nur unruhig am Tisch gesessen, schien keine richtige Sitzposition auf seinem Stuhl zu finden, und starrte das Dessert einfach nur an, ohne sich zu rühren.

  Schon allein daran hätte man erkennen können, dass ihn etwas bedrückt hatte, worüber er allerdings nicht hatte reden wollen, oder womöglich auch nicht hatte reden können. Etwas, das er loswerden wollte, es andererseits aber auch für sich behalten wollte. Vielleicht hatte er sich aber auch nicht getraut, das, was auch immer ihm auf der Zunge lag vor unseren Eltern anzusprechen. Ähneln würde ihm dies ja.

Schon immer war er darauf bedacht gewesen, seine Worte richtig und mit Vorsicht zu wählen, wenn unsere Eltern dabei gewesen waren. Ob er dies getan hatte, um Ärger zu vermeiden, oder um ihnen zu gefallen, wusste ich bis heute nicht genau. Doch auch, wenn er nicht alles gesagt hatte, was sich in seinen Gedanken abgespielt hatte, so hieß es nicht, dass es ihm nie durch den Kopf gegangen war, oder dass er es nie festgehalten hätte.

Wenn das hier tatsächlich das Tagebuch von meinem jüngeren Bruder war- wovon ich stark ausging- so hatte er womöglich Einiges in jenes Buch geschrieben, was mir meine Fragen beantworten könnte...mehr oder weniger. Zumindest, warum er all das getan hatte. Wieso er sich auf die Seite unserer Eltern geschlagen, und mich im Stich gelassen hatte. Warum er sich immer mehr zum Vorzeigesohn der Familie Black entwickelt hatte.

Warum er immer abweisender mit mir umgegangen war, obgleich ich ihm eigentlich hatte helfen wollen. Doch vermutlich hatte ich dies nicht genug versucht. Nicht genug versucht, irgendwie zu ihm durchzudringen. Mit ihm zu reden. Ihn weiter auf den richtigen Weg zu bringen. Denn,  wenn ich dies versucht hätte, währe er jetzt vielleicht noch am Leben. Ich schluckte und begann, die Seite zu überfliegen.

31. August 1972

Hallo...liebes Tagebuch.

Irgendwie fällt es mir noch immer recht schwer, so in dich zu schreiben, als würde ich mit dir sprechen. Immerhin bist du ein Buch. Mehr nicht. Ein Buch, das eines Tages vermutlich voll mit meinen Gedanken sein wird. An dieser Stelle: Mein aufrichtiges Beileid.

Dafür, dass du nun meine Gedanken tragen musst, mit denen ich selber nicht klar komme. Dafür, dass ich dich als eine Art Ausheultuch benutze. Dafür, dass ich hier meine Gedankengänge hinein schreibe, in der Hoffnung, die Dinge dadurch besser verarbeiten zu können. In der Hoffnung, dadurch besser mit meinen Gedanken klar zu kommen. Sie ordnen zu können.

Sie zumindest für eine gewisse Zeit aus meinem Kopf verbannen zu können, so, dass sie mir nicht die ganze Zeit über in diesem herum schwirren.  So, dass ich nicht jeden Tag an sie denken muss. So, dass ich meine Gedanken uns Gefühle steuern kann- zumindest einigermaßen.  Schließlich bin ich ein Black. Und als Black darf man seinen Gedanken und Gefühlen keinen freien Lauf lassen.

Man darf nicht zulassen, dass sie einen immer dann überkommen, wenn ihnen danach ist. Dass sie einen überfluten, wenn man es so wenigsten erwartet. Wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Dann, wenn man sie am wenigsten zeigen sollte.

Wie dem auch sei. Morgen ist mein erster Tag in Hogwarts. Ich sage Allen, wie sehr ich mich darauf freue. Dass ich mehr als zuversichtlich bin, wie der Rest meiner Familie in Slytherin zu landen. Dass es für mich doch eigentlich gar kein anderes Haus gäbe, dass in Frage kommen würde. Dass ich mich bereits geschieden hätte, wie mein Schulleben aussehen würde. Dass ich bereits wüsste, dass alles gut laufen, und ich eines Tages einen guten Schulabschluss machen würde. Doch die Wahrheit kann ich niemandem von ihnen erzählen.

Nicht, ohne dass ich vermutlich ausgelacht, oder verspottet werden würde. Womöglich würden Mutter und Vater sogar wütend auf mich werden, wenn sie wüssten, wie es mir wirklich geht, wenn ich an den morgigen Tag denke. Wenn Sie wüssten, was in mir vorgeht, wenn ich an Hogwarts denke. An die verschiedenen Häuser.

An den sprechenden Hut, der mich in eines dieser vier Häusern einteilen würde. Nicht einmal Narcissa, meiner Lieblingcousine habe ich bis jetzt erzählt, wie es mir geht. Selbst sie würde vermutlich nicht sonderlich viel Verständnis für die Gedanken, die in meinem Kopf herumwirbeln haben. Sie würde vermutlich einfach versuchen, mir diese Gedanken auszureden.

Versuchen, mir einzureden, alles würde gut gehen. Alles würde in Ordnung sein, und ich würde meine Eltern stolz machen. Ich würde nach Slytherin kommen, so, wie der Rest der Familie. Ich würde nicht wie mein Bruder in einem anderen Haus landen, und aus der Familie mehr oder weniger ausgeschlossen werden. Ich würde dem Familiennamen Ehre machen. Das vermutlich, würde sie mir jetzt sagen.

Weißt du, was das Traurige ist? Ich habe manchmal das Gefühl, als wärst du jemand, dem ich die Wahrheit erzählen könnte. Dem ich sagen könnte, was mit mir los ist, ohne, dass du irgendwelche Kommentare dazu abgibst, um mir zu widersprechen. Ohne, dass du mich für meine Gedanken auslachst. Ohne, dass du versuchst, mit meine Gedanken auszureden. Und vielleicht brauche ich das auch einfach. Jemanden, der mir einfach zuhört. Jemanden, der mich versteht.

Der mir auch einfach zuhört, ohne seine eigene Meinung zu dem, was er sich anhören muss auszudrücken. Denn die brauche ich nicht. Ich brauche einfach jemanden, der mir zuhört. Doch so jemanden gibt es nicht. Wenn man von dir absieht. Einem alten, dicken Buch  in das ich hier schreibe.  Einem Buch, in das ich schreiben kann, was ich will.

In das ich meine Gedanken und Gefühle Scheiben kann. In das ich schreiben kann, wie verdammt aufgeregt ich bin, wenn ich an den morgigen Tag denke. Wie mein Puls sich automatisch zu beschleunigen scheint, wenn ich an das große Schloss denke, von dem mir bis jetzt nur erzählt wurde. Morgen werde ich es mit eigenen Augen sehen.

Ob es wirklich so riesig ist, wie Narcissa und Andromeda es mir immer berichtet haben? Ob die Decke in der großen Halle tatsächlich das Wetter von draußen widerdspiegelt? Ich werde es spätestens morgen Abend selbst sehen können. Auf gewisse Weise, freue ich mich sogar total auf Hogwarts.

Ich habe schon so viel davon gehört- von der großen Halle, der Bibliothek und dem Quidditchfeld, wenn auch keine meiner Cousinen sonderlich viel mit Letzterem zu tun gehabt hatte. Alles, was ich bis jetzt über jenes Schloss weiß, habe ich den Erzählungen meiner Cousinen zu verdanken. Dich morgen würde ich mir endlich ein eigenes Bild davon machen können. Und ich ich werde nicht mehr alleine sein.

Hoffentlich. Denn, obwohl ich mich mittlerweile schon fast daran gewöhnt habe, alleine zu sein, und nicht wirklich jemanden zum Sprechen zu haben, so ist es auf Dauer recht trostlos. So unglaublich leise. Einsam. Kalt. Das sind vermutlich die Worte, die den Grimmauldplatz am besten beschreiben.  Die dunklen Wände, zusammen mit dem dunklen Parkettboden, lassen die Räume hier automatisch kleiner wirken. Kleiner, aber auch düsterer.

Überall hängen Portraits von ehemaligen Familienmitgliedern, die einen beobachten zu scheinen. Oft genug Blicke ich zu den Bildern meiner Urahnen, die so oft im Haus zu finden sind auf, und sehe, wie sie mich ebenfalls anstarren. Wie ihre dunklen Augen mich mustern, als wäre ich ein Ausstellungsstück, ein altes Erbstück der Familie. Ihre Miene, die kalt und hart wirken. Kalt, und teilweise auch bereits ein wenig vom Alter gezeichnet, die einen mehr, die anderen weniger.

Und ihre Blicke wirken so unglaublich leer. Wie ein Totenschädel, der einen aus den Höhlen, in denen sich einst seine Augen befunden hatten anstarrt. Ohne einen Funken von Emotionen oder Leben in den Augen. Sie wirken leblos, und trotzdem fühle ich mich auf seltsame Art von ihnen beobachtet. Ab morgen werde ich sie eine Weile nicht mehr sehen müssen. Dafür werde ich mich mit anderen Problemen herumschlagen müssen, schätze ich.

Zum Beispiel damit, in welches Haus der sprechende Hut mich stecken wird. Nach Slytherin? Nach Ravenclaw? Gryffindor? Ich weiß es nicht. Und doch hoffe ich, dass es Slytherin sein wird. Meine ganze Familie war dort, musst du wissen- nun ja. Außer Sirius. Trotzdem. Ich will nicht wissen, was meine Eltern sagen würden, wenn ich kein Slytherin werde. Was sie tun würden, wenn ich kein Slytherin werde. Schließlich bin ich, nachdem Sirius bereits in Gryffindor gelandet ist, auf gewisse Weise der Letzte, der sich, laut Mutter als würdiger Erbe entpuppen könnte. Der, der den Fehler, den Sirius gemacht hat wieder korrigieren könnte. Der, der die Schande, die er über das Haus gebracht hat, wieder gut machen könnte. Wieder gut machen muss. Wie also würde sie wohl reagieren, wenn sich herausstellen würde, dass ich jenen Fehler nicht korrigiert hätte? Dass ich ihn womöglich sogar noch schlimmer gemacht hätte, und ebenfalls nach Gryffindor gekommen wäre? Würden sie mich beschimpfen? Mich schlagen? Oder gar Schlimmeres tun? Daran, geohrfeigt und beschimpft zu werden, wenn man etwas falsch macht, bin ich mittlerweile mehr oder weniger gewöhnt. Es brennt ein wenig auf der Wange, doch nach einiger Zeit vergeht dies auch wieder. Die gerötete Stelle, die sich durch die Ohrfeige auf der Wange ausbreitet, verschwindet wieder. Und es wirkt, als wäre nie etwas passiert. Doch ich habe das Gefühl, dass ich, sollte ich tatsächlich in ein anderes Haus als Slytherin kommen, vermutlich nicht mit einigen, wenigen Ohrfeigen davon kommen würde. Doch das wird nicht passieren. Ich werde nach Slytherin kommen. Oder?

Ich kann nicht aufhören, mich zu fragen, was wohl mein Schicksal sein wird, wenn ich in Slytherin land. Ob meine Eltern stolz auf mich, für ein einziges Mal zufrieden mit mir sein werden? Ob sie mich mir Stolz als ihren Sohn bezeichnen werden? Oder werden sie es als selbstverständlich nehmen? Es auf die lange, reinblütigen Linie der Blacks schieben, in der es kaum einen Black gab, der nicht in dem Haus, auf deren Wappen sich die silberne Schlange wandt gelandet war. Behaupten, es wäre doch schon immer klar gewesen, und Sirius sei eine grässliche Ausnahme.

Sirius...

Wie wird er wohl reagieren, wenn ich erstmal ein Slytherin bin? Er wird mich hassen, nicht war? Endgültig hassen. Er wird nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, vermutlich nicht einmal mehr mit mir reden wollen. Für ihn wären ich dann wie der Rest der Familie. Nur ein weiteres, verdorbenes Mitglied, dass sich in nicht von dem Rest der Familie unterscheidet, die er so verachtet. Wird er auch mich verachten? Eines Tages womöglich sogar verleugnen, mein Bruder zu sein?

Außerdem hat er doch jetzt auch noch seine neuen Freunde, die ohnehin nicht sonderlich angetan von Slytherin zu sein scheinen. Werden bei all dem eine größere Rolle spielen? Sirius sogar mehr oder weniger dazu bringen, mich zu hassen? Ich weiß es nicht. Doch ich weiß, dass es verdammt weh tut, darüber nachzudenken, dass der eigene Bruder einen hasst. Verachtet. Nichts als kühle Blicke für einen übrig hat, wenn überhaupt.

Ich will nicht, dass das Verhältnis zwischen Sirius und mir noch mehr kaputt geht. Ich will nicht, dass er mich hasst. Und doch will ich meine Eltern stolz machen. Ich will sie nicht enttäuschen, indem ich in ein , ihrer Meinung nach, weniger gutes Haus als Slytherin komme.

Ich glaube, ich sollte jetzt lieber versuchen, zu schlafen. Meine komischen Gedanken werden abends immer noch seltsamer.

Bis dann.

Regulus

Ein weiteres Mal, nachdem ich beschlossen hatte, die Einträge meines kleinen Bruders zu lesen, verspürte ich einen leichten Stich im Herz. 'Ich will nicht, dass er mich hasst'. Jener Satz schien nun in meinem Gedächtnis herum zu geistern. Schien gar nicht mehr wirklich aus diesem verschwinden zu wollen, als hätte er sich mir eingebrannt, so, wie eine Art Tätowierung.

Ich hatte in den Sommerferien vor seinem ersten Schuljahr kaum mit meinem Bruder gesprochen. Hatte seine Gegenwart sogar gemieden, obgleich er zu dem Zeitpunkt noch komplett unwissend war. Und wissend bezüglich dem Grund, warum ich meine Familie verachtete. Warum ich meine Eltern absichtlich provoziert hatte.

Warum ich der Meinung gewesen war, dass sie falsch lagen. Warum ich beschlossen hatte, mich gegen meine Familie zu stellen. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Mit ihm sprechen, ihm erklären, weshalb ich Mutter und Vater verachtete. Ihm sagen, weshalb ich mir einen Spaß daraus gemacht hatte, die Leute zu provozieren, die sich meine Eltern genannt hatten.

Wann war es so weit gekommen, dass wir kaum noch miteinander gesprochen hatten? Wie konnte es so weit kommen, dass wir uns gegeneinander aufstacheln ließen, uns letzten Endes nicht einmal mehr wirklich als Brüder ansahen? Dass wir uns mehr als Konkurrenten, als als Brüder gesehen haben? Dass wir den Anderen als Gegner ansahen? Das Gefühl hatten, von dem eigenen Bruder gehasst zu werden.

" Ich habe dich nie gehasst.", presste ich hervor, meine Hand noch immer auf eine der Seiten des Buches gelegt. Es war sinnlos, es zu sagen. Es jetzt zu sagen, wo es niemandem mehr hören konnte. Mit den Schatten der Vergangenheit zu reden. Früher hätte ich es ihm sagen sollen. Ihm sagen, dass ich ihn nie hassen würde, egal, in welches Haus er kommen würde. Doch hätte er mir das geglaubt?

Nein. Vermutlich nicht.

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10. September 1972

AN: Soo, das nächste Kapi ist da😅☺ wie ist es so geworden? Denkt ihr, ich kann zufrieden sein?🤔 Schreibt mir gerne eure Meinung dazu in die Kommis und joa ☺ dann bis bald ☺❤

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