22. Dezember 1971
Sirius' POV
Mittlerweile glaubte ich fast schon zu wissen, was mich auf der nächsten Seite erwarten würde. Ich glaubte, die Worte, die vor so vielen Jahren mit blauer Tinte auf das Pergament geschrieben worden waren zu kennen. Ich wusste, dass diese Worte, oder auch Sätze vermutlich tiefster Enttäuschung entsprungen waren.
Denn es stimmte, was auf der letzten Seite geschrieben stand- ich hatte ihm damals versprochen, in den Winterferien nach Hause zu kommen. Ja, versprochen. Doch hatte ich es gehalten? Nein. Ich hatte die Ferien statt dessen in Hogwarts verbracht. Ich hatte die Ferien mit den anderen drei in Hogwarts verbracht, weil ich nicht nach Hause hatte kommen wollen. Wie so oft hatte ich auch damals wohl nur darauf geachtet, was ich wollte. Ich hatte stets das getan, worauf ich Lust hatte. Was ich tun wollte. Was ich als gut empfand.
Und so war es gekommen, dass ich eben nicht in den Ferien zurück nach Hause gekehrt war. Ich hatte nicht in die wütenden Gesichter meiner Eltern blicken, und mir ihre Schimpfwörter anhören wollen. Ich hatte nicht hören wollen, was sie mir wohl vorgeworfen hätten.
Dass ich ein Blutsverräter, eine Schande für die gesamte Familie war. Ich hatte mich einfach weg von ihnen gewünscht. Weg von ihrer Wut, ihrem Zorn. Wie es Regulus dabei gegangen war, hatte ich damals erneut nicht sonderlich beachtet. Schließlich wandte ich mich wieder dem alten Tagebuch zu und begann, die nächste Seite durchzulesen.
22. Dezember 1971
Sirius ist nicht nach Hause zurück gekehrt. Heute wäre eigentlich der Tag gewesen, an dem er hätte zurück nach Hause kehren sollen. Doch er hat es nicht getan- warum hat er es nicht getan? Er hatte es mir versprochen. In den wenigen Briefen, die er mir überhaupt geschrieben hat, hat er mir versprochen, wenigstens in den Winterferien nach Hause zu kommen.
Doch selbst dieses Versprechen scheint nun bedeutungslos zu sein. Als würde er sich nicht daran erinnern, solche Versprechen überhaupt gemacht zu haben. Als hätte er vollkommen vergessen, was er vor einigen Monaten noch behauptet hatte.
Doch vielleicht will er es auch vergessen. Vielleicht will er sich nur auf Hogwarts und seine neuen Freunde konzentrieren. Keine Gedanken mehr an uns, seine Familie zu verschwenden. Vielleicht hält er es für unnötig, uns in Erinnerung zu behalten. Oder zumindest, und in guter Erinnerung zu behalten.
Ich schätze, er würde uns am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis verbannen. Keinen Gedanken mehr an seine Familie verschwenden, die er vermutlich sogar hasst. Ich schätze, er würde sich viel lieber seinen neuen Freunden, seinen ' Brüdern' zuwenden.
Ja, wie oft habe ich in seinen Briefen schon von James Potter, Remus Lupin und Peter Pettigrew gelesen? Wie oft habe ich mir schon die Zeilen durchlesen müssen, in denen mit dunkelblauer Tinte geschrieben steht, sie wären seine 'Brüder'? Wie oft hatte dies schon darauf schließen lassen, dass ich ersetzt worden war? Dass er nun neue Freunde hat. Dass ich nun keine Rolle mehr für ihn spiele.
Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt irgendwas fühlen soll. Ob es überhaupt gut ist, irgendwas zu fühlen, denn, desto mehr man seine Gefühle zulässt, desto mehr man sie zeigt- desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, verletzt zu werden. Noch mehr verletzt zu werden, als man ohnehin schon ist. Noch kaputter zu gehen, als man sich ohnehin schon fühlt.
Aber...ich kann nicht anders, als mich verraten, hintergangen zu fühlen. Ich kann nicht anders, als zu denken, meinen besten Freund verloren zu haben. Moment, was rede ich da? Nicht meinen besten Freund habe ich verloren, ...sondern meinen Bruder.
Jemanden, den ich schon von klein auf gekannt habe. Jemanden, der immer da gewesen war. Auf den ich immer zählen hatte können. Oder zumindest gedacht hatte, dies zu können. Denn, wie es sich jetzt heraus stellt, scheint dem nicht so zu sein. Trotzdem war er stets meine Vertrauensperson gewesen. Eine Person, zu der ich hochgeschaut hatte. Vermutlich auch gleichzeitig eine der wenigen Personen, denen ich vertraut habe. Denen ich jemals vertrauen werde.
Ich kann nicht anders, als jedes mal ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Brust zu verspüren, wenn ich an früher zurück denke. Wenn ich daran zurück denke, wie wir miteinander gespielt haben. Wie wir miteinander geredet haben. Wie wir nur einander gehabt hatten. Wie wir so gut wie unzertrennlich gewesen waren. Wie diese Zeiten jetzt wohl um sind.
Denn ab jetzt, werden Mutter und Vater ihre ganzen Hoffnungen und Erwartungen wohl auf mich setzen. Von nun an, werde ich der sein müssen, der Sirius nicht sein will. Von nun an würde ich die Verantwortung tragen, die man als Mitglied der Familie Black nun mal zu tragen hat. Von nun an, werde ich die gesamte Last ihrer Erwartungen zu tragen haben. Von nun an, werde ich wohl der sein, den sie eher als ihren Erben ansehen. Der, in den sie ihre Hoffnungen setzen. Der gute Sohn. Der perfekte Sohn, der Familie Black.
Ich schätze, ich mache hier auch Schluss. Es gibt nicht mehr sonderlich viel, das ich loswerden will. Ich werde mit einem Teil meiner Gedankengänge wohl ohne deine Hilfe klar kommen müssen.
Regulus.
Eine Weile starrte ich noch auf die gelbliche, mit Tinte beschriebe Seite. Überflog den Text noch einmal, ehe ich mich ein Stück mehr gegen die kalte Wand sinken ließ und die Augen für einen kurzen Moment schloss. Millionen von Gedanken flogen in meinem Kopf umher, doch einer schien sich besonders deutlich zwischen all den Anderen durchzufressen. Einer, der sich immer mehr in mein Gedächtnis brannte.
Es tut mir so leid.
AN: Soo, ich update auch mal wieder XD wie fandet ihr es so? Schreibt mir gerne eure Meinung dazu in die Kommis und sonst...Bis bald 😊❤
LG: Drawaine
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