Traumfigur

Die kühle Nachtluft wehte durch das Fenster, während ich sehnsüchtig auf dem Bett saß. Die Nacht repräsentierte Ruhe, alles was ich gerade wollte und gleichzeitig Einsamkeit. Eine Frage der Perspektive. Einsamkeit war nicht immer schlecht, man war frei von anderen und konnte nachdenken. Es sei denn, man sehnte sich nach Zuneigung, denn dann war sie eine Qual. Ich fragte mich, wie groß wohl die Wahrscheinlichkeit für Ersteres wäre, als ich spürte, wie sich jemand neben mich auf das Bett setzte. Gespannt drehte ich mich vom Fenster zu der Person und blickte in Asmodeus Gesicht. Wow, aus dieser Nähe habe ich es noch nie betrachtet, er saß genau im Schein des Mondes. Sein Gesicht war makellos, perfekt geformt, eine leicht freche Ausstrahlung, betont durch die Wangenknochen, die dunklen Augen und seine tiefen Augenbrauen. Seine Nase hingegen besaß einen leichten Knick, der sein Gesicht umso einzigartiger machte. Seine schwarzen Haare fielen in sein Gesicht, völlig durcheinander. Vollkommen vertieft starrte ich ihn an. Er schien es regelrecht zu genießen.
Schließlich hatte ich mich sattgesehen und erwachte gepeinigt aus meiner Starre.

"Tut mir leid", bedrückt strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Muss dir nicht leid tun, ich kann nichts für mein Aussehen", ein Grinsen legte sich auf seine Lippen.

"Sind wir etwa selbstverliebt?", diesen Kommentar konnte ich mir trotz meines Unbehagens dann doch nicht verkneifen.

"Hast du ein Problem damit?", fordernd schaute er mich an. Was sollte ich jetzt auch antworten, das würde nicht gut für mich ausgehen. Ich schwieg. Er lachte mich schon wieder aus.

"Warum lachst du mich ständig aus!?", langsam war ich wirklich genervt.

"Weil es so niedlich ist, wie du so machtlos gegen mich bist."

"Was soll das denn heißen?! Ich kann auch anders, wenn man mich zu Unrecht behandelt", wütend verdrehte ich die Augen. Was dachte er sich nur?

"Das will ich sehen", er hatte sichtliche Probleme damit, endlich sein Lachen zu unterdrücken. Darauf hatte ich jetzt wirklich keine Lust, die Stille war so schön ohne ihn gewesen. Meine Beine suchten den Boden und ich war kurz davor, vom Bett aufzustehen, als er nach meinem Handgelenk griff. Sein Griff war stark, so dass es gerade noch schmerzfrei war.
Mein Blick schweifte von seiner warmen Hand zu seinem Gesicht.

"Wir waren noch nicht fertig", flüsterte er.

"Womit", fragend erwiderte ich den Blick und wartete nur auf einen Grund, endlich gehen zu können und dieser komischen Situation zu entweichen.

"Letztes Mal waren wir mitten in einer Unterhaltung. Du hattest mir von dir erzählt."

"Und du hast mich alleine gelassen."

"Ich musste gehen, aber jetzt habe ich alle Zeit der Welt für dich."

Widerwillig kehrte ich auf meinen Platz zurück, er würde sowieso nicht nachgeben.

"Du hattest mir deine Hilfe angeboten. Ich wollte dich nur noch fragen, wie du mir überhaupt helfen willst, ich meine es hat sich seitdem nicht viel getan."

"Lass mich nur machen, du wirst sehen."

Okay? Was sollte das jetzt wieder heißen?

"Das verstehe ich nicht?"

"Das macht nichts. Jeder Mensch wird das bekommen, was er verdient, glaub mir"

Obwohl das was er sagte kaum Sinn für mich ergab, glaubte ich ihm. Keine Ahnung warum. Es fühlte sich an, als würde mein Gehirn ohne meine Einverständnis handeln. Hatte er mich irgendwie hypnotisiert oder so?

"Du musst deinen Teil der Abmachung einlösen", ermahnte ich ihn.

"Soso... gut. Was willst du wissen?"

"Wer bist du??"

"Asmodeus."

"Ja, das ist mir schon klar. Ich brauche mehr Infos!"

"Ich lebe mal hier, mal dort, bin sehr flexibel, komme von einem sehr düsteren Ort, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich bin dafür zuständig, dass Menschen gerecht behandelt werden."

„Äh Okay, bei der Polizei, im sozialen Dienst, so in die Richtung? Oder willst du mir das auch nicht sagen?"

„Erfasst."

Ob mich diese Infos jetzt so sehr weiterbrachten, wusste ich nicht, fest stand, dass er nicht mehr preisgeben würde. Er war mit einem Buch vergleichbar, das man nach und nach lesen musste, um hinter die Geheimnisse zu kommen. So schnell gab ich nicht auf.

„Okay, wenn du viel unterwegs bist, warum dann ausgerechnet bei mir?", ich wollte ihm auf den Zahn fühlen.

„Du scheinst mir interessant zu sein. Du hast eine Vorgeschichte, die selten jemand erleiden muss. Und trotzdem bist du so... niedlich."

Ich verdrehte die Augen. Was ein tolles Kompliment.

„Bin ich ein Kuscheltier zum knuddeln oder wie?"

„Hätte nichts dagegen, wenn du lieb fragst", er wackelte mit seinen Augenbrauen.

„Du bist immer noch ein Fremder, vergiss das mal nicht!", betonte ich und fühlte mich das erste Mal, als hätte ich auch was zu melden.

„Und wenn ich dich auch Ti nenne? Gehöre ich dann zu deinen Freunden?"

„Erstens, woher weißt du das schon wieder? Langsam glaube ich, du stalkst mich, das finde ich beängstigend und zweitens gehört für mich mehr zu einer Freundschaft, so einfach geht das nicht!"

„Wenn du mich vergraulst, wirst du es nie erfahren!", diabolisch grinste er mich an und fügte hinzu: „Du darfst mich auch Asmo nennen."

„Das mache ich, aber hör auf, dich in mein Zimmer zu schleichen und das mitten in der Nacht. Wie bist du hier überhaupt reingekommen?"

„Geheimnis! Sieht doch keiner."

„Kleine Testfrage, was habe ich gestern gemacht?"

„Woher soll ich das wissen", entgegnete er unschuldig.

„Ganz sicher?"

„Ja, ich weiß es nicht", versicherte er mir.

„Ich habe mich mit einem Freund getroffen."

„Einem Freund? Das klingt interessant!"

„Warum erzähle ich dir das überhaupt?? Du bist nicht real, wahrscheinlich existierst du gar nicht!"

„Und wenn das so ist, hast du doch einen Grund mehr, warum du mir gefahrlos von dir erzählen kannst, oder nicht?"
Seine Blicke machten mich noch wahnsinnig. Immer unruhiger grub ich meine Finger in die Bettdecke. Wie konnte das nur sein, er war nur eine Traumvorstellung. Aber wenn er nur ein Traum war, hatte ich doch nichts zu verlieren. Was konnte ich tun, um es herauszufinden?

"Meine beste Freundin behauptet, er hätte Gefühle für mich. Ich bin dabei, dem auf den Grund zu gehen."

"Uhhh und hast du denn auch Interesse an ihm?"

"Ich weiß es nicht. Er war immer nur mein guter Freund gewesen. Das ist es, als was ich ihn sehe. Eigentlich kann ich mir gar nichts Anderes vorstellen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn darunter die gute Gemeinschaft unserer Clique leidet.."

"So ein soziales Engelchen haben wir hier. Und doch ist der liebe, nette Freund nicht das, was du willst. Interessant."

"Das habe ich nicht gesagt!", die Situation war mir sichtlich sehr unangenehm.

"Aber du denkst es", er lachte in sich hinein und freute sich über seinen weiteren Triumph.

"Das kann ich nicht sagen, ich hatte noch keinen Freund. Was ist an einem lieben, zuverlässigen Freund verkehrt?"

"Das Abenteuer fehlt", Asmo zuckte mit den Schultern.

"Du kennst dich damit ja scheinbar bestens aus!"

"Menschen sind leicht zu beeinflussen", murmelte er und es kam mir vor, als würde er mich ansprechen.

"Ich halte nicht viel von so etwas. Vertrauen und Treue sind wichtig. Und am allerwichtigsten die Ehrlichkeit! Für die Liebe, sowie auch die Freundschaft."

Asmo schwieg. Hatte ich ihn erwischt? War er etwa jemand, der mit anderen Menschen spielte?

„Warst du schon mal verliebt?", diese Frage interessierte mich brennend.

„Nein", antwortete er stumpf. Die Luft füllte sich mit Spannung. War er so jemand, der Mädchen nur ausnutzte? Warum wollte er mir überhaupt helfen? Meine Meinung war zwiegespalten.

Stille.Unangenehme Stille. Ich betrachtete die Muster meiner Bettdecke, in der Hoffnung, er würde einen neuen Spruch bringen. Irgendwie fühlte ich mich schuldig, ihn so schnell zu verurteilen. Die Annahmen waren nichts weiter als eigene Interpretationen seiner Worte.

„Es tut mir leid, ich kenne dich nicht und möchte dich nicht in eine Schublade stecken."

„Süß. Du hast doch gar nichts gemacht. Du kannst dir doch selbst ein Bild machen, dagegen kann niemand etwas sagen. Du kannst nur das beurteilen, was ich dir gebe."

Da hatte er Recht. Es war mein erster Eindruck. Die Wortwahl löste nunmal Vermutungen in mir aus. Das war menschlich. Doch würde ich die Chance haben, ihn besser kennenzulernen? Er blieb eine Traumfigur.

„Leider bist du nur eine Traumvorstellung.."

„Leider? Also magst du mich doch!", freudig zwinkerte er mir zu.

„Vielleicht ein kleines bisschen, es hängt von dir ab."

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