Hölle

Als ich die Augen wieder öffnete, stand mir die Furcht schon ins Gesicht geschrieben. Alles was ich sah, waren brennende Stellen, der Himmel war feuerrot, weit und breit kein Lebzeichen. Trotz des vielen Feuers zog die Kälte in meinen Körper, ich begann zu frieren. Ein eisiger Wind pfeifte um meine Ohren. Ab und zu donnerte der Himmel und ein Blitz schnellte auf den Boden. Der Boden war leergebrannt und staubig, vereinzelt waren Hügel aus Gestein zu erkennen. Wohin das Auge sah, es gab nichts. Plötzlich vernahm ich leise Schreie, die der Wind mit sich trug. Es war die grausam. Die Definition von Einsamkeit.

"Willkommen in der Hölle", da bemerkte ich erst Asmo neben mir stehen. Ich erschrak tierisch, als ich ihn ansah. Das war also seine wahre Gestalt. Sein Gesicht sah aus, als hätte ihm jemand mit Schminke eine Art verruchtes Totenschädel Make-Up verpasst und seine Augen glühten im bekannten Rot. Aus seinem Rücken wuchsen riesige, schwarz Flügel empor, die seine hohe Körpergröße beinahe übertrumpften. Sein Kopf war bedeckt von der Kapuze seines langen, schwarzen Umhangs. Wenn ich dachte, er wäre vorher schon mysteriös und mächtig gewesen, dann übertraf dieser Anblick das um ein Vielfaches. Er sah angsteinflößend aus, wie aus einem Albtraum entsprungen, wie der Tod persönlich. Mein ganzer Körper erschauderte und begann zu zittern.

Er streckte mir seine Hand entgegen und forderte mich so auf, sie zu nehmen. Ich tat wie verlangt und legte behutsam meine Hand in seine. Er zog mich zu sich, dicht an seinen Körper. Seinen einen Arm fest um mich geschlungen, breitete er seine Flügel aus und schoss in einem rasanten Tempo in die Höhe. Meine Haare wehten nur so im Zugwind, genauso wie sein Umhang. Fliegen war so unfassbar schön. Ich war so frei, wie ein Vogel und konnte alles überblicken. Einfach märchenhaft, auch wenn das was ich sah, weniger hübsch war.

Ich hob meinen Blick zu Asmodeus Gesicht, der nach vorne in Flugrichtung blickte. Fasziniert betrachtete ich die Muster in seinem Gesicht und malte sie mit einem Finger nach, entlang seines Wangenknochens. Überrascht blickte er zu mir und intensiv schauten wir uns an. Ich war gefangen in seinen glühenden Augen. Ich fühlte mich geborgen in seinen Fängen, ganz egal wie die Umstände waren.

Nach einiger Zeit des Blickaustauschs ließ er wieder von mir ab und schaute in die Ferne.

"Wo fliegen wir hin?", meldete ich mich plötzlich zu Wort.

"Dorthin, wo du niemals sein willst", erwiderte er trocken.

Am Horizont ließen sich die Umrisse eines riesigen, steinernen Gebildes erkennen. Um so näher wir kamen, desto monströser wurde es. Es handelte sich um ein gigantisches Schloss, man könnte fast sagen, es hätte einen gotischen Stil. So düster und unheimlich. Ein richtiges Spukschloss.

"Hier verbringe ich meine Zeit als Teufel", erklärte er mir.

"Was, hier lebst du?", fragte ich ungläubig.

"Jetzt sag mir nicht, du möchtest immer noch an meiner Seite bleiben, egal wo. Das willst du nicht. Niemand will hier freiwillig leben. Die schreienden Seelen wurden hierher verbannt. Jeder von ihnen würde gerne mit dir tauschen. Schätze was du auf der Erde hast. Das hier ist meine Welt, die Erde deine, so ist es nun einmal..."

Das Letzte, was ich wollte, war ihm Recht zu geben, auch wenn ich er insgeheim richtig lag. Ich wollte hier nicht leben. Keine Sekunde lang. Es war nicht auszuhalten, auch wenn mir dieser Gedanke so sehr schmerzte, wie noch nie zuvor. Die schreienden Seelen brannten sich in den Kopf, machten gar wahnsinnig. Die dramatische Atmosphäre war der Untergang. 

"Warum können wir uns nicht einfach wieder so treffen, wie früher auch?", wollte ich wehleidig wissen.

Sanft landeten wir auf dem Boden und er ließ mich los. Sofort durchfuhr mich wieder dieser eisiger Wind und die Einsamkeit kroch durch meinen ganzen Körper.

"Das würde die Tatsachen nicht ändern! Dein Leben wär für immer in Gefahr. Willst du nicht verstehen, was es für den Teufel bedeutet, seine Macht zu missbrauchen? Du hast es am eigenen Leibe gespürt! Wie soll ich es dir noch in deinen Kopf prügeln, dass ich nicht gut für dich bin?! Ich darf dich nicht lieben, verdammt, auch wenn es mein innigster Wunsch ist! Ich konnte mich einfach nicht beherrschen, immer wieder musste ich mich selbst hintergehen, weil mein Verlangen zu stark war. Ich wollte dich immer wieder sehen. Deshalb kam es dir so vor, dass ich deine Nähe gesucht hätte, weil es auch so war. Das Schicksal wird immer wieder zurückschlagen. Außerdem ist da noch dein Schulfreund Aiden. Was soll er von mir denken? Er weiß zu viel. Wie lange wird es dauern, bis sich alle gegen uns verschwören? Wie lange wird es dauern, bis die Wahrheit ans Licht kommt? Wir können nicht einfach zusammen sein, wie Mensch und Mensch! Es ist alles meine Schuld. Nur wegen meiner egoistischen Dummheit, habe ich dir jetzt so einen Schmerz zugefügt, physisch sowohl als auch psychisch. Und aus diesem Grund muss ich jetzt dafür gerade stehen und das tun, was der einzige Ausweg ist.."

Langsam schritt er auf mich zu und ich spürte, dass er nicht wieder zurückkommen würde.

"Ist das ein Abschied?!", schrie ich ihn wütend an. Sofort schritt ich einige Schritte zurück, um ihn nicht zu nahe kommen zu lassen und das zu tun, was auch immer ihm im Kopf herumschwelgte. Die Tränen bahnten sich schon wieder ihren Weg über mein Gesicht, das vor laute weinen schon höllisch brannte. Das war einfach zu viel!

"Ich muss das tun!", wisperte er und kam stetig näher. 

An seinem schleichenden Tempo war eindeutig sein innerer Konflikt zu erkennen, dass es ihm so unglaublich schwer fiel. Mit jedem Schritt verletzte er sich selbst. Aber er musste es tun.

"Asmo!", quietschte ich, "komm mir nicht zu nahe!!"

Hastig lief ich rückwärts, um den Abstand beizubehalten. 

Plötzlich erinnerte ich mich an etwas.

"Du hast es mir versprochen!", wimmerte ich, mein Gesicht total durchnässt. 

Für einen Moment schienen meine Worte seine Entschlossenheit zum Stocken zu bringen. Doch dann seufzte er und beschleunigte augenblicklich sein schleichendes Tempo.

"Du hast mir versprochen, du wirst bei mir bleiben! Du bist ein elendiger  Lügner!", schrie ich mir den Schmerz von der Seele, direkt in sein Gesicht. 

So schnell stand er vor mir und packte forsch meine Arme, ich konnte nicht mehr zurück. 

"Lass mich los!", hämmerte ich fuchsteufelswild auf ihn ein und versuchte mich aus seinen Klauen zu befreien. Ihn schien das wenig zu stören. 

Völlig außer Atem spürte ich seinen eindringlichen Blick auf mir. 

Ich würde ihm nicht die Genugtuung geben, ihn anzuschauen! Das konnte er vergessen. Meine Tränen tropften auf seinen Ärmel, mein Gesicht von ihm abwendend. 

"Schau mich an!", befahl er.

"Nein!", widersprach ich verletzt.

Mit seiner Pranke griff er mein Gesicht und zwang mich regelrecht ihn anzusehen. Wimmernd war ich gezwungen, ihn anzublicken. Verdammt sei die Macht des Teufels.

"Du hast es versprochen", flehte ich ihn leise an, völlig aufgelöst.

Wie konnte ihn das nur so kalt lassen?! 

Mein Herz zerbrach bei diesem Anblick in tausend Stücke. Alles was er mir vorher gebeichtet hatte, schien vergessen zu sein. 

"Du verdammter Idiot!", beschimpfte ich ihn. 

"Es tut mir leid", flüsterte er zu meinem Überraschen, da kam ein Hauch von Emotionen in seiner Stimme durch. 

Sein Gesicht war so kurz vor meinem. Ich atmete heftig und meine glasigen Augen trafen auf seine. Unsere Blicke sagten mehr, als es noch so viele Worte hätten ausdrücken können.

"Bitte verlass mich nicht", bettelte ich ihn an und schaut zwischen seinen Augen hin und her, seine Liebe und Zweifel suchend. 

Da! Wie aus Geisteshand entwich seinem Auge eine einzige Träne, die hinabrollte. Weinte er tatsächlich?!  

Das war ein Moment der Schwäche. Ich entzog ihm meine rechte Hand und legte sie nach oben auf sein Gesicht, um die Träne aufzufangen. 

"Du musst das nicht tun", hauchte ich.

Er schluckte schwer und beugte sich zu mir, um mir einen letzten Kuss zu schenken. Ich wollte mich abwenden, doch all meine Liebe zwang mich dazu, es nicht zu tun. All unsere Gefühle gingen in diesem Kuss, aber es war klar, es würde der letzte sein. Meine Tränen trafen nun auch sein Gesicht. Unsere Lippen teilten unsere Liebe, wie auch den Schmerz, sie wollten einander nicht gehen lassen. Sie sprachen für sich, dass dieser Abschiedskuss niemals enden sollte!

Er wollte sich zurückziehen, aber ich hielt ihn bei mir, ich wollte nicht, dass er geht. Er legte seine Stirn an meine und flüsterte erneut:

"Ich liebe dich. Bitte verzeih mir, meine Süße."

"Nein Asmo! NEIN, wag es nicht!", fauchte ich mit letzter Kraft, als ich die übernatürlichen Kräfte von seinen Händen in meinen Kopf fließen spürte. 

Ich durchlebte jede einzelne Erinnerung von Asmo und mir aufs Neue. Von unserem ersten Treffen, wo er mich in meinem Traum aufgesucht hatte und bloß irgendein Fremder für mich war, über die vielen folgenden Begegnungen, wo sich unsere Liebe spürbar immer mehr und mehr entwickelt hatte, bis hin zu unserem ersten Kuss. Er war so magisch gewesen. Und jetzt standen wir hier, das war der Abschied. Er war dabei, mir all meine Erinnerungen zu nehmen, ihn praktisch aus meinem Leben zu löschen. Er war so verdammt egoistisch, ohne meine Erlaubnis, mein ganzes Leben nun zu manipulieren und mir einfach meinen besten Teil auszuradieren! Das stand ihm nicht zu!! Ich liebte ihn doch so sehr...

Das letzte was meine verweinten Augen sahen, war sein schmerzerfüllter Blick. 

Dann war er verschwunden.


Author's note:

Dieses wundervolle Lied habe ich wieder CallMeLynx zu verdanken. Es passt wie die Faust aufs Auge. Asmo ist ihr Albtraum in zweierlei Hinsicht, da er sie in den Träumen aufgesucht hat und nebenbei der Teufel ist. Sie sind gefangen in diesem Albtraum artigen Zustand, aus dem sie nicht aufwachen wollen. Er kann ihr ebenfalls in zweierlei Hinsicht Orte zeigen, die sie sich nicht hätte vorstellen können. Seine wahre Identität und die Hölle, außerdem seine Liebe, die ihr kein anderer geben kann. Er ist ihr Albtraum, da er sie regelrecht manipuliert und unfair gespielt hat und nicht für sie da sein kann, wenn sie  metaphorisch aufwacht. Er bereitet ihr nur Schwierigkeiten, ist nicht gut für sie, aber bringt sie trotzdem zurück ins Leben, wortwörtlich, wie auch ihre Gefühle, die sie wieder leben lassen.

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