Gefühle gegen Verstand

Sein lächelndes Gesicht war über mich gebeugt. Es war so wunderschön. Selten sah man ihn wirklich lächeln, das machte es umso besonderer.

"Wie konnte das alles passieren? Das fühlte sich so unecht an. Ich verstehe nicht..."

"Tiara, ich habe dir von meinem Bruder erzählt. Er ist hinter mir her und schreckt vor keinen Mitteln zurück... Er war es, der dich fast getötet hätte!", Asmos Augen funkelten vor lauter Wut.

"Aber was habe ich damit zu tun?"

"Er sieht dich als meine Schwäche...ich habe einen Fehler begangen. Es hätte nie dazu kommen dürfen."

Diese Nachricht ließ mich stutzen. Ich, Tiara, ein ganz gewöhnliches Mädchen, sollte des Teufels Schwäche sein?? Hieß das etwa, er mochte mich auch?

"Was meinst du mit, es hätte nie dazu kommen dürfen?", fragte ich traurig.

"Ich hätte dich nie in deinen Träumen aufsuchen dürfen. Ich hätte dich erst Recht nicht in der Realität treffen dürfen. Du hättest mich nicht als Teufel sehen dürfen. Und am aller Schlimmsten: Ich hätte dich nicht vor deinem Schicksal retten dürfen. Das war es, was er wollte.  Mich diesen Fehler begehen sehen und mich leiden sehen. Wir haben viel gemeinsam, Liebes."

Angestrengt blinzelte ich ein paar Mal und überlegte, ob ich das wirklich richtig verstanden hatte.

"Willst du mir damit sagen, ich hätte sterben sollen?!", aufgebracht fuhr ich mir durch die Haare.

"Ja... Du hast Dinge gesehen, die du nicht durftest. Du hast Zeit mit mir verbracht, was verboten ist. Ich hatte nicht das Recht, das Schicksal vorwegzunehmen. Es tut mir so leid Tiara, dass ich dir so viele Probleme bereitet habe, das war verdammt egoistisch von mir."

Einige Sekunden vergingen schweigend. Ich wusste absolut nicht mehr, ob ich das gut oder schlecht finden sollte. Einerseits bedeutete das, dass Asmo mich in sein teuflisches Spiel hineingezogen hatte und ich nun verdammt war, andererseits bedeutete es, dass Asmo meine Nähe genoss und völlig selbstlos, wissend, dass er dabei alles verlieren konnte, mein Leben rettete. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich es mir nicht hätte anders vorstellen wollen. Egal wie egoistisch er war, ich konnte es ihm nicht übelnehmen. Alles was ich wollte, war ihn für immer bei mir zu wissen, ganz egal was käme.

Als ich weiter schwieg, fuhr Asmo fort:

"Es war nämlich so, dass ich den Mörder deiner Eltern damals bereits bestraft und markiert hatte. Wäre ich nicht so eigensinnig gewesen, hättest du ihn nie wieder gesehen. Mein Bruder sah ihn als perfektes Mittel zum Zweck. Dein Mörder stand unter dem Einfluss eines Dämonen, Ti! Du hättest nicht weglaufen können. Er hat deine Wahrnehmung beeinflusst, dich in die Enge getrieben. Er hat den Mörder förmlich gezwungen, dich überhaupt erst wieder aufzusuchen. Grausam. Du wärst gestorben. Meine Vergehen sollten bestraft werden. Es tut mir so unendlich leid. Meinetwegen musstest du alles nochmal durchleben. Meinetwegen bist du verletzt.."

"Und deinetwegen lebe ich jetzt noch!", mit einem leichten Lächeln legte ich eine Hand auf seine Wange, was ihn offensichtlich sehr stark überraschte, da er mit so einer Reaktion nicht gerechnet hatte.

"Asmo, so viel ich auch durchgemacht habe, ich konnte es mit dir erleben. Ich durfte dich kennenlernen. Du hast mir ein Gefühl gegeben, dass ich seit dem Tod meiner Eltern nicht mehr gespürt habe. Du hast mich zum Lachen gebracht, oft auch zur Weißglut getrieben. Trotzdem habe ich es insgeheim genossen, weil du bei mir warst. Erinnerst du dich, als ich dir das erste Mal von Aiden erzählte, hast du mir gesagt, Aiden wäre nicht das, was ich wirklich wollte. Du sagtest mir, ich bräuchte Abenteuer. Damals habe ich dich nur blöd angeschaut und verstand nicht, wie du so etwas behaupten konntest. Und was ist jetzt? Ich habe Aiden zurückgewiesen. Womöglich hast du es genau auf den Punkt getroffen. Ich schäme mich dafür, aber ich kann meine Gefühle nicht ändern... Du warst mein Retter. Dafür bin ich dir unendlich dankbar. Ich hätte es nicht anders gewollt. Deshalb ist mir etwas klar geworden...", zum Ende hin wurde ich immer leiser und unsicherer.

Asmo hingegen wurde hellhörig und schaute mir tief in die Augen, was mich zusätzlich verunsicherte. Seine Machtpräsenz übertraf meinen Mut, ihm zu sagen, was mir die ganze Zeit schon auf dem Herzen lag. Mein Herz schlug so laut, dass ich Angst hatte, er würde es bemerken. Jetzt konnte ich mich nicht mehr herausreden, es war zu spät. Schließlich sprach ich das so offensichtliche aus:

"Ich habe mich in dich verliebt, Asmodeus. Ich möchte nicht irgendeinen dahergelaufenen Typen. Ich will dich. Du bist mein Abenteuer. Jedes Mal, wenn du bei mir warst, spielte mein Herz verrückt. Jedes mal wünschte ich mir, du müsstest nicht wieder gehen und jedes Mal, als du weg warst, tat es unglaublich weh. Alles was ich will ist, an deiner Seite zu sein. Ganz egal was auch passiert."

Völlig aufgelöst schaute ich ihm ebenfalls in die Augen und wartete ängstlich seine Reaktion ab. In seinen Augen sah ich Schmerz, der ihn verschlang. Vorsichtig griff er nach meinen Händen und hob seinen mitleidigen Blick wieder zu mir:

"Ti...", fing er mit schwacher Stimme an. Das reichte bereits aus, mein Herz zerfiel in tausend kleine Stücke. Flüssigkeit sammelte sich in meinen Augen, ich konnte ihn einfach nicht mehr ansehen. Warum hatte er mir so viele Hoffnungen gemacht? Das konnte er nicht abstreiten! Warum hat er das alles für mich getan, gegen seine Bestimmung? Warum sorgte er sich so sehr um mich und erzählte mir, dass er mich wirklich mochte?? War alles nur ein Spiel gewesen? War ich dem Teufel verfallen, wie man es immer vorhersagte? Warum war mein Leben so grausam zu mir? Vielleicht hatte er Recht, vielleicht war es mein Schicksal.

Er bemerkte meine Tränen und musste sich stark beherrschen.

"Hör zu, Tiara! ich bin der Teufel. Mir steht es nicht zu, Gefühle zu empfinden. Ich darf keine Verbindung zu jemandem aufbauen. Ich darf nicht lieben. Ich bin nicht gut für dich, siehst du das nicht? Was kann ich dir schon in der Zukunft bieten? Was hätten wir für eine Zukunft? Ich kann hier nicht bleiben. Was soll ich denn machen? Ich werde dich immer wieder in Gefahr bringen. Du wirst nie ein gutes Leben führen können. Das kann ich einfach nicht zulassen...."

"Warum hast du dann all das für mich getan?! Warum hast du mit mir gespielt?! Ich dachte wirklich, ich würde dir mehr bedeuten? Wie konntest du das tun und mich so hängen lassen?!", weinend riss ich meine Hände aus seinem Griff.

Innerlich schien er mit sich selbst zu kämpfen. Aufgebracht raufte er sich die Haare und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Leise hörte ich ihn mit sich selbst reden. Immer wieder flüsterte er "Ich darf nicht!", bis es fast schon zum Schreien überging und er auf mein Bett einhämmerte. Ich bekam richtig Angst und bemerkte, wie seine Augen begannen, wieder leicht rot zu glühen.

Vorsichtshalber wich ich ein paar Zentimeter zurück und beobachtete ihn. Die Enttäuschung war einfach so unglaublich groß. Er war ein egoistischer Arsch! Und ein feiger noch dazu! Einfach vor den Problemen davonzurennen.

Entschlossen, ihn alleine zu lassen, erhob ich mich, um schnellst möglich Distanz aufzubauen.
Erschrocken spürte ich seinen bestimmten Griff an meinem Handgelenk, der mich zu ihm zurückzog. Ohne dass ich etwas einwenden konnte, nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich, als wäre das die ganze Zeit über sein innigstes Verlangen gewesen, so voller Leidenschaft. Mein Bauch explodierte förmlich, seine ganze Aura durchdrang mich, das mir so ein atemberaubendes Gefühl verpasste. Er gab mir Halt, sonst wäre es schon um mich geschehen und ich hätte die Kontrolle über meinen Körper verloren. So saßen wir da, seine fordernden Lippen auf meinen, er übertönte jegliche meiner Unsicherheiten und ich vergaß all meinen Groll gegen ihn. Es fühlte sich so richtig an, als wären wir füreinander bestimmt. Er konnte sagen was er wollte, das hier war echt. Sein Kuss verriet ihn. Ich wünschte mir er würde nie enden, dafür war es zu perfekt.

Zu meinem tiefsten, inneren Bedauern ließ er von mir auf und schaute mir tief in die Augen, bis in die Seele. Unsere Gesichter waren nur ein paar Zentimeter getrennt. Der Teufel hatte mich geküsst! Der Worte beraubt starrte ich ihn ebenfalls an. Eine halbe Ewigkeit saßen wir so, mein Bauch fühlte sich immer noch an, als würden dort tausend Schmetterlinge tanzen. Also waren da doch Gefühle, die er zu verdrängen versuchte, aber dem ganz offensichtlich nicht stand halten konnte. Er machte sich selbst etwas vor! Was er auch versuchte, man konnte nicht vor seinen Gefühlen weglaufen!

"Tiara..", flüsterte er nach einiger Zeit.

"Asmo, du kannst mir nichts vormachen. Ich habe es gespürt. Du bist ein schlechter Lügner!", flüsterte ich zurück.

"Mag sein", grinste er und mein Herz erwärmte sich bei diesem wunderschönen Grinsen auf in seinem perfekten Gesicht.

"Du kannst mir noch so viel erzählen, es ändert nichts an meiner Entscheidung bei dir zu bleiben. Ich...", er legte seinen Finger auf meine Lippen.

"Du weißt nicht wovon du da sprichst. Ich kann hier nicht bleiben. Die Menschenwelt ist nicht mein Zuhause, so sehr ich es auch wollte."

"Ich werde mitkommen!", sagte ich entschlossen, ohne überhaupt darüber nachzudenken, so stark empfand ich für ihn.

"Schlag dir das aus dem Kopf! Ich werde dich nicht mit in die Hölle nehmen!"

Ruckartig packte er seine Hände auf meine Schultern und schloss die Augen. Ein seltsames Gefühl durchströmte mich regelrecht, es drohte mich zu verschlingen. Meine Augen wurden schwer, alles begann sich zu drehen und sich vor meinen Augen aufzulösen. Was passierte mit mir? Mein ganzer Körper kribbelte, bis alles schwarz war.


Author's note:

Das Lied, dass ich oben verlinkt habe, hat mir die liebe CallMeLynx zugeschickt. Sie sagte mir, bei dem Lied müsse sie an Asmo denken. Ich war hin und weg, da dieses Lied perfekt auf Asmo zutrifft, sein Verhalten, seine Beweggründe und die Atmosphäre dieses Kapitel so gut widerspiegelt, sowohl der Text, als auch die Melodie. Vielen Dank<3

Hört gerne einmal rein <3

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