Dämon der Hölle
Vorsichtig machte ich einen Schritt auf das Eis. Aiden stand bereits auf beiden Beinen und reichte mir eine Hand zur Sicherheit, die ich dankend annahm. Nicht jeder war so eine Sportskanone wie er. Wie kam ich da jetzt bloß wieder drauf? Holprig zog ich den anderen Fuß nach und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, hätte Aiden mich nicht gehalten. So dicht an seinem Körper liegend, spürte ich ein Kribbeln in meinem Bauch und lächelte ihn verlegen an.
"Danke", brachte ich heraus und richtete mich wieder vorsichtig auf. Vorsichtshalber beließ er es dabei, meine Hand zu halten, um mich vor dem Hinfliegen zu bewahren. Warum wollte ich nochmal Schlittschuh laufen? Früher hatte es mir so viel Spaß gemacht, als kleines Kind bin ich nur um die Kurven gesaust. War da wirklich schon so lange her? Es kam mir auf jeden Fall nicht so vor. Offenbar hatte ich meinen Sinn fürs Gleichgewicht verloren. Schade eigentlich, ich musste das wohl wieder nachholen.
Langsam kam ich in Fahrt, er freute sich mit mir. Ab und zu gab er ein paar kleine Tipps, die ich eifrig versuchte umzusetzen und siehe da, es wurde immer besser. Solange, bis ich voller Übereifer ausrutschte und wieder beinahe gefallen wär, Aiden fast mit runterreißend, hätte er sich nicht noch schnell an der Bande festgehalten. Wir brachen in ein riesiges Gelächter aus. Glücklicherweise hatte sich niemand verletzt.
"Lach mich nicht aus!", protestierte ich grinsend und zog mich wieder an der Bande hoch.
"Du lachst doch selbst! Ich lache nur mit dir!", redete er sich raus und zwinkerte mir zu.
"Das merke ich mir", trotze ich und versuchte mein Glück alleine.
"Tadaa", freute ich mich, er folgte mir mit schnellen Schritten.
"Nicht, dass du wieder hinfällst! Ich will nicht noch ins Krankenhaus!", kicherte er.
"Ich bin schon groß, ich kann das, danke. Ich muss nur wieder reinkommen, dann zeige ich dir meine Pirouetten."
"Da bin ich aber gespannt."
Die Atmosphäre zwischen uns wirkte so ausgelassen wie früher, als ob nie etwas vorgefallen wäre. Ich liebte es. So hatte ich es mir vorgestellt und nicht anders.
"Du Aiden?"
"Ja?"
"Wirst du mir verzeihen?"
"Das habe ich schon", lächelte er zufrieden.
Einige Sekunden lächelten wir uns an, bis ich mich an eine Frage erinnerte, die mir noch auf der Seele lag:
"Denkst du, ich bin verrückt geworden?"
Wir hielten an, seine Augen auf meine fokussiert.
"Klar weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Aber ich vertraue dir und wenn du mir sagst, du weißt es nicht mehr, dann ist das so, auch wenn es noch so unerklärbar auf uns beide wirkt. Genauso unerklärbar, was es mit Asmo auf sich hat. Ich habe an deinem Verhalten gesehen, dass es stimmt. Wir werden gemeinsam eine Lösung finden und dem auf den Grund gehen, Josie wird uns helfen. Sie brauchte einfach einen Tag Pause, ihr ging es ähnlich wie mir, aber sie würde niemals an dir zweifeln. Das weißt du. Wenn du willst, können wir nachher noch kurz zu ihr fahren."
"Du bist ein Schatz! Vielen Dank für dein Vertrauen und auch für deine Hilfe!"
"Komm mit, ich gebe dir eine Brezel aus!", lockte Aiden mich von der Bahn.
"Aww, das ist echt lieb von dir, vielen Dank! Da weiß jemand, was ich liebe!"
In aller Ruhe setzten wir uns an einen kleinen Zweiertisch in der ersten Etage und konnten von dort aus die ganze Bahn überblicken. Es sah so wunderschön aus, ich freute mich schon auf den kommenden Winter. Genüsslich aß ich meine Brezel, während Aiden mir eine seiner spannenden Urlaubsgeschichten erzählte, in der er das Schlittschuhlaufen gelernt hatte.
Schließlich standen wir vor Josies Haus. Ein bisschen mulmig wurde mir doch zumute, da ich immer noch der Grund für ihr Zuhausebleiben war.
Zögerlich klingelte ich und Josie riss die Tür auf. Stürmisch umarmte ich sie, als wären alle Sorgen vergessen, sie erwiderte meine Umarmung.
"Es tut mir alles so leid", flüsterte ich ihr ins Ohr, woraufhin sie mit "Ist schon okay" antwortete.
"Wie ich sehe, habt ihr euch auch vertragen", lächelte sie und Aiden fröhlich nickte.
Wir lösten uns und ich begann, Josie alles noch einmal zu erklären. Aufmerksam hörte sie mir zu, es war lustig mit anzuschauen, wie ihre Augen immer größer wurden und sie andauernd Nachfragen stellte.
"Und du kannst dich nicht daran erinnern, diesen Asmo je gekannt zu haben?"
"Nein, ich weiß, das ist eigentlich unmöglich, aber es ist nun mal so. Aiden hatte mir gesagt, dass ihr glaubt, dass es nicht mit rechten Dingen zu ging. Die Frage ist, inwiefern das stimmen kann. Ein Mann mit feuerroten Augen klingt für mich nicht natürlich."
"Glaubt ihr an so etwas?", fragte Josie skeptisch in die Runde.
"Eigentlich halte ich es für totalen Schwachsinn, aber ich wüsste einfach nicht, wie ich es mir sonst erklären kann", gestand Aiden grübelnd.
"Dass du dich an den Vorfall vor zwei Tagen nicht erinnerst, klingt noch halbwegs nachvollziehbar, da er dir irgendwas verpasst haben könnte, was deine Erinnerungen gelöscht hat, wie bei einem Filmriss nach zu viel Alkohol. Aber dass alle Erinnerung dieser einen Person fehlen....Am Anfang dachte ich wirklich, er hätte nie existiert, aber Aiden hat ihn ja auch gesehen."
"Ich habe eine Idee", verkündete Aiden, "such den Namen mal im Internet, vielleicht findet man einen kleinen Hinweis, optimal wäre natürlich eine Person hier in der Nähe."
Gesagt, getan. Josie öffnete ihren Laptop und gab "Asmo" ein, gespannt steckten wir unsere Köpfe vor dem Bildschirm zusammen. Fehlanzeige.
"Warte!", rief Aiden plötzlich, "schaut! In den Vorschlägen! Da steht ein Suchhinweis nach 'Asmodeus'. Was, wenn 'Asmo' die Abkürzung für 'Asmodeus' ist? Oder fällt euch etwas Besseres ein?"
Da niemand etwas einzuwenden hatte, tippte Josie besagten Namen ein.
"Da!", schrie Aiden und zeigte auf eine Website. Josie las vor:
"Asmodeus, auch Asmodi und so weiter genannt, ist ein Dämon oder auch Teufel. Er gilt als Dämon der Wollust, des Zornes und auch Begierde, typische Merkmale, die dem Teufel zugeschrieben werden. Bla, bla, er ist einer der sieben Höllenfürsten und gehört zu den Rachedämonen. Bla, bla, sein Name bedeutet ebenfalls 'Bringer des Gerichts'."
"Na wenn das mal nichts zu heißen hat", fügte Aiden hinzu.
"Glaubt ihr wirklich an sowas?", ich war sehr unüberzeugt von solchen Geschichten. Das war lediglich eine Frage des Glaubens und ich glaubte nicht an Dämonen oder Ähnliches.
"Der Teufel....", Josie redete laut mit sich selbst.
"Schau noch einmal nach, was der Teufel so drauf hat!", kommandierte Aiden.
"Hier steht: Der Teufel hat eine große Macht über Menschen, viele Fähigkeiten und Kräfte, sie in Bewegung zu setzen, dennoch ist er nicht allgegenwärtig, das bedeutet, er kann immer nur an einem Ort sein. Er ist in der Lage, seine Erscheinung zu verändern. Beispielsweise kann er ungläubige Sünder manipulieren und in sie eindringen. Der Teufel kann die Menschen beeinflussen, ohne dass es ihnen bewusst ist. Bla, Bla, er ist der Meister des Lügens, Betrügens und Verführens. Das klingt für mich relativ einleuchtend."
"Wollt ihr mir damit sagen, ich wurde vom Teufel heimgesucht und manipuliert?!", fragte ich schockiert und fassungslos.
"Wäre eine Antwort, auf die Frage, wie du ihn komplett vergessen konntest", zuckte Aiden mit den Schultern.
"Ich glaube das alles nicht", aufgewühlt strich ich mir die Haare zurück, "wenn er so böse und beängstigend wirkte, wie du gesagt hast Aiden, dann frage ich mich, wie ich das nicht bemerkt haben konnte. Ich bin mir sicher, ich hätte mich auf so einen hinterlistigen Typen niemals eingelassen!"
"Vielleicht hat er dich selbst da schon manipuliert, ihn zu mögen."
"Aber warum sollte er mich nehmen, was habe ich zu bieten? Ich bin doch keine Sünderin!"
"Wenn wir das wüssten, Ti... vielleicht ist das auch einfach viel zu weit hergeholt und wir versuchen nur krampfhaft eine Lösung zu finden. Ich meine, Übernatürliches existiert nicht! Was tun wir hier?", Josie schüttelte entsetzt ihren Kopf.
"Vielleicht, weil du dem Tod begegnet bist, Ti. Du weißt schon, durch den Tod deiner Eltern und den Drohbriefen. Vielleicht warst du ein gutes Opfer. Das ist jetzt sehr weit hergeholt, aber denk mal darüber nach..."
Mit offenem Mund starrte ich ihn an, mir fehlten einfach nur noch die Worte.
"Wenn du das gesehen hättest, was ich gesehen habe, würdest du das auch nicht für so abwegig halten. Das hat sich in mein Gehirn gebrannt! Ich weiß, was ich gesehen habe!"
"Das macht mir wirklich Angst!", fügte ich schüchtern hinzu.
"Aber warum hat er dich so plötzlich gehen lassen.... Warum lockt und benutzt er dich, um dich dann gehen zu lassen.. Vielleicht hat er dich ausgenutzt, um den Mörder deiner Eltern zu schnappen..", Aiden sprach seine Gedanken laut aus.
"Findest du nicht du übertreibst es langsam wirklich, Aiden??", ermahnte Josie ihn und klappte den Laptop energisch zu.
"Ti, wenn dir irgendwann mal wieder etwas seltsames auffallen sollte, musst du es uns sagen!", befahl Josie.
Ich nickte nur und wünschte mir inständig, einfach von diesem ganzen Kindergarten Hokus-Pokus verschont zu bleiben.
"Was hat die Polizistin gesagt, wo sie die Leiche hingebracht haben?", unterbrach uns Aiden abrupt.
"AIDEN!", motzte Josie ihn an, "spinnst du?! Wir gehen doch keine Leichen ausbuddeln!"
"Vielleicht würde uns das einen Hinweis liefern, ob dort ein Zusammenhang besteht."
"Wie willst du das bitte anstellen?! Das ist strafbar. Er ist bestimmt in einem Leichenschauhaus, die Forensiker werden schon wissen, was sie tun. Er hat doch Selbstmord begangen!"
"Was, wenn der Teufel ihn dazu getrieben hat?", Aiden war nicht mehr zu stoppen.
"Weißt du was, ich denke, das reicht für heute! Wir schlafen da jetzt eine Nacht drüber, vergessen das ganz schnell wieder und sehen uns morgen in aller Frische wieder in der Schule, okay?", forderte uns Josie indirekt auf zu gehen.
Seufzend gab Aiden nach und wir machten uns auf den Weg nach Hause. Das war wirklich gruselig gewesen, was er da von sich gab. Sehr eigenartig...
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