Besuch vom Teufel
"Der Grund für mein Verschwinden war, dass es einfach zu gefährlich gewesen wäre, zu bleiben. Ich hatte dir bereits erzählt, dass ich Probleme am Hals habe. Die Antwort ist, dass ich nicht alleine bin. Mein Bruder hat es auf mich abgesehen. Jeder noch so kleine Verdacht kann fatale Folgen haben. Er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache und er mir meine Macht als Teufel entreißen kann. Alles was er will, ist selbst Teufel zu sein. Neid und Gier leiten ihn aufzudecken, dass ich mein Amt beschmutze und nicht mehr diesen Rang verdiene. Deshalb ist es so wichtig, dass du niemandem etwas erzählst. Noch weniger könnte ich es verantworten, wärst du da mit reingezogen worden. Du fragst dich sicher, weshalb er so über mich denkt und da kommt deine Frage ins Spiel: Warum ich der Teufel sei, obwohl ich so herzlich sei. Zumal du mich nie richtig in Fahrt gesehen hast, dir mag es vielleicht so vorkommen, aber ich bin dazu bestimmt böse zu sein. Ich muss die Menschen bestrafen. Und das tue ich gerne, das wird sich nie ändern. Mein Bruder sieht die Schwäche in mir, die letzten Wochen war ich nachlässig. Ich habe Kontakt zu dir aufgenommen, das ist nicht gerne gesehen. Ein Teufel hat keine Verbindung zu Menschen aufzubauen. Im schlimmsten Falle könne das mein Handeln beeinflussen. Ich würde den Teufel entehren. Das wird nie gut gehen. Und doch, wollte ich nach dir sehen."
Er sah mich fieberhaft an, mir hatte es die Sprache verschlagen. Also fuhr er fort:
"Jedes mal riskiere ich viel, in die Menschenwelt zu gehen, weshalb das nicht zur Gewohnheit werden darf. Trotzdem möchte ich dass du weißt, ich bin immer da, wenn du Hilfe brauchst, dir wird nichts passieren. Außerdem ist mein Zutritt zu dieser Dimension begrenzt. Wenn ich nicht gerufen werden, ist es nur schwer möglich zu wechseln, selbst mir. Wenn ich hier bin, dann nie für lange Zeit. Ich muss vorsichtiger sein. Das ist kein Abschied, ich wollte ausschließlich ehrlich mit dir sein."
"Danke für deine Ehrlichkeit. Aber heißt das, wir werden uns sehen?", fragte ich vorsichtig.
"Sofern es mir möglich ist. Denk daran, das Armband wird dir helfen, indirekt bin ich bei dir."
Verlegen strich ich über den kleinen Engel aus Silber am Bändchen. Anschließend lächelte ich ihn an, auch wenn es in den Sternen stand, wie es weitergehen würde. Die Tatsache, dass ich nun im Klaren darüber war, dass er immer da war, war ausreichend, auch wenn ich mir innerlich etwas anderes wünschte. Ich war leider nicht in der Lage, diese Gedanken einzuordnen.
Nichtsdestotrotz schwirrte ein Hauch Skepsis in meinem Geist, inwiefern ich ihm voll und ganz vertrauen konnte. Allein die Gegebenheit, den Teufel angeblich vor mir sitzen zu haben, von dem ich bis vor kurzem nicht wusste, dass er existierte und nun sah er aus wie ein Mensch, war Grund genug für meine Gefühlslage.
"Was meinst du mit, du müsstest 'gerufen' werden, um zu erscheinen?", diese Aussage wollte sich mir nicht erschließen.
"Nun ja, wie du weißt, besteht meine Amt als Teufel darin, Leute gerecht zu bestrafen. Wenn Menschen beispielsweise Verbrechen begehen, werde ich gerufen, um mich darum zu kümmern. Es kommt auch immer darauf an, ob sie bestraft oder unbestraft davon kommen und von welchem Grad ihre Tat war. Meistens markiere ich sie und der Rest ergibt sich von selbst. Wenn ich dann gerufen wurde, besteht dieser bedingte Zeitrahmen."
"Ich bin immer noch davon überwältigt, dass das alles wirklich existieren soll. Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen."
Ein Grinsen entwich seinen Lippen.
"Man sollten meinen Menschen hätten Angst vor mir. Du scheinst mir von der ganz komischen Sorte zu sein", machte er sich über mich lustig.
"Hey! Du sorgst doch nur dafür, dass jeder das bekommt, was er verdient. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich gar keine Angst habe. Das habe ich und trotzdem sagt mir mein Kopf, ich wäre sicher bei dir. Ich weiß, das klingt komisch und ergibt überhaupt keinen Sinn", verlegen strich ich mir die langen Haare hinters Ohr.
"Wie läufts mit dem süßen Jungen, diese Sportskanone, na wie hieß er... Aiden!?", völlig verwirrt von diesem zusammenhangslosen Themenwechsel verzog ich meine Miene.
"Wie kommst du darauf ??"
"Och nur so", schaute er mich völlig unschuldig an. Ja, schon klar.
"Wir heiraten bald!", verkündete ich strahlend.
Entgeistert durchbohrte er mich mit angestrengten Blicken.
"Das war ein Witz, du Dummkopf", augenrollend haute ich ihm gegen den Oberarm.
"Ehrlich gesagt, nach wie vor weiß ich nicht, wo wir stehen. Er hat mir gesagt, er wäre dabei Gefühle für mich zu entwickeln und müsse herausfinden, wie viel daran war. Ich denke, ich muss es auch herausfinden."
"Bist du dir da ganz sicher?", hakte er nach.
"Warum interessiert dich das so sehr?", leichte Scham bahnte sich an, obwohl er sich eigentlich ganz schön aufdrängte und nicht ich. Aber das Thema Aiden war mir allgemein sehr beschwerlich.
"Ich bin neugierig, das weißt du doch", schief grinste er schelmisch von oben herab.
Ich verschränkte die Arme und fuhr damit fort, meine Kekse zu verspeisen.
"Was, mehr willst du nicht erzählen?", fügte er gespielt beleidigt hinzu.
"Sag mal, du bist jetzt schon ziemlich lange hier, musst du nicht wieder zurück in die Hölle? Ich würde gerne schlafen und fühle mich ein wenig belästigt. Ich hoffe du verstehst das", höflich lächelnd deutete ich ihm an, sich doch bitte zu erheben.
"Du kannst auch gerne das Fenster nehmen, geht schneller!", schlug ich vor.
"Junge Dame, wo sind Ihre Manieren abgeblieben?", empört richtete er sich auf, "ist Ihnen klar, mit wem Sie hier reden? Ich bringe dich bald ins Fegefeuer!"
"Ich werde morgen ein paar Ablassbriefe kaufen gehen, dann kann ich wieder ruhig schlafen!", entgegnete ich gelassen.
"Die werden dir auch nichts nützen", lachte er diabolisch und nahm mir die Kekse ab.
"Gib mir die Kekse wieder!", schrie ich genervt. Bei Essen hörte der Spaß auf.
"Erst, wenn du dich entschuldigst. So lasse ich nicht mit mir reden. Meine Autorität fühlt sich verletzt!"
"Okay, okay, es tut mir leid! Jetzt gib sie schon wieder her!"
Da er keine Anstalten machte, lehnte ich mich herüber, um nach ihnen zu greifen. Fehlanzeige, mit seiner Armspannweite konnte ich nicht mithalten. Plötzlich bemerkte ich, wie nah ich ihm war und vernahm seinen äußerst guten Geruch. Dazu bemerkte ich erst jetzt, wie gut gebaut er eigentlich war. In sekundenbruchteilen musterte ich ihn und stoppte in seinem Gesicht, von nahem sahen seine Augen noch schwärzer und verschlingender aus, wenn das überhaupt noch möglich war. Die Luft knisterte förmlich, zwischen uns waren keine zehn Zentimeter. Gefangen in seinen Blicken fing er frech zu grinsen an und genoss scheinbar meinen völlig vernebelten Zustand. Schließlich fing ich mich wieder und brachte so schnell wie möglich Abstand zwischen unsere Körper, um diese unangenehme Situation zu unterbrechen. Beschämt starrte ich aufs Sofa und schwieg.
Die Stille wurde von seinem ekelhaften Gelächter unterbrochen. Ich hasste es. War das so ein Teufel Ding? Diabolisch trug nicht umsonst diese Bedeutung.
"Ja, wir hatten unseren Spaß, darf ich jetzt BITTE meine Kekse wiederhaben lieber Herr Teufel?"
"Ausnahmsweise", willigte er ein und gab sich Mühe, das Lachen zu unterdrücken.
Auf einem Keks kauend, nahm ich mir meine Haarbürste, um meine langen, braunen Haare zu Kämmen und sie anschließend locker zusammenzubinden. Im Spiegel konnte ich sehen, wie Asmo jede Bewegung verfolgte und mir dabei zusah. Bürstete man sich in der Hölle auch die Haare? Oder liefen da alle rum wie Verwahrloste? Wenn ich mir ihn so ansah, war er doch schon sehr gepflegt. Bis auf die wuscheligen Haare, die bis ins Gesicht hangen. Vielleicht ein neuer Modetrend?
Anschließend kletterte ich auf mein Bett, kuschelte mich in meine weichen Kissen und begann etwas auf meinem Handy zu lesen, die Präsenz von Asmo überspielte ich einfach.
"Was machst du da?", wollte er wissen.
"Lesen und warten bis du gehst", zwinkerte ich ihm zu, "hast du mal auf die Uhr gesehen?"
"Ich gehe ja schon", er sprang auf und bewegte sich doch tatsächlich zum Fenster, um mit einem Satz hinauszuspringen.
In voller Panik rannte ich zum Fenster und starrte nach unten, wo Asmo sicher auf dem Boden stand und mir winkte.
"Ich hab fast einen Herzinfarkt bekommen!", schrie ich.
"Ich bin doch der Teufel, ich sterbe schon nicht", lachte er.
"Hat mich gefreut, dass du da warst", lächelte ich nach einigen Sekunden Pause und schloss das Fenster, um mich schlafen zu legen.
"Hoffentlich sehen wir uns bald wieder Asmo...", dachte ich noch, bis mir die Augen zufielen.
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