achtundvierzig

Mit einem rötlichen Kiefer saß Yoongi im Klassenraum und wurde seit geraumer Zeit von seinen Freunden angestarrt.

Sie sagten kein Wort dazu, doch Yoongi musste ihnen in der Pause erzählen, was passiert war. Sonst würde er keine Ruhe vor den Blicken haben.

Jimin malte wie so oft in seinem Block und ignorierte jegliche Mahnungen der Lehrer.
Erst als es klingelte, legte er den Bleistift auf den Tisch und stand langsam auf, während seine Finger den Block schlossen.

Zu viert gingen sie auf den Pausenhof und stellten sich auf ihren Stammplatz.
Yoongi vergrub wie immer seine Hände in den Jackentaschen.

"Ich geh kurz auf Toilette." flüsterte Jimin, bevor er Yoongi einen Kuss auf die Wange gab und aus dem Kreis austrat.

Kaum war der Jüngste verschwunden, fasste Sungho Yoongi an den Kiefer.
"Lass das." brummte der Schwarzhaarige genervt und hielt ihn am Handgelenk fest.

"Was hast du gemacht?" fragte Sungho besorgt. Auch Jihoon blickte ihn sorgenvoll an.
"Wer war das?"

Yoongi blickte zwischen ihnen hin und her. "Jimin."
Unglaubwürdig fiel Sunghos Kiefer herunter. "Er schlägt dich?"

"Nein, das war versehentlich." verteidigte sich Yoongi sofort.
"Wie kann das denn versehentlich sein? Stehst du etwa auf sowas?" fragte Jihoon amüsiert.

Genervt sah Yoongi ihn an und hob eine Augenbraue. Er atmete durch und senkte seine Stimme. "Jimins Eltern trennen sich und dementsprechend wütend war er. Ich war im falschen Moment da und habe was abbekommen. Aber er hat sich danach sofort entschuldigt, also ist alles in Ordnung."

"Nichts ist in Ordnung!" rief Sungho aufgebracht. "Er kann dich doch nicht einfach schlagen, wenn ihm danach ist!"

"Tut er doch auch nicht."
"So fängt immer häusliche Gewalt an." mischte sich Jihoon ein, der etwas gelassener auf die Situation reagierte als Sungho.

Denn dieser war kurz davor, Jimin ein Besuch abzustatten und sein Kopf unter Wasser zu drücken.

"Der ist ein Psycho, von dem du dich fernhalten solltest."
"Sungho-"
"Nein, komm mir nicht so! Der wird dich noch mental zerstören." Wütend sah Sungho ihn an. "Da gibt es keine Erklärung, die es akzeptiert, geschlagen zu werden."

"Es wird nicht mehr vorkommen." versicherte ihn Yoongi. "Wenn er das nächste Mal irgendwas in der Richtung macht, werde ich mich trennen, okay?"

"Versprich mir das."
"Versprochen." brummte Yoongi unzufrieden.

"Der ist ja schlimmer als meine Psychotanten. Was der schon alles abgezogen hat." witzelte Jihoon. Er hörte auf zu lachen, als er die verwirrten Blicke von beiden empfing. Natürlich wussten sie nicht, wovon er sprach.

Zögerlich schürzte er seine Lippen und blickte rettungssuchend hinter Yoongi. "Jimin kommt."

Somit war das Gespräch zu Ende.

"Habe ich etwas verpasst?" fragte Jimin gut gelaunt und legte seinen Arm gewohnheitsmäßig um Yoongis Taille.

"Du hast ihm eine verpasst." brummte Sungho und blickte ihn verachtend an.
Er konnte sich kaum vorstellen, dass hinter dem Engelsgesicht ein Schläger versteckt war.

"Es war ein Versehen, der mir unendlich leid tut." entschuldigte sich Jimin und rieb sich über die Wasserlinie. "Ich weiß, dass es nicht besser macht, nur weil sich meine Eltern trennen. Yoongi hat das nicht verdient, es war nur-"

Die erste Träne floss über seine Wange. "Fuck, ich wollte nicht schon wieder heulen."

Er ließ Yoongi los und ging ein paar Schritte von ihnen weg. Da seine Augen trocken wie die Wüste war, hatte er bloß mit der letzten Anstrengung diese eine Träne herauspressen können, weshalb er gegangen war.

Sie sollten nicht merken, dass er bloß simulierte. Er war nicht traurig, er war schadenfroh. Denn die drei kauften ihm ab, dass seine Eltern sich scheiden würden.

Eine weitere Lüge auf seiner langen Liste.
Denn das Gespräch, dass sie geführt hatten, handelte sich nicht von einer Scheidung; im Gegenteil.

Freudig hatten seine Eltern ihm verkündet, dass sein Onkel endlich heiratete. Der Drogensüchtige hatte tatsächlich eine Drogentussi gefunden, mit der er für fünf Jahre glücklich sein würde, bevor sie sich den goldenen Schuss gab.

So war es bereits seit drei Ehen, doch seine Eltern freuten sich jedes Mal auf's Neue.
Denn vielleicht war es diesmal die Richtige, die ihn auf rechten Wegen führte.

Naivität war bei Jimins Mitmenschen großgeschrieben. Er fühlte sich geradezu gezwungen, sie auszunutzen, um ihnen den Gefallen zu tun und ihre Naivität aus den Köpfen zu nehmen.

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