Kapitel 6..."Belüge mich nicht!"
Evy kam mit der kleinen Sue am späten Nachmittag bei Harriet in der Villa an. Ihr kam Ash entgegen und nahm ihr die Kleine freudestrahlend ab. "Hallo Liebes!", begrüßte er Sue, die ihn angriente. "Wo ist sie?", fragte Evy Ash. "In ihrem Schlafzimmer."
"Was tut sie denn dort oben?", fragte Evy ihn. "Sie hat sich vorhin hingelegt. Es hat sie sehr mitgenommen, Eveline. Geht es dir gut?", fragte er sie.
Evy nickte nur leicht mit dem Kopf. "Ich soll dich zu ihr rauf schicken, wenn du da bist. Sie will dich sehen!"
"Okay! Dann werd ich mal zu ihr gehen...Dankeschön Ash!" Evy gab Sue einen Kuss auf die kleine Stirn. "Ich bin gleich wieder da, kleine Sue.", und sie ging eilig die Treppenstufen in die erste Etage hinauf.
Sie ging den langen Flur entlang und hielt an der dritten Tür auf der linken Seite an. "Harriet? Bist du wach?...Ich bin's...Eveline!"
Ein paar schleifende Schritte waren hinter der Tür zu hören und dann wurde ein Schlüssel umgedreht. "Entschuldige Evy! Ich musste zuschließen. Die rennen mir alle das Schlafzimmer ein...Ich kann jetzt keine Belästigungen gebrauchen. Komm rein!", und sie zog Evy an ihrer rechten Hand hinein und machte die Tür hinter sich zu.
"Du wolltest mich sehen, sagt Ash?"
Harriet trat vor die großen Vorhänge und sah hinaus auf die Straße. Dann fragte sie nebenbei, während sie sich an einem der Vorhänge festhielt: "Und? Was hälst du von der ganzen Sache, Evy?", fragte Harriet sie, als sie den Vorhang los ließ und sich in Bewegung setzte und sich auf die braune Couch aus Samt setzte.
"Was meinst du damit?", fragte Evy neugierig und doch irritiert.
"Der Brand!"
"Es brennt nicht alle Tage ein Friseursalon ab, wenn du das meinst!"
"Es war kein natürlicher Brand...Das war mit Absicht!", versuchte Harriet Evy klar zu machen.
"Wie kommst du darauf, Harriet? Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Sie laufen noch!", entgegnete Evy und dachte, das würde Harriet genügen, um mit dieser Aussage nicht weiter zu spekulieren. Doch Harriets finsterer Blick sagte ihr alles.
"Du denkst wirklich, dass sich da jemand an unserem Salon zu schaffen gemacht hat? Und das am hellichten Tag an diesem Nachmittag?", hakte Evy nach.
Harriet eilte auf sie zu und setzte sich zu ihr und nahm Evys Hände in ihre. "Mein Kind! Wir wissen Beide, wer dafür verantwortlich ist oder etwa nicht?...Du hast vor der Polizei ausgesagt, dass sich Amanda mit dir dort getroffen hat, obwohl ich es hätte sein sollte...Hast du noch jemanden bei ihr gesehen?"
Evy versuchte sich zu erinnern. "Nein!...Sie war allein da. Niemand kam mit ihr.", versicherte sie Misses Meg. Dass Cal verschwunden war und Richard vermutete, dass er im Salon war, als er brannte, behielt sie erstmal für sich, solange nichts bewiesen und dort eine Leiche entdeckt wurde.
Harriet stand nervös von der Couch auf und lief aufgeregt durch ihr Schlafzimmer. "Was hat sie dir sonst noch gesagt?", fragte Harriet sie, als sie vor Evy stehen geblieben war.
Evy druckste herum und überlegte, ob sie Harriet von der Unterhaltung unterrichten sollte.
Harriet kniete sich vor sie hin. "Eveline!...Wenn sie ansatzweise irgendetwas über ihr Vorhaben gesagt hat, muss ich das wissen!", bettelte Harriet sie an.
Evy schob Harriet beiseite und erhob sich und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen.
"Evy?...Was hat sie noch gesagt?", wollte Harriet dringend wissen, als sie hinter ihr stand.
"Sie hat nichts weiter gesagt, was sie vor hat...Sie...", und Evy hielt inne.
"Sie...was?...Evy!", forderte sie Eveline auf. "Du musst es mir sagen! Es könnte vielleicht von Wichtigkeit sein!"
Evy drehte sich zu Harriet um und sah sie an und rieb ihre Hände ineinander. "Ich weiß nicht, in wie weit diese Aussage wichtig für dich sein sollte!...Amanda sagte etwas von Stiefschwester. Keine Ahnung, was ich damit anfangen soll und was sie überhaupt damit meinte.", sprach sie nervös. "Sie sagte es so, als ob sie daran glauben würde, dass sie und ich miteinander verwandt sein sollen."
"In wie fern sprach sie davon?", wurde Harriet nervös und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.
"Sie...Sie sagte...Ach das klingt doch ziemlich albern!"
"Sprich dich ruhig aus darüber. Vielleicht kann ich dir ja helfen."
"Das war sicher wieder eine von ihren vielen Lügen, Harriet!"
"Versuche es...!"
"Naja!...Sie sprach davon, dass ich ihre...Stiefschwester sei und sie würde sich an mir rächen und mir mein Erbe wegnehmen, was eigentlich ihres ist...Wie...?...Was...?...Was immer das alles auch zu bedeuten hat. Ehrlich gesagt, ich habe keinen Plan, was sie mir damit sagen will!"
Harriet setzte sich auf die Couch zurück und hielt sich die linke Handinnenfläche vor ihrem Mund. Mit der rechten Hand stützte sie sich auf der Couch ab und sie begann zu schluchzen.
"Harriet?...Harriet!...Was ist hier los?...Was verbirgst du vor mir?", und Evy wartete auf eine Antwort.
Harriet trocknete sich etwas das Gesicht mit einem Taschentuch aus der Box. "Na schön!...Es wird Zeit, dass ich dir etwas erzähle. Es ist besser, wenn du dich zu mir setzt."
Evy sah sie verstört an. Sie verstand gerade gar nichts mehr. "Ich denke, ich werde stehen bleiben, Harriet! Es wird mir sicher nicht gefallen, was du mir zu erzählen hast...Hast du mir irgendetwas zu sagen?", fragte Evy verwirrt.
Harriet schluckte ihren Kloss herunter. "Oh mein Gott! Ich hoffe, ich kriege das hin!", flüsterte sie leise vor sich her.
Evy wurde ungeduldig, denn Harriet hüllte sich noch etwas in Schweigen. Sie wusste vielleicht nicht, wo sie beginnen sollte, damit es Evy auch verstand.
"Ich warte auf eine Antwort, Harriet!...Ob ich sie hören will, weiß ich nicht! Dein Schweigen verrät mir, dass es dir nicht leicht fällt, darüber zu reden...Geht es vielleicht um mich?"
Harriet ließ ihre Augen auf Evy ruhen. Sie begann leise zu sprechen.
"Du siehst deinem Vater so unglaublich ähnlich, weißt du das?"
Evy legte den Kopf etwas nach links schief an. "Ich weiß nicht, wie er aussieht. Ich kenne meinen Vater nicht."
"Aber ich kenne ihn!", bestätigte Harriet.
"Woher?...Moment!...Und wieso sollte ich dir das glauben?", kam es jetzt etwas kalt aus Evys Mund.
Harriet schwieg wieder.
Evy wartete wieder auf eine Antwort von ihr. "Na schön! Dann lebe weiter mit deinen Geheimnissen!", und Evy wollte das Schlafzimmer von Harriet verlassen.
Harriet erhob sich von der Couch und straffte ihre Schultern. "Warte!...Ich weiß das, weil...weil es die Wahrheit ist. Und das weiß ich auch, weil ich deine Mutter bin, Eveline Easterbrook!"
Evy blieb an der Tür stehen. "Das ist doch lächerlich, Harriet Meg!...Wie kannst du meine Mutter sein? Meine Mutter, die mich nicht bei sich haben wollte. Wenn du es bist, so, wie du es sagst, dann erkläre mir, wie!...Damit ich es glauben kann!"
"Du und Amanda...Ihr seid Stiefgeschwister. Ihr Vater ist dein Vater...!"
"Oh scheiße!...Das wird ja immer schöner!......Du lügst! Fällt dir keine bessere Geschichte dazu ein?...Ich bin kein kleines Kind mehr, das du belügen musst, Harriet!", wurde Evy langsam zornig. Wer will Amanda schon als Stiefschwester haben? Sie ganz bestimmt nicht.
"Ich war damals verheiratet, jung, unwissend. Man hat mich gelehrt, immer nur einem Mann die Treue zu schwören. So hat man mich auch erzogen. Ich heiratete einen Mann, der mir damals noch ausgesucht wurde. Doch dann lief mir Amandas Vater über den Weg. Wir lernten uns kennen und lieben. Da er auch verheiratet war, ließ ich mich auf eine Affäre mit ihm ein. Du bist aus dieser Affäre entstanden, Eveline...
Amanda machte dem besten Freund ihres und deinem Vater schöne Augen und ließ sich auf ihn ein und ging mit ihm nach Afrika. Ihr Vater verlangte von ihr die Liaison zu beenden, da der Mann um einiges älter war als Amanda. Amanda weigerte sich. Und somit strich er seine leibeigene Tochter aus dem Testament und setzte dich als Erbin ein. Bis dahin wusste er nichts von deiner Existenz. Bevor er starb, erzählte ich ihm von dir und zeigte ihm Fotos, wie du aussiehst und dass du eine kleine Tochter hast und im Salon arbeitest. Er war so stolz auf dich. Nachdem Amanda nun aus dem Haus geworfen wurde, wurde es deines...Die Villa gehört dir..."
"...Und Amanda will sie wieder an sich reißen und mich vernichten!", beendete Evy den letzten Satz von Harriet. Ihr stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Sollte sie Harriet glauben, was sie gerade vom Stapel gelassen hatte? Oder war das die Wahrheit?
Evy betrachtete Harriet und verließ ohne ein Wort das Schlafzimmer. Harriet ließ sie gehen. Evy bräuchte nun erstmal etwas Zeit, um das alles zu verdauen.
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