Kapitel 5
Wir sind am nächsten Tag vor einem Ausgang, der aus den unterirdischen Tunneln hinausführt. Dort müssen laut Jorge Brenda und Thomas hinauskommen, denn es ist der einfachste Weg, wenn sie den geschafft haben, zu nehmen, was ich natürlich hoffe. Ich hoffe, dass sie bald hier auftauchen werden und dass ihnen nichts geschehen ist, denn wir haben gestern genug Verluste erlitten. Wenn sie allerdings Probleme bekommen haben, dann müssen sie einen anderen Weg aus den Tunneln hinaus nehmen und dann müssen wir dort auf sie warten. Da wir nicht wissen, welche Möglichkeiten eintrifft, warten wir hier einfach eine Weile und müssen uns dann, wenn sie nicht auftauchen, auf den Weg zu der anderen Stelle machen. Die Nacht haben wir in einem Gebäude verbracht, das sich ein paar Meter neben unserem Gebäude befunden hat. Ich habe nicht so gut geschlafen, doch ich bin trotzdem relativ ausgeruht, was mich ziemlich wundert. Es ist hier einfach so heiß, deswegen habe ich mich an die Wand des Ausgangs gelehnt, wir haben uns all in den Schatten des Ausgangs gestellt und wir warten alle mit peinlichem Schweigen auf die Rückkehr von Brenda und Thomas. „Woher kennst du George?", werde ich auf einmal von einer Stimme gefragt. Ich drehe den Kopf und sehe Newt, der mir wohl die Frage gestellt hat. Wir stehen ein paar Meter abseits der anderen. Soll ich es ihm wirklich erzählen? Ich kenne ihn ja kaum. Doch ich habe auf einmal das Bedürfnis, das zu teilen und es ihm zu erzählen. Ich glaube nicht, dass er es weitererzählen wird, warum ich das denke, weiß ich auch nicht. Er macht einfach einen vertrauenserweckenden Eindruck auf mich. Er scheint eigentlich sehr nett zu sein. Ich blicke vorsichtshalber noch einmal um mich, um sicherzugehen, damit mich niemand belauscht. Das soll niemand außer ihm erfahren. Mein Herz fängt an, schneller zu schlagen und alles in meinem Bauch fängt an, sich zusammenzuziehen, wenn ich an diese Zeit denke. Sie war einfach nur grausam, buchstäblich die Hölle. Wieso hätte ich denn nicht einfach zu Hause bleiben können? „Ich war auch mal bei Wicked. Als Kind haben sie mich genauso wie euch alle mitgenommen, dort habe ich Brenda und ihren Bruder George kennengelernt und wir haben uns gegenseitig immer geholfen, das alles durchzustehen. Dann wurden Brenda und ich eines Tages aussortiert, vorher wurden schon weniger Tests mit uns gemacht als mit den anderen. Wir dachten damals, dass das ein gutes Zeichen wäre. Doch sie haben nur getestet, ob wir Ihnen überhaupt noch von Nutzen sind und da wir das nicht waren, haben sie uns mitten in der Wüste ausgesetzt. Brenda und ich sind fast gestorben, hätte Jorge uns nicht aufgenommen, wären wir jetzt tot und wir konnten uns nicht einmal von George verabschieden. Er war einfach weg. Wenn man jetzt bedenkt, wie viele aus dem Labyrinth jetzt hier sind, dann frage ich mich, ob es für uns wirklich besser gelaufen wäre, wenn sie uns behalten hätten. Aber ich hoffe, dass du George in guter Erinnerung behältst. Früher war er zumindest immer ein toller Mensch gewesen." Ich merke gar nicht, dass es mir beim Reden fast die Kehle zugeschnürt hat, da mich die Vergangenheit so mitnimmt. Ich sehe Newts braune Augen, wie er mich erstaunt anstarrt, als könnte er nicht glauben, was er da gerade gehört hat, doch es ist wahr. „Das tut mir alles total leid ... Wirklich. Ich erinnere mich nicht mehr an mein Leben vor dem Labyrinth, aber vielleicht haben wir uns ja gekannt, bestimmt sind wir uns mal über den Weg gelaufen. Da ich ja der zweite Anführer der Lichter war, musste ich auch öfter mal Befehle erteilen, George hat sich nie gesträubt, was bei einem Jugendlichen wirklich erstaunlich ist und ja, ich kann dir recht geben, er wat stets freundlich. Leider hat er nicht so viele Freunde gehabt, allerdings auch keine Feinde, jeder hat ihn geschätzt und wusste, dass man sich auf ihn verlassen kann. Dann muss Brenda sicherlich auch so nett sein." Ich weiß nicht, wieso, doch bei seinem letzten Satz durchfährt mich ein Stich der Eifersucht. Brenda ist wirklich nett, das ist nicht zu leugnen, doch das bin ich auch. Ich habe ihm gerade eigentlich meine ganze Vergangenheit erzählt und das ist der Dank, dass nur meine beste Freundin gelobt wird. Na super! „Hey, mach nicht so ein Gesicht. Das war ein Scherz. Natürlich denke ich auch, dass sie nett ist, aber so nett wie du kann sie eigentlich nicht werden, schätze ich mal. Ich wollte dich wirklich nicht verärgern, May, ich wollte nur die Stimmung ein bisschen auflockern und will nicht, dass du jetzt einen falschen Eindruck von mir hast. Ich bin eigentlich ganz nett." Jetzt, da er sich entschuldigt hat, muss ich auch grinsen. Ich habe das wirklich zu ernst genommen und schätze, dass ich mich ein bisschen lockerer machen muss. Er scheint wirklich nett zu sein und es ist eine sehr gute Eigenschaft, wenn man ernste Situation auch mal zu etwas lustigerem werden lassen kann. Ich bin ihm dankbar für den Themenwechsel. „Nein, keine Angst, das denke ich nicht von dir. Ich wundere mich, wie ihr alle überhaupt noch so gut drauf sein könnt, da ihr eigentlich ja schon die Hölle auf Erden durchgemacht habt. Ich weiß nicht, wie ich das alles verkraften würde ... Was ich damit eigentlich sagen will, ist, dass ich das wirklich erstaunlich finde." Newt lächelt mich an und fährt sich mit seiner Hand durch die Haare. „Danke, es ist manchmal aber wirklich nicht leicht. Du hast es aber auch nicht leicht. Unser alles Leben ist ziemlich verkorkst." „Ja, ich stelle mir vor, wie es wäre, zur Schule zu gehen und sich darüber beschweren würde, dass man zu viele Hausaufgaben aufhätte. Das wäre ein tolles Leben." „Da hast du recht", lacht er und stimmt ein. Es bilden sich Grübchen um seinen Mundwinkel, die wirklich süß aussehen. Newt ist mir wirklich sympathisch.
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