Kapitel 23

Die Blutransfusion ist nun wohl abgeschlossen. Ich lag die letzten Stunden mal wieder wie eine Leiche auf der Liege und habe versucht, an nichts zu denken. Auch nicht an Newt, denn wenn ich das getan habe, ist es passiert, dass wieder meine widerlichen Fantasien zum Vorschein kamen und ich mir vorgestellt habe, wie ich zusammen mit einer Sekte von Bisons dabei war, ihn zu essen und den heiligen Grashalm anzubeten. Ich habe Angst vor dieser Seite von mir und ich will sie nicht. Ich weiß nicht, was ich machen soll, um das zu verhindern. Ich will das nicht, denn ich bin ein netter Mensch. Ich liebe ihn und will nicht so denken, denn ich will ihm nur Gutes tun. Ich will nicht, dass er weiß, was ich denke, denn ich habe Angst, dass er mich hassen könnte und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen könnte. Denn das wäre wirklich das Allerschlimmste und ich weiß genau, dass ich das nicht verkraften werde. Ich bin sehr sensibel. Ich bin am Dösen, denn ich kann nicht wirklich einschlafen, aber dennoch bin ich müde, total erschöpft vom Nichtstun und meinen Fantasien und will auch nicht die Augen aufmachen, da ich denke, dass sich das bestimmt nicht positiv auf meinen Zustand auswirken wird. Außerdem riskiere ich so, dass mich jemand anspricht. Ich will mit niemandem reden, sondern einfach nur meine Ruhe haben und wenn ich mit anderen rede, besteht schließlich auch die Gefahr, dass sie herausfinden, was mit mir los ist und ich denken werde, dass sie diese Therapie sonst noch weiterführen werden nur damit sie mich am Leben erhalten können. Ich bin dann wie ein bisschen Müll, das einfach so entsorgt wird, wenn es nicht funktioniert. Ich will mit Jorge und Brenda reden! Dieser Gedanke schießt mir auf einmal in den Kopf. Doch ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Kann ich mich dazu aufraffen und wird mein Körper dabei mitspielen? Ameisen mit leckerer Schokolade! „May, was ist los. Entspanne dich! Ich bin ja hier!" Als sich seine Hand auf meine legt, zucke ich zusammen, wie von der Tarantel gestochen, auf der einen Seite so geschockt wegen meines kurzen Anfalls des Brands und auf der anderen Seite, weil ich die ganze Zeit über dachte, dass ich alleine wäre und es anscheinend doch nicht bin. Er soll es nicht sehen! Er denkt, ich bin ein Monster! „Wie lange bist du schon hier?", gebe ich so kühl wie möglich von mir und räuspere mich kurz. Es tut weh, nicht warm und offen zu ihm sein zu können, aber immerhin denkt er, ich hätte mit ihm in einer Art und Weise Schluss gemacht, obwohl wir noch nicht einmal zusammen waren. Er muss denken, dass ich nichts von ihm will, um seiner Psyche willen. Mist! Warum muss das nur so verdammt schwer sein? „Ich war die ganze Zeit bei dir! Bin dir keine Sekunde von der Seite gewichen. Ich denke, dass die Bluttransfusion langsam anschlagen muss, bei Brenda war es immerhin so. Fühlst du dich besser? Es wird alles wieder gut, das habe ich dir doch versprochen und du merkst, wir zusammen sind auf dem Weg der Besserung." Ich kann selbst, obwohl ich die Augen geschlossen habe, sehen, wie er lächelt. Er hat noch immer Hoffnung für uns. Und das ist das, was mir fast mein Herz in der Brust zerreißt. „Es schlägt nicht an! Es ist schlimmer geworden, hörst du! Ich werde sterben!" Ich fange nun an zu schluchzen, wie ein kleines Baby, das grausame Schmerzen hat. Flüssige Erde ... Hustende Karotten ... „Ich will nicht sterben, Newt", schluchze ich und greife nach seiner Hand, um sie festzuhalten, wobei ich eher das Gefühl habe, dass ich ihm seine Knochen zertrümmere. Ich kann diese Welt nicht verlassen! Sie hat noch so viel, was ich noch nicht kenne! So viele Erfahrungen muss ich noch machen. Wie es ist, geliebt zu werden, seinen ersten Kuss zu bekommen, ich liebe dich zu sagen, einfach wunschlos glücklich sein. All das, was ich von Newt bekommen könnte, wenn es nicht nun schon viel zu spät wäre. Meine Tage sind gezählt und die Stunden, in denen ich klar denken kann noch mehr. Ich kann froh sein, wenn ich nicht wieder meine Anwandlungen bekomme und mich noch verständigen kann. Ich frage mich, was für ihn einfacher sein wird: Wenn er immer denken wird, dass ich ihn nicht geliebt habe oder wenn er nach meinem Tod erfährt, was ich all die Zeit über für ihn empfunden habe und was mein größter Wunsch war. Ich will das Beste für ihn. Ich kann nicht mit einer solch großen Lüge sterben. Seine Liebe zu verleugnen ist, wie wenn das ein zusätzlicher Faktor sein würde, wegen dem ich auch noch schneller sterben würde. Ich fühle mich im Moment so grausam, vom Brand spüre ich zwar nichts, aber es ist so, dass das noch viel schlimmer ist. Mein Herz schmerzt so sehr, es ist, wie wenn man mit einem Bohrer mitten hinein bohren würde unf es anschließend fassen würde, um es mir aus der Brust zu reißen. Ein grausames Gefühl, das ich nicht mal meinem ärgsten Feind wünsche. Wie es ist, die Person zu verlieren, die man über alles liebt, ist grausam. „Es muss anschlagen, May. Ich bin immun und deswegen wird es auch funktionieren. Wenn ich nicht immun wäre, dann könntest du dir Sorgen machen, doch das ist nicht der Fall. Ich merke, dass es dir hilft, du siehst schon ein bisschen besser aus ..." Er streicht mir mit seinen Fingern durchs Haar. „Du bist wunderschön." Er räuspert sich und dreht sein Gesicht in die andere Richtung, doch seine Hand hält meine noch immer. Mein Herz scheint nun fast aus meinem Brustkorb zu springen. Unendliche Qualen. Sie werden nie aufhören. Erst, wenn ich tot bin ...

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