EINS | 𝐑𝐎𝐘𝐂𝐄

Mutter hat Alkoholiker gehasst.

Sie hatte eine seltsame Abneigung gegen alle Menschen, die trinken.

Früher, als mein Bruder und ich noch jung waren, hat sie uns mehrmals nachts mitgenommen, um durch die Straßen spazieren zu gehen. Sie es geliebt hat, die Nächte draußen unter den Sternen zu verbringen, hat sie uns immer erklärt.

Und jedes Mal, wenn wir an betrunkene Teenager oder Erwachsene vorbeigelaufen sind, hat sie verächtlich die Nase gerümpft und diese herablassend angeblickt.

Diesen herablassenden Blick, den ich von Hexen aus Fernsehsendungen kannte.

Immer hat sie mich danach angesehen, und meinem jüngeren Ich erzählt, wie ekelhaft solche Menschen sind. Sie wollte nicht, dass ich Alkohol auch nur anrühre.

Und mein jüngeres Ich hat immer brav mit dem Kopf genickt und Versprechungen gegeben.

Versprechungen, von denen er nicht wusste, dass er sie einmal brechen würde.

Nachdenklich blicke ich die Whiskey Flasche in meiner Hand an und lege den Kopf schräg, dass er beinah die Schulter meines Zwillingsbruders berührt. Doch dieser zieht gerade an einer Zigarette und scheint es nicht einmal zu bemerken.

Wieder denkst du an sie. Deine Vergangenheit.

Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen und hebe die Flasche, um sie an den Mund zu setzen und einen großen Schluck zu nehmen. So wie ich es die letzte Stunde getan habe, um die Stimmen in meinen Kopf zum Verstummen zu bringen.

Obwohl so viel Alkohol ist nun mal wirklich nicht gesund, aber darüber kann ich mir Morgen Sorgen machen.

»Hörst du endlich auf, diese verdammte Substanz zu trinken? Das ist widerlich, wie viel du von der runterbekommst.«

Naserümpfend sieht mich Cecelia an und verzieht angeekelt das Gesicht. Ich nehme genervt einen tiefen Atemzug und reibe mir die Stirn. Ich komme nicht dazu zu antworten, da sich mein Bruder einmischt. »Weißt du, ich frage mich schon seit einer Stunde, womit wir die Ehre haben, eine Spaßbremse als Gesellschaft zu haben. Brauchst du nicht deinen Schönheitsschlaf für die Schule morgen?«

»Direkt ausgedrückt: hau ab, niemand will dich hier«, kontere ich und hebe provozierend den Blick. Cecelia war längst ein hoffnungsloser Fall und ich habe seit Jahren aufgegeben, mir die Mühe zu machen, nett mit ihr zu reden.

Die blonde Schlange sieht mich empört an und erwidert: »Wayne, ich gehöre zur Clique, was du sehr wohl weißt!« Sie wirft mir einen bösen Blick und verschränkt die Arme vor der Brust.

»Du gehörst eher zur Clique, weil du wie eine Hündin an Claires Arsch klebst«, erwidere ich trocken und höre Kayson neben mir zustimmend brummen.

Jeder in der Schule weiß, dass Cecelia Freundschaft zu Claire Rivera nur aufgebaut hat, weil Claire einen guten Ruf in der Schule und Geld hat.

Claire.

Sie sollte hier bei uns in dieser Party sein. Doch sie hat abgesagt, weil sie mit der Familie des Freundes ihrer Mom zu Abendessen eingeladen ist. Nun, eingeladen passt nicht wirklich, sie, ihr Bruder und ihre Mutter wohnen praktisch dort, seitdem ihr Vater die Scheidungspapiere eingereicht, sich den erstbesten Flieger nach England genommen hat und Sawyer, Claires Mutter, mit 'ner Menge Rechnungen zurückgelassen hat.

»Sag doch einfach, warum du hier bist«, stößt Kayson die Luft aus, wirft die Zigarette auf dem Boden und tritt sie aus.

Wenn Mutter uns vor ein paar Jahren so gesehen hätte, wäre sie längst an einem Herzinfarkt gestorben. Doch genau wie wir unsere Versprechungen an ihr gebrochen haben, hat sie ihre gebrochen.

Bestimmt sitzt sie jetzt auf der Couch mit einem Glas Wein und hinterfragt ihre Existenz. Ein bitteres Lächeln legte sich bei dem Gedanken auf meine Lippen.

Wer hätte gedacht, dass ein einziger Unfall eine enge Familie so auseinanderreißen könnte?

Cecelia sieht Kay nur schweigend an. Und er scheint plötzlich zu verstehen, warum Claires beste Freundin hier bei uns ist. Ein spöttisches Lachen entflieht seinem Mund. »Hat dich Claire auf Royce gehetzt?«

Verwirrt lege ich die Stirn in Falten und nehme einen weiteren Schluck von der Whisky Flasche. Und bereue es, als meine Sicht langsam verschwimmt. Vielleicht ist die Idee mit dem Betrinken bis zum geht nicht mehr doch nicht so gut ...

Mein Magen hat noch vor drei Jahre kein Tropfen Alkohol vertragen und schon nach einem halben Becher Bier hing ich kotzend an die Kloschüssel. Doch mittlerweile vertrage ich viel Stärkeres und selbst das braucht Zeit, um zu wirken.

»Wieso soll sie eine Spaßbremse auf mich hetzen?«, frage ich meinen Zwillingsbruder verständnislos und eine Strähne fiel mir in die Stirn.

Kay seufzt schwer und sieht mich an, als wäre die Antwort ganz klar, ich bin nur begriffsstutzig. »Rey, du hast auf der letzten Party mit diesem College Mädchen geschlafen. Und auf deiner Stirn steht klar und deutlich ›Für Claire reserviert‹ geschrieben.«

Um seine Aussage zu bekräftigen, schnipste er mir mit einem amüsierten Blick gegen die Stirn.

»Ich bin für niemanden reserviert«, knurre ich und schlage Kays Hand weg.

Dieser sieht mich nur belustigt an und augenverdrehend wende ich mich von ihm ab. Vielleicht bin ich seit zwei Jahren hinter ihr her, doch das heißt längst nicht, dass ich reserviert bin. Sie ist doch diejenige, die mich die ganze Zeit abblitzt, obwohl sie mich auch will.

Wahrscheinlich gebe ich gerade auch nur Unsinn von mir, was daran liegen könnte, dass ich im Moment viel Alkohol intus habe.

»Sag das mal Claire«, erwidert Cecelia patzig.

Betont amüsiert drehe ich den Kopf zu ihr. »Also hat der Spaten recht?«

Ergeben seufzt sie und sieht mich als andere als glücklich an. »Ja, Wayne, weil sie nicht will, dass du wieder Mädchen abschleppst, um sie eifersüchtig zu machen.«

Wer hat gesagt, dass ich sie eifersüchtig machen will?

Doch ich widerspreche der Zicke nicht, denn es stimmt tatsächlich. Ich will Claire verdammt noch mal klarmachen, dass sie ihr Ego beiseitelegen und sich endlich auf mich einlassen soll.

Es macht mich verrückt. Kann sie nicht einfach klar machen, ob sie mich auch will, oder nicht? Dann kann sie den Servierscheiß woanders hinstecken.

Kayson merkt wie immer als erster mein Frust. Mitleidig hält er mir die Zigarettenschachtel hin, doch ich schüttelte nur zähneknirschend den Kopf. Mag sein, dass ich gerne trinke, aber ich habe mir geschworen, die Hände von Drogen zu lassen.

Anders als mein Bruder, der, soweit ich weiß, sogar dealt.

Als 10 Minuten älterer Bruder sollte ich ihn davon abhalten, doch was wird das schon bewirken? Er wird das dann hinter meinem Rücken machen, was wahrscheinlich schlimmer ist.

Mehr als ihn zu warnen, kann ich nicht machen. Und will ich auch nicht.

Ich will nicht der Heilige von uns spielen. Denn auch, wenn ich nicht wie er Drogen nehme, wir beide wussten, dass ich der schlimmere Bruder bin. Und darauf bin ich nicht gerade stolz.

»Heyo, Leute, habt ihr die scharfe Blondine da drüben gesehen? Ich frag mich, warum sie noch nicht in meinem Bett war.«

Dexter kam getorkelt und lehnte sich gegen die Wand zu meinem rechten. Als er grinsend den blonden Lockenschopf zu mir dreht, sehe ich wie groß seine Pupillen sind und stöhne. »Dexter, verdammt, hast du schon wieder was genommen? Du sollst uns heute doch zurückfahren!«

Bei Dexters Anblick rückt Cecelia mit vor Ekel verzogenem Gesicht von ihm weg. »Ich habe dir doch gesagt, dass ICH fahren soll«, presst Kay hervor und sah mich anklagend an.

Abwehrend hebe ich die Hände hoch. »War nicht mein Vorschlag.«

»Wo sind überhaupt die Schlüssel, Dexter?«, frage ich an dem Lockenschopf gerichtet, der jedoch nur mit den Schultern zuckt. »Ich glaube, Cyril hat ihn genommen, um es dort mit seinet Freundin zu treiben.«

Fassungslos sehe ich meinen besten Freund an und Panik schimmert in Cecelias Augen, während sich Kay nur gegen die Stirn klatscht. »Sag mal, wie viele treiben es dort? Wir fahren doch immer damit!«, kreischt Cecelia schrill und sieht kurz aus, als würde sie am liebsten nach irgendwas greifen und damit Dexter fest auf dem Kopf hauen.

Wovon ich sie nicht abhalten würde. Der Typ braucht es im Moment dringend.

Auch ich sehe wütend zu ihm rüber. Doch nicht aus dem gleichen Grund wie Cecelia. Was mich im Moment eher ärgert, ist, dass ich damit gerechnet habe, heute noch nach Hause zu kommen.

Da noch einiges dort auf mich wartet, wofür ich das ganze Alkohol erst in mich hinein kippen musste.

Witzig, dass ich sowas ausgerechnet vor der Ankunft meines eignen Vaters tun muss, um seine Anwesenheit zu ertragen.

Bei klarem Verstand kann ich seine Vorwürfe gegenüber meinen Geschwistern und Mutter nicht ertragen, ohne ihm eine reinhauen zu wollen.

Bin ich egoistisch, weil ich trotz dieser verkorksten Familie, nach dem Gefühl von Glück und Geborgenheit mit jemand wie Claire suche? Um diese Probleme mit ihr zu teilen, obwohl sie etwas Besseres verdient hat?

Ja, das war sehr egoistisch, dass ich manchmal einfach daran denke, Claire aufzugeben, weil sie eine genauso verdorbene Vergangenheit hat und eine Zukunft verdient, in der sie glücklich mit jemand Besseres an ihrer Seite ist.

Übersteh erstmal die Nacht, bevor du über die Zukunft nachdenkst.

Wenn ich ehrlich bin, bete ich manchmal, einen Unfall auf dem Weg zu haben, um ihn nie wieder sehen zu müssen. Aber dann denke ich an meine Schwester und meinen Bruder und bereue ich sofort.

Reiß dich zusammen, fuhr ich mich selbst in Gedanken an.

Ich öffne den Mund, um Dexter anzufauchen, doch bevor ein Wort meinen Mund verlassen kann, vibrierte etwas in meiner Hosentasche. Alle Blickte richten sich auf mich, während ich fluchend nach meinem Handy greife.

Ein bekannter Name leuchtet auf dem Display meines Smartphones und als ich ihn lese, weichen mir alle Farben aus dem Gesicht. Ich zähle von tausend abwärts, um meine Atmung zu beruhigen.

Kay bemerkt es gleich und als er über meine Schulter späht, wird auch er bleich. Ich drücke schnell den Anruf weg und drehe mich zu den anderen.

»Kay und ich müssen nach Hause. Jetzt.«

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