Kapitel 6

»Das ist Maddies Zimmer, seit sie ein Baby war«, erklärte die Mutter, als sie uns in den rosafarbenen Mädchentraum führte. »Sie hat dieses Zimmer geliebt, und dann, letzte Nacht ...«
»Dürfen wir uns hier drinnen mal umsehen?«, fragte Sam.
Die Frau nickte. »Ich bin gleich zurück.«
Kaum war sie verschwunden, erschien Sully.
»Ich hab euch gesagt, dass es furchtbar ist«, sagte er, den Blick auf den Sessel gerichtet.
Dean sah sich um. »Würdest du's uns zeigen?«
Sully nickte und lief zu uns herüber. Seine Schritte hinterließen schmatzende Geräusche auf dem Boden.
Nacheinander berührte der Zanna unsere Stirn, dann konnten wir das Grauen sehen. Sparkles Leiche lag auf dem Sessel, welchen Sully angestarrt hatte. Überall war sein Blut. Sein Horn war abgeschlagen.
»Oh ja, dieses Kind braucht jede Hilfe«, meinte Dean entsetzt.
»Moment mal, sogar sein Blut glitzert. Seht mal«, machte Sam uns darauf aufmerksam.
»Selbst im Tod glitzert Sparkle immer noch weiter«, brachte Sully mit Tränen in den Augen und bebenden Lippen hervor.
Wortlos sahen wir uns an.
Dean verdrehte die Augen und trat auf den Leichnam zu, um ihn zu begutachten.
»Wer tut so etwas nur?«, fragte Sully.
»Das sind Messerstiche«, erklärte Dean.
»Sully, können Zanna andere Zanna sehen?«, wollte Sam wissen.
»Natürlich. Aber so war's ganz bestimmt nicht. Ein Zanna könnte so was niemals tun.«
»Nichts zu sehen, oder?«, erklang auf einmal die Stimme der Mutter, die kurz darauf den Raum betrat. »Ich dachte bis jetzt immer, dass es die Aufgabe der Eltern ist, ihr Kind so lange wie möglich Kindsein zu lassen.« Sie begann die Blut verschmierten Spielzeugtassen wegzuräumen und lief durch die glitzernde Flüssigkeit.
»Oh, das ist böse«, murmelte Sully und unterdrückte einen Brechreiz.
»Vielleicht haben wir sie auch zu sehr sich selbst überlassen. Ach, keine Ahnung.« Sie ergriff ein Kuscheltier und fasste direkt in das Blut.
Entsetzt sahen wir sie an.
»Ich meine, ein Fantasiefreund, der Sparkle heißt«, Mrs. Berman ließ sich auf dem Sofa nieder, »wie niedlich ist das denn?«
Sie fasste sich nachdenklich mit der Hand ins Gesicht und verteilte somit das Blut auf ihrer Haut.
»Es tut mir leid ...«, entschuldigte sie sich. »Ich benehme mich genauso theatralisch wie meine Tochter.«
»Oh, es ist auf ihrem Gesicht, Sam. Es ist auf ihrem Gesicht«, sagte Sully neben uns, den die Frau nicht sehen konnte.
Mrs. Berman erhob sich, im Gesicht überall das Blut verteilt. »Sagen Sie mir -«
»Sie hat Sparkle auf ihrem Gesicht!«
»- wie kriegen wir unsere Kleine wieder?«
Wir starrten sie nur an, unfähig zu sprechen.
»Irgendjemand muss etwas sagen«, meinte Sully panisch. »Jemand muss etwas sagen.«
»Haben Sie vielleicht ein Gästezimmer, wo Maddie schlafen kann?«, fragte ich.
Mrs. Berman nickte.
»Gut. Am besten zieht Maddie dort ein. Das sollte schon helfen.«
»Das Gesicht waschen ...«, murmelte Sully.
»Und 'ne heiße Dusche wirkt Wunder«, sagte Dean daraufhin.
»Sie sollten ein Peeling machen«, meinte Sam. »Zur Tiefenreinigung.«
»Für Maddie?«, fragte Mrs. Berman.
Dean lächelte verschmitzt. »Die ganze Familie. Alle auf einen Rutsch. Sie wissen doch, die Familie, die gemeinsam duscht.«
Verwirrt zog die Frau die Stirn in Falten.
»Pfui, Teufel!«, schimpfte Sully neben uns.
»Versuchen Sie's doch einfach mal«, schlug Sam daraufhin vor. »Falls Sie weitere Hilfe brauchen, können sie uns gerne anrufen.«
»Okay ...« Die Frau sah uns an, als wären wir bescheuert, dennoch nickte sie.

Da eine gewisse Nicky laut Sully am vorherigen Abend nicht im Hauptquartier erschienen ist, fuhren wir zu dem Haus, wo ihr Pflegekind, oder wie immer man das nennen wollte, lebte.
Wir betraten das Grundstück über den Garten. Sully stand bereits wimmernd vor dem Pool, im welchem Nicky tot lag.
»Was? 'ne Meerjungfrau?«, fragte Dean ungläubig.
»Es ist ein Blutbad«, brachte Sully unter Tränen hervor.
Ich trat näher und begutachtete die Wunde. »Ein Messerstich. Wie bei Sparkle.«
Sully machte in meinem Rücken seltsame Geräusche, weswegen Dean sagte: »Nun gut. Lass es raus.«
»Nein. Nein, ich muss stark sein für Sam«, entgegnete der Zanna sofort.
Wortlos sahen wir uns an.
»Gut, Sully, gibt es irgendjemanden, der Nicky was Böses will?«, fragte Dean.
»Äh, nein ... Oh ...«
»Was?«
»Ich mein ... Ich mein, ihr Freund ist etwas anhänglich. Aber er ist einer meiner besten Freunde ...«
Wir tauschten vielsagende Blicke aus.
»Leute, Weems würde Nicky nie verletzen. Ich meine, er hat sie zu sehr geliebt.«
»Zu viel ist nicht gut«, entgegnete Dean. »Dann reden wir mal mit dem Freund der Meerjungfrau, weil offensichtlich haben Fantasiefreunde auch Beziehungen.«
Kopfschüttelnd wandte er sich ab, doch Sully hielt ihn zurück.
»Wartet, Moment! Wir können sie nicht einfach so liegen lassen. Das ist verstörend für das Kind.«
»Und was willst du tun? Sie in 'ner Riesentoilette herunterspülen?«
Entsetzt sah Sully den Winchester an, und auch Sam warf seinem Bruder einen fassungslosen Blick zu.
»Okay, hast recht ... Ich habe ...« Dean schwieg und ließ ehrfürchtig den Kopf sinken. »Wie können wir dir helfen?«
»Ich glaube, ich hab dort hinten ein paar Schaufeln gesehen«, sagte Sully und ging.
Kaum war er verschwunden, wandte Dean sich Sam. »Totoro scheint dich sehr zu mögen, hm?«
Sam antwortete nicht, und da ging Dean, um Sully zu helfen.
Sam, Dean und ich vergruben Nicky im Blumenbeet, dann fuhren wir los, um Weems aufzusuchen.
Während der Fahrt baute Weems über die telepartische Fähigkeit der Zanna Kontakt zu Sully auf, und sofort fuhr Dean schneller.
Es war bereits dunkel, als wir das Haus seines Kindes erreichten. Mit Taschenlampen in der Hand liefen wir über Grundstück. Die Bettwäsche, die neben der Wäsche auf dem Boden lag, schimmerte an einer Stelle rot. Blut.
Wir folgten der Spur bis zur Garage, die wir erhobenen Waffen öffneten. Da fiel unser Licht auf einen Körper, der sich bewegte, und hastig rannte Sully zu ihm.
»Weems! Weems, geht es dir gut?«, rief der Zanna panisch und begutachtete die Wunde.
»Ja. Ja, das Messer ging genau durch meinen Rettungsring. Mein Fett hat mich gerettet. Wer hätte das gedacht?«
»Fett ist super«, stimmte Sully zu.
»Ja.«
»Die Meerjungfrau hatte nicht so viel Glück«, sagte Dean, ohne mit der Wimper zu zucken.
Fassungslos blickte Weems zu uns. »Redet der mit mir? Wer ist das?«
»Das sind Freunde«, erklärte Sully und sah uns an.
»Hey, Weems«, rief Dean, »wann hast du die Meerjungfrau das letzte Mal gesehen?« Er wandte sich an Sam und mich. »Hab ich das wirklich gerade gesagt?«
»Gestern. Wieso? Was ist mit Nicky?«
»Sie wurde ermordet«, erklärte ich.
»Was?« Entsetzt starrte uns der Zanna an.
Mit Tränen in den Augen hielt Sully ihn fest. »Weems, es tut mir so schrecklich leid.«
»Nein, Nicky ... Sie war mein Schatz!« Weinend brach der Zanna zusammen und unsicher blickte ich zu Sam.
»Sparkle ist auch tot«, sagte Sully.
»Nicht auch noch Sparkle! Das ist ja unsere ganze Truppe!«
»Ich weiß doch, aber, hey, dir geht's gut.«
»Okay, ich verstehe. Ihr seid alle Freunde. Hat vielleicht irgendjemand ein Problem mit euch?«, fragte Dean.
»Ich hab sie noch nie vorher gesehen«, meinte Weems.
»War da sonst irgendjemand?«, wollte Sam wissen.
»Ja, irgend'ne Frau. Nachdem sie mich abgestochen hat, ist sie in 'nem alten VW-Käfer abgehauen.«
Während Sully weiter auf Weems einredete, wandten die Winchester und ich uns ab.
»Das ist doch was Gutes, oder?«, fragte Sam.
Dean schüttelte den Kopf. »Nein, das ist richtig gut. Ich meine, ein Mannhorn, eine Meerjungfrau, was soll ich damit? Aber 'ne Frau in 'nem Auto, das ist genau meins.«
»Okay, ihr geht und ich kümmer mich um die beiden.«
Dean und ich nickten zustimmend und gingen davon.
Wir folgten dem VW-Käfer und fanden ihn bei einer alten Scheune. Mit erhobenen Waffen stiegen wir aus und liefen auf diese zu. Vorsichtig näherten wir uns dem Auto und ich warf einen Blick hinein. Da spiegelte sich eine Gestalt hinter mir in den Fenster, und bevor ich reagieren konnte, wurde ich bewusstlos geschlagen.

Als ich wieder erwachte, waren Dean und ich an zwei alten Rohren gefesselt worden. Vor uns stand eine Frau, die die Kapuze ihres Pullis tief ins Gesicht gezogen hatte, so dass ich sie nicht erkennen konnte.
»Gut, dass ihr wach seid«, sagte sie. »Ich habe euren Freund bereits benachrichtigt. Er wird gleich hier sein.«
Mein Blick fiel auf Deans Handy, welches auf einer Kiste einige Metern von uns entfernt lag.
»Ich glaube, dass wir einen gemeinsamen Fantasiefreund haben«, sagte sie und zog sich ihre Kapuze herunter, so dass wir in ein junges Gesicht einer Frau blicken konnten. »Kennt ihr Sully?«
Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie wandte sich ab.
Als Sam mit Sully erschien, packte die Frau Dean am Schopf und legte ihm ein Messer an die Kehle. Sofort hob Sam seine Waffe und zielte auf sie.
»Hey, ganz ruhig!«
Sully blieb stehen und starrte die Frau entsetzt an. »Reese?«
Diese grinste selbstgefällig. »Hallo, Sackgesicht.« Ihre Miene wurde ernst. »Du gibst mir Sully und ich dir deinen Bruder und dessen Freundin.«
»Was willst du von Sully?«, verlangte Sam zu wissen.
»Frag ihn! Er ist es, der meine Schwester getötet hat.«
Sully begann schwer zu atmen. »Es war ein Unfall!«, rief er und sah hilflos zu Sam. »Reese und ihre Zwillingsschwester waren meine ersten Kinder, nachdem ich dachte, dass ich bei dir versagt hatte.«
»Also ist alles seine Schuld?«, fragte Reece.
»Nein! Nein, Reese, ich bin der, der's vermasselt hat. Ich war das.«
Reece ließ das Messer sinken und lief langsam auf den Zanna zu.
»Ich hätte ... nicht zulassen dürfen, dass sie mir auf die Straße folgt. Wir haben nur Fangen gespielt. Ich weiß nicht, wieso ich das Auto nicht gesehen hab. Deswegen bin ich nicht mehr im Außeneinsatz, deswegen hatte ich nie wieder ein Kind. Aus Angst, dich zu verletzen, glaub mir.«
Dean warf mir einen Blick zu und sah ich, dass er versuchte, seine Fesseln zu lösen.
»Weißt du eigentlich, wie brutal du mein Leben zerstört hast? Audrey ist tot wegen des unsichtbaren Manns - erzähl das doch mal zehn verschiedenen Seelenklempnern!« Langsam trat sie auf den Zanna zu. »Ich hab mich immer gefragt, ob Sully echt ist, und da ich schon immer von Folklore besessen war, hab ich das drüben in Rumänien studiert. Und da hab ich herausgefunden, dass er ein Zanna ist.«
»Genau. Und Zanna sind die Guten«, meinte Sam.
»Genau das hat die Hexe mir auch erzählt.«
»Welche Hexe?«
»Sie hat mir einen Fluch verkauft - und damit kann ich all diese Verrückten sehen!« Reeses Stimme war voller Hass und Abscheu. »Den Dolch hat sie mir auch gegeben. Endlich kann ich andere Kinder von diesen Monstern beschützen.«
»Also hast du meine Freunde getötet, weil du mich wolltest?«, fragte Sully ungläubig.
»Es wäre schneller gegangen, wenn diese drei nicht aufgetaucht wären!«
»Wieso hast du nicht angerufen? Ich wär gekommen.«
»Ehrlich gesagt - dich leiden zu sehen, war mir eine Genugtuung. Du warst nicht nur Audreys bester Freund, du warst auch meiner, und nach ihrem Tod hätte ich ... hätte ich dich so sehr gebraucht.« Reeses Stimme begann zu beben, und sie schluchzte.
Schweigend ließ Sully den Kopf sinken.
»Ich geriet in Panik, als Audrey tot dalag«, gestand er. »Und ich hab dich mit deinem Schmerz allein gelassen, da ich es nicht ertragen konnte, der Verursacher zu sein.«
»Vielleicht nehme ich etwas, was du liebst, Sully.« Reese wandte sich an Sam. »Einen echten Menschen.«
Der Winchester hob seine Waffe. »Das wird nicht passieren.«
»Wenn du mich tötest, würd' es dir dann besser gehen?«, fragte Sully.
»Nein, Sully, das ist keine Lösung.«
»Doch, das ist es«, entgegnete der Zanna auf Sam hin und drückte seine Waffe runter. »Was immer das Beste für das Kind ist ... Reese, wenn es das ist, was du willst, geht das in Ordnung.«
Sie trat so nah an ihn heran, dass die Messerspitze seine Brust berührte. »Ich bin immer noch wütend ... Ich kann einfach nicht anders. Ich bin immer noch so wütend!«
Dean und ich schafften es, an den Ventilen der Rohre unsere Fesselns zu durchtrennen, und langsam erhob Dean sich.
»Reese, vertrau mir. Wenn du dich rächst, dann fühlst du dich auch nicht besser. Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Monster gesehen, und ich meine Frau echte Monster. Brutale. Diese Jungs hier sind gutmütiger als Mutter Theresa. Als ich nicht da war, für meinen kleinen Bruder, war Sully da. Ich sage ja nicht, dass er keinen Fehler gemacht hat, aber es steckt kein Fünkchen Monster in diesem Körper, verlass dich drauf.«
Ich sah, wie Reeses Hand zitterte. Die Messerspitze wackelte, doch sie konnte nicht zustechen.
»Es tut mir so unendlich leid«, flüsterte Sully, und da ließ Reese das Messer klirrend zu Boden fallen und fiel dem Zanna weinend um den Hals.

Reese winkte zum Abschied, als sie davonfuhr, während Sully und Sam noch miteinander sprachen.
»Deine Rede vorhin«, sagte ich an Dean gewandt, mit dem ich am Impala wartete, »sie war wirklich ... beeindruckend. Du hast das Richtige getan.«
»Tja, ich sagte doch - Menschen sind mein Ding.«
Schmunzelnd sah er mich an und spielerisch boxte ich ihm gegen die Schulter.
Wir verabschiedeten uns von Sully und fuhren los.
»Wir sollten darüber reden, ob ich in den Käfig geh«, sagte Sam.
»Okay. Auf keinen Fall. Das war's«, meinte Dean sofort.
Schweigend ließ sein Bruder den Kopf sinken.
»Selbst wenn diese Visionen echt sein sollten -«
»Ich weiß. Luzifer? Mit mir? Im Käfig? Ich weiß. Aber dieses flaue Gefühl, das ich dabei hab, das ist keine Ausrede. Nicht mehr.«
»Wir finden einen Ausweg. Den gibt's immer«, entgegnete Dean.
Sam nickte. »Na gut. Dann verrat' ihn mir. Was ist der Ausweg?«
Niemand antwortete, da es keine Antwort darauf gab.

2216 Wörter

Noch ein letztes Kapi für heute, damit die Zanna-Episode abgeharkt ist.

Cat war jetzt nicht so präsent, aber das muss auch mal sein ^^

Danke für euer Feedback und eure Kommis ❤

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