TWENTY ONE

,,One look at you and I can't disguise
I've got hungry eyes"

TWENTY ONE: November 2012

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 Zwei Tage vergingen, in denen Helen weiterhin das Gefühl hatte, die gesamte Unterwelt würde sie mit ihren züngelnden Flammen umarmen. Und dann verschwand das Fieber plötzlich über Nacht. Bucky hatte sie immer wieder mit kühlen Verbänden eingewickelt und sich darum gekümmert, dass sie genug trank. Als Helen dann gegen späten Nachmittag wach wurde, fühlte sie sich wie neu geboren, als sie realisierte, dass ihre Haut nicht mehr kochte, ihre Augen nicht mehr brannten, als hätte sie die grelle Sonne angestarrt. Nun waren es nur noch einige Hautstellen, die brannten, wenn sie sich in gewisser Weise bewegte und ihr dröhnender Schädel wie auch ihr Kiefer. Vorsichtig kletterte sie aus dem Bett, verharrte einen Moment vor dem Spiegel und schluckte hart, als die den Geist vor sich anstarrte. Alabasterfarbene Haut, ein ungesund verfärbter Kiefer und trübe Augen, sodass Helen nicht einmal mehr erkennen konnte, wer die Person vor ihr war. Und sie sollte in seinen Augen die schönste Frau sein, die er je gesehen hatte? Schluckend blinzelte sie aufkommende Tränen weg. 

,,Helen?" Er war in die Tür getreten und hatte eine dampfende Tasse Tee in der Hand. ,,Hey...", hauchte sie heiser, ihr Hals schmerzte kaum noch, kratzte nur noch ein wenig beim Schlucken. ,,Wie geht es dir?", fragte er sie und stellte die Tasse auf der Kommode ab, als sie auf ihn zu tapste. Vorsichtig legte er seine Hand an ihre Stirn und ein erleichtertes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er bemerkte, dass ihr Fieber weg war. ,,Besser... Mein Fieber ist weg, oder?", meinte sie leise und er nickte. ,,Komm mal mit, ich hab da ein paar Sachen im Keller gefunden", erklärte er ihr und sie folgte ihm lautlos auf ihren dicken Wollsocken. Sie trat mit ihm zum Sofa und blinzelte, als sie einige Kisten auf dem Couchtisch ausmachen konnte. ,,Das ist richtig alter Wodka", erklärte er ihr schmunzelnd und hob eine der vier Flaschen aus der verstaubten Holzkiste. ,,Außerdem hab ich eine Salbe gegen Frostbrand gefunden... Sie ist zwar schon ein paar Jahre abgelaufen- aber hey, vielleicht hilft sie ja trotzdem", sprach er weiter und fasziniert betrachtete sie ihn von der Seite, wie er eine seiner braunen Haarsträhnen hinters Ohr strich und weiter in den anderen Kisten herumsuchte. 

Seine Metallhand arbeitete in einer gleichen, menschlichen Präzision wie seine normale Hand und wenn sie nicht so silbern funkeln würde, könnte man nicht einmal merken, dass sie eigentlich nicht zu ihm gehörte. ,,Schau dir das an...", hauchte er nun und sie riss sich von seinem Anblick los, lehnte sich ein wenig näher, um in die Kiste sehen zu können. Er roch nach Teebaumöl und Kaminrauch und Helen seufzte leise, lächelte ihn verlegen an, als ihre Blicke sich streiften. ,,Ist das ein Schallplattenspieler?", fragte sie erstaunt und vorsichtig hob Bucky das Gerät heraus. ,,Ich habe hinten im Regal sogar ein paar Platten gesehen... Wir können ja mal schauen, ob er noch funktioniert", schlug er vor und Helen nickte, sah ihm nach, als er sich erhob und langsam den Raum durchschritt. Seine Körperhaltung war entspannt, aber dennoch trug sie die kraftvollen Züge des Winter Soldiers, die Helen einerseits reizten, sie andererseits aber auch fürchtete.

Schluckend nahm Helen die Wodka Flasche in die Hand und strich über das mit Hand geschriebene Etikett. Ob der Alkohol ihren Brummschädel vielleicht ein wenig dämpfen könnte? Sie war froh, dass Bucky momentan friedlich war. Abgeschottet, jenseits von Hydra im momentanen Ruhemodus und weit weg von jeglicher Löschung schien ein letzter Funke seines alten Ichs wieder ein wenig aufzuglimmen. Und Helen war der Windhauch, der dafür sorgte, dass diese Glut wieder kräftiger würde. Wie würde bei ihm wohl der Einfluss von Alkohol wirken? Sie sah auf, als er die Platten wieder mitbrachte, das Gesicht verzog, als er sie ihr präsentierte. ,,Ich habe keine Ahnung von Musik, wenn ich ehrlich bin", merkte er an und sie kicherte. ,,Ich glaube, dass Schallplatten mittlerweile auch schon aus der Mode gekommen sind..." Er zuckte mit den Achseln und reichte ihr die Platten, die sie durchsah, während er versuchte, den Spieler anzustecken und die verstaubte Klappe zu öffnen.

Einen Moment sah Helen ihm noch belustigt dabei zu, wie er vergeblich versuchte, mit dem Teil klar zu kommen, ehe sie sanft ihre Hand auf seinen Arm legte. ,,Lass mich das machen, bevor du das Ding gleich wütend ins ewige Eis verbannst", kicherte sie und sie schob seine Hände langsam weg, während er sie verdutzt betrachtete und dabei zu sah, wie sie eine erste Platte auflegte. Wenig später ertönte mit leisem knistern aus dem Blechrohr Musik. ,,So macht man das", meinte sie grinsend und schmunzelnd schüttelte er nur den Kopf. ,,Also, Madam? Mutig genug, einen klaren Schluck zu testen?", fragte er sie und unsicher rümpfte sie die Nase. ,,Meinst du, das ist eine gute Idee?", wollte sie leise wissen und er drehte mit Leichtigkeit die erste Flasche auf. ,,Wir haben keine Schmerzmittel mehr hier und das hier ist das nächstbeste, was vielleicht ein wenig ablenken und betäuben könnte", entgegnete Bucky und deutete dann zur Tür. ,,Abgesehen davon, den Kopf einen Moment in den Schnee zu stecken natürlich." ,,Nie im Leben, her mit der Flasche!", schnappte Helen gleich und sein heiseres Lachen ließ ihr Herz für einen Moment hüpfen.

Quietschend schüttelte Helen sich, als sie an der Flasche nippte und sie ihm daraufhin den Wodka hinhielt, er grinste und dann ebenfalls einen tiefen Zug nahm. ,,Hm...", gab er grummelnd von sich und seufzte dann auf. ,,Verdammt gutes Zeug", merkte er an und kichernd schlug Helen die Beine übereinander, winkte ihn zu sich und er ließ sich neben ihr nieder. Seufzend lehnte sie sich an ihn, nahm ihm die Flasche wieder ab. Schweigsam lauschten sie der Musik. Die Soundqualität war nicht sonderlich gut, doch es reichte aus und Helen schmunzelte, als sie sah, wie er mit den Füßen zur Musik mit wippte. ,,Bucky?", fragte sie ihn leise und er drehte seinen Kopf in ihre Richtung, sah sie sanft an. Das Blau seiner Augen war ein wenig klarer geworden und in sie Hinein zu sehen, ließ Helens Herz schneller schlagen. ,,Kannst du eigentlich tanzen?", setzte sie leise nach und er befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge. ,,Ich... Ich glaube schon...", antwortete er zögernd und sie nahm noch einen Schluck, bevor sie nach seiner Hand griff und sich erhob.

 ,,Komm, versuchen wir es!", schlug sie dann vor und er sah unsicher zu ihr auf. ,,Helen...", begann er, doch sie schmollte und zog an seinem Arm. ,,Bitte...", quengelte sie und seufzend erhob er sich, sah auf sie hinab und strich ihr flüchtig über die Wange. ,,Nagut..." Sie zog ihn mit sich ums Sofa herum, bevor sie auffordernd zu ihm aufsah. Ein wenig ahnungslos hob er die Arme, hielt inne und rümpfte die Nase, ehe Helen kichernd seine Handgelenke umfasste, um sie an den richtigen Ort zu führen. ,,Soll ich besser führen?", fragte sie ihn belustigt. ,,Himmel, nein, nimm mir nicht meinen männlichen Stolz!", gab er zurück und kichernd bestaunte sie darauf hin sein strahlendes, herzliches Lächeln. Bucky Barnes Lächelte. Und es war ein warmes, ehrliches Lächeln, das jeden Winter vertreiben konnte. 

Langsam begannen sie einige Schritte zu machen, ehe sie sicherer wurden und sich von der Musik leiten ließen, einander ein wenig näher kamen mit der Zeit, in der die Nadel weiter auf der Platte voran glitt. Irgendwann lehnte Helen ihre Stirn an seine starke Brust, genoss seine Hände auf ihrer Hüfte und sie schob ihre Hände in seinen Nacken, sah wieder zu ihm auf, in seine schönen blauen Augen, die sie so friedlich ansahen, wie damals, als sie sich in der Hydrabasis verzweifelt versucht hatten, aneinander festzuhalten. Es lag ihr brennend ein erneutes Mal auf der Zunge, ihm zu sagen, was sie für ihn, James Buchanan Barnes empfand. Doch da war noch immer das Biest in ihm drin, das einfach zu gefährlich nahe unter der Oberfläche schlummerte, nur ein kleines Verschnaufspäuschen mit halb geöffneten Augen vollführte. 

Die Körper nahe aneinander geschmiegt, wiegten sie sich sanft gegenseitig in den Armen, ihre Blicke verfingen sich und Bucky genoss den Anblick dieser- trotz ihrer Wunden- wunderschönen Frau... ,,Es tut mir so Leid, was ich dir angetan habe...", wisperte er erneut, schluckte hart und hob seine linke Hand, hielt inne, als er das Metall aufblitzen sah und ließ die Hand wieder sinken. Helen allerdings ergriff sie sogleich wieder und schloss die ihre um sie, nickte ihm lächelnd zu. ,,Ich vergebe dir, Bucky... Du konntest nicht anders...", entgegnete sie und eine Träne blitzte in seinem Augenwinkel auf. 

,,Doch... Ich hätte stärker sein müssen....", murmelte er. ,,Das wirst noch! Wir beide! Wir schaffen das...", versuchte sie ihm gut zu zu reden und er lächelte, nahm ihr Gesicht sanft in die Hände, musterte sie mit zärtlichem Blick. Bucky Barnes war so kurz davor, es ihr zu sagen. Ihr zu sagen, dass sie alles für ihn war. Doch er fürchtete den Winter Soldier, der sie gnadenlos töten würde, um keinerlei Schwäche zu zu lassen. Und er wusste nicht, ob er das nächste Mal wieder genug Eigenwillen hatte, um das Monster zurück zu sperren und sie zu beschützen. 

Mit einem stetigen Knacken war die Schallplatte durchgelaufen und Helen drehte Kopf, glitt aus seinen Armen. ,,Ich lege eine neue Platte auf, ja?", meinte sie mit sanftem Lächeln und er griff ihre Hand, als sie ums Sofa treten wollte. ,,Warte...", hauchte er, zog sie zu sich zurück, direkt an seine Lippen. Zitternd seufzte sie auf, ließ sich in seine Arme sinken und erwiderte seinen Kuss sehnsüchtig. Als sie wieder von ihm abließ, lief ihm eine Träne über die Wange und Helen fing sie mit dem Zeigefinger auf.

 ,,Bucky...", flüsterte sie, hauchte ihm noch einen kleinen Kuss auf die Lippen und lehnte einen Moment ihre Stirn an seine, bevor sie seine Hand erneut los ließ und ums Sofa trat, die Nadel sanft hoch hob und die Platte wechselte. Bucky beobachtete sie dabei und kichernd wandte sie sich mit schwingenden Hüften wieder um und tänzelte vor ihm hin und her, als etwas fetzigere Musik durch den Lautsprecher schallte. Grinsend musterte er sie, musste erneut feststellen, was für eine attraktive Frau er da vor sich hatte. Sie hätte einen erfolgreichen Mann heiraten können, hätte so glücklich werden können... Er verdiente sie doch eigentlich nicht einmal... 

,,Schau mal! Haargummis!", gluckste sie und zog ein Tütchen aus dem Karton, hatte noch einen tiefen Schluck aus der Wodka Flasche genommen. ,,Ich glaube kaum, dass das Haargummis sind", entgegnete er lachend und Helen schmollte. ,,Hier hat sicher mal ein Kerl mit so einer Mähne gewohnt! Oder einem Bart bis zum Boden!" Dann schnappte sie nach Luft. ,,Der Weihnachtsmann!", rief sie euphorisch aus und Bucky konnte nicht anders, als loszuprusten und ihr die Flasche abzunehmen. ,,Du hattest deutlich genug davon!", tadelte er sie und schmollend verschränkte sie die Arme vor der üppigen Brust. ,,Komm, ich beweise dir jetzt, dass das sehr wohl Haargummis sind!", flötete sie und zog ihn zum Sofa, drückte ihn darauf. 

Kaum hatte er sich gesetzt, kletterte sie auf seinen Schoß und grinste ihn mit roten Wangen an. ,,Aber sonst ist alles okay mit dir, ja?", fragte er sie, fühlte noch einmal ihre Stirn und sie nickte kichernd. ,,Ich habe immer noch eine Bowlingkugel im Kopf, aber das wird schon noch... Du massierst mich vorm Schlafengehen und dann geht's mir gleich besser!", meinte sie und schnalzte mit der Zunge, als sein Blick an ihr hinab glitt. ,,Mein lieber Freund!", meckerte sie und hob sein Kinn wieder. ,,Was denn? Sag bloß, du willst das nicht!", bemerkte er mit frechem Grinsen und sie legte den Kopf schief. ,,Hab ich das gesagt?" Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und sie lehnte sich vor, schnappte sich eine seiner Haarsträhnen. ,,Kopf hoch, Sergeant!", flötete sie und brummend schielte er zu ihr hoch. Langsam begann sie ihm ein kleines Zöpfchen zu flechten, summte zur Musik mit und rutschte auf seinem Schoß hin und her, was ihn teilweise zusammenzucken ließ, sodass Helen scheinheilig grinste. 

,,So...", hauchte sie nach einiger Zeit und betrachtete stolz ihr Werk. ,,Himmel, siehst du scharf aus", kicherte sie und er lachte heiser. ,,Das wollte ich gerade eigentlich zu dir sagen", raunte er und sie biss sich auf die Unterlippe, schob langsam ihre Hände in seinen Nacken und begann diesen sanft zu kraulten. ,,Ja? Bin ich das? Scharf?", fragte sie leise. ,,Ja...", gab er nuschelnd zurück, bevor er seine Lippen wieder mit ihren verband und seine Hände unter ihren Hintern schob, als sie sich näher an ihn schmiegte. Sie strich ihm durchs Haar, während ihre Zungen miteinander tanzten und seine Hände strichen ihre Seiten hinauf, unter ihrem Pullover entlang. 

,,Ich liebe dich, Helen...", wisperte er kaum hörbar gegen ihre Lippen, als sie aus Atemnot voneinander abließen. Ihr Herz stolperte und einen Moment lang starrte sie ihn einfach nur überrascht an. ,,Bitte vergiss das niemals. Egal, was passiert: Der wahre Bucky Barnes liebt Helen Sharpe... Und er wird alles dafür geben, dass es dir gut ergehen wird. Dass Hydra dir nie wieder etwas antun wird." Dass er mit Hydra auch den Winter Soldier meinte und er sie wohl oder übel bald vor sich selbst schützen musste, ließ er erst einmal unausgesprochen. Doch Helen wusste es. Und voller Sehnsucht ließ sie ihre Lippen wieder auf seine prallen, wissend, dass sie ihn wieder verlieren würde. Doch nicht jetzt. Nicht jetzt, nicht heute. Und das war alles, was in diesem Moment zählte. Alles, was auch damals gezählt hat, als sie sich heimlich in der Hydrabasis zu ihn gestohlen hatte. Und irgendwann- daran glaubte Helen ganz fest- irgendwann würden sie einander nie wieder los lassen müssen.

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