TWENTY NINE
,,If I told you what I was
Would you turn your back on me?"
TWENTY NINE: Dezember 2012
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,,Du musst dich nicht schämen, nimm dir ruhig was", meinte Steve am nächsten Morgen und klopfte Helen ermutigend auf die Schulter. Sie saß vor einem prallgedeckten Frühstückstisch und war mit dieser vielfältigen Auswahl so sehr überfordert, dass sie gar nicht mehr sagen konnte, auf was davon sie eigentlich Lust hatte. Oder gar Hunger. Eigentlich waren all ihre Gedanken weiterhin bei Bucky. Bucky, welchen sie wiedersehen wollte. Bucky, welcher sie brauchte. Hydra würde ihn erneut zerstören, Helen musste handeln. Und nun saß sie hier. Und wusste nicht ob sie das Schokoladenmüsli einem Donut vorziehen sollte - oder lieber umgekehrt.
Sie entschied sich schließlich verhalten für den Donut und biss zaghaft hinein. Eigentlich hatte sie keinen Appetit. Doch sowohl Steve, als auch sein Freund Sam bestanden darauf, dass sie etwas aß. Steve hatte ihr noch gestern Abend gesagt, dass sie mitkommen sollte - und sie dann bei Sam auf dem Sofa schlafen lassen. Noch heute wollte er mit Hilfe von Shield - bei dessen Namen Helen einen Moment misstrauisch das Gesicht verzogen hatte - nach Bucky suchen. Und dann würden sie ihm helfen, ihn retten. Und Bucky würde endlich die Freiheit genießen können, er selbst zu sein.
,,Sicher, dass ich nicht mitkommen kann?", fragte sie Steve leise, nachdem sie einen Schluck von dem O-Saft genommen hatte, welchen Sam ihr zwinkernd zugeschoben hatte. Steve seufzte leise. ,,Tut mir leid, aber ich bin mir sicher. Ich will dich nicht auf den Radar von Shield bringen", gab er ehrlich zurück und die junge Frau senkte leise seufzend den Blick. Sam lächelte sie an. ,,Und bei mir ist es jetzt auch nicht so schlimm", grinste er schief und sie nickte leicht, nahm den letzten Bissen ihres Donuts und stibitzte sich anschließend sogar noch einen Zweiten.
Sie wusste, dass sie bei Kräften bleiben musste. Denn sobald Steve Hydras Standort ausfindig gemacht hatte, würde Helen alles stehen und liegen lassen und diesen Arschlöchern einen ordentlichen Überraschungsbesuch abstanden. Für Bucky, dessen Seele sie nun zu genüge gequält und gefoltert hatten. Und für ihren Dad, der nur alleine durch die Arbeit für Hydra wahnsinnig geworden war.
Sie half Sam den Tisch abzuräumen und das Geschirr wegzustellen, während Steve bereits abgeholt worden und auf dem Weg zur Shield-Organisation war. Schließlich machte Helen es sich also wieder auf dem Sofa bequem und Sam erlaubte ihr, das Wohnzimmer für sich alleine zu beanspruchen, sodass sie die Tür hinter sich schließen und aufatmen konnte. Nun hatte sie Zeit. Zeit, sich mit dem zu beschäftigten, was in ihr schlummerte. Etwas, das sie nicht leugnen oder verstoßen konnte und das war ihr klar. Es war präsent und sie würde sich damit auseinander setzen müssen.
Fürs Erste hieß das wohl, die kleine, rote Holzkiste hervorzuziehen, welche ihre Akte und das kleine Büchlein beinhaltete, welchem Helen bisher noch keine Beachtung geschenkt hatte. Sie schluckte, als sie mit zitternden Händen wieder die Mappe herauszog. Es musste einen Hinweis geben, irgendetwas, das ihr weiterhalf. Es konnte doch nicht sein, dass Hydra absolut jede Spur verwischt und sich dabei überhaupt keinen Fehler erlaubt hatte. Bucky und sie mussten an dem Abend in Sibirien etwas übersehen hatten, Helen war sich sicher. Zumindest flehte und betete sie zu Gott, dass es so war.
Sie schluckte und biss sich auf die Unterlippe, schlug die Akte schwungvoll auf und ein vergilbter Zettel rutschte aus den Seiten, landete lautlos auf dem Boden. Er war zerknüllt, sah abgegriffen aus, so als habe man ihn oft in die Hand genommen und Helen bückte sich, um ihn von dem Teppichboden aufzulesen und einen Blick auf geschwungene Handschrift zu werfen. Sie schluckte schwer, als sie die russischen Ziffern erblickte. Sie konnte sie nicht lesen, sie verstand sie auch nicht. Aber sie ahnte Böses, wenn sie daran zurückdachte, wie Zola in russischer Sprache den Winter Soldier herauf beschworen hatte...
Unsicher sah sie zur Tür. Sam könnte ihr helfen. Doch konnte sie Sam soweit auch vertrauen? Von einem Bein aufs Andere tretend stand sie mitten im Wohnzimmer, ehe sie die Akte beiseite legte und unter eines der Sofakissen schob, den Zettel nahm und in den Flur trat. Sie hatte niemanden sonst. Und sie brauchte Hilfe... Hilfe, die Wörter zu übersetzen und vielleicht auch Hilfe dabei, sie anzuwenden... Denn wenn Helen ehrlich war, dann wusste sie, was sie bedeuteten. Und sie versuchte den bitteren Geschmack der Galle zu ignorieren, welcher ihren Rachen empor stieg.
,,Sam?", fragte sie heiser, als sie in den Türrahmen der Küche trat und der ehemalige Soldat hob den Kopf, um sie ermutigend anzulächeln. Leise trat Helen auf nackten Sohlen vor ihn an den Tisch, zog sich einen Stuhl zurück und schob ihm den Zettel zu. ,,Kannst du mir helfen? Ich muss wissen, was diese Worte bedeuten", flüsterte sie und ließ ihren Blick ebenfalls noch einmal über die fremden Buchstaben gleiten.
сло́манный
сли́ва
обеща́ние
рассве́т
кле́тка
Б шестнадцать
наде́жда
,,Sind das Code-Wörter?", fragte Sam stirnrunzelnd und Helen biss sich auf die Unterlippe. ,,Ich denke, dass man es so sagen könnte", murmelte sie und sah den Mann an ihrer Seite vorsichtig an. ,,Vielleicht sollten wir sie erst anwenden... Um zu wissen, was sie anrichten können", meinte sie dann und fuhr sich durchs Haar. ,,Ihre Bedeutung ist nebensächlicher... Denke ich...", fügte sie hinzu und Sam erwiderte ihren Blick. ,,Wie wenden wir sie an?", gab er zurück und Helen erhob sich. ,,Hast du ein Seil da?", fragte sie und Sam stand ebenfalls auf. ,,Warte hier", meinte er und verschwand kurz aus der Küche.
Helen schob den Stuhl etwas vom Tisch fort und ließ sich dann wieder darauf nieder. ,,Du musst mich fesseln", meinte sie dann und Sam blieb vor ihr stehen. ,,Weshalb? Sind die Wörter etwa... Für dich bestimmt?", fragte er sie, während Helen bereits die Hände hinter dem Stuhl verschränkte und dann nur leicht nickte. Zumindest vermutete sie das. Wenn nichts passierte, hatte sie Gewissheit. Gewissheit, dass Hydras Experimente eventuell gescheitert waren und mit ihr doch alles in Ordnung war... Wenn etwas passierte... Dann wusste sie nicht, wie dieses Etwas aussehen würde und Sam war ein Soldat, er würde sicherlich etwas unternehmen können.
Langsam legte Sam die Fesseln an. ,,Zieh sie ruhig richtig fest", meinte Helen und versuchte sich ihre panische Angst nicht anmerken zu lassen, doch das Zittern und die Anspannung in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken. Sie lief direkt ins Ungewisse und genau das hasste sie. Sie hasste das Gefühl, sich in ihrem eigenen Ich zu verirren. Jede Nacht träumte sie von langen, dunklen Korridoren, in welchen sie nicht einmal die eigene Hand vor Augen sah und schreckliche, markerschütternde Schreie hörte. Sie verlief sich und fand nie wieder hinaus. Es war wie eine Endlosschleife, in welcher sie gefangen war.
Sam zog das Seil zu und Helen spürte schon jetzt, wie unangenehm es an ihren nackten Handgelenken rieb. ,,Und jetzt?", fragte Sam sie und Helen blickte auf die blanken Fliesen. ,,Lies die Worte. Lies sie alle, völlig egal was passiert. Versprochen?" Nun sah sie wieder auf und ihre braunen Augen erwiderten fest den Blick der Seinen, dunkleren. Er nickte und zog das Blatt zu sich ran. ,,Warte...", murmelte er und griff nach seinem Smartphone. Steve hatte ihr gestern noch erklärt, was genau es damit auf sich hatte und sie beobachtete Sam, wie er sich Kopfhörer nahm. ,,Ich brauch 'n Sprachrohr", meinte er achselzuckend auf Helens Stirnrunzeln hin und fotografierte die Liste der Wörter.
,,Immerhin hab ich keine Ahnung, wie man das hier liest", murmelte er und blickte auf sein Display. ,,Okay, ich bin soweit", meinte er dann und Helen biss die Zähne zusammen und nickte. ,,Ich auch", presste sie hervor und kniff die Augen zusammen. Sie fürchtete bereits mit anschwellender Hysterie, was folgen würde. Stirnrunzelnd lauschte Sam der Aussprache des ersten Wortes, bevor er es unter leichtem Stammeln und silbentrennender Wiederholung aussprach. Dann folgte das Zweite. Helen schloss die Augen. Irgendwo tief in ihr drin wusste sie, diese Worte hatte sie schon einmal gehört. Vielleicht waren es auch allgemeine Ausdrücke, die sie bei den Soldaten in der Hydra- Basis damals aufgeschnappt hatte, wann immer sie sich in dieser Sprache unterhalten hatten.
,,Ich verstehe den Zusammenhang dieser Worte nicht... Gebrochen, Pflaume, Versprechen... Was soll das heißen?", wollte er wissen und Helen sog zischend Luft zwischen ihren Zähnen ein. ,,Sam. Bitte mach weiter. Ich versuche es dir später zu erklären, sobald ich in der Lage dazu sein sollte, ja?", murrte sie, legte den Kopf einen Moment in den Nacken, ehe er nickte und wieder auf den Display sah, mit einer Hand den Knopf der Kopfhörer wieder einsteckte. Nun versuchte er das vierte Wort auszusprechen und Helen konnte nur stirnrunzelnd den Kopf schütteln. ,,Gib mir mal die Kopfhörer, du sprichst einfach nur grottiges Russisch", schlug sie vor und Sam hob eine Augenbraue. ,,Hey, Dankeschön!"
Mit zitternden Händen nahm sie die Kopfhörer entgegen und schaltete die Übersetzung von vorne ein. Schon mit dem ersten Wort raste Feuer durch ihre Adern und Schmerz wallte durch ihren Körper. Schlagartig brach ihr der Schweiß aus und Helen stieß mit dem Zweiten einen Schrei aus. Eine monotone, tiefe Frauenstimme verlas ohne jegliches Gefühl Wort für Wort und schreiend riss sie an ihren Fesseln, während sie beinahe schon spüren konnte, wie ihre Emotionen immer kleiner und kleiner, von absoluter Dunkelheit überschattet wurden.
Ihr Brustkorb bebte und Sam stand vor ihr, leichenblass und musste mit ansehen, wie Helen sich selbst in einem Strudel aus Zorn und Schmerz verlor. Verzweiflung wurde von den Worten ausgelöst und Helen hatte das Gefühl, in sich selbst zusammenzubrechen, als auch das letzte Wort verklungen war. Die Frauenstimme erkundigte sich nach einer Wiederholung, doch da hatte Helen die Kopfhörer weg gerissen und samt Smartphone von sich geschmissen. Schluckend stand Sam ihr gegenüber, als sie sich langsam aufrichtete. ,,Helen?", fragte er leise, während sie keuchend und schweißgebadet langsam die Augen öffnete.
,,Erwarte Befehle", stieß sie heiser hervor. Worte, die sie nicht aussprechen wollte und die doch aus ihrem Mund kamen, wie als habe jemand oder etwas absolute Kontrolle über sie. Die Worte, die Helen in der Akte gefunden hatte. Sie versuchte sich zu Vernunft zu rufen, doch ihre innere Stimme stieß auf vollkommen taube Ohren, als sie sich erhob und auf Sam zutrat. Unsicher sah er sie an. ,,Ähm... Vielleicht solltest du dich lieber wieder hinsetzen", murmelte er und wich einige Schritte zurück, doch Helen trat weiter auf ihn zu. Eine Finsternis tobte in ihrem Inneren und sie konnte sie nicht kontrollieren, sie überschattete alles und benebelte alle ihre emotionalen Sinne, schärfte ihre Reflexe, als sie ausholte und Sam grob am Kragen seiner Jacke fasste, ihn zu sich ran zog - mit einer unheimlichen Leichtigkeit, wo er sie doch um fast zwei Köpfe überragte.
,,Helen, bitte. Beruhige dich", meinte Sam eindringlich. Er schien nicht zu verstehen, was gerade passierte und am liebsten würde Helen es ihm ins Gesicht schreien, doch sie war in sich selbst gefangen. Völlig und vollkommen. Ihre linke Hand legte sich an Sams Schläfe und er verzog das Gesicht, als Schmerz in seinem Schädel pochte. Ein Schrei entwich seiner Kehle, welcher Helen nur noch zu bestärken schien. Schwarze, schillernde Fäden gingen von ihren Fingerspitzen aus und verwoben sich mit Sams Verstand, ließen ihn Schmerz verspüren, welcher den Soldaten in die Knie riss, zusammensinken ließ.
Helen wirbelte herum, als die Tür sich öffnete, konnte dem Schild jedoch nicht mehr ausweichen, als er auf sie zu raste, sie hart an der Stirn traf und einen Moment ins Wanken brachte. Sie kannte das Gesicht vor sich, doch plötzlich konnte sie es nicht mehr benennen. Wer war der Mann, der sie nun angegriffen hatte? Sein Blick flog zu dem Dunkelhäutigen, welchen Helen soeben zu Boden gerungen hatte - mit bloßen Händen. Sie hatte auch seinen Namen gekannt... Wer war er gewesen?
Eine Faust schnellte auf sie zu und mit spielerischer Leichtigkeit wich Helen ihr aus. Er war ein Soldat, sie bemerkte es daran, wie er sich bewegte. Und ihre Aufgabe war es, Soldaten auszuschalten. Sie wollte nach ihm fassen, als seine Worte an ihr Ohr drangen. ,,Hör auf damit, Helen! Denk an Bucky! Helen, ich habe Bucky gefunden! Erinnerst du dich? Bucky!", rief er aus und der Klang von Buckys Namen jagte Schmerz durch Helens Körper, sodass ihre Beine versagten und sie unsanft auf den Fliesen landete. ,,Bucky, Helen. Ich weiß wo er ist", flüsterte der Mann an ihrer Seite, während vor Helens Sichtfeld schwarze, neblige Lichtpunkte zu schwirren begannen.
Bucky... Ein Name, der ihr mehr als nur bekannt war... Ein Name, welcher alles in ihr verkrampfen ließ. Und welcher sie bis in den Schlund der Bewusstlosigkeit verfolgte.
Soooo... Jetzt übersetze ich euch aber mal noch Helens Wörter:
сло́манный - Gebrochen
сли́ва - Pflaume
обеща́ние - Versprechen
рассве́т - Morgengrauen
кле́тка - Käfig
Б шестнадцать - B-Sechzehn
наде́жда - Hoffnung
Soooo... Jetzt bin ich mal gespannt wer von euch aufmerksam war und sich hier einen Reim drauf machen kann! :D
xx Mary
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