THIRTYFOUR

Okay zu allererst- ich schulde euch für so viel Wartezeit eine ordentliche Entschuldigung. Und es tut mir wirklich unfassbar leid. Ich hoffe, ein paar von euch sind dennoch noch hier, haben geduldig gewartet und sind nicht allzu wütend, weil ich hier so lange nichts mehr geschrieben habe. Meine Erklärung ist, dass ich seit Ende Dezember an einer Tendinitis leide- eine Sehnenentzündung, die vermutlich rheumatisch bedingt ist. Das hat mich lange am Schreiben gehindert, doch heute ist der Drang dazu unerträglich geworden... Deshalb habe ich es getan- die Geschichte von Bucky und Helen läuft endlich weiter.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen- und vielleicht packt ihr euch lieber ein paar Taschentücher aus.

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,,When we first met, I never thought that I would fall - I never thought that I'd find myself lyin' in your arms"

THIRTYFOUR: Dezember 2012

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Es war kalt. Ihr war kalt. Helen blinzelte und drehte sich auf die Seite. Sie lag in einem bequemen Bett, in einem kleinen Schlafzimmer und konnte das Knistern von Feuer hören. Irgendwo brannte der Kamin noch letztes Holz nieder und verteilte damit Wärme in der ganzen Hütte. Doch Helen war dennoch kalt, als sie sich auf die andere Seite drehte und ihr Blick sich auf einen starken Männerrücken richtete. 

Sein Atem war ruhig und sein Körper entspannt, er schlief fest. Und Helen hatte das Gefühl, dass er das lange nicht mehr getan hatte. Ihre nackte Hand strich sanft über seine stark geprägten Schulterblätter, berührte die sonnengebräunte Haut des Mannes an ihrer Seite, dessen Gesicht sie nicht sah. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, unweigerlich legte sie ihre Lippen auf seine nackte Haut und betrachtete zufrieden, wie der Mann an ihrer Seite Gänsehaut bekam und sich zu regen begann. 

,,Helen?" Seine Stimme war heiser und rau, kehlig vom Schlafen. Helen kam sich vor, als stände sie bloß neben dem Bett und beobachtete sich selbst und diesen Mann, der so viel in ihr auslöste. Es war ein Zwiespalt in dem sie gefangen war- zu einer Seite der des verwirrten Beobachters und zur Anderen war sie doch die Frau, die nun lächelte, als der Mann sich zu ihr drehte. Nun sah sie sein Gesicht, eisblaue Augen, die fragend in die Ihren sahen. 

Ihr Herz stolperte rasch bei diesem Anblick. Er hatte ein wunderschönes Gesicht, ein leichter Dreitagebart umschmeichelte seine markanten, männlichen Kieferknochen. ,,Kannst du nicht schlafen?", fragte er nun, nachdem er sie einen Augenblick lang still angesehen hatte und nun aber sanft über ihr Schlüsselbein strich. In diesem Moment stellte Helen fest, dass sie selbst ebenfalls nackt war- was nur noch mehr bewies, wie nahe sie diesem Mann stand. 

,,Ich schaffe es irgendwie nicht, Ruhe zu finden... Nicht neben dir...", hauchte sie und ihre Stimme war ihr selbst so fremd, dass Helen das Bedürfnis hatte, zweimal hinzuhören. Sie kam sich wie eine Außenstehende in ihrem eigenen Körper vor... War so etwas überhaupt möglich? ,,Aber ich habe eine Idee, was wir stattdessen tun könnten", flüsterte sie nun und ein Grinsen huschte über ihre Lippen, als sie näher an ihn rückte und ihr nackter Schenkel den Seinen streifte. 

,,Helen, es ist mitten in der Nacht", murmelte der Dunkelhaarige heiser, entzog sich jedoch nicht ihren sanften Küssen, die Helen seinen Hals entlang sandte. ,,Richtig... Der perfekte Zeitpunkt für das hier, Bucky", hauchte sie und spürte schmunzelnd, wie er seine Hände auf ihre Taille schob und sie über sich zog. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren, betörend, wie er ihr näher und näher kam und pures Verlangen in ihren Adern weckte... 

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Ihr Atem war abgehackt, als sie hochfuhr. Und sie brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder wusste, wo sie war. Die Bilder des Traumes huschten verschwommen durch ihren Verstand, ein dichter Nebel lag davor. Ihre Schläfen pulsierten mit jedem Atemzug, ihr Schädel dröhnte und wummerte. Doch viel mehr schmerzte ihr Herz, ihr Brustkorb... Hunderte von Messern drehten sich in ihrer Brust soeben um die eigene Achse. Immer und immer wieder, als wollten sie ihren Schmerz alle zehn Sekunden neu aufwallen lassen. 

Sie strich sich zitternd die Tränen von den Wangen und drehte den Kopf, als sie einen Blick auf sich ruhen spürte. Er sah sie an. Der Winter Soldier. Der Mann, der in ihren Träumen so vertraut gewesen war... Bucky. Sie hatte ihn Bucky genannt. Doch weshalb? Ganz gleich wie verzweifelt sie sich zu erinnern versuchte, das Pulsieren in ihren Schläfen hinderte ihr Denkvermögen daran, in ihrem tiefsten Inneren nach erklärenden Momenten zu wühlen. Ein tiefes Nichts breitete sich in ihrem Brustkorb aus, beinahe einem Vakuum ähnelnd. 

,,Du musst tief einatmen und einige Sekunden die Luft anhalten... Dann geht's wieder", kam gedämpft hinter der  Wand hervor, die zwar dünn, aber dennoch aus festem und undurchdringlichem Panzerglas war. Was erreichte man damit, dass man sie beide zusammen einsperrte? Dass sie einander die ganze Zeit ihrer Gefangenschaft beobachten konnten? Wollte man ihnen weh tun? Helens Verstand hing schon in der zweiten Nacht am seidenen Faden, sie drohte zusammenzubrechen- oder hysterisch zu werden. Der Druck auf ihrer Brust flehte sie dazu an, die Zelle zusammen zu schreien. 

,,Genauso... Und jetzt atmest du die angehaltene Luft tief wieder aus. Das beruhigt dich zwar nur ein wenig, aber es hilft gegen den Druck auf deinem Brustkorb." Helen betrachtete den Mann, der zum ersten Mal ruhig mit ihr sprach. Er sah alles andere als gelassen aus, er lehnte mit dem Rücken an der Wand, seitlich der Fensterscheibe und drückte seine Stirn gegen das sicher für einen kurzen Moment angenehm kühlende Glas. 

Sie wusste, sie hatte ihm große Schmerzen bereitet- und sie konnte nicht einmal sagen, wie. Es war einfach geschehen, es war ihr nicht bewusst gewesen. Sie war sich ihrer selbst nicht bewusst gewesen. ,,An wie viel kannst du dich erinnern?", fragte er sie weiter, seine Stimme hatte eine seltsame Wirkung auf ihren Körper. Alles in ihr kribbelte als krochen hunderte von Tausendfüßlern durch ihr Inneres und brachten ihr Blut durch Wallung zum Kochen. 

Helen öffnete die Lippen, um etwas zu entgegnen, doch ihrer Kehle entkam nur ein erstickter Laut. Ein Schluchzen. Sie begann zu weinen, ihr Körper wurde heftig von Verzweiflung und Panik geschüttelt, sie konnte die salzigen Tränen schmecken, als sie mit der Zungenspitze über ihre Lippen fuhr. 

Sie sah den Dunkelhaarigen hilfesuchend an. Bucky... Sie sah Bucky hilfesuchend an. Wer war Bucky und woher kannte Helen ihn? Sie wehrte sich nicht mehr gegen das Vakuum, sie kämpfte nicht mehr gegen den Nebel in ihrem Gedächtnis an. Beides tat viel zu sehr weh - und überforderte ihre geschwächte, zerschundene Seele. 

Bucky unterdessen war sich seiner selbst mehr bewusst, als es in den letzten Tagen auch nur einmal der Fall gewesen war. Der Anblick Helens, ein Bild, das er immer hatte verhindern und niemals hatte zulassen wollen, zerriss ihm das Herz. Gefangen hinter dem Panzerglas war er nicht in der Lage, viel zutun. Zu gerne hätte er sie in die Arme geschlossen, bevor man ihn am nächsten Morgen zurück in die Labore und auf den Stuhl zerren, ihn wieder löschen würde. Helen hatte seine Seele komplett umgekrempelt, sie hatte ihn gebrochen. 

Und damit war sie die Faust Hydras. Nicht er selbst, nein sie war es. Die ultimative Waffe zur Brechung von noch so gefassten Soldaten. Sie könnte eine ganze Armee zu Fall bringen, indem sie jede einzelne Seele mit ihrer eigenen Waffe bekämpfte: Schwäche und Dunkelheit, Schmerz und Verlust, ebenso wie... Liebe. 

Auf allen Vieren rutschte sie nun auf das Glas zu und setzte sich dicht an die deckenhohe Scheibe, die die Beiden voneinander trennte und aus der Zelle ein nur noch unerträglicheres Gefängnis machte. Erschöpft drückte sie ihren Kopf, genau wie er, an das massive Glas und Bucky betrachtete ihre roten Haarsträhnen, die im Licht der schwach scheinenden und flackernden Glühbirnen einem wilden Feuer nahe kamen. Sie war hier... Helen war hier. Die Mission des Winter Soldiers war es gewesen, sie herzubringen. 

Er hatte sie vor Hydra verbergen, er hatte sie beschützen wollen, seit ihnen beiden klar geworden war, dass Helen eine größere Rolle in Hydras Zukunft hatte, als sie geglaubt hatten. Und nun trug doch er selbst die Schuld daran, dass sie hier war. Und dass Hydra sie gebrochen und ihr Gedächtnis gelöscht, all ihre positiven Emotionen begraben hatte. Noch war der Erfolg lückenhaft, doch schon bald würde Hydra Helen ebenso willenlos werden lassen, wie ihn. 

,,Wer bist du?", hörte er ihre zarte Stimme erstickt und brüchig flüstern, sie musterte ihn und ihre blasse Handfläche drückte sich gegen das Glas. Er erwiderte ihren Blick schluckend, ihre braunen Augen, in welchen vor wenigen Wochen noch so viel Hoffnung gelegen hatte, wirkten leer und tot. Und er war schuld. ,,Wer bist du?!", widerholte sie drängender und er leckte sich über die trockenen Lippen. ,,Bucky...", wimmerte sie nun und er hob den Kopf, war ihren verzweifelten Blicken ausgewichen, doch nun sah er sie wieder an. 

Sie erkannte ihn nicht, doch sein Name war ihr mehr als bekannt. Er löste etwas in ihr aus, verleitete sie zum Nachdenken, Schmerz zog sich über ihr hübsches, doch nun aschfahles Gesicht. ,,Helen...", brachte er heiser hervor, nachdem er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte und sich angestrengt räusperte. Er musste sie halten, ihr helfen... Doch ihr Anblick wühlte ihn vollkommen auf. 

Schnelle Schritte waren im Gang zu hören und nervös sah er zur Tür. Beobachtete man sie? Würde man Helen nun holen, wo die Löschung langsam Lücken aufwies? ,,Wer bist du?!", wiederholte sie panischer, lauter und begann mit den Fäusten gegen das robuste Glas zu schlagen. Sie hörte die Schritte auch. Und sie ahnte ebenso wie er, dass man sie nun holen würde. 

Sein Herz brach erneut. Er hatte ihr das hier angetan. Er hatte sie Hydra ausgeliefert. Schmerz ließ ihn nur stumm mit ansehen, wie Helen den Verstand verlor, gegen das Glas schlug, schrie und weinte, hysterisch und verängstigt, bis man ihre Zellentür aufriss und sie an den Armen grob auf die Beine zerrte. ,,Lasst mich los! Ich will wissen, wer ich bin! Was macht ihr mit mir, lasst mich los!" Sie schrie und wehrte sich so lange, bis der Soldat ihr eine Spritze in den Hals rammte und Helen augenblicklich kraftlos zusammen sackte. 

Bucky kannte dieses Spiel nur zu gut. Betäubungsmittel. Helen würde auf dem Stuhl wieder aufwachen... Wenn sich das kalte Metall wieder an ihre Schläfen legte und das bitter schmeckende Gummimundstück wieder zwischen ihre Kiefer geschoben wurde. Er konnte nichts tun. Das Glas war massiv, die Türen verschlossen - und jedes Unternehmen seinerseits würde Helen nur noch mehr leiden lassen. 

Sie nahmen sie mit. Erneut. Und diesmal nahm nicht der Winter Soldier es teilnahmelos zur Kenntnis, sondern ein niedergeschlagener James Buchanan Barnes. Und er zerbrach daran. An der Schuld... Der Schuld daran, Helen Sharpe vernichtet und das Monster in ihr heraufbeschwört zu haben.

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