THIRTYFIVE
,,There's no way out of this hell for twisted mind"
THIRTYFIVE: Dezember 2012
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Der Raum, in welchen man Helen, nach einer Nacht voller Qualen und des Vergessens, gebracht hatte, war dunkel und kühl. Das Licht der Neonröhren war nur schwach und flackerte hin und wieder wie eine Kerze im Wind. Diese großen, festen Röhren summten leise und ließen die Angespanntheit in Helen nur noch größer werden. Sie war sich selbst nicht bewusst. Sie war eingeschlossen.
,,Sie wird ihn brechen, Sir", konnte sie jemanden sagen hören, hinter einer dünnen Glasscheibe betrachtete man sie. Der Mann, welcher das Sagen über all das hier hatte, sah zufrieden aus. ,,Wenn sie das tut, ist sie soweit", gab er zurück. Helen konnte die Beiden durch eingeschaltete Lautsprecher an der Decke hören. War es Absicht, dass sie diesem Gespräch lauschte? Hier war nichts mehr Zufall oder Versehen... Die Zerstörung ihres Verstands war bis ins kleinste Detail geplant.
Und obwohl Helen in sich selbst eingeschlossen war, war sie immer noch präsent. Ihre Verwirrung, ihre Angst. Sie spiegelte sich in den Emotionen des zweiten Ichs wieder, das man in ihrem Körper hervorgeholt hatte. Rearlight.
Steif stand sie da, den Blick gesenkt. Ihr Brustkorb hob sich schnell und unregelmäßig. Obwohl Helen und Rearlight unterschiedliche Persönlichkeiten trugen, waren sie dennoch auf missglückte Art und Weise eine. Neben dem Zorn, der ihren Körper anspannte und der Bereitschaft alles zutun, was dieser Mann gleich von ihr verlangte, lähmte ihren Körper die Angst vor dem was kam. Angst, die von Helen kam und sich dennoch in Rearlight wiederfand.
Ihre Knie waren weich wie Butter, sie wünschte sich in das dunkle Loch zurück, das ihre Zelle war. Die Wand gegenüber ihrer Matratze war angenehm beruhigend gewesen. So leer, so nichtssagend. Es hatte gut getan, mal etwas zu sehen, dass es nicht schaffte sie aufzuwühlen.
Mit einem unangenehmen Quietschen wurde die Tür des Raumes geöffnet und sie zerrten ihn in den Raum. Bucky... Der Name war immer noch da. Das, was man ihr angetan hatte, hatte die halbe Nacht angedauert. Und dennoch zuckte Schmerz durch ihre Brust, als sie ihn sah. Die Elektroden waren noch nicht von seinem nackten Brustkorb entfernt worden, lose Kabel hingen an ihm herunter. Ein Schweißfilm zog sich über seinen Oberkörper, der schon viele Narben von so vielen Kämpfen behalten hatte.
Sein Blick war wirr, sein Brustkorb hob sich hastig. Er schnaufte, brach fast zusammen, als die beiden Soldaten ihn losließen. Rearlight betrachtete ihn. Obwohl sie seinen Namen kannte, fehlte ihr der Bezug zu ihm. Die Löschung war nicht ohne jeglichen Erfolg gewesen. Sie wusste dennoch nicht, weshalb und inwiefern sie den Dunkelhaarigen kannte.
,,Du weißt, was du zutun hast, Rearlight." Sie fuhr zusammen, als man sie ansprach. Sie wusste es. Sie wusste, was nun kam. Was sie diesem Mann nun antun würde. Was sie Bucky nun antun würde. Langsam trat sie auf ihn zu. Er war nun doch in die Knie gesunken, seine schulterlangen, dunklen Haare verdeckten sein Gesicht. Sein Brustkorb bebte. Dieser Mann war nicht der Mann, der ihr heute morgen beschrieben worden war. Der ihr als Feind genannt worden war. Dieser Mann war nicht der Winter Soldier. Und doch war der Winter Soldier, wie Rearlight wusste, ein Teil von diesem Mann.
Sie blieb vor ihm stehen, legte Ihre Hand unter sein markantes Kinn und hob es an, um in seine Augen zu sehen. Sie waren blau... Sein Blick war nicht kalt oder leer. Sondern flehend und verletzt. Er kannte sie. Sie sah es ihm an. Doch sie kannte ihn nicht.
,,Du must das hier nicht tun, Helen. Du musst das hier nicht sein. Wenn du noch irgendwo da drin bist, dann hör mir zu...", brachte er heiser hervor, hustete. Etwas Blut haftete an seiner Unterlippe. ,,Sprich nicht mit mir", fauchte sie, schneller, als ihr Verstand es hatte beeinflussen können. Helen hatte keine Kontrolle, Rearlight hatte sie. Zögern lag in Beiden, auf die unterschiedlichste Art und Weise.
,,Du bist das hier nicht, Helen... Und es ist meine Schuld, dass du denkst, du wärst es", brachte er hervor und Rearlight legte ihre Hand an seine Schläfe. ,,Ich bin genau das hier. Und mein Name ist auch nicht Helen", gab sie fest zurück, während ihr Magen jedoch rebellierte und ihre Schläfen stechend zu schmerzen begannen. Kleine Fäden traten aus ihren Fingerspitzen, drangen in seinen Kopf ein, ließen ihn all das Schreckliche sehen, was er getan hatte. All das Schmerzhafte spüren, was er jemals gefühlt hatte.
Diesmal schrie James nicht. Er war sich seines Schmerzes diesmal mehr als bewusst.
Helen wachte auf kaltem Boden auf. Es dauerte eine Weile, bis sie geschafft hatte, sich aufzusetzen. Ihr Schädel dröhnte wahnsinnig und in ihren Ohren rauschte es. Die Mauer, die ihren Verstand hinter dem von Rearlight verschloss, bröckelte. Keuchend kämpfte sie sich auf die Beine. Ihre Knochen gaben ein Knacken von sich, das beunruhigend von den Wänden widerhallte.
,,Sucht weiter nach Ihr, weit kann Sie nicht gekommen sein!", hörte Helen jemanden rufen und wich hastig in eine Nische zurück, als ein Trupp Soldaten schwer bewaffnet an ihr vorbei zog. Jetzt erinnerte sie sich. Sie war weggelaufen. Ihr Verstand hatte verrückt gespielt, ihre Emotionen waren stärker gewesen als das, was man versucht hatte, in ihr zu schaffen. Sie hatte sie alle niedergerungen mit der Fähigkeit, die man ihr gegeben hatte. Die Fähigkeit, Gedanken, Erinnerungen und Emotionen zu kontrollieren.
Sie wusste nicht, ab wann sie wieder sie selbst gewesen war- doch sie war es. Und sie wusste, sie musste nach ihm suchen. Sie musste Bucky suchen. Und beten, dass er wieder auf den Beinen war. Bereit das zutun, was ihr im Sinn stand. Wegzulaufen.
Sie wartete still, bis sie keine Schritte mehr hörte, ehe sie sich lautlos in den nur schwach beleuchteten Korridor schob. Sie hatte schon öfter mitbekommen, dass man Bucky häufig in den Westen des Gebäudes brachte, um den Schaden zu reparieren, auf dessen Ursache sie zurückzuführen war. Sie hatte ihren guten Orientierungssinn über all die Jahre nicht mehr verloren. Ihr Körper beinhaltete einen zerspaltenen Verstand, eine dunkle, wie eine helle Seite. Doch nun suchten sie beide nach Bucky.
Sie musste ihn finden. Sie sprintete den Gang entlang, machte sich in der Dunkelheit von Nischen unsichtbar oder verdrehte Gedanken und Emotionen von Soldaten, die sich ihr doch schafften, in den Weg zu stellen. Sie suchte so lange. Ihre Fußballen brannten irgendwann und ihre linke Seite stach und dennoch hörte sie nicht auf, zu laufen. Die Zeit rann ihr wie Sand aus den Fingern.
Die nächste Tür, die sie mit Gewalt aufriss und das Schloss daran zerstörte, offenbarte ihr einen spärlich bekleideten Raum. Eine Pritsche stand darin und ein Monitor daneben. Bucky... Er war aschfahl. Seine Lider zuckten wild, Elektroden waren an seinen Schläfen befestigt. Stellten sie das wieder her, was Rearlight zerstört hatte? Der Raum hatte absolut keine Fenster. Die massiven Wände waren beunruhigend kahl.
Schluckend drückte Helen lautlos die Tür hinter sich zu. Sie hatte nicht viel Zeit, das wusste sie. Doch das hinderte ihr Zögern nicht daran, nur langsam an die Pritsche ran zu treten, auf dem er lag. Bucky... Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie hatte ihm so unglaublichen Schmerz zugefügt. Wie hatte sie das tun können? Sie hatte genossen, wie immer mehr Pein in seine blaue Iris getreten war. Sie hatte seine Seele in Fetzen gerissen...
Zittrig griff sie nach den Pflastern an seinen Schläfen. Sie entfernte die Elektroden und stellte die Maschine ab, bevor sie Warnsignale senden konnte. Ihre Hand zitterte, als sie nach ihm ausstreckte. Sie wollte ihn so gerne berühren... Ihre Liebe zu ihm überwog in diesem Augenblick.
Doch bevor sie ihre Hand an seine Wange legen konnte, hatte er sich blitzschnell aufgesetzt und sie an der Kehle gepackt. ,,Das wirst du nicht tun", knurrte er wütend und keuchend erwiderte sie seinen Blick. Es lag keine Kälte darin. Bloß Schmerz. Und Zorn. Sorge. Helen zählte die Emotionen in seiner Iris, während sie ihn nach Luft ringend anstarrte. ,,Helen, du weißt, wer ich bin", fügte Bucky jetzt dringlicher hinzu, noch immer war er halbnackt. Seine Haare zerzaust. Und noch immer war er, er selbst.
Langsam rannen die Tränen ihre Wangen hinab. ,,Bucky...", flüsterte sie weinerlich, erstickt. Sein Griff lockerte sich. ,,Helen?", gab er heiser zurück und sie nickte bloß, nicht wissend, was sie sagen sollte und sich nicht wagend, ihre Stimme länger zu erheben. Langsam ließ er sie los. Keuchend sahen Beide einander an. Sehnsucht ließ ihre Herzen in Einklang schlagen.
Der Winter Soldier war in diesem Moment fort. Rearlight war in diesem Moment fort. Es waren Bucky und Helen. Und obwohl die Zeit rannte, obwohl sie eigentlich fliehen sollten, zog er sie nun raunend an seine Lippen, küsste sie, mit all der Verzweiflung, die in den letzten Tagen an seinen Nerven und seinem Verstand gezerrt hatte. Und sie erwiderte seinen Kuss mit all dem Schmerz und der Angst, die sie in den letzten Tagen geleitet hatte. Ihre Hände vergruben sich in seinen Haaren, er zog sie nahe an seinen halbnackten Körper, sie strich seinen Nacken hinab, berührte seine warme, leicht verschwitzte Haut.
Sie bekam nicht genug von seinen Lippen, die auch noch das letzte bisschen Mauer in ihrem Verstand zusammenstürzen ließen. Sie schmeckten so vertraut... Sie fühlten sich so vertraut an. Er fühlte sich so vertraut an. Salzige Tränen mischten sich in den innigen Kuss, den sie teilten und den sie auch nur aus blanker Atemnot zwischenzeitlich unterbrachen, um einander atemlos anzusehen. ,,Bucky, es tut mir so leid, ich...-", setzte sie schluchzend an, sanft legte er seinen Finger auf ihre zarten Lippen.
,,Nicht jetzt. Wir müssen hier weg, Helen", meinte er heiser und sie schluckte, nickte. Dennoch flossen ihre Tränen unaufhörlich. Er hatte ihr so unglaublich gefehlt, all diese Nächte, in denen sie nie vollständig sie selbst gewesen war, all diese Löschungen und Experimente an ihrem Verstand, die ihn dennoch nie aus ihrem Herzen hatten verbannen können.
,,Hast du einen Plan?", fragte sie ihn brüchig und er sah sie einen Moment still an, schüttelte den Kopf. ,,Sie suchen nach dir... Ganz gleich welchen Weg wir nehmen, wir werden nicht unentdeckt bleiben", murmelte er und nahm ihr Gesicht in seine warmen Handflächen. ,,Ich will, dass du wegläufst, ganz egal was passiert, Helen. Du musst hier verschwinden", meinte er fest. ,,Bevor sie dich endgültig zerstören."
Ihre Unterlippe begann zu beben. ,,Bucky, das kann ich nicht. Ich kann nicht ohne dich gehen", weinte sie und er schluckte hörbar. Er wusste, sie würde es nicht. Sie würde nicht weglaufen, ganz egal was gleich dort draußen passieren würde. ,,Und ich könnte es auch nicht ohne dich...", gab er heiser zurück und sie griff nach seiner linken Hand. Selbst das kühle Metall auf ihrer erhitzten Haut fühlte sich vertraut an. Es fühlte sich gut an. Unglaublich gut sogar.
,,Also bleiben wir zusammen?", flüsterte sie weinerlich und er drückte seine Stirn an Ihre. Sie hatten nicht mehr viel Zeit... Und Bucky bezweifelte, dass Ihnen eine Flucht gelingen würde. Genauso wie Helen es auch tat. Es war wahrscheinlich, dass es nicht funktionieren würde... Doch es war das Einzige, was Ihnen blieb. ,,Was auch immer es kostet", gab er leise zurück und sie nickte, sodass ihre Stirn sich an die Seine schmiegte und sie ein letztes Mal eine so vertraute Nähe zu Bucky hatte, wie es so schmerzhaft lange nicht mehr gewesen war...
,,Was auch immer es kostet", flüsterte sie... Nicht wissend, ob das nicht vielleicht die letzten Worte sein würden, die sie für immer zu James Buchanan Barnes gesagt haben würde.
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