Julias Sicht:

Entsetzen...mehr konnte man in meinem Gesicht nicht sehen, nachdem Fine mit ihrer Erzählung geendet hatte. Auch Franco musste schlucken.

Ich versuchte etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus.

"Ihr wolltet die Wahrheit wissen", sagte Fine entschuldigend.

"Pass auf, du bist nicht alleine! Franco und ich werden immer für dich da sein. Gemeinsam schaffen wir das und gemeinsam werden wir eine Lösung finden", sagte ich zu ihr, nachdem ich meine Sprache wiedergefunden hatte.

Als Fine mich ansah, sah ich in Ihrem Blick so etwas wie Hoffnung.

"Was geschieht jetzt weiter?", fragte sie unsicher und mit dem Blick wieder am Boden. 

"Wir müssen auf jeden Fall mit dem Jugendamt reden. Da werden wir nicht dran vorbei kommen", meinte Franco.

"Aber die stecken mich ins Heim!", erwiderte Fine entsetzt.

"Scht, das werden wir nicht zulassen. Vertrau uns", entgegnete ich und versuchte sie ein wenig zu beruhigen. 

"Soll ich einen Termin machen?", fragte Franco mich. Ich nickte.

Er ging aus dem Zimmer und telefonierte.

Währenddessen erlöste ich Fine von ihrem Zugang und klebte ein kleines Pflaster auf die Einstichstelle.

"Warum machst du das? Warum bist du so nett zu mir? Warum kümmerst du dich um mich? Warum sorgst du dich um mich?", fragte sie mich. 

"Das waren jetzt aber viele "Warum". Ich tue das, weil ich dich mag und weil niemand so etwas verdient hat, was du in den letzten Monaten durchmachen musstest. Ich kümmere mich um dich, weil es unteranderem meine Arbeit ist. Du bist gesundheitlich wirklich angeschlagenen. Zudem bin ich schon immer jemand gewesen, er dauernd helfen will. Ich sorge mich um dich, weil du innerhalb der letzten paar Stunden mehrmals kollabiert bist, einen Flashback hattest und völlig apathisch am Boden gelegen hast..Und das jetzt nur mal aus medizinischer Sicht betrachtet", antwortete ich. 

Fine sah mich an.

Man sah deutlich, dass sie mit so einer Antwort nicht gerechnet hatte.

"Wenn wir wollen, können wir heute nachmittag um 16 Uhr vorbeikommen", sagte Franco, der gerade wieder ins Zimmer gekommen war.