7. Kapitel: Der Astronomieturm



Ich sitze schweigend am Esstisch. Jay und Rodolphus unterhalten sich über den Tisch hinweg, Narzissa steht stumm daneben, füllt Getränke nach und bringt neues Essen. Bella ist nicht im Haus. So weit ich weiß gibt es ein Todessertreffen.

Solange das Ministerium noch an der Macht ist und Dumbledore noch eine schützende Hand über Hogwarts legt, wagt es der Dunkle Lord nicht größere Treffen zu arrangieren. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich ihn noch nie persönlich getroffen habe. Ich bekomme meine Aufträge immer nur über Rodolphus oder Bella.

Alle anderen Todesser würde das sicherlich enttäuschen, doch ich bin eher froh ihn noch nicht getroffen zu haben. Natürlich habe ich Angst, dass er sieht, was ich so krampfhaft verberge, dass er erkennt, was ich vorhabe, was ich vielleicht tun werde.

Narzissa erklärt mir zwar immer wieder, wie ich mich verhalten soll, aber ich fürchte mich trotzdem. Ich kann nur hoffen, dass, meine Okklumentikfähigkeiten besser sind als seine in Legilimentik sind. Vielleicht denkt er gar nicht daran, dass ausgerechnet ich, eine seiner besten Todesserinnen, mit dem Gedanken spielt ihn zu verraten. Aber darauf sollte ich nicht setzen...

„Asbeel, was sagst du dazu?", frägt mich plötzlich Jay.

Ich habe gelernt, dass ich mir nie anmerken lassen sollte, dass ich ihnen nicht zugehört habe. Für die beiden ist es selbstverständlich, dass ich immer aufpasse und alles, was sie sagen bewundere. Sie verstehen einfach nicht, dass es nicht sie sind, sondern ich, die hier die höhere Stellung hat.

„Ich bin der selben Meinung," sage ich. Die beiden Nicken und reden einfach weiter.

So ist es eigentlich immer. Sie finden sich mit einem „Ich bin der selben Meinung" ab und reden dann weiter. Anfangs hat es mich noch gestört, doch mittlerweile habe ich mich damit abgefunden.

Der Sommer kehrt allmählich nach England zurück, auch, wenn wir hier nicht sonderlich viel davon mitbekommen. Das Anwesen ist weiterhin durch die vielen Marmorböden eisig kalt, die schwarzen Vorhänge schlucken auch im Sommer alle Sonnenstrahlen und die großen mächtigen Buchen im Garten werfe lange schwarze Schatten auf das Haus und die Wiese. Dazu kommt der gelegentliche Nebel der Dementoren.

Und dennoch gibt es Tage, die ich draußen an alten und morschen Banken verbringe, Tage, die mich alles vergessen lassen...Tage, die mich an meine Zeit in Hogwarts erinnern.

Ich hätte nie erwartet, dass ich meine Schulzeit irgendwann vermisse. Schließlich war ich allein, verhasst und einsam. Aber ich war eben auch glücklich. Ich hatte die vielen Felder, den Wald mit den geheimnisvollen Wesen, Hagrid und Fang und natürlich die Bibliothek mit ihren hunderten Büchern. Madam Prince kannte mich wohl besser, als jeden anderen Schüler (Zugegeben, Hermine Granger hat mir ganz schön Konkurrenz gemacht).

Sicherlich, ich habe Hogwarts nie so geliebt wie viele andere Schüler. Es war nicht unbedingt mein Zuhause und ich habe auch nicht ein Übermaß an glücklichen Erinnerungen an diesen Ort. Aber...es war besser als hier. So gesehen ist alles besser als das Anwesen der Lestranges, selbst das blöde Weisenhaus.

Manchmal wünsche ich mir ich könnte an diese Schule zurückkehren. Nicht als Schüler, sondern als Lehrer. Ich weiß, dass diese Idee vollkommen abstrus ist. Aber manchmal, wenn ich über Hogwarts nachdenke, dann wünsche ich mir ich könnte jungen Zauberern etwas beibringen, damit sie nicht so enden wie ich. Natürlich, kein Lehrer würde jemals einen Ex-Todesser einstellen und schon gar nicht mich, aber manchmal...manchmal muss man träumen. Und, wenn ich hier wirklich rauskomme, wenn ich es schaffe mich von dem Ganzen hier zu lösen, dann kann ich ja an diesem Traum festhalten.

„Asbeel, es gibt neues," kreischt eine Stimme so laut.

Ich zucke ein wenig zusammen. Es ist wahrlich eine brutale Art von Bella zurück in die Realität geholt zu werden.

„Bella," sage ich nur.

Die Haare meiner Mutter sind zerzaust, ihre dunklen Augen weit aufgerissen und ihre Lippen beben leicht. Das müssen wirklich grandiose Neuigkeiten sein.

„Draco hat es geschafft!"

Ich sehe sie an. Draco hat es geschafft. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, dass es ihm demnächst gelingt. Klar, ich habe hin und wieder an ihn gedacht. Er ist mir schließlich ans Herz gewachsen, aber sein plötzlicher Erfolg überrumpelt mich zugegeben ein wenig.

„Wie sieht unser Plan aus?", erkundige ich mich sachlich.

„Draco will warten bis der alte Dumbi außer Haus ist. Dann sollt ihr ihn überraschen und der kleine Malfoy," sie macht eine stoßende Bewegung mit ihrem Zauberstab, „bringt ihn um."

Bella stößt ein kreischendes und irres Lachen aus, das gruselig in dem hohen Raum wiederhallt. Ich sehe sie schweigend an.

„Wann?"

„Jederzeit," haucht sie mit großen dunklen Augen.

„Gut, hol die anderen Todesser zu uns ins Haus. Ich will, dass wir zusammen sind, damit wir schnell handeln können," befehle ich trocken.

„Eine gute Idee, Asbeel," stimmt mir mein Vater zu. „Bella wird das erledigen."

Ich sehe meine Mutter an. Sie gehorchte niemanden, außer Voldemort und Rodolphus...

Ich stehe schweigend vor den großen Fenstern in meinem Raum, die wie alle anderen in diesem Haus von dicken schwarzen Stoff verdeckt sind. Draußen ist es Nacht, der Mond scheint blass vom Himmel und Nebel wabert durch das kleine Wäldchen auf unserem Grundstück.

Bella wird mich enterben, wenn ich die Todesser verlasse. Nicht, dass es mich großartig stören würde. Ich werde es tunlichst vermeiden diesem Haus nach meinem Verrat auch nur Nahe zu kommen (selbst, wenn der Dunkle Lord dann irgendwann besiegt ist). Ist ein bisschen Schade um das ganze Gold, das ich hätte haben können. Aber was ist das schon? Was bringt dir Geld schon, wenn du in deinem Herzen unglücklich bist? Nichts. Geld ist nur das Mittel zum Zweck, ein schöner Nebeneffekt.

Letztlich ist es auch egal. Selbst, wenn ich das alles überlebe – es ist so unendlich fern, so weit weg, dass ich es mir gar nicht vorstellen kann wie es sein wird.

Vielleicht sollte ich einfach warten, vielleicht sollte ich einfach das auf mich zukommen lassen, was auf mich zukommen will. Ich kann es eh nicht ändern.

Ich schließe meine Augen. Mir ist bewusst, dass ich nicht abhauen kann ohne einen Plan zu haben. Ich muss wissen, wo ich hinwill, was ich machen werde und wie ich dort draußen, verfolgt von der gesamten Todessermannschaft überleben will.

Es hört sich ehrlich gesagt ziemlich uferlos an, aber es gibt immer eine Chance, auch, wenn sie noch so klein ist. Die Chance besteht.

Aber ich weiß nicht wann. Einerseits habe ich das hier hassen gelernt, vielleicht sogar noch mehr als Hogwarts oder das Waisenhaus. Andererseits habe ich mich auch an das hier gewöhnt. An Bella und ihre Irrsinnigkeit, an Rodolphus Kälte, an Narzissas Schweigen und an Jays Anwesenheit. Nicht, dass es mir guttun würde oder, dass es mir etwas bringen würde – ich habe mich nur daran gewöhnt. Selbst an die Aufträge, an das ständige auf der Hut sein und an das Kämpfen.

Und dennoch weiß ich ganz genau, dass ich hier mich selbst immer mehr verlieren werde. Ich habe meine wahres Ich lange Zeit versteckt, unterdrückt und verleugnet. Langsam kommt der Punkt, an dem ich mich nicht mehr so leben will. Ich halte es nicht mehr aus. Ich beginne mich selbst zu hassen, weil ich in mir gefangen bin und aus diesem Gefängnis gibt es nur einen Weg zu entkommen. Ich muss mich endlich entfalten, ich muss die Kammer meines Herzens öffnen und mich endlich frei lassen. Aber kann ich das? Geht es überhaupt noch? Oder trage ich diese Maske schon zu lange?

Ich öffne meine Augen, fahre mit meinen Fingerkuppen über den sanften schwarzen Stoff des Vorhanges vor mir.

Ich kann mich erinnern, an Tage, an denen ich frei war. Ich sehe Felder, endlose Felder, ich höre das Bellen eines Hundes, der hinter mir hertobt, ich kann die Freiheit reichen, es liegt in der Luft, dieser Geruch danach, unglaublich schön. Ich kann unter meinen nackten Füßen das weiche saftige Gras spüren, die kleinen Halme, die an der Seite meiner Füße kitzeln und vor mir ein endloses Feld aus hunderten – nein Millionen – unterschiedlichen Blumen, jede schöner als die andere. Ich kann den Wind fühlen, der sachte über meine Haut streicht und meine Haare in seiner stummen Melodie tanzen lässt. Ich kann die Sonnenstrahlen spüren, wie sie mich wärmen, wie sie mir Geborgenheit geben, als würde mich in den Arm nehmen. Ich höre den hechelnden Hund neben mir, fühle seinen warmen Körper an meinem Oberschenkel. Meine dunklen Augen leuchten, fangen die goldenen Strahlen der Sonne ein. Ich kann Vögel zwitschern und den Wind geheimnisvoll in den Bäumen rauschen hören. Lose Blätter tanzen anmutig durch die Luft. Blumen blühen, schmücken die Welt mit ihren Farben. Weit entfernt kann ich Kinder lachen hören, frei und unbeschwert. Das ist mein Zuhause.

Ich drehe mich um. Hogwarts ragt in die Höhe, ragt in den wolkenlosen blauen Himmel. Die Zinnen der vielen kleinen Türme leuchten in der strahlenden Sonne. Die Fenster glitzern, spiegeln das Licht des gigantischen Feuerballs wieder. Das Schloss selbst, ganz ruhig und kühl, wie der Stein aus dem es besteht. Und dennoch hat es etwas Magisches, etwas unglaublich Bewegendes. Vielleicht ist es das flimmern in der Luft, vielleicht sind es die Schüler, deren Lachen über die Schlossgründe hallt, vielleicht ist es aber auch Hogwarts selbst, mit all seinen Geheimnissen, all seiner Magie und all seiner Liebe. Auch wenn ich nie dazu gehören werde, wenn ich nie akzeptiert werde, eins kann man mir nicht nehmen. Ich gehöre wie alle Schüler, die in diesem Schloss ihre Schullaufbahn gemeistert haben, zu Hogwarts und Hogwarts gehört zu mir.

Ich streiche über den leise hechelnden Fang. Meine kleinen Finger berühren zaghaft sein Fell, fahren über seinen warmen Körper. Er ist so ein braver und liebenswerter Hund. Eine Biene fliegt mit lauten Summen an mir vorbei, ein zwitschernder Vogel gleitet über mich hinweg und ein Blatt tanz durch die Luft, verhängt sich in meinen Haaren und bleibt dort.

Und in diesem Moment bin ich mir sicher, dass eines Tages alles gut werden wird...

Ich schüttle meinen Kopf, verscheuche die Erinnerung an diesen Tag hastig. Ich war damals noch ganz klein, gerade Mal in meinem zweiten Jahr. Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, auch, wenn es nur ein Ausflug von vielen war.

Ich seufze leise und lasse mich auf mein Bett fallen. Vielleicht ist es Zeit ein wenig in der Vergangenheit zu verweilen, ein wenig zu träumen...

„Hagrid!", rufe ich und winke meinem einzigen Freund.

Der Halbriese sieht von seiner Arbeit in seinem Garten auf, blickt sich verwundert um, bis er mich erfasst. Sein Gesicht hellt sich auf und er winkt mit seiner riesigen Pranke. Sanft lächelnd bewältige ich den restlichen Weg zu ihm, bis ich direkt vor ihm stehe. Ich gehe ihm gerade so bis zum Ellenbogen.

„Asbeel, schön, dass du dich hier mal wieder blicken lässt," begrüßt er mich, während er seine Axt mit einem dumpfen Laut auf den Boden krachen lässt.

„Ich habe viel zu tun. Ein Jahr noch, dann mach ich meine UTZs," gebe ich zurück.

Hagrid sieht auf mich herab, seine gewaltigen Arme in die Seite gestemmt. Sein wuchtiger Bart verdeckt fast die Hälfte seines Gesichtes und seine zottelige Mähne den Rest. Seine dunklen Augen betrachten mich.

„Ich kann mich noch erinnern, da warst du noch ganz klein," sagt er dann und lacht ein dröhnendes Lachen. „Hab' dich aus m' Wald gefischt. Weißt du noch?"

„Ja, ja, ich weiß das noch. Du hast mich zehn Minuten zusammengebrüllt. Ich dachte echt du wirfst mich gleich den Zentauren zum Fraß vor oder so," antworte ich ein wenig trocken. Ich hatte Nächte danach noch Albträume von dieser netten Begegnung mit Hagrid.

„So schlimm wars auch net," verteidigt sich mein Freund.

„Na ja," brummelt ich nur. „Kann ich dir irgendetwas helfen?"

„Hmpf. Ne, ich hack bloß gerade n' bisschen Holz. Für mein' Kamin, weißt du," antwortet Hagrid und kratzt sich mit seiner großen Hand an seinem Hinterkopf. „Aber ich kann ne Pause machen. Wenn ich mich recht erinnere wollt'n Harry und seine Freunde auch noch kommen."

Ich seufze leise in mich hinein. Das heißt für mich dann wohl abdampfen. Das goldene Trio hasst mich wohl mehr als jeder andere hier auf dieser Schule (vielleicht noch die Weasley Zwilling). Ich habe ihnen nie etwas getan, aber als große Verfechter des Friedens, gibt es für sie gar keine andere Möglichkeit als mich zu hassen.

„Na ja, ich...ähm...habe nicht so lange Zeit. Du weißt doch, die Arbeit ruft," sage ich dann.

„Na, na, na, wenn du schon da bist machst du dich nimmer so schnell aus'm Staub," protestiert Hagrid. „Fang ist schon ganz traurig, weil du ihn nich mehr so oft besuch'n kommst."

Wie auf Kommando ertönt ein Lautes Bellen und Fang stürmt mit wedelndem Schwanz aus der Hütte auf mich zu. Sekunden später schleckt er einmal über mein Gesicht und legt dann seine Pfoten auf meine Schultern. Ich lache leise.

„Hey, wie geht es dir alter Kumpel?", frage ich meinen treuen Gefährten.

„Jetzt geht's ihm wieder gut," brummt Hagrid. „Der kleine Verräter. Ich denk der würd' sogar mit dir mitgehen, wenn du in Hogwarts fertig bist."

Ich sehe auf den hechelnden Hund, während ich versuche mir seine Sabber aus dem Gesicht zu wischen. Er hechelt und wedelt freudig mit dem Schwanz, während ich ihn hinter den Ohren kraule.

„Nein, nein, Fang gehört zu dir," sage ich leise. Wahrscheinlich könnte ich ihn eh nicht mitnehmen. Ich würde ihn nur in Gefahr bringen, das arme Tier. Und das hat er nicht verdient.

„Du kommst mich aber schon besuchen, oder?", frägt Hagrid dann.

„Wenn es mir möglich ist," antworte ich wage.

„Du hast nicht vor zu deinen Eltern zu gehen, oder?", hackt mein einziger Freund hier in Hogwarts nach.

„Hat Dumbledore mit dir gesprochen?", frage ich zurück.

Mein Freund sieht nur beschämt zu Boden. Ich seufze leise. Ich habe gewusst, dass das so kommt.

„Ich habe nicht vor mich meinen Eltern anzuschließen. Außerdem sitzen sie eh noch in Askaban," murre ich.

„Tu nicht so, Asbeel, du weißt, dass du-weißt-schon-wer nicht auf Ewig verschwunden ist," brummelt Hagrid leise. „Ja, ich weiß. Aber ich schiebe es gerne auf," murmle ich leise zurück.

„Ich habe nur Angst..."

„Ich werde meinen Weg finden. Das wichtigste ist, dass du mir vertraust," unterbreche ich ihn. „Egal, was kommt, egal was du hörst, vertrau auf mich, okay?"

Mein Freund sieht mich an. Ein Lächeln liegt auf seinen Lippen. Und dann nickt er mit seinem gewaltigen Kopf. Ganz vorsichtig schupst er Fang von mir weg und legt seine Hand auf meine Schulter.

„Ich habe dir immer vertraut, Lestrange," sagt er dann.

Ich öffne meine Augen wieder. Hogwarts. In diesem Schloss hat alles begonnen und in diesem Schloss wird alles enden. Dort werde ich einen endgültigen Schlussstrich ziehen. Erst helfe ich Draco seine Mission zu bestehen und dann gehe ich meinen eigenen Weg.

Ich starre an die Decke. Hogwarts ist der richtige Ort, um mit meiner Vergangenheit abzuschließen und die wahre Asbeel endlich ans Licht kommen zu lassen. Vielleicht ändert sich alles, vielleicht bleibt aber auch alles gleich...

Meine Hände zittern, nur ganz leicht, aber sie tun es. Meine langen lockigen Haare fallen mir wie ein Wasserfall über den Rücken. Mein Gesicht sieht noch blasser aus als sonst. Meine Augen sind dunkel. Ich kann die Angst in ihnen sehen, flackernd, wie ein Feuer, entsprungen in meinem Herzen.

Vorsichtig ziehe ich die schwarzen Lederhandschuhe über. Es ist eine Angewohnheit geworden. Irgendwie fühle ich mich damit besser. Mein Umhang umhüllt mich schon. Es fehlt nur noch die Maske.

Ich starre sie etwas beklommen an. Vielleicht will ich es einfach nicht tun. Heute Abend wird so viel geschehen, so vieles, was mich letzten Endes mein Leben kosten kann.

Um ehrlich zu sein will ich nicht leugnen, dass ich mich fürchte. Ich fürchte mich sowohl vor der Mission Dumbledore umzubringen, als auch vor meinem persönlichen Plan. Und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich es schaffen werde...ob ich mich wirklich endlich von all diesem Wahnsinn lösen kann.

Ich berühre das Metall, ganz sachte, fast schon ein wenig sanft. Meine Finger fahren über die Maske, jegliches Fühlen von den schwarzen Lederhandschuhen verhindert. Manchmal frage ich mich, ob ich jemals kein Todesser sein kann.

Ich kämpfe wie ein Todesser, ich kleide mich wie ein Todesser, selbst normal sehe ich aus wie einer von Voldemorts Dienern. Vielleicht bleibe ich auch einfach ein Todesser, nur, dass ich eben auf der Seite des Lichts stehe. Was macht das schon aus?

Ich ziehe mir die Maske über. Das Metall streift kühl über meine Haut. Meine Augen blicken direkt in mein Spiegelbild. Die Kapuze wirft lange Schatten auf mein maskiertes Gesicht, verdeckt meine Locken, die darunter hervorspitzeln. Von diesem Abend hängt so viel ab, eigentlich hängt alles davon ab...

Stimmen dringen vom Gang dumpf in mein großes Zimmer. Die anderen warten. Und, wenn ich sie bei Laune halten will, dann sollte ich mich beeilen. Ich richte mich auf. Der Tag ist gekommen. Der Tag, der alles verändern wird.

Ich reise die Tür auf und trete in den dunklen Gang. Die Sonne ist vor den verdeckten und verhangenen Fenstern längst untergegangen. Sie stehen alle vor mir, schweigend. Sie warten auf meinen Befehl.

Wie ich sind sie verhüllt, vermummt, um nicht erkannt zu werden. Ich sehe sie an, jeden einzelnen. Sie warten, gespannt. Sie alle wollen Rache, Anerkennung und Erfolg. Ich will etwas ganz Anderes...

„Wir müssen los," sage ich kühl.

Und mit diesen Worten schreite ich voran, stolziere mit leise klackenden Schuhen durch den Gang. Das kühle Metall der Maske drückt unangenehm gegen meine Haut, der Stoff der Handschuhe reibt in meiner Handinnenfläche und meine Haare kitzeln im Nacken.

„Wir apparieren zu Borgin und Burkes," befehle ich mit lauter Stimme.

Das ist der Plan. Über das Verschwindekabinett bei Borgin und Burkes kommen wir nach Hogwarts in den Raum der Wünsche. Von dort aus suchen wir Dumbledore, um ihn zu...töten. Das war's dann. Die Frage ist nur, ob wir es schaffen.

„Was tun wir bei Borgin und Burkes?", frägt eine nervöse Stimme hinter mir. „Das ist unser Weg nach Hogwarts," antworte ich wage, während ich eilig die Treppen hinunterlaufe. „Aber wie..."

„Lass dich überraschen, Carrow," knurre ich eisig.

Ich habe keine Zeit für Diskussionen. Der Dunkle Lord erwartet einen Erfolg von mir, so wie in all den Missionen zuvor, die ich für ihn erledigt habe. Aber ob er dieses Mal bekommt, was er will, weiß ich nicht unbedingt...

Und in mir ist immer noch dieser Konflikt. Slytherin gegen Gryffindor. Heute wird sich zeigen, ob der Hut sich irrte, als er meinte, ich könnte eine Gryffindor sein...

Ich reiße die große Tür auf, trete in die kühle Abendluft. Die Sterne blinzeln vom Himmel, der Mond scheint blass auf den leuchtenden Kies. Der Himmel ist schwarz, aber klar. Es ist eine schöne Nacht.

Hinter mir versammeln sich die anderen Todesser, alle vermummt, wie Soldaten des Schattens. Ich straffe meine Schulter. In mir pocht die Angst, die Angst heute eine falsche Entscheidung zu fällen. Ich kann die Aufregung spüren, die Nervosität und die Abneigung gegenüber dem, was ich gleich tun muss.

„Wir treffen uns bei Borgin und Burkes," flüstere ich eisig in die Nacht hinein. Der Wind verweht meine Stimme, trägt sie fort, weit weg.

Es gibt einen Knall, der gespenstisch über die große Anlage des Anwesens hallt. Und dann wird alles schwarz. Meine Lunge wird zusammengepresst, mir fällt es schwer zu atmen. Mein Magen rebelliert, mir wird übel. Ich schließe meine Augen.

Plötzlich habe ich wieder Boden unter den Füßen. Ein kalter Wind streicht über meine Beine, lässt meinen Mantel geheimnisvoll tanzen. Ich öffne meine Augen. Kalte Steinmauern umgeben mich. Sie ragen hoch hinauf, sperren mich ein und werfen dunkle Schatten. Der Mond leuchtet blass über mir, die Sterne sind hier verdeckt. Über mir hängt ein Schild, das leise im Wind quietscht.

Ohne zu zögern umschließe ich mit meiner verhüllten Hand den Türknauf. In dem kleinen Laden brennt Licht. Ein alter schleimiger Mann mit sehr besorgtem Gesicht sitzt an der Kasse. Sein Blick geht ins Leere. Ich kann hören wie hinter mir weitere Todesser ankommen, wie sie sich zu mir stellen und gespannt warten.

Ich reiße die Tür auf. Die Klingel über mir kreischt schrill. Der Mann schreckt auf, starrt uns mit weit aufgerissenen Augen an und nickt dann hastig.

„Sie sind schon da," keucht er und verbeugt sich mehrmals. Ich sehe nur abfällig auf ihn herab. Ich habe den kleinen Schleimer schon immer gehasst. „Das Verschwindekabinett," knurre ich. Durch die metallige Maske klingt meine Stimme dumpf und bedrohlich.

„Natürlich, natürlich," sagt der kleine Mann hastig, wuselt durch seinen Laden und deutet ehrfürchtig auf etwas, dass wie ein großer Schrank aussieht. „Eine sehr gute Idee, wirklich grandios."

„Spaar dir deine Schmeicheleien," blaffe ich ihn an, während ich ihn unsanft beiseite schuppse, um mich direkt vor das Verschwindekabinett zu stellen.

Ich mustere es ein paar Sekunden. Mein Herz pocht heftig und schnell gegen meine Brust. Meine Hände zittern ganz leicht. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin...

„Ich gehe als erstes," sage ich dann, bemüht meine Stimme furchtlos klingen zu lassen.

„Wie Sie wünschen," flüstert der kleine Mann neben mir heißer.

Natürlich habe ich Angst. Aber ich musste zu viele Crucioflüche über mich ergehen lassen, als, dass ich diesem Gefühl noch irgendeine Bedeutung schenken würde. Bella hat mir gelernt furchtlos zu sein. Sie hat das Leben aus meinem Körper getrieben, die Gedanken aus meinem Kopf und die Liebe aus meinem Herzen. Aber kann ich das länger zulassen?

Die Tür kracht hinter mir ins Schloss, Dunkelheit umfängt mich. Mein Herz klopft schnell und heftig gegen meine Brust. Dumpfe Stimmen klingen durch das dicke Holz an mein Ohr. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Mein Atem schlägt an die metallige Maske. Meine Haare kitzeln im Rücken.

Es gibt ein leises Klacken. Sekunden später wird alles ganz hell, mein Körper verliert sich in der Unendlichkeit des Universums, verliert sich in seine einzelnen Moleküle. Und dann öffne ich meine Augen.

Wieder ist alles dunkel, als wäre ich von dem einen Albtraum, direkt in den nächsten geschliddert. Ich kann die Angst spüren, die mit meinem Herzen in meiner Brust pocht. Aber ich kann sie nicht fühlen. Ich kann gar nichts fühlen.

Die Tür wird aufgerissen. Erneut wird es hell, doch es ist eine natürliche warme Helligkeit, keine gleisende und grelle. Es braucht ein paar Sekunden bis sich meine dunklen Augen an meine neue Umgebung gewöhnen. Vor mir steht Draco. Er hat tiefe und dunkle Augenringe, sein Gesicht ist seltsam blass, fast schon ergraut, als hätte er seine Farbe verloren, seine Augen sind glanzlos, leblos und seine Haare hängen ihm unordentlich ins Gesicht. Und obwohl er aussieht, als würde er gleich zusammenklappen, stielt sich ein winziges, kaum erkennbares Lächeln auf seine Lippen.

„Guten Abend," sagt er steif.

Ich nicke, steige aus dem Verschwindekabinett und sehe mich um. Der Raum ist hoch wie eine Kathedrale und weit wie das Meer. Es scheint kein Ende zu geben, nur einen fernen Horizont aus Regalen, aufeinandergestapelten Büchern und Stühlen, Tischen, Sofas, Möbeln, Kleider und alles, was man sich vorstellen kann.

„Asbell," sage ich leise, als Draco mich schweigend ansieht und versucht zu erkennen wer ich bin.

„Gut, dass du da bist," erwidert er, bevor er die Tür zuschlägt.

„Wo ist Dumbledore?", frage ich sachlich. Mein Kopf arbeitet, meine Gefühle sind ausgestellt.

„Er ist einen trinken gegangen. Im Eberkopf."

Ich erinnere mich gut an die staubige, leere Wirtschaft in einer einsamen Gasse in Hogsmead. Ich war dort oft, ganz allein. Ich habe die verdreckten Fenster angestarrt, habe beobachtet, wie die Sonne dahinter steigt und sinkt, habe Butterbier aus der Flasche getrunken und geschwiegen.

„Und bist du bereit?", frage ich trocken.

„Ja," antwortet Draco. Aber ich kann es in seinen Augen sehen, dass er lügt.

Es gibt wieder einen leisen Klick, Draco öffnet die Tür und der nächste vermummte Todesser klettert aus dem Verschwindekabinett. Und während das immer so weitergeht, lasse ich meine Gedanken schweifen...

Es ist ein Jahr her, dass ich hier meinen Abschluss gemacht habe. Ein Jahr, dass ich mich durch dieses Schloss gequält habe, von allen verhasst und verabscheut. Aber es ist auch ein Jahr her, dass ich glücklich war. Hogwarts hat mir sehr viel Hass entgegengebracht, aber wie durch ein Wunder hat mir dieses Schloss auch so wunderschöne Momente geschenkt, fast, als wollte es sich für seine Bewohner entschuldigen. Ich kann mich noch sehr gut an die vielen Sparziergänge auf dem Gelände erinnern, an die schönen Herbsttage und an die märchenhaften Wintertage. Ich kann mich an geheimnisvolle Gänge und Plätze und atemberaubende Orte wie den Astronomieturm erinnern. Hogwarts hat mir viel abverlangt. Aber es hat mich dadurch stark gemacht. Nicht Bellas Foltern haben mich diese Zeit überstehen lassen, sondern die Erinnerungen, an Momente, die mich tief in meinem Herzen berührt haben. Es war nicht Bella, die mich stark gemacht hat, die mich zu einer Kämpferin gemacht hat, es war Hogwarts. Dieses Schloss hat mir den Weg gebahnt, Bella hat mir nur den Schupps gegeben. Und jetzt, jetzt liegt es an mir letztlich die richtige Abzweigung zu wählen.

„Asbeel?"

„Hmm?"

„Was machen wir jetzt?"

„Hast du dein Pulver Draco?", frage ich. Er nickt schweigend. „Falls uns jemand auf dem Weg zum Astronomieturm begegnet setzt du das ein, samt deiner Hand des Rums. Oben auf dem Turm beschwört Gibbon das Dunkle Mal herauf, um Dumbledore zurück zur Schule zu locken. Draco wird ihn dann...erledigen." Ich sehe in die Runde. „Sobald der Schulleiter tot ist verschwinden wir von hier!"

Einheitliches nicken. Mein Blick fällt auf Draco. Er wirkt nervös und erschöpft. Er tut mir so leid. Schließlich ist er doch nur ein Junge.

„Dann los. Und versucht leise zu sein, wir wollen keine ganze Schülerschaft aufwecken," befehle ich ernst.

Manche mögen von uns die Kinder vielleicht unterschätzen. Aber in jungen Menschen brennt ein Feuer, ein Feuer, das in vielen alten Kämpfern schon längst erloschen ist oder auch nie gebrannt hat.

Draco schreitet voran, hinter ihm wir, vermummt und verschleiert, aus Angst für das erkannt zu werden für das wir stehen. Erbärmlich. Ich kann es auch nicht fühlen. Da ist nichts in mir. Alles ist abgestorben und kalt...

Manchmal habe ich Angst, dass ich das nie wieder zurückbekomme, dass ich für immer so bleibe. Manchmal habe ich Angst, dass es zu abgestorben, zu abgestorben, um jemals wieder zu wachsen. Vielleicht muss ich auch einfach neu anpflanzen, neu beginnen und die alte Ruine zurücklassen. Aber ob ich das kann weiß ich nicht.

Wir schlängeln uns durch kleine Wege, die der Kathedralen hohen Raum offenbart. Es reihen sich Gegenstände an Gegenstände, jede einzelne mit einer eigenen Geschichte.

Und dennoch kann ich mir nichts merken, alles zieht an mir vorbei. In meinen Kopf nistet sich der Plan ein, mein Körper bereitet sich auf den kommenden Kampf vor.

Und in diesem Moment wünsche ich mir ich hätte den anderen Weg gewählt. In diesem Moment ist die Sehnsucht nach Liebe, Zuneigung, Zugehörigkeit und Zusammenhalt größer als jemals zuvor. Ich weiß nicht wieso, aber langsam geht mir die Kraft aus, langsam beginnt diese Kammer in meinem Herzen immer bedeutender zu werden. Ich kann mich nicht mehr verstecken. Ich kann fast spüren wie die Maske bröckelt, die ich trage.

Vielleicht habe ich irgendwann die Chance noch einmal anzufangen, wirklich von vorne. Ich will nicht vergessen, was war ich will mir nur sicher sein, dass es vorbei ist...

Draco stößt eine große Flügeltür auf und tritt in einen dunklen Gang. Rote Haare blitzen auf, Kinder rufen und dann wird alles schwarz. Ich keuche auf. Hände greifen durch die Luft, Rufe hallen durch den engen Gang, Körper stoßen aneinander.

„Folgt mir," ruft Draco.

Ich bekomme etwas zu fassen oder jemanden. Ich weiß nicht, wer es ist, geschweigenden ob er zu uns gehört.

„Draco?", frage ich unsicher durch das Chaos.

„Ja," ruft er nur und ich beginne nach Todessermäntel zu fischen.

Wenn ich ehrlich bin könnte ich nicht sagen wie wir in dieser vollkommenen Finsternis, hustend und mit brennenden Augen, alle zusammengefunden haben. Aber wir schaffen es tatsächlich mit Dracos Hand des Ruhmes, die nur für den leuchtet, der sie trägt, aus dem Gang zu kommen.

Ich atme erleichtert ein, klopfe mir den Staub von meinen ohnehin schwarzen Klamotten und sehe mich um. Wir sind in der Nähe des Astronomieturms und wir sind komplett.

Ich weiß zwar nicht, wer unter den Masken steckt, aber ich kann zählen und das reicht. Draco blickt zu mir auf, erschöpft mit seinem blassen Gesicht. Seine grauen Augen wirken verängstigt und es schein fast, als würde er mich um Hilfe bitten.

„Auf den Astronomieturm," befehle ich leise. „Und erwartet nicht, dass das die einzigen Wachen waren, die Dumbledore zurückgelassen hat."

Ich gehe voran, hinter mir Draco und die anderen sechs Todesser. Das Schloss ist vollkommen still, nur die Schatten der vielen Fackeln tanzen an den grauen Steinwänden. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass wir nicht kampflos zum Astronomieturm kommen werden. Ich habe Dumbledore nie unterschätzt...ich weiß, dass er seine Schule nicht schutzlos zurücklassen würde.

„Wenn es zu einem Kampf komm," flüstere ich leise in Richtung Draco, während ich möglichst leise durch das Schloss hetze, „dann hältst du dich raus. Das ist ein Befehl."

Er protestiert nicht einmal. Vielleicht hatte er gar nicht vor wirklich zu kämpfen. Sein Kopf ist wohl viel zu sehr mit seiner anderen, viel größeren Aufgabe beschäftigt.

Wir hasten in den Gang an dessen Ende der aufstieg zum Astronomieturm ist. Auch hier werfen die Fackeln tanzende Schatten an die Wände. Fenster weißen hinaus auf die Schlossgründe, die in einer dunklen sternenklaren Nacht versinken. Mein Herz pocht schnell gegen meine Brust. Ich kann fast spüren wie die Luft sich anspannt. Gleich wird es passieren, ich kann es fühlen...

Ein roter Lichtblitz zuckt Zentimeter an mir vorbei. Ich wirble herum, schneller als alle anderen. Mehrere Gestalten kommen die beweglichen Treppen hinaufgehastet, ihre Zauberstäbe auf uns gerichtet.

„Gibbon, das Dunkle Mal," befehle ich und zeige an das Ende des Flures. „Beeil dich!"

Ein zweiter Fluch zischt an mir vorbei. Ich zucke nur mit dem Mundwinkel. Bella hätte mich dafür umgebracht. Zwei Mal verfehlt. Das ist unser – oder zumindest mein Vorteil – wir sind wahre Krieger, trainiert unter Foltern und harten Bedingungen.

„Greyback, halt dich zurück. Den wirklichen Kampf kämpfen wir ein anderes Mal," murre ich, als ich einen schnellen Blick auf den knurrenden Werwolf werfe. Ich fand ihn schon immer anwidernd. „Yaxley, pass auf Draco auf. Dem Jungen darf nichts passieren."

Und mehr gibt es nicht zu sagen, denn dann sind sie schon da. Ihre Gesichter grimmig, ihre Haltung entschlossen und ihre Zauberstäbe auf uns gerichtet. Der Orden des Phönix.

Mein Blick zuckt durch die Reihen. Professor McGonagall, Professor Lupin (sicherlich erfreut Greyback zu sehen), einer von den Weasleys, die berühmte Tonks und Kinder.

„Vorbildlich. Ihr lasst Kinder eure Kriege kämpfen," flüstere ich leise, meinen Zauberstab auf McGonagall gerichtet, die mich mit funkelnden grünen Augen ansieht. „Ihr habt auch wirklich nicht aus euern Fehlern gelernt."

„Erfreut über Ihre Rückkehr, Lestrange?", frägt meine ehemalige Lehrerin verbissen.

„Hat sich nichts geändert hier," flüstere ich leise und gehe einen Schritt auf sie zu. „Leider."

Und bevor sie überhaupt reagieren kann lasse ich sie mit einem sanften Fluch ein paar Meter nach hinten fliegen.

Das ist das Zeichen. Flüche zischen durch den Raum, Rufe hallen durch den Gang und die Luft beginnt zu flimmern. Wir sind deutlich in der Überzahl.

Greyback liefert sich mit Professor Lupin einen heftigen Kampf, die Carrow-Geschwister haben sich die drei Kinder vorgenommen, Yaxley duelliert sich mit Tonks, Rwole kämpft gegen den großen Weasley und ich beschäftige McGonagall.

Sie wirkt verbissen und entschlossen mich zu Fall zu bringen. Ihre grünen Augen blitzen gefährlich auf und ihr Gesicht ist angestrengt verzogen. Ihr Zauberstab zuckt nur so hin und her – ohne Erfolg. Ich wehre jeden ihrer Flüche ab, oder weichen ihnen mit Drehungen und Ducken aus.

„Sie sind feige, Asbeel," ruft sie irgendwann über den Kampflärm zu mir herüber.

Ich zucke mit den Schultern, atme tief ein und richte meinen Zauberstab auf sie. Ich kann spüren wie sich meine Adern mit den Fasern in meinem Zauberstab verbinden, wie ich eins mit ihm werde. Adrenalin pumpt durch meinen Körper, meine Muskeln spannen sich an. Ich bin bereit endlich wirklich zu kämpfen...

Ich mache ein paar Schritte vorwärts, weiche mit einer Leichtigkeit ihren Flüchen aus und schicke selbst drei hintereinander auf sie zu. Ihre Augen weiten sich, ihr Zauberstab zuckt, ich schmunzle. Das ist das einzige, was ich kann. Kämpfen.

Jetzt bin ich es, die angreift und präsenter ist in diesem Duell. Ich schicke zwar keinen einzigen Todesfluch ab, aber dennoch Flüche, die sie heftig von den Füßen reißen könnten.

Und so kämpfen wir gegeneinander, jung gegen alt und dennoch sind wir auf der selben Ebene. Ich kann sehen wie die Blicke der anderen immer wieder zu uns zucken, wie sie unsere Stärke bewundern. Zweifellos, wir sind zwei sehr begabte Frauen, aber ich bin eben jünger und ich wurde von Bellatrix trainiert.

Ich lege mehr Kraft in meinen Angriff, mehr Härte in meine Flüche und mehr Kälte in mein Auftreten. Ich bewege mich schnell, weiche allen Flüchen geschickt aus, während ich meine Gegnerin nur so mit Zaubern bombardiere. Ich kann beobachten wie sie schwächer wird, wie sie beginnt zu schnaufen. Sie wird immer langsamer, greift weniger an. Und ich – ich werde immer stärker. Und dennoch benutze ich weiterhin keine der drei berüchtigten Flüche, die wir Todesser so sehr lieben. Es scheint mir töricht gegen so eine begabte Frau.

Und dann durchbreche ich ihren Schutz, ohne, dass meine Lippen sich auch nur bewegen. Mein Fluch zerstört ihr Schild und trifft sie Mitten in die Brust. Sekunden später klappt sie zusammen, stürzt auf den Boden und bleibt dort liegen, erschlafft, als wäre alles Leben aus ihrem Körper gewichen. Es wird einige Zeit dauern, bis sie wieder kampffähig ist.

Ich sehe mich schnell um. Draco ist nicht da, Gibbon liegt tot am Boden und einer der Todesser, der seine Maske längst verloren hat, lässt wild Todesflüche durch den Gang zucken. Die Luft flimmert und wird immer drückender. Die vielen hellen Blitze lassen mich blinzeln.

„Wir müssen hoch," ruft irgendjemand. Ich zucke herum und sehe Carrow, der gegen ein kleines rothaariges Mädchen kämpft. Er hat recht.

„Ich errichte die Grenze," rufe ich ihm zu. „Ihr kommt nach."

Und dann drehe ich mich mit wirbelnden Mantel um und sprinte los. Mein Herz pocht heftig gegen meine Brust, mein Körper pumpt Adrenalin durch meine Adern und Venen. Hinter mir höre ich Rufe. Menschen schreien und triumphieren. Es ist ein Chaos aus Geräuschen, die ich nicht mehr zuordnen kann.

Leise keuchend bleibe ich vor der Treppe stehen und hebe meinen Zauberstab. Schnell vollführe ich eine komplizierte Bewegung, murmle leise einen längst vergessenen Zauber und drehe mich dann um. Ich kann sehen wie die Todesser mir folgen und immer mehr Mitglieder des Ordens ausschalten oder abhängen. Sehr gut.

Dann husche ich die Treppe hinauf, Stufe für Stufe. Für mich ist es ein leichtes hier hinaufzugehen, doch für jeden, der das Dunkle Mal nicht auf seinem Unterarm trägt ist es unmöglich. Es ist wirklich ein bewundernswerter Zauber, hinter dem sehr viel Intelligenz steckt.

Ich stoße leise keuchend, aber unverletzt und natürlich noch mit genug Kraft, die Tür zum Astronomieturm auf. Ein kühler Wind weht mir entgegen, lässt mich einmal tief einatmen und meinen Mantel leicht flackern.

Meine Augen huschen hastig über die Plattform. Dumbledore lehnt am Geländer und Draco steht vor ihm, seinen Zauberstab zitternd auf den alten Mann gerichtet. Der Schulleiter sieht geschwächt aus. Seine rechte Hand ist seltsam geschwärzt und sieht ein wenig abgestorben aus, sein Gesicht ist blass und er scheint sich an das Geländer zu klammern, damit er nicht auf den Boden sinkt.

„Gut gemacht, Draco," sage ich leise.

Mein Cousin wirbelt herum. Sein Gesicht leuchtet gräulich in dem Schein des blassen Mondes, der vom sternenklaren Himmel scheint. Es ist eine wunderschöne laue Sommernacht.

„Ah, Misses Lestrange. Guten Abend."

Mein Blick zuckt wieder zu Dumbledore, der mir zunickt. In seinem Gesicht ist Enttäuschung abzulesen. Doch das berührt mich nicht. Er hat genauso wie alle anderen zugesehen, wie ich hier verachtet wurde. Er trägt genauso Schuld daran wie alle anderen auch.

„Guten Abend, Professor," flüstere ich zurück, während ich mich neben Draco stelle. „Tu es jetzt oder nie."

Mein Cousin sieht ängstlich zu mir auf. Seine grauen Augen wirken verzweifelt, seine Hand zittert. Ich weiß, dass er es nicht tut.

„Sie wollen also ihren Cousin dazu ermutigen jemanden zu töten, Asbeel?", erkundigt sich Dumbledore, als würden wir über das Wetter reden. „Das ist nicht sehr vorbildlich."

„Sie haben doch keine Ahnung. Wenn er es nicht tut, dann ist er der nächste, der vielleicht stirbt," knurre ich kühl zurück.

Dumbledore mag ein mächtiger Mann sein, aber es gibt eine entscheidende Sache, die ihn schwächt, eine Sache, die ich nie an ihm gemocht habe. Er glaubt wirklich alles zu wissen, alles zu verstehen und in jeden hineinsehen zu können.

„In Ihnen habe ich mich leider getäuscht, Asbeel, Sie sind genauso wie Ihre Mutter," sagt er dann und ein bedauernder Ausdruck huscht über sein Gesicht.

„Tun Sie nicht so, als hätte es sie je gekümmert, wie es mir geht. Ihre Schüler haben mich schikaniert, weggestoßen, beleidigt und verachtet, ohne, dass ich ihnen je etwas getan habe. Ich bin an diese Schule gekommen und wurde abgelehnt, wegen meinem Namen. Sie können nicht die Meinung vertreten, dass Muggelstämmige genauso viel Wert sind wie Reinblüter, wenn sie es zulassen, dass Menschen wegen ihrem Namen schikaniert werden. Ihnen geht es doch nur um das Große, um den großen Gewinn. Für das bessere Wohl, nicht?"

Er sieht mich an. Sein Gesicht ist ganz blass, seine wässrigen blauen Augen leuchten im silbrigen Mondlicht.

„Und ihren Schützling Harry Potter den benutzen Sie doch auch nur wie eine Schachfigur. Es mag sein, dass das für Ihre großen Pläne wichtig ist, aber Sie vergessen, dass das Menschen sind. Sie haben dem Jungen so viel vorenthalten, nur, um ihn zu formen, um ihn gefügig zu machen. Nicht einmal die Sache mit Sirius Black haben Sie ihm erzählt. Sie haben ihn zu einer Schachfigur gemacht, genauso wie Sie mich zu einer Schachfigur machen wollten."

Er starrt mich an, überrascht über meine harten und vor allem wahren Worte. Dumbledore ist nicht der Held, den allen in ihm sehen.

„Und jetzt sind sie genau das," sagt er leise, aber mit festem Blick. „Eine Marionette Voldemorts."

Ich lache leise, ganz leise. Er wirkt verwundert, fast überrascht, während er mich mustert.

„Genauso wie Sie nie in mein Herz sehen konnten, konnte er es auch nicht," erwidere ich. „Ich gehöre nirgendwo hin, Professor, schon vergessen?"

„Sie sind mir ein Rätsel, Asbeel," sagt er dann.

In diesem Moment fliegt die Tür ein weiteres Mal auf und die restlichen Todesser betreten den Astronomieturm, ihre schwarzen Masken glänzend im Mondlicht.

„Dumbledore in der Klemme," ruft einer begeistert. Es ist Amycus.

„Aber was ist mit ihm los? Er sieht aus, als würde er auch ohne unsere Hilfe gleich abkratzen," gackert Alecto und lässt ein schrilles Lachen hören.

„Guten Abend Amycus und Alecto, wenn ich mich nicht irre," begrüßt er auch die Carrow-Geschwister freundlich, bevor er mich wieder ansieht.

„Wir sollten keine Zeit verlieren," sage ich kühl. „Draco, tu es jetzt."

Mein Cousin sieht sich unsicher um, seine Hand zittert ganz leicht. Er ist nicht in der Lage das zu tun...ich bin es aber auch nicht.

„Der Junge braucht zu lange. Lass es mich tun," schnarrt eine Stimme direkt an meinem Ohr.

„Nein, Greyback," knurre ich und umschließe meinen Zauberstab fester.

„Doch," gibt er zurück.

„Nein habe ich gesagt," blaffe ich ihn an. Sekunden später kracht er unsanft gegen die Tür und landet stöhnend am Boden. „Und wenn ich nein sage, dann heißt das auch nein. Draco, mach."

Es hat einen Grund, warum ich ihm Druck mache. Nicht, weil ich will, dass er es endlich tut, sondern, weil ich ihn so nervös machen will, dass er es erst recht nicht tut.

„Draco mach oder lass es einen von uns tun," ruft Alecto hysterisch.

In diesem Moment fliegt die Tür ein weiteres Mal auf. Ich wirble herum. Da steht Severus, silbrig beleuchtet von dem blassen Mond. Sein Mantel tanzt ganz sanft im Wind dieser lauen Sommernacht, seine dunklen Augen huschen über die Szene, seine langen weißen Finger sind um seinen Zauberstab geschlungen.

Wir sehen uns an, nur für Sekunden und ich weiß, dass er es tun wird. Seine Gesichtszüge wirken entschlossen.

Er schreitet voran, die anderem machen ihm hastig Platz. Ich schupse Draco unsanft zur Seite. Er soll es bloß nicht tun.

„Severus," sage ich nur. Er nickt.

Dann heftet sich sein Blick auf Dumbledore, der mittlerweile ernsthafte Schwierigkeiten hat sich aufrecht zu halten. Alles ist still. Nur von unten sind gedämpfte Kampfgeräusche zu hören. Mein Herz pocht schnell und heftig gegen meine Brust.

„Severus."

Es ist ein flehender schwacher Laut, aber so herzzerreißend, dass sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper zieht. Dumbledore fleht.

„Avada Kedavra!"

Severus sagt es mit so einer Kälte, mit so einer emotionslosen Stimme, dass sich meine Gänsehaut nur noch verstärkt. Der Fluch trifft den Schulleiter von Hogwarts Mitten in die Brust und schleudert ihn über das Geländer. Sein Mantel flackert noch einmal bis er in der Dunkelheit verschwindet.

Ich blinzle. Es ist als wäre er nie dagewesen, der mächtigste Zauberer der Welt. Der Mond scheint immer noch blass, der Wind weht ganz sanft und lässt unsere Umhänge tanzen und die Sterne blinzeln vom Himmel.

„Wir hauen ab," befehle ich, meine Stimme zittert leicht. „Keine Kämpfe mehr. Wir apparieren hinter dem Tor. Verstanden?"

Alle nicken und hasten zur Tür, Severus allen voran. Ich packe Draco, der wie versteinert neben mir steht und auf die Stelle starrt, an der Dumbledore vor wenigen Sekunden in die Tiefe gestürzt ist. Auch, wenn ich es gerne leugnen würde, es ziept ein wenig in meiner Brust. Er war ein sehr liebevoller Mann, ja das war er...

Ich stolpere die Treppe hinunter, Dracos Arm fest umschlungen. Vor mir die anderen Todesser. Ich sehe nur ihre tanzenden schwarzen Mäntel und ihre Kapuzen. Ich habe keinen Überblick mehr, wer wer ist. Ich kralle mich nur an Dracos T-Shirt, um ihn nicht zu verlieren. Er muss hier rauskommen.

Wir kommen in dem Gang an. Alles ist grau und verstaubt, Menschen husten und rufen. Meine Augen brennen. Ich kann kaum etwas erkennen. Severus taucht vor mir auf. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er weiß, was in mir steckt, was ich in mir verberge. Manchmal glaube ich sogar, dass uns das selbe Schicksal verbindet...

Er schnappt sich Draco, nickt mir zu und dreht sich dann wieder um.

„Raus hier," ruft er und hastet durch den Dreck und den Staub davon. Wehende Mäntel folgen ihm.

Ich kann Ordensmitglieder rufen hören. Nicht weit von mir liegt der große Weasley, sein Gesicht scheint vollkommen verblutet. Greyback. Der blonde Todesser feuert weiter Todesflüche durch die Gegend, was wohl auch die Decke zum Einsturz gebracht hat.

Greyback wirbelt als grauer Ball durch die letzten Kämpfenden. Der Orden scheint zerstreut und aufgelöst. Jemand poltert hinter mir die Treppe hinunter, rast an mir vorbei und bleibt dann stehen. Schwarze Haare, große Figur. Das ist Harry Potter.

Er wirbelt zu mir herum. Seine grünen Augen blitzen mir entgegen. Er zückt seinen Zauberstab und richtet ihn auf mich.

„Wer bist du," schreit er. Ich lasse meinen Zauberstab schnippen und er wird ein paar Meter durch die Luft geschleudert. Umso weiter er von dem Geschehen ist, umso weniger kann ihm passieren.

Rote Haare wirbeln vor mir auf, wie ein Feuer in dem ganzen Staub. Das muss das junge Weasley Mädchen sein. Ginny.

Ein Todesstrahl. Er rast auf sie zu. Sie sieht ihn nicht. Ich habe nur Sekunden, Sekunden, um zu reagieren. Ohne zu zögern packe ich sie an den Schultern und reiße sie zu mir. Das Mädchen keucht auf, der Todesfluch rast an uns beiden vorbei.

Sie dreht sich zu mir um. Das Mädchen starrt mich mit großen Augen an, vollkommen überrascht in eine Totenmaske zu blicken.

„Aufpassen," sage ich nur und haste an ihr vorbei, durch den Staubt, der meine Augen brennen lässt.

Mein Herz pocht heftig, meine Hände zittern leicht und dennoch renne ich weiter, husche wie ein Schatten durch den ergrauten Gang. Meine Entscheidung kommt immer näher.

Hinter mir höre ich dumpf die Kampfgeräusche. Doch das interessiert mich nicht. Ich renne weiter, lasse mich weiter von meinen Füßen tragen. Meine Hände umklammern meinen Zauberstab, als könnte er mir in dieser Situation helfen, als könnte er mir Halt geben.

Das Adrenalin verebbt, mein Kampfgeist schwindet, zurück bleibt meine Maske, die sich wie eine zweite Haut über mein Gesicht legt. Sie strahlt Kälte und Gleichgültigkeit aus.

Ich renne weiter, versuche verzweifelt die Gedanken zu verbannen, doch das gelingt mir nicht. Sie beginnen durch meinen Kopf zu spuken, während ich durch Hogwarts haste, hinter mir dumpfe Schritte, die ich nicht zuordnen kann.

Meine Entscheidung rückt näher. So lange habe ich überlegt, so lange habe ich mir Gedanken gemacht, doch ich bin nie zu einem vernünftigen Schluss gekommen. Aber jetzt kann ich mich nicht länger davor drücken, ich kann es nicht länger aufschieben. Der Zeitpunkt ist endgültig gekommen...

Ich spüre wie meine Füße schwer werden, wie ich langsam beginne zu keuchen und meine Lunge erste Anzeichen von Schwäche zeigt. Aber ich renne weiter. Wenn ich eines von Bella gelernt habe, dann niemals Mitleid mit sich selbst haben und den eigenen Körper immer bis in den Tod treiben, erst dann darf ich aufgeben.

Stimme hallen leise durch die Luft, entfernt und schwach. Schüler scheinen von dem Tumult wach geworden zu sein. Ich stolpere die beweglichen Treppen weiter hinunter. Meine Haare kitzeln mich wieder im Nacken. Der Stoff der schwarzen Handschuhe klebt unangenehm an meiner schwitzigen Haut und die kalte Maske liegt direkt auf meinem Gesicht, reibt an meiner Stirn und beginnt sich von dem vielen Rennen zu verschieben.

Weiter unter mir rennt eine Gestalt, die ich Harry Potter zuordne, ebenfalls in Richtung Ausgang. Er scheint eine unglaubliche Wut zu haben, denn seine Beine tragen ihn unermüdlich die Treppen hinunter.

Meine Seite beginnt leicht zu stechen, meine Lunge brennt und ich keuche leise. Und dennoch schleppe ich mich weiter, renne weiter die beweglichen Treppen hinunter, Stockwerk für Stockwerk. Immer mehr Stimmen klingen durch die Luft, besorgt und leise. Ich hoffe, dass kein Todesser auf die Idee kommt eines der Kinder zu töten...

Und wieder kehren meine Gedanken zu meiner Entscheidung zurück. Sie nistet sich in meinem Kopf ein, diese eine einzige Wahl. Ich könnte es heute tun. Ich könnte mich heute endlich von der Maske befreien.

Aber da gibt es diese leise listige Stimme in meinem Kopf, die mit einer gespaltenen Zunge spricht und mich verunsichert. Sie flüstert etwas von Qualen und Foltern, wenn sie mich finden, was sehr wahrscheinlich ist.

Und dennoch besteht diese winzige Chance, dass ich durchkomme, dass ich mich verstecken kann, bis der finale Kampf beendet ist. Aber will ich das? Will ich nicht lieber alles riskieren, um meine Schulden bezahlen?

Ich seufze leise, während meine Seite heftig zu stechen beginnt. Manchmal wünsche ich mir ich könnte wirklich einfach gehen und vergessen werden. Doch das ist unmöglich.

Endlich stolpere ich in die Freiheit, hinaus in die laue Sommernacht. Auch hier scheint der Mond blass auf den dunklen Rasen. Die Sterne blinzeln vom schwarzen Himmel wie Boten der Hoffnung. Und ein Feuer flackert nicht weit von mir auf, lässt Schatten über den Rasen tanzen und knistert leise in der Stille.

Rufe schallen durch die Nacht, verzerrt und stumpf. Fetzen von Flüchen kann ich verstehen. Jemand schreit – irgendetwas, was ich nicht verstehen kann. Ein Hund heult und wimmert, allein in dieser aufgewühlten Dunkelheit. Im Licht des Feuers kann ich eine große Gestalt sehen, die undeutlich flucht und gegen einen Todesser kämpft. Es ist Hagrid. Und es ist seine Hütte, die brennt, in ihr der heulende Fang. Etwas in mir zieht sich zusammen. Der Halbriese war mein einziger Freund hier.

Und obwohl mein Körper schreit, dass ich nicht mehr rennen soll, tue ich es ein weiteres Mal. Meine Beine tragen mich über die Wiese, immer näher an das Geschehen heran. Meine Seite schmerzt und sticht, meine Lunge brennt und mein Atem geht rasselnd.

Ich kann beobachten wie Snape zwei Gestalten in die Dunkelheit schickt, ich sehe Draco, wie er appariert und verschwindet. Ich erahne Snape, der sich mit einem vor Wut schreienden Harry duelliert oder zumindest seine Flüche mit einer arroganten Leichtigkeit abwehrt. Ich weiß, dass Snape Harry nicht töten wird...

Ich mache eine leichte Linkskurve, renne auf Hagrids Hütte zu, die lichterloh in Flammen steht und Schatten auf den Rasen malt. Der Mond sieht uns schweigend zu, leuchtet blass auf uns herab. Die beiden kämpfenden sehen mich nicht kommen, so sehr sind sie in ihrem Duell vertieft.

„Lass ihn in Ruhe und hau ab. Wir haben alles an diesem Abend getan," rufe ich dem Todesser zu. Die beiden drehen sich ruckartig zu mir um. Die züngelnden Flammen lassen die Maske rot leuchten. „Das ist ein Befehl," knurre ich noch.

Endlich lässt der hochgewachsene blonde Todesser von Hagrid ab und türmt in die Dunkelheit, wo er irgendwo appariert.

Der Halbriese sieht mich unterdessen an, sein Gesicht ist wutverzerrt. Fang heult in der Hütte, die Flammen knistern leise und geheimnisvoll.

„Auf was wartest du," knurrt er und ballt seine Fäuste.

„Ich würde niemals einen alten Freund angreifen," entgegne ich leise.

Wortlos packe ich meine Maske und ziehe sie mir vom Kopf. Dumpf prallt sie auf den Boden auf und bleibt dort im Gras liegen. Meine Haare wehen sanft im Takt des Windes, tanzen zu seiner stummen Melodie. Meine Haut kann endlich wieder atmen und meine Augen blitzen ungehindert hervor.

„Asbeel," dröhnt Hagrid nur, sprachlos.

„Jetzt hol Fang aus deiner Hütte," erwidere ich nur.

Der Halbriese nickt, ein wenig überfordert. Hastig tritt er die Tür ein, verschwindet kurz in dem Rauch und den kleinen leckenden Flammen, bevor er keuchend und mit einem jaulenden Fang wieder herauskommt. Wir sehen uns eine Weile schweigend an.

„Du gehörst also zu denen," knurrt er, sein Gesicht enttäuscht.

„So gesehen habe ich nie wirklich zu denen gehört, aber ich habe Aufträge für Voldemort erfüllt. Ab dieser Sekunde gehöre ich nicht nur mit dem Herzen nicht zu denen, sondern auch mit meinem Kopf," erkläre ich leise.

„Wie?"

„Ich hatte keine Wahl, Hagrid. Ich musste stärker werden. Und das konnte ich nur so. Jetzt bin ich stark genug um ihren Verfolgungen zu widerstehen und stark genug, um sie letztlich zu besiegen," murmle ich etwas zerstreut.

„Ich versteh nicht," grummelt mein alter Freund.

Ich nicke schweigend, bevor ich ihm vorsichtig den Ellenbogen tätschle. Das Feuer neben uns knistert leise, eine Gestalt nähert sich über den Rasen, läuft direkt auf uns zu.

„Es tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl. Ich hoffe wir sehen uns wieder," murmle ich.

„Wo willst du denn jetzt hin?", frägt er überfordert.

„HAGRID," dringt eine Stimme an mein Ohr. Die Gestalt nähert sich.

„Irgendwo. Ich muss mich verstecken. Die werden mich suchen. Ich bin eine Verräterin," flüstere ich hektisch.

„Aber..."

„Hagrid, wer ist das?"

Ich wirble herum. Die züngelnden Flammen beleuchten das blasse Gesicht von Harry Potter. Er geht mir fast schon übers Kinn. Seine grünen Augen funkeln, seine schwarzen Haare sind verstrubbelt und seine Brille sitzt ein wenig schief auf der Nase.

„Asbeel," sage ich nur.

Er starrt mich an. Fassungslos und erstarrt. Ich schweige. Wenn ich ehrlich bin hatte ich nie etwas gegen ihn. Er ist zweifellos ein tapferer Junge, der das Schicksal der Zauberwelt entscheiden kann. Nur der Preis, den er dafür zahlen muss, wird höher sein, als er sich vielleicht vorstellt.

„Ich verstehe nicht," stottert er, erschöpft von dem Kampf und immer noch schockiert. „Ich dachte du gehörst zu denen."

„Ich gehöre zu niemanden," flüstere ich leise. „Ich hatte keine Wahl. Ich musste mich den Todessern vorerst anschließen, nur um mich früher oder später wieder von ihnen abzuwenden."

Das war schon immer der Plan. Ein anderen hat es nie gegeben. Selbst als kleines Kind habe ich es gewusst, dass es eines Tages so endet, auch, wenn ich immer und immer wieder versucht habe mich selbst zu belügen. Ich habe es gewusst.

„Der Orden soll entscheiden...", beginnt Hagrid, doch ich schüttle meinen Kopf.

„Nein. Ich mag zwar kein Todesser sein, aber ich werde mich dennoch nicht dem Orden anschließen oder mich von ihm verstecken lassen," sage ich leise und klopfe Hagrid auf den Ellenbogen. „Ich hoffe wir sehen uns wieder, alter Freund. Und dir, Junge, der überlebt hat, wünsche ich viel Glück." Die beiden starren mich an, doch zu meiner großen Überraschung nickt Harry Potter dann. „Dir auch, Lestrange."

Und mit einem letzten Lächeln auf den Lippen, schnappe ich mir die Totenmaske, die immer noch im Gras liegt, stecke meinen Zauberstab in die Innentasche meines Mantels und marschiere auf das Tor zu. Es fühlt sich gut an, so frei.

Ich kann fast spüren wie die Maske bröckelt, wie sie mit jedem Schritt schwindet und die Kammer meines Herzens beginnt zu blühen. Sie sprengt die Fesseln einfach, entfaltet sich und wächst, tief in mir. Es wird einige Zeit dauern, bis ich endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit Ich selbst sein kann. Aber ich bin näher dran als jemals zuvor.

Und mit diesem Gedanken appariere ich hinter dem Tor, verschwinde mit einem leisen Knall, auf dem Weg in ein neues Leben...in ein neues Ich...

Ein weiteres Kapitel wäre geschafft. Es ist zwar ziemlich lang geworden, aber es ist eben auch wichtig für die weitere Geschichte. Tut mir übrigens leid, weil ich so lange gebraucht habe, aber ich schreibe noch eine andere Geschichte, gehe nebenbei noch zur Schule und habe auch noch ein paar andere Hobbys als schreiben. Aber ich gebe mir immer Mühe. Es wäre schon (und würde mich sehr freuen), wenn ihr kommentiert und votet. Ich habe immer ein offenes Ohr für gute Kritik und Wünsche für den Verlauf der Geschichte. Ich habe auch noch eine andere Geschichte hochgeladen (ebenfalls eine Harry Potter Fan-Fiktion), falls ihr da mal vorbeischauen wollt. Sonst wünsche ich euch noch einen schönen Tag ;)

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