Prolog

Er spähte in den Wald, hoffend, dass ihn niemand entdecken würde. Wenn sein Plan aufgehen sollte, dann durfte er nicht erwischt werden. Seine harte Arbeit sollte schließlich nicht im Sande verlaufen. Ihr bis hierher zu folgen war zwar einfach gewesen, doch erst einmal den Plan zu schmieden war schon kompliziert. Und dann auch noch unauffällig bleiben? Nein, so einfach würde es nicht bleiben. Bestimmt nicht. Mit Sicherheit würde er noch auf irgendein Hindernis stoßen. Doch welches? Nun, das war schwer zu sagen. Es gab vielerlei Möglichkeiten, von Dingen, die zwischen ihn und sein Ziel geraten konnten. Er hoffte, dass es nicht allzu schwierige Dinge sein würden, er wollte schließlich nicht zu viel Arbeit haben. Schlimm genug, dass er das alles schon machen musste. Er hätte es viel einfacher haben können, aber nein, das wollte ja niemand.
Nun lief er, sich halbwegs sicher fühlend, in die Richtung, in die er vermutete gehen zu müssen. Der Waldboden war uneben. Ständig ragten Wurzeln aus dem Boden, und es kam nicht selten vor, dass einige tiefhängende Äste über seine Kleidung strichen. Wie er den Wald doch hasste! Ständig irgendwelche Viecher, Wurzeln und Äste. Hinzu kam auch noch, dass die Bäume so dicht standen, dass kein Licht durch die Baumkronen drang, was wiederum bedeutete, dass er nichts sah.

Einige Flüche, Wurzeln und Insekten später, lichtete sich der Wald langsam. Ein paar Stimmen drangen durch die Bäume zu ihm. Nun darauf bedacht möglichst leise zu gehen, schritt er langsam weiter auf das Licht zu und blieb hinter den Bäumen, welche den Rand markierten, stehen. Er hätte Freudensprünge machen können. Er war glücklicherweise in die richtige Richtung gelaufen. Bis jetzt lief also alles noch glatt. Er stieß erleichtert einen Schwall Luft aus und widmete sich dem Geschehen, welches sich vor seinen Augen auf einer hübschen Lichtung abspielte. Ein See zierte die Mitte der Lichtung und er blickte erstaunt auf die Bunte Wiese ringsherum. Er ärgerte sich, die Lichtung erst jetzt entdeckt zu haben. Aber andererseits... Er würde eh nicht noch einmal zu diesem Ort kommen. Der Weg war ihm einfach zu umständlich.
Seine plötzliche Begeisterung für diesen Ort, wich allerdings schnell dem Entsetzten. Das konnte doch nicht sein. Das war unmöglich! Sie war sich bestimmt nicht darüber bewusst, was und mit wem sie das dort tat! Sie war von allen guten Geistern verlassen. Das, was sie ihnen allen damit antat, konnte man nicht in Worte fassen. Dass das überhaupt möglich war... Doch was sollte er jetzt tun?
Sein Plan war damit ganz klar ins Wanken geraten. Aber wenn er sie wollte, musste er das Risiko eingehen. Obwohl... Eigentlich hatte er keine andere Wahl. Er würde sich selbst und alle anderen Verraten, wenn er nicht ehrlich war. Und das konnte und wollte er nicht tun. Nicht einmal für sie. Er würde auf den Scheiterhaufen kommen. Gleich neben ihr. Und für sie sterben wollte er sicher nicht. Das war sie ihm nicht wert. Niemals! Sein Entschluss war gefallen.
Doch vielleicht sollte er nicht so schnell urteilen. Vielleicht geschah noch ein Wunder. Oder es war nicht das, wonach es aussah. Er trat einige Schritte nach hinten und setzte sich, so leise wie möglich, auf den feuchten Waldboden. Er lehnte seinen Rücken gegen den Baum hinter ihm und lauschte der Natur, während er die Lichtung ganz genau im Blick behielt. Er hatte Glück, seine Position war hervorragend. Er konnte mehr als gut auf die Lichtung blicken, aber von der Lichtung aus konnte man ihn nicht erblicken. Jedenfalls nicht aus ihrer Position. Er lächelte verschmitzt. Heute war ihm das Glück endlich hold. Das könnte den ganzen Tag, wenn nicht sogar sein ganzes Leben lang so weiter gehen. Er liebte das Glück. Jetzt verstand er auch endlich, was andere so schön daran fanden. Es machte einfach... glücklich. Und es half einem. Sehr sogar.

Er behielt recht. Er stand langsam auf und drehte sich um. Es hatte eh keinen Zweck mehr, noch länger zu warten. Das weitere Geschehen hatte sich nicht mehr geändert und so blieb sein Beschluss noch gültig. Er hatte sich, leider Gottes, nicht geirrt, was das Geschehen anging. Sie hatte sie alle, und ihn auch noch, verraten und das würde, höchstwahrscheinlich, mit ihrem Tod oder einer langen Folter enden, in der sie möglichst viele Informationen aus ihr herausquetschen würden, oder es zumindest versuchten. Er glaubte nicht, dass sie irgendetwas aus ihr herausbekommen würden. Denn wenn sie sich für eine Sache, oder eine Person, entschieden hatte, dann war sie dem Gegenüber sehr loyal. Aber sie hatte sich für das Falsche entschieden und so musste sie die entsprechenden Konsequenzen auch ertragen. Er seufzte frustriert auf. Wäre er ihr doch nie gefolgt. Dann hätte er vielleicht noch eine Chance gehabt. Und so musste sie ihm, und sich selbst, alles verderben. Aber so war das Leben nun mal. Es gab und es nahm. Und in diesem Fall nahm es mehr, als es jemals zurückgeben konnte.

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„Das kannst du unmöglich so meinen!" rief die Frau vor ihm entsetzt aus. „Du musst dich geirrt haben. Oder vielleicht hast du etwas falsch verstanden" Ihre silbernen Augen glänzten und es wirkte fast so, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen. „Es tut mir leid, aber es war genau so, wie ich erzählte. Jedes einzelne Detail. Es ist veritabel" Er sah die Frau vor sich an. Sein Blick wirkte fast mitleidig. Er konnte den Kummer der Frau sehr wohl nachvollziehen. „So kann sie sich doch nicht entschieden haben. Das geht so nicht! Nein" schrie sie entsetzt. Sie ließ sich auf den Stuhl hinter sich sinken. Leicht zitternd hielt sie sich die Hände vor das schöne Gesicht und wischte sich die Tränen aus den Augen. Es schien so, als wollte sie keine Schwäche vor ihm zeigen. Er schaute weg, schließlich hatte er noch ein bisschen Anstand. Auch ihm setzte der Verrat zu, doch anders als die schöne Frau vor ihm, die nicht ohne Grund begehrt wurde, hatte er kein so enges Verhältnis zu ihr gehabt. Auch wenn er sich wünschte, es wäre anders gewesen. „Es tut mir wirklich aufrichtig leid. Wenn ich deine Marter irgendwie lindern kann, so werde ich es tun. Sag nur wie" Er schaute die Frau vor ihm aufrichtig an. Sie blickte nun überrascht zu ihm und ihr Blick wurde undeutbar. „Es gibt tatsächlich ein Begehr, das ich habe, mit dem du meinen Gram lindern könntest" Sprach sie leise und räkelte ihren ranken Körper unter seinem Blick. Ein leichtes Unwohlsein breitete sich in ihm aus, doch er überspielte es mit einem verschmitzten Grinsen. „So soll es sein"

Nachdem sie damit fertig waren, das Begehr der silberäugigen Frau zu stillen, saßen sie nun wieder da. Er beobachtete sie. Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, ihre Stirn war in Falten versetzt und ihre Lippen aufeinandergepresst. „Habe ich irgendetwas nicht zu deiner Zufriedenheit erledigt?" fragte er, die langsam ergrauende Frau vor sich, wohlwissend, dass ihr Furor von ganz anders rührte. Allerdings wollte er sie nicht sich selbst überlassen, und so kam es, dass er ihr zusätzlich über den Arm strich, in der Hoffnung, dass es sie etwas beruhigte. „Das was du getan hast, hast du zu meiner tiefsten Zufriedenheit erfüllt. Mein Gram rührt von etwas anderem" Sie schaute auf und er konnte einen verspielten Ausdruck in ihren Augen erkennen. „Ich weiß, ich wollte dir lediglich ein Labsal tun. Was werden wir jetzt unternehmen?"
Nun sah er die Frau interessiert an. Wenn er sie nicht haben konnte, dann würde er auch mit größtem Vergnügen die silberäugige Schönheit nehmen. Sie war mindestens genauso gut, was ihn nicht wirklich verwunderte. „Wir warten ab, bis sie kommt und dann werden wir eine Erklärung fordern. Wenn es möglich ist, werden wir sie wieder zu uns holen. Wenn sie uns dann Informationen geben sollte, sei ihr vergeben" Sie sah ihn ernst an. Deutlich konnte er die Hoffnung in ihren Augen erkennen, aber die war, seiner Meinung nach, vergebens. Sie würde nicht wieder zu ihnen kommen. „Das klingt nach einem Plan" Erwiderte er jedoch. „Es ist schon spät und dieses Wetter tut niemandes Heil gut. Sie müsste also bald wieder da sein." Er schaute gen Himmel, der noch dunkler schien als noch im Wald. Es wart langsam Abend und wenn er so recht überlegte, merkte er auch, wie er schläfrig wurde. Er hoffte, dass sie sich nicht mehr allzu viel Zeit lies. Sein schlafbedürftiger Körper wollte schließlich schnellst möglich ins Bett. „Das ist mir durchaus bewusst. Wir sollten vielleicht noch ein paar der anderen herbeirufen. Sie wird sich vermutlich wehren oder entkommen wollen. Das dürfen wir nicht zulassen. Los, geh und bitte sie zu kommen. Nicht alle. Denke daran"

Nun waren sie alle hier versammelt. Es war klar, dass sie jeden Moment hier aufkreuzte und er hoffte von Sekunde zu Sekunde mehr, dass sie hurtig da war, denn er wollte sich endlich in sein Bett legen, welches im Moment sogar verlockend schien. Die Sonne näherte sich dem Horizont und der Mond würde bald aufgehen. Es missvergnügte ihn, so lange zu warten. Seitdem die Sonne im Zenit stand hatte er schon nichts mehr gegessen und verspürte so nun eine gewaltige Esslust. Es verwunderte ihn sehr, dass sie sich so viel Zeit lies, als würde sie ahnen, was ihr blühte.

Als er die Hoffnung schon längst aufgegeben hatte, erschien sie am Waldrand. Sichtlich verwirrt. Allerdings blieb ihr nicht allzu viel Zeit, über das Geschehen nach zu denken, denn sie wurde sogleich eingekesselt. Sie schnappten ihre Arme und schleppten sie weg, in den Keller ihres eigenen Hauses. Lange blieb er noch da stehen, überlegte ob er das Richtige getan hatte, aber letztendlich war es egal. Es war zu spät, um noch etwas zu ändern und er wollte sich nicht unnötig mit einem schlechten Gewissen martern. Er ging langsam nach Hause, um zu essen und zu schlafen. Ob es ihm gelingen würde, sein Gewissen so schnell auszuschalten? Er hoffte es.

Doch, als er im Bett lag, marterten ihn die Schreie seiner Geliebten, die soeben ertönten. Seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Er hatte etwas schreckliches getan. Das war ihr Tod und er würde keinesfalls leicht werden. Er betete noch dafür, dass sie wenigstens in den Himmel kommen würde, denn die Hölle hatte sie dann doch nicht verdient.

Sein Gewissen quälte ihn gegen jede Vernunft und ihm wurde bewusst, dass er sie wirklich und wahrhaftig liebte. Entgegen allem, woran er je geglaubt hatte.

Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. Hinterlasst gerne Votes und Kommentare.

LG Bensheegirl

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