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Durch den Hintereingang, welcher sich entgegengesetzt zu allen Wohnvierteln und anderen Gebäuden befand, liefen sie nun zügigen Schrittes aus der Türe hin zum nahegelegenen Fluss, welcher sie nach wenigen Metern in den Wald führte. Samuel und Thomas waren ruhig, aber konzentriert, schließlich wollten sie nicht entdeckt werden. Bei Ellenor hingegen funktionierte das nicht wirklich. Sie war innerlich so aufgewühlt und nervös – ihr fielen plötzlich so viel mehr Fragen ein, zum Beispiel, was sie für ein Wesen war -, dass sie nicht verhindern konnte, dass sich ihr innerlicher Zustand auf ihren körperlichen auswirkte. Und das ärgerte sie, so sehr, dass auch das sich wieder auf ihren Körper auswirkte. Es war zum Mäusemelken! Wundern würde es sie, wenn an diesem Tag noch irgendetwas so verlaufen sollte, wie sie es wollte. Am liebsten hätte sie ihrem Gefühlschaos Luft gemacht, aber das konnte sie natürlich nicht, weil die Beiden gestalten vor ihr das bemerken würden. Also konzentrierte sie sich auf die Geräusche um sie herum. Überrascht stellte sie fest, dass es schon Abend geworden war, sodass die Grillen im Moment ihre Musik ertönen ließen und den ganzen Wald in Staunen versetzten, mit ihren schönen Tönen. Auch andere Tiere wollten sich beteiligen und es ertönten noch viele andere Laute, so auch das ‚Schuhu' einer Eule oder das Heulen der Wölfe. Alles in allem Klang der Wald nachts so schön und ruhig, dass Ellenor am liebsten stehengeblieben wäre, um noch länger zu Lauschen.
Überrascht bemerkte sie, wie nun Samuel neben ihr ging und sie beobachtet hatte, als sie den Wald mit ihren Augen nach den Sängern dieser wunderschönen Musik abgesucht hatte. „Über was denkst du gerade nach?", riss sie seine Frage aus den Gedanken, doch sie machte sich nicht die Mühe einer ausschweifenden Erklärung. „Hörst du das?", fragte sie stattdessen und lauschte wieder den Klängen der sonderbaren Musiker. Doch hörte sie nicht nur das, auch hörte sie Samuel atmen, ein Geräusch, welches sie sich augenblicklich entspannen ließ. „Ich höre vieles.", antwortete er. Ein Lächeln breitete sich auf Ellenors Gesicht aus. Wieder schaute er sie an und langsam kam sich Ellenor wie eines der Bücher in der Bibliothek vor, welche von den armen Menschen angestarrt wurden, als hätten sie ihnen gerade erzählt, dass der Fluch gar nicht existiert. Unwohl fühlte sie sich zwar nicht unter seinem Blick – ganz im Gegenteil –, doch sie hätte ihn gerne darauf angesprochen. Sie verkniff es sich allerdings. „Ich meine die Musik.", flüsterte sie lächelnd. „Mus...", setzte er an, doch unterbrach sich selbst noch bevor er hatte zu ende sprechen können. Die Stirn runzelnd blickte Ellenor zu ihm und wollte ihn gerade Fragen, warum er sich unterbrochen hatte, als er anfing erneut zu sprechen: „Du meinst die Laute der Tiere, nicht wahr?" Ellenor lächelte.
Mit offenen Mund schaute Ellenor sich um. Sie stand am Rande einer großen Lichtung, die mit unzähligen Blumen übersäht war. Sie blühten allesamt in den schönsten Farben, die die Natur zu bieten hatte und im Schein des nächtlichen Mondes hatten sie etwas Mystisches an sich. Sie schienen zu schimmern und zu glitzern, gar zu leuchten. Es war atemberaubend. In der Mitte dieser Lichtung befand sich ein großer runder See, der in ein schönes dunkles Blau gekleidet war. Der Mond spiegelte sich auf seiner glatten Oberfläche. Thomas und Samuel bewegten sich langsam auf die Mitte der Lichtung zu, auf der sich großer verwachsener Baum befand, dessen Blätterdach wie eine Krone über ihm aufragte. Ellenor regte sich nicht. Ihre Muskeln verweigerten ihre Arbeit und sie schaffte es kaum, ihren Mund zu schließen. Ihr Blick wanderte nun zu den Beiden Männern, wobei ihr auffiel, wie fit ihr Großvater eigentlich noch war. Doch das war jetzt unwichtig. Sie sollte jetzt zu ihnen gehen und sich den Beweis vorbringen lassen, um hinterher hoffentlich in Glückseligkeit zu baden. Doch sie hatte Angst. Alles würde sich verändern. Wirklich alles. Sie wusste nicht ob sie bereit dazu war. Allerdings würde sie das nie herausfinden können, wenn sie nichts riskierte. Naja, im Prinzip habe ich nicht wirklich eine Wahl. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Und jetzt los. Mit langsamen und vorsichtigen Schritten ging sie auf den Baum zu, vor dem sich Samuel und Thomas versammelt hatten. Einmal mehr ignorierte sie Samuels brennenden Blick und konzentrierte sich darauf, möglichst keine der Blumen zu zerstören. Einmal trat sie aus Versehen auf eine lilane und es tat ihr i Herzen weh zu sehen, wie die Pflanze in sich einsank. Sie schüttelte den Kopf und ging weiter. Sie durfte sich nicht ablenken lassen.
„Bist du bereit, meine Schöne?", fragte Samuel Ellenor im Flüsterton. Sie errötete, doch dann besann sie sich eines Besseren. Ein- und ausatmen. Ein- und ausatmen. Du schaffst das, Ellenor. Und erröte ja nicht noch einmal. Nach ihrem Mut machen, was nicht so wirklich funktioniert hatte, nickte sie und sah Samuel fest in die Augen. Sie durfte keine Schwäche zeigen. Schon gar nicht vor ihm. Sanft nahm Samuel ihre Hand und führte sie etwas vom Baum weg. Ellenor ärgerte sich währenddessen, weil sie nun einige Blumen mehr auf dem Gewissen hatte und funkelte Samuel deswegen böse an, doch er quittierte es lediglich mit einem verwirrtem runzeln der Stirn. Er lies Ellenors Hand los, welche die Wärme, die die seine ausstrahlte, sofort zu vermissen begann. Ellenor war verwirrt, doch sie ignorierte dieses dämliche Gefühl. Samuel bedeutete ihr nun stehen zu bleiben, was Ellenor natürlich sofort tat. Allerdings war sie irritiert, als er sich noch einige Schritte von ihr entfernte. Als er stehen blieb, drehte er sich zu Ellenor um und schaute ihr direkt in die Augen. Innerlich schmolz diese dahin wie Eis über Feuer, doch sie erwiderte seinen Blick fest. Sie beobachtete erstaunt, wie er seine Augen schloss und seinen Kopf nach hinten lehnte. Und dann war er da, der Beweis.
Ellenor stand still. Kein Muskel regte sich in ihr. Jetzt fiel ihr auch wieder ein, wieso er ihr so bekannt vorkam. Stoßweise trat die Luft aus ihren Lungen hinaus und in einer gewaltigen Welle, schlug sie wieder in ihr ein. Ellenors Beine begannen zu zittern und es begann sich alles um sie herum zu drehen. Als ihre Beine unter ihr nachgaben und sie auf den Boden fiel, lag ihr Blick immer noch auf Samuel Rücken. Auf seinen Rücken, an dem Schwarze glänzende Flügel prangten.
Schwarze Flügel auf dem Rücken jenes Mannes, der die Ausgangssperre über das Dorf verhängt hatte, die als Fluch bezeichnet wurden.
Alles um Ellenor herum wurde schwarz.
Hey Leute,
es tut mir wahnsinnig leid, dass das Kapitel erst heute kommt. Trotz dessen hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat.
Fragen:
Was hat es mit der Lichtung auf sich?
Wie wird Ellenor reagieren, wenn sie aus ihrer Ohnmacht erwacht?
Was hat Ellenor mit dem Übernatürlichem zu tuen?
Hinterlasst doch gerne Votes, Kritik und Kommentare.
LG Bensheegirl
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