>18<

Kurz darauf kamen sie bei Ellenor zu Hause an. Mit großer Erleichterung stellte diese fest, dass ihre Mutter derzeit wohl nicht im Haus war und sie sich nicht auch noch mit ihr auseinandersetzen musste, denn Cassie Willson machte es nichts aus, vor anderen über eigentlich private Angelegenheiten zu sprechen. Genaugenommen war das bei Nolan eh egal, da er immer über alles informiert war, aber Ellenor hasste es dennoch, wenn bei solchen Dingen unbeteiligte Personen involviert waren. Ellenor ging geradewegs in die Küche, um Wasser zu erhitzen und Tee zu kochen. Während Nolan das Feuer entfachte und das Wasser in einem Topf darüber hing, bereitete sie schon Kanne und Tassen zu. Die ganze Zeit über spürte Ellenor die besorgten Blicke Nolans auf sich, der an dem Ofen, in der Mitte der rechten Wand, von der Tür aus gesehen, das Feuer bearbeitete. Sie stand nicht weit von ihm entfernt, direkt an der Wand gegenüber der Tür, wo die Theken und Schränke waren. In der linken unteren Ecke befand sich der Esstisch, der unnötiger Weise, Platz für 6 Personen bot. Daran konnte man einmal mehr sehen, wie verschwenderisch ihre Mutter war, denn in diesem Haus befanden sich nie mehr als 4 Personen, wenn überhaupt. Wenn einmal ein Gast hier war, dann war das einer der vielen Liebhaber ihrer Mutter, die Ellenor am Liebsten zum Teufel jagen würde. Diese Männer waren alle ekelhaft und hinterließen eine noch ekelhaftere Schleimspur an jedem Ort, an dem sie waren. Die meisten Männer hier waren so. Das Schlimmste daran war jedoch, dass viele von ihnen verheiratet waren und sogar Kinder hatten. Ihre Mutter wusste das, und begann dennoch Affären mit diesen Männern. Ellenor liebte ihre Mutter zwar sehr, auf eine groteske Art und Weise, aber irgendwo hörte diese Liebe auf. Sie hörte dort auf, wo ihr Ekel gegenüber der Frau, die ihr das Leben geschenkt hatte, anfing. Für solche Dinge hasste sie ihre Mutter. Sehr sogar. Ellenor wusste auch, dass ihre Mutter sie liebte, aber diese Frau wollte ihre Tochter nicht lieben. Sie hatte schon ihren Mann, ihre einzige Liebe, verloren und wollte nicht, dass sie diesen unerträglichen Schmerz noch einmal erleiden musste, falls sie ihre Tochter verlor. Und dafür hasste Ellenor sie noch mehr, denn ihre Mutter war so unglaublich egoistisch, selbst Ellenor gegenüber. Sie war es so sehr, dass Ellenor ihr manchmal diesen Schmerz wieder wünschte, um sie mit den gleichen Schmerzen zu sehen, die auch Ellenor stets und ständig mit sich herumtrug. Und dafür hasste sie sich manchmal selbst. Das war ein ewiger Teufelskreis und deshalb ging Ellenor ihrer Mutter aus dem Weg, meistens. Cassie jedoch wusste nicht, dass Ellenor über die meisten Intrigen und Gedanken ihrer Mutter bescheid wusste und tat auf Liebevolle und besorgte Mutter und manchmal meinte sie das Ernst. Aber eben nicht immer.

Ellenor wandte sich Nolan zu, der ihr jetzt seine ganze Aufmerksamkeit schenkte, da der Topf nun erfolgreich über dem Feuer erhitzt wurde. Sie verdrehte genervt die Augen über diesen Blick und setzte sich an den Esstisch, da auch sie ihre Aufgabe beendet hatte. Sie brauchte diese Sorgen nicht. Natürlich war es süß von Nolan, sich so zu sorgen, aber es war nicht notwendig. Im Nachhinein betrachtet, hatte sie es satt, so durcheinander zu sein, und das vertrieb die meisten anderen Gefühle, sodass sich Ellenor nicht mehr so aufregen musste und in Ruhe Samuel vermissen konnte. Oh, wie sie diese Augen vermisste. Diese Augen, die bei Ellenors Anblick so hell strahlten, wie die Sonne höchstselbst. Doch es machte ihr auch ein schlechtes Gewissen, denn sie war nicht so perfekt, wie er sie sah, was ihr ihr Geburtstagskleid nun sehr deutlich vor Augen geführt hatte. Das Kleid, welches Nolan hochbrachte, und welches Ellenor zugleich so sehr hasste und liebte. Ellenor seufzte frustriert auf. Wie sie die aktuelle Situation doch hasste. Es stellte ihr Leben komplett auf den Kopf und weckte Zweifel in ihr, die zuvor noch nie dagewesen waren. Es machte sie innerlich ziemlich fertig, denn sie wollte keine dieser Frauen sein, die so strak an sich selbst zweifelten. Doch zu so einer wurde sie, wegen ihrem attraktiven, perfekten Samuel. Ihren Samuel. Ja, dieser Mann gehörte einzig und allein ihr.

„Wie recht du doch damit hast, Sonnenschein.", hauchte eine raue, maskuline Stimme direkt neben ihrem Ohr. Ellenor konnte deutlich den Atem an ihrem Ohr spüren, der ein sehr eindeutiges Kribbeln in ihr hervorrief. Mit einem leisen quietschen sprang Ellenor auf und warf sich freudig in Samuels Arme, der sie mit einem leisen Lachen empfing. „Ich habe dich vermisst.", flüsterte sie leise, schloss ihre Augen und genoss seine Präsenz. „Deshalb bin ich hier. Ich habe dich ebenfalls vermisst, meine hübsche Sonne." Ellenor begann bei diesen Worten zu Lächeln und sie spürte, wie ihr Herz instinktiv begann schneller zu schlagen, in einen Rhythmus, in den Samuels Herz ihr folgte. Sie fühlte sich wieder komplett und nur die kleinste Berührung reichte schon aus, um ein angenehmes Glücksgefühl durch ihren ganzen Körper zu jagen. „Würdest du mir einen Gefallen tun, Sonne?", fragte er mit einer Sanftheit, aus der sie sein weiches Lächeln förmlich hören konnte. Sie nickte leicht und legte ihren Kopf in den Nacken, um sein unwiderstehliches Lächeln zu erwidern. „Es wäre schön, wenn du diese hässlichen Selbstzweifel aus deinem wunderschönen Kopf verbannen könntest. Sie sind nämlich fehl am Platz." Ellenor runzelte einen Moment die Stirn, widmete sich allerdings wieder der Antwort auf seine Frage. „Das würde ich wirklich gern, jedoch geht das leider nicht so leicht. Ich weiß selbst, dass diese Zweifel nicht zu mir gehören, Liebster." Sie lächelte milde. Trotz aller Verletzung ihres Egos, welches sie zweifelsohne besaß, hatte sie beschlossen, ihn niemals anzulügen. Schließlich wollte sie eine Beziehung mit ihm führen, eine ehrliche und dazu gehörte es nicht zu lügen. „Ich unterstütze dich selbstverständlich dabei, sie zu verbannen, meine Sonne.", flüsterte Samuel leise in ihr Ohr und machte das Bild über ihn in ihrem Kopf nur noch perfekter, als es ohnehin schon war. Sie nickte noch mehr lächelnd. „Woher weißt du eigentlich von diesen Selbstzweifeln?", fragte sie leise nuschelnd gegen seinen Brustkorb. „Eine meiner Fähigkeiten ist Gedankenlesen.", murmelte er wie selbstverständlich in ihr dichtes Haar und jagte wohlige Schauer über ihren Rücken. Sie nickte leicht. Das störte sie nicht, da sie ohnehin schon vorhatte, ihm nichts zu verschweigen. „Was ich sehr zu schätzen weiß. Dankeschön.", kommentierte ihr Liebster ihren Gedanken und brachte sie zum Kichern, während sie ihm liebevoll zu nickte. Es war für sie eine Selbstverständlichkeit. Er streichelte ihre Wange sanft und drückte seine weichen, warmen Lippen, vorsichtig auf ihre vollen. Erneut spürte sie dieses überwältigende Gefühl, welches einen unstillbaren Durst in ihr weckte, welchen nur Samuel zu zügeln vermochte. Es war so perfekt.

„Denk an den Tee, Ellenor!", rief Nolan von oben zu ihr hinunter, was sie so erschreckte, dass sie den Kuss mit Samuel beendete. Kaum zwei Sekunden später ertönten Schritte und Nolan erschien in der Tür. Dieser blieb dort stehen und beobachtete das Geschehen vor ihm verwirrt. Ellenor konnte förmlich sehen, wie er nachdachte und die Beschreibung, die sie ihm von Samuel gegeben hatte, durchging. Sie war gespannt auf seine Reaktion.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top