Kapitel 7.

Es hatte schon seit viel zu langer Zeit nicht mehr geregnet.

Die Luft war trocken, das spröde Holz fing erschreckend schnell Feuer. Innerhalb kürzester Zeit loderte das helle Lagerfeuer in ihrer Mitte hoch in den gräulichen Abendhimmel.

Scarlett brauchte nicht lange, um Amber zu finden, denn Amber stand wie immer am Rand des Geschehens. Besonders war allerdings, dass die abweisende Amber ganz in eine Unterhaltung mit zwei Mädchen vertieft war.

„Scar, wieso brauchtest du so lange?", fragte Amber forsch, als sie Scarlett ebenfalls entdeckte, drehte sich zu ihr um und erstarrte. „Ich dachte, du wolltest das hellviolette anziehen?" (Nein, du wolltest dass ich das hellviolette anziehe.)
„Ich habe mich in den letzten drei Sekunden umentschieden."
„Wieso?", fragte Amber scharf.

„Das Violette war dreckig.", log Scarlett, nicht weniger schneidend. „Jedenfalls habe ich danach vor der Hütte noch auf dich gewartet, weil ich vermutet hatte, dass du einfach als Zeitvertreib ein wenig herumgelaufen wärst. Aber du warst wohl schon losgegangen."

„Ich kam mir blöd vor, wie ich da so stand. Na ja, du hast mich ja sowieso gefunden!", meinte Amber und zwängte Freude in ihre Stimme. „Das hier sind übrigens Mantha und Sam!"

„Sind das eure echten Namen oder Spitznamen?"

Sam (braunhaarig) und Mantha (auch braunhaarig) warfen sich einen verwirrten Blick zu. „Ähm.", sagte Mantha schließlich. „Eigentlich heißen wir beide Samantha, aber eben weil wir den gleichen Namen haben, nutzen eigentlich alle unsere Spitznamen."

„Ach so.", sagte Scarlett und lächelte das Lächeln, das zu der Erschaffung des Namens „Scary Scarlett" seinen Teil beigetragen hatte. „Dann seid ihr also auch in Team Grün?"

„Natürlich.", sagte Sam und reckte herausfordernd ihr Kinn in die Luft (Du hast aber einen breiten Kiefer).

„Auf welche Schule geht ihr?", fragte Scarlett, so bemüht ungezwungen und höflich, dass es schon wieder etwas drängendes hatte.

„Auf eine andere als ihr.", antwortete Sam, die aus irgendeinem (nicht einmal ihr bekannten) Grund entschlossen war, sich gegen Scarlett zu behaupten, während Mantha nervös von einer zur anderen sah und Amber das Schauspiel mit ausdrucksloser Miene verfolgte und hin und wieder ihre Fingernägel betrachtete. Scarlett aber hatte genug davon, das Gespräch auf diese alberne Art weiterzutreiben. Sam war eines der Mädchen, die sich allein schon durch ein „Hi" bedroht auf ihrem (eigentlich nicht existenten) Thron fühlten. Doch Scarlett hatte schon vor Jahren Gefallen daran gefunden, diese Illusion eines erhobenen Sitzes zu schwächen.

„Kreative Antwort. Aber ein bisschen albern, findest du nicht auch, Samantha Patterson? Es ist schließlich nicht so, als wäre die Orctiz High eine Schule, die besonderer werden würde durch dein Schweigen. Oder schämst du dich einfach für deine Schule?"

Sams breiter Kiefer begann zu zittern: „Woher weißt du den Mist?"
„Ein winzig kleiner roter Vogel kam zu mir geflogen und hat ihn mir erzählt."

„Okay, das reicht!", sagte Amber, seufzte lang, als wäre sie eine Art Streitschlichterin und hob ihre Hände, als wollte sie die beiden Mädchen mithilfe einer einzigen Geste stoppen.

„Amber, es tut mir leid, dich wieder enttäuschen zu müssen, aber deine Hände stoßen keine aufhaltenden Energiewellen oder etwas ähnliches ab. Es sind nur Hände.", sagte Scarlett. Ambers Unterlippe begann zu zittern, also kniff sie die Lippen zusammen: „ Hörst du dir eigentlich selbst zu?! Der Kram, den du erzählst, ist extrem creepy! Kannst du nicht einfach eine normale Unterhaltung führen, anstatt Leuten Angst zu machen? Kein Wunder, dass Leute dich Scary Scarlett nennen!"

Scarlett lagen so viele Worte auf der Zunge, aber sie wusste, dass sie es später bereuen würde, sollte sie auch nur ein paar davon aussprechen. Stattdessen zwang sie sich, ihre Stimme freundlich klingen zu lassen: „Ja, es bedarf viel Arbeit, sich einen solchen Spitznamen zu verdienen."
Der Satz war weder besonders klug, noch lustig. Er war ein Lückenfüller, um die Spannung zwischen ihnen ein wenig zu beruhigen.

„Cooler Name eigentlich.", sagte Mantha schließlich schüchtern. Amber funkelte Scarlett weiterhin wütend an: "Niemand hat dich gezwungen, sich zu uns stellen. Aber natürlich musstest du dazukommen und direkt die Stimmung zerstören." (Und das ist etwas, was du natürlich nie tun würdest, Amber, oder?) 

Scarlett zwang sich entschlossen dazu, einmal tief ein und wieder aus zuatmen. Ambers Zorn war bereits zu großen Teilen verraucht (und natürlich sah sie keine Schuld bei sich, denn schließlich war sie so gütig, Scarlett jetzt schon zu vergeben), aber Sam(antha) sah sie weiterhin wütend aus zusammengekniffenen Augen an - sie durfte jetzt nichts sagen, was das hier noch unangenehmer für (Sa)Mantha machen würde, die kurz davor war, vor Scham im Boden zu versinken.

"Natürlich.", sagte sie dann. "Tut mir leid, dass ich auf euch zulief und du mich angesprochen hast."
„Wir sehen uns dann später!", meinte Sam forsch an Amber gewandt und warf Scarlett nur einen abschätzenden Blick von der Seite zu (Keine Ahnung wer du eigentlich bist, aber das hier ist irgendwie seltsam).

„Es war nett, euch kennen zu lernen, Samanthas.", erwiderte Scarlett lächelnd, während die beiden an ihnen vorbei liefen. In Sams Kiefer zuckte ein Muskel.


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