Kapitel 7
Evie
Vorsichtig ziehe ich eine vergilbte Karte aus meinem dunklen Rucksack und breitet sie in der Mitte des kleinen Raumes auf dem dünn mit Staub bedeckten Boden. Auf dem vergilbten Papier wurde mit dunkler Tinte die Karte Londons gezeichnet. Meine Mutter hatte sie mir gegeben, nachdem ich sie nach irgendeiner Karte Londons gefragt habe, doch verschwiegen, dass sie nicht aus diesem Jahrhundert stammt, sondern aus bereits lang vergangenen Zeiten stammt. Zwar dachte ich erst, dass es ein Problem wäre, doch dann habe ich mich damit abgefunden und dann festgestellt, dass es für meine Zwecke nicht wichtig ist, aus welchem Jahr sie stammt. Ich brauche sie nämlich lediglich, um zu markieren, wo ich in London bereits Zeichen gefunden habe. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann ein Muster. Das Papier ist vom ganzen Falten schon ziemlich porös, weshalb ich besonders vorsichtig sein muss sie nicht kaputt zu machen, denn als Mom sie mir gegeben hat, hat mir ihr Blick gezeigt, dass es für sie ein emotionaler Gegenstand zu sein scheint, den sie mir nun anvertraute.
Als nächstes lege ich eine Art Buch daneben. Es ist das Grimoire der Familie 'Grey'. Menschen würde es als normales Zauberbuch abstempeln, doch für meine Spezies bedeutet es viel mehr. Darin stehen sämtliche Zaubersprüche und Anleitungen für magische Rituale oder zur Erschaffung von okkulten Objekten. Diese besonderen Schriftstücke werden von Generation zu Generation in der Familie weiter gegeben, erweitert und verfeinert. Deshalb ist es für mich auch so eine Ehre zu meinem fünfzehnten Geburtstag meines Vaters erhalten zu haben.
Das dünne, braune Band, das den Tierlederumschlag, der laut meines Vaters aus dem siebzehnten Jahrhundert stammen muss, umschließt, öffne, ich vorsichtig und schlage jede Seite einzeln um, bis ich auf den Zauber stoße, den ich heute schon zum zweiten Mal versuchen will. Am Erfolg dieses neuen Versuches zweifele ich allerdings ziemlich, wenn ich daran denke, was passiert ist, als ich es erstmals ausgetestet habe. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er mir die Suche nach den Zeichen erleichtern würde, doch stattdessen hat er mich nur ausgelaugt und außerdem kein Stück weiter gebracht. Schon damals bin ich auf die Idee gekommen, dass jemand die Symbole vor solchen Zaubern geschützt hätte, doch nachdem auch fast alle anderen Zauber aus dem Grimoire keine Wirkung hatten oder schiefgelaufen sind, fühlt es sich immer mehr so an als würde ich keinen Bezug finden.
Danach ziehe ich eine Holzschale, sowie eine Wasserflasche hervor. Langsam schraube ich die Flasche auf und fülle das sprudelnde Wasser in die Schale. Das Ganze dient dem Zweck, dass ich meine Kräfte durch dieses natürliche Element verstärke. Man könnte sagen, dass ich die Stärke des Wassers in mich aufsauge.
Die letzte Zutat, die ich für mein Ritual benötige, ziehe ich dieses Mal aus meiner Jackentasche, da viel zu zerbrechlich ist, um es mit den anderen Sachen im Rucksack zu transportieren. Es ist eine kleine Folie, die mit meinem mittlerweile abgekühlten, roten Blut gefüllt ist, dass ich beim letzten Arztbesuch absichtlich hab mitgehen lassen.
Zwar weiß ich, dass man sowas eigentlich nicht machen sollte, aber mein Blut ist eine der wichtigsten Zutaten der meisten Rituale und Zauber, und es ist besser ein Röhrchen mitzunehmen, als selbst zu versuchen mir etwas abzunehmen, denn es tut echt weh, wenn ich die Vene verfehle. Einmal ist mir das passiert und seitdem bin ich nicht mehr wirklich scharf darauf mir in meinem Zimmer selbst die rote Flüssigkeit aus dem Körper zu nehmen, obwohl ich einige Vorräte im Kühlschrank habe. Zwar sind meine Eltern davon nicht unbedingt begeistert, doch sobald ich ihnen erkläre, dass es nur Tierblut ist, dass ich für meine Zauber nutze, hören sie, wenn auch noch nicht richtig zufrieden damit, auf mich darüber auszufragen. Auf die Idee zu testen, ob das gelogen ist oder nicht, sind sie glücklicherweise bisher noch nicht gekommen.
Achtsam entferne ich den Korken mit Daumen und Zeigefinger vom Hals der kleinen Glasflasche und lasse das dickflüssige Blut Tropfen für Tropfen auf die Karte sickern, bis nichts mehr übrig ist. Eigentlich müsste sich die Essenz meines Lebens tief in jeden Teil das Blatt hinein graben und rasend in alle Richtungen fließen, doch stattdessen bleibt es auf einer Stelle und bewegt sich keinen Millimeter.
Konzentriert lege ich meinen Fokus auf die Worte, die mit schwarzer Tinte auf die aufgeschlagene Seite geschrieben worden waren und tauche meine Hände in das kalte, um meine Finger herum sprudelnde, Mineralwasser. Sobald die Substanz an der Haut zu spüren ist, fühlt es sich so an, als würde urplötzlich Strom durch mich hindurch fließen. Die Worte sprudeln beinahe aus mir hinaus, wie etwas, was ich dringend sagen wollte, aber lange zurückgehalten habe, doch ich halte mich zurück und versuche Ruhe und Gleichmäßigkeit in meine Stimme zu bringen. Mit jedem Wort fühlt es sich so an, als würde eine unsichtbare Kraft an mir ziehen und immer stärker werden.
Sobald ich meinen Blick auf das alte Dokument richte, werde ich augenblicklich unkonzentriert. Eigentlich hätte sich die rote Flüssigkeit schon längst vom Fleck wegbewegt und mir einen neuen Ort zeigen sollen, doch da bewegt sich rein nichts. Wut macht sich tief in meinem Inneren breit und brodelt immer weiter, bis sie aus mir heraus zu brechen dort. Wieso klappt das nicht? Die Wassertropfen fliegen umher, als ich meine Hände aus dem Wasser befreie und das Zauberbuch zuschlage. Entweder bin ich die mieseste Hexe aller Zeiten oder es liegt an einer anderen, bisher unbekannten Komponente.
Eine Mischung aus Wut und Frust macht sich in mir breit und lässt mich das Buch einfach unbedacht zurück in meine Tasche stecken. Langsam habe ich echt keine Lust mehr auf dieses ganze magische Zeug. Vielleicht bin ich einfach dazu verdammt meine Kräfte nicht nutzen zu können und ein Leben als Mensch zu führen. Nach wie vor deprimiert stelle ich das Fläschchen auf den Boden und schließe meine Augen. Die Hände halte ich einige Zentimeter über dem Blutfleck. Wie automatisch verkrampfen sich meine Finger, als ich einen leichten, schon oft geübten, Spruch verwende: "Dóse mou to aíma mou. Dóse mou to aíma mou." Tröpfchenweise schwebt die Essenz des Lebens durch die Luft zurück in das kleine Glasrohr, sodass auf dem Papier keine Spur der Flüssigkeit mehr zurückbleibt. Auch die Phiole verstaue ich wieder sicher, obwohl ich sie am liebsten wütend auf den Boden pfeffern würde. Die Karte lasse ich an ihrem Platz, denn schließlich werde ich sie später noch brauchen.
Um mich ein wenig zu trösten, entscheide ich mich jetzt lieber einfach den Vollmondspruch zu sprechen und dann von hier zu verschwinden. Schließlich war der Abend echt schon mies genug. Erneut lasse ich meine Hände wieder in die Wasserschüssel gleiten und richte meinen Blick gen Himmel. Sofort bewegt sich der Mondlichtkegel, der durch das Fenster dringt, zu dem Platz, an dem ich sitze. Erneut beginne ich den, mir wohlbekannten, Spruch, den mir meine Mutter bereits sehr früh beigebracht hat. Sobald ich ein Wort gesprochen habe, flammen die Kerzen im Raum um mich herum urplötzlich auf. Dass meine Augen gerade blau leuchten, weiß ich aus Erfahrung, doch trotzdem ist es nach wie vor ein komisches Gefühl dieses Wissen zu haben. Mein Herzschlag beschleunigt sich und erneut ist dieses Ziehen zu spüren, dass sich von meinen Händen aus weiter über meine Arme auf den ganzen Körper ausbreitet. Ich spüre wie meine Zellen die Hitze der Kerzen und das Licht des Mondes in sich aufsaugen und eine berauschende Energie durch mich hindurch zucken lassen.
Als ich nach unbestimmter Zeit verstumme, erlöschen die Kerzen mit einem lauten Zischen innerhalb von wenigen Sekunden. Die nassen Hände wische ich an meiner Hose ab und stehe dann mit der Wasserschale auf. Jeder meine Schritte ist federleicht und wirkt beschwingt, als ich auf das Wasserbecken, dass an der Wand hinter mir steht, zu gehe und den Inhalt meiner Schüssel dem Wasser, dass sich bereits im Becken befindet, hinzufüge. Dadurch trage ich meinen Teil dazu bei, den Anderen, die hierherkommen, eine Energiequelle zu geben, wenn ich sie nicht mehr brauche. Natürlich hätte auch ich mir einfach von hier etwas nehmen können, ohne irgendwelche Probleme zu bekommen, doch was die Vorbereitung eines Ritus angeht, überlasse ich lieber nichts dem Zufall.
Als ich mein leichtes Gepäck wieder schultere, fühle ich mich wie neu geboren und der Ärger ist vergessen. Erneut ist es als wäre ich einen Rauschzustand versetzt worden. Die Abenteuerlust hat mich wieder gepackt, weshalb ich innerhalb von wenigen Sekunden beschlossen habe mich tatsächlich auf die Suche zu begeben.
So stehe ich also wenige Minuten später komplett vorbereitet am Tor des Friedhofes und richte den Blick auf die Karte in meinen Händen. Wo ich heute jedoch suchen muss, liegt für mich vollkommen im Verborgenen. Da wird mir wohl das Schicksal einfach wie so oft weiterhelfen müssen.
Prüfend sehe ich mir noch einmal die Punkte an, an denen ich bereits auf Zeichen gestoßen bin, doch auf Anhieb sehe ich zu meinem Bedauern keine Verbindung. Sobald ich allerdings meinen Finger über das Stück Papier in meinen Händen fahren lasse, spüre ich eine starke Anziehungskraft, die von einem ganz bestimmten Ort auszugehen scheint. Langsam bewege ich meinen Finger weiter zu dem Punkt und lasse ihn dort ruhen.
Unerwartet werde ich aus Realität gerissen und nehme vor meinem inneren Auge das verschwommene Bild eines Ortes wahr, von dem ein mir mehr als bekanntes blaues Leuchten ausgeht. Es gleicht nämlich nicht nur dem in meinen Augen, wenn ich starke Magie anwende, sondern auch dem von einigen der Zeichen, auf die ich bisher gestoßen bin. Das Bild ist jedoch viel zu verschwommen, um mir den Weg zu diesem Ort sparen zu können.
Ohne Vorwarnung wirft mich etwas zurück in die Realität, doch obwohl sich um mich herum alles zu drehen scheint, hat sich ein Gedanke fest in meinem Kopf verankert. Dieser Ort ist es! Da muss ich unbedingt noch in dieser Nacht hin, sonst ist es vielleicht zu spät.
Dieses Kapitel hier würde etwa um zwei Uhr nachts geschrieben, also verzeiht mir bitte die Rechtschreibfehler und die vereinzelten Wortwiederholungen, aber irgendwann sind mir einfach keine Synonyme mehr eingefallen und im Internet gab es auch keine Guten mehr. Hoffe es gefällt euch trotzdem!
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