Kapitel 20

Evie

Fast geräuschlos stoße ich die Tür zum Zimmer meiner Eltern auf und husche, mit einem letzten Blick auf den Flur, genauso leise hinein. Glücklicherweise ist es leer.

Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine Schwester wohl kaum auf die Idee kommen würde Seiten aus einem Buch zu reißen. Schließlich vergöttert sie das Lesen regelrecht und würde es niemals übers Herz etwas raus zu reißen. Außerdem habe ich auch keine blassen Schimmer, was sie damit machen sollte. Papierflieger basteln sicher nicht.

Also bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher, dass es entweder Mom oder Dad sein müssen. Hier leben schließlich nur wir und es wird hier wohl kaum einer eingebrochen sein, um zwei Seiten raus zu reißen. Aber warum sollten es meine Eltern getan haben?

Schnell tapse ich zum Schreibtisch herüber. Dort stapeln sich Unmengen von Akten, die sowohl meinem Vater als auch meiner Mutter zu Eigen sind. Beide arbeiten sehr viel.

Zu meiner Verwunderung sogar in der Menschenwelt, obwohl sie von uns erwarten, dass wir einen Weg in die magische Welt eingeschlagen. Für mich ist das kein Problem, da ich selbst auch einen Beruf machen möchte, der meine Magie einbindet, doch für Annabelle ist das ein riesiges Problem. Sie steht nämlich mit beiden Füßen in der Welt der Menschen und träumt von einem kreativen Beruf.

Vorsichtig, um nichts zu verknicken, blättere ich die Papiere durch und gehe so Akte für Akte durch. Finden tue ich allerdings nicht.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich dafür bereits viel zu lange gebraucht habe, während die Stimme meines Vaters, die von unten an meine Ohren dringt, mir mitteilt, dass das Essen bald fertig ist.

Dadurch zur Panik verleitet, beginne ich mich nun schnell, und um einiges lauter, durch den Raum auf den Papierkorb zuzubewegen. Flink arbeite ich mich grob durch die zusammengeknüllten Papierfetzen im Papierkorb, kann allerdings nichts finden, was sich so glatt anfühlt und so eng bedruckt ist, wie die Seiten, die ich suche. Auch meine Suche im Schrank und unterm Bett bleibt aber erfolglos.

Nun höre ich auch schon Ana, wie sie über den Flur zur Treppe watschelt und fühle mich nur noch gestresster. Selbst Anas zarte Schritte sind auf dem Boden zu hören.

Als einen letzten Versuch lasse ich meinen Blick durch den Raum wandern und hoffe etwas zu finden, was einen Blick wert wäre. Fast will ich aufgeben, da bleibe ich an der obersten Schreibtischschublade hängen. Sofort gerate ich ins Stutzen.

Der Schlüssel, der sonst immer in dem antiken, schwarzen Schloss steckt, fehlt. Mom und Dad würden niemals einfach einen Schlüssel wegtun, weil sie Angst haben ihn zu verlieren. Schließlich ist so auch mein Zimmerschlüssel verloren gegangen.

Das heißt, sie würden ihn nur entfernen, wenn sie nicht wollen, dass...! Ich entscheide mich den Gedanken lieber nicht zu Ende zu bringen und knie mich vor den Schreibtisch. Mit einer Hand ziehe ich am Griff, doch das hölzerne Kästchen bewegt sich keinen Zentimeter. Es ist tatsächlich abgeschlossen!

Bevor ich mich jedoch auf die Suche nach dem kleinen Schlüssel machen kann, höre ich erneut die, bereits leicht aufgebrachte, Stimme meines Vaters gepaart mit dem Ächzen der Stufen.

Vor Schreck beiße ich mir so fest auf die Lippe, dass es weh tut. Mist, er darf mich unter keinen Umständen, hier herumstöbernd, erwischen.

"Ich brauche noch eine Minute", rufe ich deshalb laut in der Hoffnung, dass Dad vielleicht umdreht. Um allerdings wirklich auf Nummer sicher zu gehen, husche ich, mit wild hämmerndem Herzen, aus dem Zimmer.

Ohne lange zu überlegen, schiebe ich mich ins Badezimmer hinein und verbarrikadiere mich sicherheitshalber.

"Wo bist du denn, Schatz?", fragt Dad, neugierig wie er ist, weiter. Erst in diesem Moment realisiere ich, wie knapp das gerade eigentlich war, denn genau jetzt vernehme ich, wie Dad die Treppe verlässt und sich auf den Flur begibt. Nur eine Sekunde später und er hätte gesehen wie ich sein Zimmer verlasse. Der Schreck jagt mir durch die Glieder.

Plötzlich fühle ich mich völlig ertappt, obwohl ich gar nicht erwischt wurde, doch die Schuld, dass ich gerade in die Privatsphären meiner Eltern eingedrungen bin, wirkt erdrückend. Dieses Gefühl macht mich betreten und überrascht mich zu gleich, während sich in meinem Kopf diese eine Frage immer wieder abspielt. Was verbergen meine Eltern vor mir? Denn, dass sie das tun, weiß ich genau. Ich weiß nicht, welcher von beiden es ist oder ob es beide sind, doch ich bin mir sicher, dass in letzter Zeit irgendwas nicht stimmt und ich will wissen, was es ist.

"Ich bin im Badezimmer", antworte ich und versuche meine Stimme möglichste scheinheilig klingen zu lassen. "Geht es dir gut?", folgt Dad's Frage. "Ja, klar", antworte ich und lehne meinen Kopf gegen die geflieste Wand hinter mir: "Ich komme sofort." "Okay, ich geh dann wieder runter", informiert er mich: "Beeil dich bitte."

Ich murmele nur noch ein leises "Mach ich", bin in Gedanken aber wieder bei der Schublade, obwohl ich weiß, dass es nicht gut ist einfach in das Zimmer meiner Eltern einzudringen. Eins steht für mich aber fest, egal ob moralisch richtig oder falsch, ich brauche einen Plan, und zwar schnell.

Ja, ich melde mich auch mal wieder zurück. Zufrieden bin ich mit dem Kapitel allerdings nicht. Es ist alles irgendiwe total durcheinander und viel zu hektisch. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top