Kapitel 18
Evie
Unsicher tänzele ich auf der Stelle herum und lasse meinen Blick über die Tische wandern, doch zu meiner Enttäuschung ist der dunkle Schopf von Elijah nirgends zu sehen. Mein Blick wandert wie automatisch zu der Uhr über dem Tresen, an dem man bestellen kann. Zu spät ist er jedenfalls noch nicht. Ich bin um ehrlich zu sein, viel zu früh gekommen, um uns den besten Platz im gemütlichen, nach Kakaobohnen duftenden, Cafe auszusuchen. Dieses Treffen will ich einfach nicht vermasseln, denn es kann meinen Verstand endlich wieder aufklaren lassen. Dieser Ring hat mich in den vergangenen Tagen, seit unserer Begegnung, total verrückt gemacht, sodass ich dieses Treffen regelrecht herbeigesehnt habe. Vielleicht liegt das aber auch nicht nur daran, dass ich scharf darauf bin das Geheimnis zu lösen. Unterumständen hat da auch noch mein persönliches Interesse die Finger im Spiel, doch selbst, wenn es so ist, werde ich nie zulassen, dass es diese Verabredung dominiert.
Langsam schlurfe ich über die schwarz-weißen Fliesen hinweg zu einem freien Tisch, der wie für mich gemacht zu sein scheint, und lasse mich auf einen der beiden Stühle fallen.
Mit einem Handzeichen rufe ich die Kellnerin still zu mir. Auf meine Bitte hin hetzt sie vollkommen gestresst auf mich zu und zückt ihren weißen Block blitzschnell. Das Leben als Kellnerin muss wirklich anstrengend sein, denn mir als Gast fällt, wenn ich ein Restaurant betrete, gar nicht immer sofort auf wie viel Arbeit es für die Angestellten gerade zu geben scheint.
"Was darf ich Ihnen bringen?", fragt die Blondine in ihrer schwarz- weißen Uniform trotzdem vollkommen freundlich. Überrascht davon, dass sie trotz des ganzen Stresses noch so nett sein kann, stammele ich: "Ein Kakao, bitte." "Kommt sofort", das leise Kratzen des Stiftes auf dem Papier verrät, dass sie es sich notiert hat, bevor sie in der nächsten Sekunde schon wieder verschwunden ist.
Erneut werfe ich einen Blick auf die Uhr. Nicht mal fünf Minuten sind vergangen. Niemals hätte ich gedacht, dass warten so anstrengend sein kann.
Zwei Packungen Zucker und eine Rechnung später, spüre ich den Luftzug erneut, der von der Tür her herbei weht und meine Beine umspielt. Gerade bin ich dabei ein neues Zuckerpäckchen zu öffnen, da räuspert sich jemand direkt vor meiner Nase.
Überrascht hebe ich den Kopf und lasse fast die ganze Packung, samt Papier, in das heiße, braune Getränk fallen. "Mach so weiter und du kriegst noch einen Zuckerschock", er klingt ein wenig besorgt und vorwurfsvoll zugleich. "Hallo erst mal", ich klinge amüsiert und rühre mit dem metallenen Löffel in der Brühe vor mir herum. "Hey", erwidert er meine Begrüßung: "Wirklich schön dich zu sehen."
Beinahe kann ich spüren, wie mir die Röte in die Wangen steigt: "Die Freude ist ganz meinerseits." Langsam schließen sich meine Finger um den Henkel der Tasse, als ich diese zu meinem Mund zu heben beginne: "Also, auf welche Schule gehst du, wenn nicht auf meine und warum ist Belle nicht auch einfach auf deine Schule gegangen?" "Ich wohne in einem anderen Teil der Stadt und gehe deshalb dort zur Schule. Belle ist nicht auf meine Schule gekommen, weil es für uns beide unangenehm wäre."
"Warum unangenehm?", bohre ich weiter. Er trommelt mit den Fingern auf dem Tisch herum: "Wir haben uns nicht immer so gut verstanden, wie jetzt. Früher haben wir uns ziemlich oft gezofft, weil wir einfach unterschiedlich sind. Sie sprüht vor Selbstbewusstsein und weiß oft wirklich nicht wann sie die Klappe halten soll, während ich zwar auch ein mehr oder weniger gutes Selbstbewusstsein habe, dabei aber auf die Gefühle anderer achte und weiß, wann ich etwas lieber für mich behalten sollte." "Ja, da muss ich dir recht geben", stimmt ich zu und beiße mir auf die Lippe: "Tut mir leid."
"Da brauchst du dich nicht zu entschuldigen", grinst er freudig: "Du hast recht. Meine Cousine ist anstrengend. Das hast du ja scheinbar schon am eigenen Leib erlebt."
Also bin ich nicht die Einzige, die kein richtiger Fan von Belle ist. Sie ist mir einfach nicht geheuert, was sie mit Sicherheit hätte schnell ändern können, hätte sie nicht sofort so komische Andeutungen gemacht, sondern gefragt, ob wir mal zusammen lernen oder einen Kaffee trinken wollen. Irgendwas normales wäre zur Abwechslung einfach mal schön gewesen.
"Und du? Hast du irgendwelche Verwandten hier in London vor deren Geburtstagspartys du dich jedes Jahr wieder zu drücken versucht?" Ich werfe ihm einen tadelnden Blick zu: "Du drückst dich wirklich vor den Geburtstagen deiner Verwandten?" "Ja, manchmal", gibt er offen zu und fügt dann etwas hinzu, was mich völlig aus dem Konzept bringt: "Weißt du wie wunderschön dein Lächeln ist?"
Ich selbst habe nicht einmal bemerkt, dass ich zu grinsen begonnen habe. Ein wenig ertappt starre ich auf die braune Masse in meiner Tasse hinunter: "Danke." Er streckt seine Hand weiter auf den Tisch und wirkt dabei fast so, als würde er nach meiner zu greifen versuchen.
Genau in diesem Moment ergreife ich meine Chance: "Was hat das eigentlich mit dem Ring auf sich? So ein schönes Schmuckstück habe ich noch nie gesehen." Innerlich triumphiere ich bereits und fühle wie ich mich meinem Ziel, das Geheimnis dieses Ringes zu lüften, näher komme.
Kurz hält er inne und sieht mich einfach nur durchdringend an, öffnet den Mund, schließt ihn wieder und lässt ihn aufklappen: "E-Er ist ein Erbstück, dass schon seit langem in unserer Familie weitergegeben wird." "Ein Erbstück?", frage ich interessiert weiter: "Hat jeder in deiner Familie so einen oder nur du?" "Warum willst du das so genau wissen?", stellt er die Gegenfrage. "Reines Interesse", meine Stimme ist vollkommen scheinheilig, obwohl ich das ganz und gar nicht bin. Ich muss unbedingt herausfinden, was der Ring mit dem Buch zu tun hat, sonst werde ich noch verrückt.
Kurz rollt er mit den Augen, antwortet dann aber einfach, anstatt um den heißen Brei herumzureden: "Ja, ich bin der Einzige."
Schnell lenke ich das Gespräch wieder in eine andere Richtung und versuche mir nichts anmerken zu lassen, doch innerlich fühlt es sich so an, als würde ich jede Sekunde vor Freude platzen. Mein Herz macht einen Satz und fast verschlucke ich mich an dem heißen Getränk. Das ist es. Dieser Junge muss es gewesen sein, der mir den, vielleicht entscheidenden, Hinweis gegeben hat. Ich spüre wie sich das Blut in meinen Adern beschleunigt und mir, gefolgt von einem Kribbeln im Bauch, das Gefühl verleiht genau in diesem Moment alles zu haben, was ich brauche. Jedenfalls fast alles!
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