Kapitel 10
Evie
Gedankenverloren starre ich den Baum vor dem Fenster an, während der Mathelehrer an der Tafel irgendwas erklärt. Das interessiert mich jedoch gerade eher weniger, da meine Gedanken um etwas ganz anderes kreisen. Mal wieder habe ich mich selbst in Schwierigkeiten gebracht, in dem ich mich für heute mit Ana und Reese gleichzeitig verabredet habe. Zwar weiß ich, dass ich es irgendwie schon schaffen könnte Zeit mit beiden von ihnen zu verbringen, doch eigentlich habe ich ganz andere Pläne.
Ich muss unbedingt ein Buch finden, in dem die Bedeutung der Symbole niedergeschrieben steht. Wenn ich die Bedeutung kenne, kann ich nämlich entscheiden, ob es besser wäre mit der Forschung aufzuhören oder weiter zu machen.
Diesen Entschluss habe ich gestern getroffen. Die ganze Nacht lag ich im Bett und habe mir Gedanken gemacht, als mir schmerzlich klar geworden ist, dass ich mich mit zwei Menschen zur gleichen Zeit verabredet habe. Wie kann eine Person nur so tollpatschig sein? Kaum konnte ich schlafen, was die dunklen Ringe unter meinen Augen auch jedem Außenstehenden mitteilen.
Beinahe fallen meine Augen immer wieder zu und am liebsten würde ich einfach den Kopf auf den hellen Holztisch legen und einschlafen, doch sowas kann ich in der Schule nicht bringen. Also starre ich einfach die Eiche an, die von Wind leicht durchgeschüttelt wird.
Als ich gerade die Blätter zu zählen beginnt, verstummen plötzlich die Stimmen der, miteinander quatschenden, Schüler und eine ungewohnte Stille erfüllt den ganzen Raum.
Überrascht von der plötzlichen Ruhe überrascht, folge ich den Blicken meiner Mitschüler. In der Tür stehen zwei Personen.
Eine von ihnen ist eine Mitarbeiterin im Sekretariat, während ich das junge Mädchen, das sie im Schlepptau hat, nicht zuordnen kann. Die Sekretärin flüstert ihr etwas zu und huscht dann zum Lehrer herüber, um ihm die Situation leise zu erklären, während alle Schüler das Spektakel interessiert beobachten.
Als die ältere Frau wieder verschwunden ist, winkt unser Lehrer das neue Mädchen zu sich und spricht das aus, was wir alle uns schon denken können: "Leute, das ist Belle Gellar. Ab heute geht sie mit euch in eine Klasse."
Misstrauisch betrachte ich Belle. Ihr schwarzes Haar fällt ihr in sanften Locken auf die Schultern. Sie trägt ein dünnes, weißes T-Shirt, das sich an ihre Form anschmiegt und ihre Figur betont. Auch ihre kurze, hellblaue Jeans zeigt ihren schönen Körper deutlich. Doch selbst, wenn ihr Look wirklich schön ist, sind es ihre Augen, die mich beeindrucken. Die Augen der jungen Frau sind groß und rehbraun. Das Besondere daran sind aber die bernsteinfarbenen, fast goldenen, Sprenkel darin, die sich durch die ganze Iris ranken. In ihren Augen liegt ein selbstbewusster, starker Ausdruck, der mich ziemlich überrascht. Schließlich ist sie neu hier und kennt niemanden. An ihrer Stelle könnte ich wahrscheinlich nicht so selbstsicher vor einer Gruppe von Fremden stehen.
"Setzt dich doch bitte neben Evie", wird sie vom Lehrer gebeten. Als mein Name ertönt, zucke ich kurz zusammen und all meine Mitschüler drehen ihre Köpfe wie Zombies in meine Richtung, sodass Belle auf ihrem Weg nur noch den Blicken folgen muss. Ihr Schritt ist selbstsicher und als sie sich lässig auf den freien Stuhl zu meiner Rechten fallen lässt, versuche ich sie nicht zu beachten, sondern starre lieber auf das unausgefüllte Arbeitsblatt vor mir. Das ist doch der perfekte Moment für Mathe.
Aus dem Augenwinkel nehme ich zufrieden wahr, wie sich die Blicke langsam wieder nach vorne zur Tafel richten. Zufrieden beginne ich das Papier vor mir auszufüllen und versuche mich wirklich zu konzentrieren, doch Belle scheint nicht vorzuhaben dem Unterricht zu folgen.
"Hey, ich bin Belle", stellt sie sich vor. Von der Seite schaue ich sie an. Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf meinen Lippen: "Hey, ich bin Evie. Warum kommt du außerhalb des Schuljahrs zu uns?" Sie senkt ihre Stimme und beginnt zu flüstern:"Sag das Keinem, aber ich bin vom Internat geflogen und jetzt haben meine Eltern entschieden mich auf eine Schule hier in London zu schicken." "Das heißt, deine Familie wohnt auch hier in London?", frage ich in der gleichen Tonlage weiter. "Ja, schon seit Generationen", lächelt sie sanft und lässt ihren Blick dann durch die Menge schweifen: "Erzähl mir was über die anderen Leute hier."
Irgendwie macht es mir Spaß ihr etwas über die Leute aus meiner Klasse zu erzählen, also deute ich auf einen Jungen, der zwei Reihen vor uns sitzt: "Okay, der da. Das ist Brian Medina." "Er ist süß", grinst die Schwarzhaarige: "Hat er eine Freundin?" Ich beginne ihn selbst zu mustern und sie hat recht. Das lange, hellbraune Haar, das ihm verwegen in die Stirn fällt, ist wirklich irgendwie süß. "Nein, hat er nicht", erkläre ich. "Wie alt ist er?", fragt sie flüsternd weiter. "Fünfzehn. Er ist der Jüngste hier, weil er die dritte Klasse übersprungen hat." "Ein Genie also?", lächelt Belle interessiert. Kurz überlege ich. Clever ist der Junge in der Tat: "Ja, schon irgendwie."
"Genug über den 'Medina'-Junge geredet", schaltet sich urplötzlich Avery ein, die eine Bankreihe hinter mir sitzt. Gemeinsam drehen sich die Neue und ich zu meiner früheren Freundin um: "Du solltest lieber etwas über unsere Liebe Evie erfahren." Ihre Worte überraschen mich sehr, aber wenn man genau drüber nachdenkt, sieht ihr das wirklich ähnlich.
Meine Augenbrauen heben sich und ich starre auf sie wütend an: "Halt dich da raus, Avery." "Wusstest du, dass Evie fast gar keine Freunde hat?", fragt sie Belle, um mich zu provozieren. Auch Belle hebt eine Augenbraue: "Nein, warum?" "Weil sie eine Lügnerin ist", antwortet Avery mit einer tiefen Bitterkeit in ihrer Stimme: "Schon als ich mit ihr befreundet war, hat sie mich immer vertröstet, in dem sie irgendwelche komischen Ausreden gefunden hat. Mittlerweile hat sie nur noch eine Freundin, die sie genauso anlügt." Am liebsten würde ich ihr gerade den Kopf abreißen: "Halt endlich die Klappe. Du hast keine Ahnung von meinem Leben, also halt dich einfach raus." "Ja, aber ich habe nur keine Ahnung, weil du mich immer angelogen hast. Heißt du überhaupt Evie?", provoziert die Blondine weiter.
Bei der Frage kann ich mich wirklich nicht mehr zusammen reißen. Ich presse meine Kiefer aufeinander und starre sie wütend an. In meiner Wut wandert mein Blick auf den metallenen Kugelschreiber in ihrer Hand. Kurz blinzele ich und starre dann wie gebannt auf den Stift. Sofort spüre ich, wie sich Wärme über meinen ganzen Körper ausbreitet, während ich Avery weiter anvisiere.
Es vergehen wenige Sekunden, bis Avery den Kuli wie von der Tarantel fallen lässt. Ein schmerzerfülltes Zischen ist zu hören, bevor sie beginnt ihre Finger vorsichtig an zu pusten. Während ich ihr so zusehe, muss ich mich wirklich bemühen ein Lächeln zu verbergen.
"Man, was soll das, Grey?", flucht sie wütend, als der Schmerz in ihren Fingern nachzulassen scheint. "Was? Warum ich?", ich klinge richtig entsetzt: "Ich kann nichts dafür, dass sich Karma so schnell bei dir Recht." "Genau, was soll Evie den gemacht haben", pflichtet mir Belle glücklicherweise bei: "Sie sitzt ja nicht mal neben dir." Erleichtert werfe ich ihr einen dankbaren Blick zu.
Als mir das Mädchen allerdings den Kopf zu wendet, erstarrt das Lächeln auf meinen Lippen und ich fühle mich wie eingefroren. Ihr Blick hat etwas Gespenstisches an sich und lässt mich kurz erschaudern.
"Können wir nach der Stunde noch kurz warten bis alle aus dem Raum raus sind? Ich würde dich gerne etwas fragen", Belles Stimme ist vom einen auf den anderen Grund kühl und tonlos geworden. Mein Grinsen erstirbt und mein Gesicht verliert augenblicklich an Ausdruck. Als ich die Stimme erhebe, spreche ich ungewohnt langsam und mein Misstrauen ist zu hören: "Na gut!"
Oha, schon das 10. Kapitel. Das ging schnell. Gestern ist mir übrigens ein Ende für dieses Buch eingefallen. Ich finde es mega süß und wenn mir das passieren würde, würde ich wahrscheinlich anfangen zu heulen.
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