siebenundfünfzig.

ein langes Kapitel (und bisher eines meiner Lieblingskapitel) als Entschädigung weil es so lange gedauert hat!



Taehyung

„Prost!"
Wir stoßen an und die Gläser klirren aneinander. Das Bier rinnt kühl meine Kehle runter und ich leere mein kleines Glas in wenigen Zügen. Heute muss ich wohl betrunken werden, um den Abend zu überstehen.

Ich treffe mich regelmäßig mit meinen alten Studienkollegen, die mich leider wie einen Helden behandeln. Anscheinend bin ich derjenige von uns, der es am Weitesten gebracht hat und so gehen sie auch mit mir um. Ich werde fast immer eingeladen, meine Meinung wiegt am Meisten und auf allen Gruppenfotos bin ich in der Mitte.

Dabei habe ich daheim meinen größten Fall sitzen und würde ihn am Liebsten flachlegen.

„Also, auf Taehyung und seinen Wiedereinstieg in die Berufswelt. Einer der besten Polizisten Koreas!"
Die Jungs jubeln und trinken ausgelassen, während ich nur ein gequältes Lächeln auflege.

Erst vier Bier später bin ich locker genug, dass ich den Abend wirklich zu genießen beginne. Aber auch nur, weil Moonsuk erzählt hat, dass er endlich seine Freundin heiratet und dieses Thema neuer und spannender ist, als ich. Zumindest für den Moment.

„Bald kannst du dann nicht mehr zu unseren Abenden kommen. Dann sitzt du mit Babies daheim", schmollt Hwangsun und ich schüttele den Kopf. „Oder er bringt sie einfach mit! Sie können dann Muttermilch shoten!"

Die anderen lachen laut bei meinem Vorschlag und direkt wird eine Runde Shots ausgegeben. Das geht immer so weiter, bis wir das neue Thema ausgeschlachtet haben und ein anderes finden, auf das wir anstoßen und zu dem wir uns betrinken können.

Sobald jemand auf die Arbeit, die Polizei oder Verbrechen zu sprechen kommt, versuche ich das Thema geschickt umzulenken. Das klappt soweit ganz gut und mit jedem Tropfen Alkohol in meinem Körper, genieße ich den Abend mehr. Eigentlich trinke ich fast nie, ich hasse das Gefühl von Kontrollverlust und durch meine Panikattacken sind jede Form von Drogen sowieso nicht ratsam.

Aber das letzte Jahr hatte ich gänzlich drauf verzichtet und jetzt, wo eh alles wieder den Bach runtergeht, kann ich mich auch betrinken und einfach hoffen, dass meine Laune gut bleibt.
Vielleicht ist meine Einstellung ein bisschen zu pessimistisch, aber bei mir ist momentan alles so verrückt, dass ich fast schon wieder richtig drüber Lachen kann. Schlimmer kann's ja fast nicht werden.

Ein Summen in meiner Hosentasche lenkt mich ab und ich ziehe mein Handy hervor. Der Bildschirm ist viel zu hell und ich blinzele unzufrieden, bis sich meine Augen an das Licht gewöhnt haben.

Creep: Kommst du mal nach Hause? Das Essen ist schon seit Ewigkeiten kalt und ich kann nicht noch ein drittes Mal trainieren.

Ach ja. Mein Serienmörder hat sich wirklich vor zwei Tagen sein HomeGym aufgebaut und mich davon so überzeugt, dass ich vielleicht auch gehen werde. Das erspart mir zukünftig zumindest die belegten Geräte im Fitnessstudio. Momentan haben wir noch nicht viel da, da die Lieferzeiten sehr lang sind, aber immerhin diverse Kurz- und Langhanteln.

• Ich hab doch fesagt, ich gehe hezte aus.

Meine Antwort fällt kurz und knapp aus, mit ein paar Rechtschreibfehlern - die mir aber erst morgen auffallen werden, wenn der Kater meinen Körper verlässt und ich mir den Chat nochmal durchlese.

Creep: Bist du betrunken?

• Bist du ein Mann?

Creep: ???

• Dumme Frage. Jaaaaaaaa natüelich!!!

Creep: 😶 mit wem bist du eigentlich unterwegs?

• Mit den Kerlen, wir haven Spaß.!?.,'und reden übers Heirateeen

Ich schiebe mein Handy zurück in meine Hosentasche und ignoriere die nächsten drei Stunden lang das regelmäßige Summen gekonnt. Meine Freunde schauen mich schon merkwürdig an und wackeln mit den Augenbrauen.
„Na, hast du etwa eine Freundin von der wir nichts wissen?", werde ich aufgezogen und ich lächele gequält.

Mist, denen habe ich nie davon erzählt, wie willkommen mir Männer im Bett sind. Auf dem Revier sind meine Kollegen aufgeschlossen, aber meine Schulfreunde sind absolut konservativ. Vielleicht nicht alle Homophob, aber ich würde es nicht darauf ankommen lassen wollen.

„Quatsch. Ich habe bloß einen Mitbewohner gesucht, ihr wisst schon, wegen der Einsamkeit, und meiner den ich bekommen habe ist leider sehr reinlich und möchte Müllpläne mit mir bereden, also wer ihn rausbringt und auch wegen der Sortierung und ... ja. Genau", stoppe ich mich schließlich, denn selbst meinem Betrunkenen Ich fällt auf, was ich da eigentlich Dummes von mir gebe.

Moonsuk klopft mir brüderlich auf die Schulter und sieht mich mitleidig an. Mich wundert es, wie er mich ansehen würde, wüsste er wirklich über meinen Mitbewohner Bescheid.

Ich entschuldige mich kurz und stehe auf wackeligen Beinen vom Tisch auf. Der Raum dreht sich ein bisschen und als ich endlich vor den Toiletten ankomme, lasse ich mich sicherhaltshalber auf den Boden sinken.

Mit tauben Fingern greife ich wieder in meine Hosentasche und brauche diesmal zwei Abläufe, bis ich mein Handy richtig zu fassen kriege.
Ich kneife konzentriert die Augen zusammen, um alle Zeichen auf dem Bildschirm zu entziffern.

Creep: Mit welchen Kerlen? Kenn ich die?
Creep: Vielleicht Yoongi, dein Cousin?
Creep: Hallo?
Creep: Wie viel trinkst du eigentlich?
Creep: Und wo bist du?
Creep: Taehyung, jetzt antworte Mal!
Creep: Wie kommst du denn nach Hause??
Creep: Verträgst du überhaupt so viel Alkohol?
Creep: Hey??
Creep: Was habt ihr denn alle da am Laufen?

Müde lecke ich mir über die Lippen und tippe mit Fingern, die mir nicht gehorchen, eine Antwort. Bevor ich sie aber abschicken kann, vibriert mein Handy erneut - diesmal ein Anruf von Jungkook. Träge gehe ich ran und halte mir das Handy ans Ohr, während mein vor Alkohol vernebeltes Hirn die hässliche Raufasertapete an der Wand gegenüber anstarrt.

„Wenn ich so tue, als wäre ich so von oben, ist das vielleicht ne Landschaft." Ich hikse. „Ein Gebirge oder so."

„Hä?"

Jungkook klingt alles andere als glücklich über meine neueste Erkenntnis.
„Bist du etwa gar nicht mehr in einer Bar? Wo bist du denn hingelaufen? Passt denn niemand auf dich auf?", flucht er und ich lache. Meine Zunge fühlt sich dabei angenehm schwer an.

„Ne. Ich mein ja nur", erkläre ich - oder eben auch nicht - und blinzele dann einmal, um etwas klarer zu werden.
„Hier ist übrigens Taehyung", stelle ich mich meinem Gesprächspartner vor und ernte nur ein Schnauben.

„Na, du bist ja echt nicht auf der Höhe. Bist du gerade bei den anderen?"
Ich muss echt sehr besoffen sein, denn der Mörder auf der anderen Leitung klingt gleichzeitig besorgt und eifersüchtig.

„Ne ne, wollte dir nur eben antworten." Ich brauche einen Moment, um meine Gedanken zu sortieren.
„Die Süßen dachten alle, ich wäre vergeben, weil du...", mir fallen die Wörter gerade nicht ein. „Naja, Dings. Mir geschrieben hast. Oft."

Es ist still in der Leitung, aber der Alkohol lässt mich einbilden zu sehen, wie Jungkook gerade wütend seine Kiefer aufeinanderpresst. Vielleicht verbringe ich auch zu viel Zeit mit ihm.

„Also möchtest du nicht, dass jemand von den Kerlen denken könnte, du bist vergeben?", fragt er schließlich gepresst nach und jetzt wirkt er sogar noch verletzt.

„Möchtest du ein Pflaster?"
„Was?"
„Egal", winke ich ab und sehe meiner Hand dabei zu, wie sie von einer Seite auf meinem Gelenk zur anderen Seite fallen kann.

„Die dachten ich hätte 'ne Freundin. Die wissen nicht, dass ich Kerle mag. Deshalb wollte ich dir alleine antworten", erkläre ich dann doch noch und hikse am Ende leise. Schließlich schniefe ich und ziehe meine Beine an.

„Es ist kalt auf dem Boden", schmolle ich. „Und dreckig."
Jungkook lacht zärtlich und mein Ohr freut sich ausgesprochen sehr über das Geräusch.

„Mein Ohr mag das. Mach das nochmal", fordere ich ihn lallend auf und wieder lacht er leise.
„Wo bist du Taehyung? Ich komme dich abholen", sagt er dann und ich schüttele den Kopf, wobei mir absolut schlecht wird.

„Dann sehen Dich doch Leute. Außer du setzt dir eine Tüte auf den Kopf."
„Es ist sehr spät und ich trage einfach eine Maske. Oder möchtest du noch länger dableiben?"
„Ich will ins Bett", nuschele ich wie ein Kind und lasse mich zur Seite auf den Boden kippen.

„Okay. Schick mir deinen Standort und ich bin gleich da. Taehyung? Hörst du mir noch zu?"
„Mmhhh", mache ich und brauche sehr lange, um Jungkook den Standort zu schicken, denn mein Handy glitscht mir immer wieder aus der Hand.

„Ich mach mich auf den Weg. Geh nicht weg, bleib da wo du bist, okay?"
„Machst du dir Sorgen?", kichere ich und schaue an die Decke. Meine Augen tränen etwas vor Müdigkeit.

„Wenn du dich selbst so hören könntest, würdest du dir auch Sorgen machen. Bis gleich."
Damit legt er auf und ich starre noch eine ganze Weile auf den Bildschirm, bis ich schließlich die Augen schließe und wegdöse.

Ich werde erst wieder wach, als ich mich schmatzend an eine Schulter schmiege. „Riecht hier gut", kommentiere ich leise und mache nicht einmal die Augen auf.
Ich reagiere auch nicht auf das leise Lachen, das Fluchen, als jemand versucht mit mir im Arm den Türcode zu unserer Wohnung einzutippen oder als ich endlich in meinem warmen Bett lande.

Trinkabende sind echt klasse.
Zumindest, solange ich noch nicht katere und den Abend Revue passieren lasse.

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