Er beäugte das blauhaarige Mädchen vor ihm. Sie hatte die Mundwinkel amüsiert nach oben gezogen und setzte ihre runde Brille ab, legte sie oben auf den silbernen, geschlossenen Kasten vor dem sie stand.
"Aha... Ja... Wir sollen jetzt also auf einem anderen Planeten sein?", wiederholte Ivan und unterdrückte dabei krampfhaft genervt zu klingen.
Das alles war so schrecklich, dass nicht mal er noch seine altbekannten Witze- die stets zur falschen Zeit zu kommen pflegten- reißen konnte.
Ihre Eltern waren nicht hier. Augenscheinlich.
Jetzt schien das alles an ihm hängen zu bleiben. Dabei sollte er eigentlich nicht hier sein, sondern weit weg von seinen Schülern.
"Ja. Ich meinte doch, dass ich von hier komme.", sie verzog ratlos den Mund und zuckte mit den mit Achseln,:"Wenn Sie nicht auf mich hören ist das nicht mein Problem, Mister Reid."
Ab diesem Satz war er gerissen. Sein sonst bei Kindern so stabiler Geduldsfaden, der alles auszuhalten vermochte, war nun seiner Schwachstelle unterlegen. Spührbare innere Hitze schlich sich drückend stark durch seine Muskeln, ließ diese unbehaglich anspannen. Er ballte die Hand zur Faust, presste die Lippen aufeinander. Wollte er sie nicht anschreien dafür, dass sie möglicherweise eine Krankheit hatte, aber dann noch diese Frechheit zu besitzen ihm zu unterstellen, seine Gefühlskulisse und Verwunderung sei seine Schuld war einfach zu viel des Guten.
Einige wütende Herzschläge lang verharrte er in diesem Zustand, ehe es ruckartig herunterfuhr und sich ihm die Frage auftat weshalb er darüber überhaupt so erbost war.
Glück hatte er nur dass seine Selbstbeherschung trotz allem noch nie nachgegeben hatte, auch wenn er gehäuft kurz davor stand.
"Okay...", grummelte er und schloss die Lider,:"Du musst wissen, dass deine Welt nicht in der Realität existiert."
Aislinn reagierte unerwartet darauf. Weder hielt sie sich die Ohren zu, noch argumentierte sie ungehalten dagegen, sie zog sich nur den langen Pullover aus und legte somit das rosane T-shirt frei was sie darunter getragen hatte, bevor sie weitere Notizen nahm:"Na wenn Sie das meinen..."
"Und ich beweise es dir sogar!", er deutete mit seinem Zeigefinger kurz auf sie, drehte sich um und stolzierte selbstsicher auf den Ausgang zu.
"Das ist vielleicht nicht so schlau, wenn Sie mir nicht glauben."
Ivan rollte mit den Augen, schaute sie über seine schmale Schulter hinweg an, beobachtete sie- wie sie wild an ihren Haaren zog um diese offen an sich herunterfallen zu lassen- und stöhnte auf:"Irgendwer muss dir zeigen dass du nicht in der Wirklichkeit lebst, auch wenn ich die am schlechtesten geeignete Wahl dafür bin.", er streckte seinen Arm in richtung der Tür aus, bewegte ihn hoch und runter- als wolle er ein Produkt anpreisen,:"Sieh' genau hin."
Rasch griff er zur silbernen Klinke um das natürliche Licht von Außen hineinzulassen und ihr zu beweisen, dass sich dort nicht ein anderer Planet, sondern vielmehr die normale Einkaufsstraße befand die sie zuvor etlanggeschlendert waren.
Mit einem knappen Ruck stieß er sie auf, zeigte dorthin, lenkte selbst den Blick kurz in diese Richtung und... erstarrte.
Seine Kinnlade klappte unbemerkt herunter. Er ließ den Arm vom Türgriff herunterrutschen ohne sich abzuwenden.
Für nichts mehr hatte er Interesse. Für gar nichts.
Starrte er doch nur auf das, was vor ihm war.
Keine Straße, nicht ein Auto, kein strahlend blauer Himmel. Nein, das dort war fremd. Das dort hatte er noch nie im Leben gesehen. Noch nie. Nichteinmal etwas vergleichbares.
Und das lag definitiv nicht daran, dass er selten herumreiste, sondern, dass dieser Ausblick einmalig war.
Seine Augen klebten fest an dem orangenen Firmament, dem rissigen, braunen Boden und der Klippe, auf welcher sie standen, oder direkt gesagt, auf welcher das Gebäude urplötzlich stand. Die Klippe, die nur mit einer kniehohen Wand abgeschirmt wurde, damit man nicht herunterstürzen konnte.
Er lehnte sich weit aus der Tür, streckte den Kopf heraus.
Ein Traum. Es fühlte sich so unecht und fern an.
Als sei das nicht real. Als könnte er schreien- derart laut wie er es aktuell wollte- und niemanden würde es stören. So als wäre er nur in seinem Kopf gefangen, würde schweben auf seinen eigenen Überlegungen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er Aislinn, die sich an die Wand lehnte und allwissend nickte:"Mhm, hab' ich ja gleich gesagt."
Ihre Anwesenheit fühlte sich an wie die einer Maschine, es war alles zu viel für seine Nerven. Er war maßlos überfordert, stellte schon in Frage ob er überhaupt zum richtigen Durchgang gegangen war.
Aber das war er. Er wusste es. Leider.
Ein Gesicht tauchte vor ihm auf. Schwungvoll blitzten ihn zwei gelbe, katzenähnliche Augen an. Zusammen mit einem breiten Grinsen was strahlend weiße Zäne mitsichbrachte.
Ivan schrie auf, sprang nach hinten, starrte das Vieh aus der Entfernung an.
Eine schlacksige, mit einem Menschen vergleichbar Kreatur. Lange Beine, eckiger Oberkörper, sehr rundes, hautfarbenes Gesicht.
Zwei aufsehenerregende weiße Engelsflügel prankten auf seinem Rücken, aber das war definitiv nicht einmal vergleichbar mit dem Gesicht des Wesens.
Die Nase lediglich ein knubbeliger Hügel mit kleineren Löchern, der Mund unnatürlich breit und schmal, wirkte gezerrt, ebenso wie das Albträume beschehrende Sehorgan, was dich schier durchleuchtete, alleinig schon durch diese Größe.
Es legte den Kopf zur Seite und gab klickende Töne von sich, während es Ivan unter die Lupe nahm.
Aislinn antwortete dem Geschöpf beiläufig, gab vergleichbare Klänge von sich, als sie dem braunhaarigen Mann, der sich mittlerweile auf den Boden gekauert hatte, kichernd zusah.
"Das ist Fester.", stellte Aislinn das eben aufgetauchte Monster vor, was die Lippen mittlerweile geschlossen hatte. Es trat zu Ivan, der daraufhin hektisch über den Boden rutschte, nach hinten wich. Diese Bestie war der blanke Horror. Wie es langsam auf ihn zukam, dabei leicht mit den Flügeln schlagend.
Ivan rollte sich zu einer Kugel, versteckte den Kopf hinter seinen Armen. Das Herz pochte ihm gegen seine Brust. Er konnte an nichts weiter denken als an das, was folgen würde, wenn dieses Vieh ihn jetzt umbrachte. Ungewollt zitterte er, betete, dass Aislinn etwas unternahm, hörte jedoch nicht zu, ob sie das Wort erhob. Viel zu sehr war er damit beschäftigt zu Wimmern und die braunen klumpigen Schuhe zu beäugen, die verrieten, wann 'Fester' denn endlich verschwand.
Er wollte von diesem Ding nicht gefressen werden.
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