Kapitel 30
Anfangs war es bloß eine in Dunkelheit gehüllte Person, doch als sie sich immer weiter nach vorne bahnte, wurde das Gesicht klarer.
Der Kerl, der hier hauste, war eine dieser Gestalten, die Ivan anfangs fälschlicherweise immer für Menschen gehalten hatte.
Diese fahle, gräuliche Haut, aber der dennoch humanoide Körper. Zwar eine außergewöhnliche Frisur, aber die hatte zweifelsohne jede dieser Kreaturen.
Während der Fremde sich über die knubbelige Nase rieb, begann Aislinn ein Gespräch mit ihm.
Auf ihrer Sprache.
Aber dieses eine Mal verübelte Ivan es ihr nicht, vielleicht verstand der alte Herr kein Wort Englisch.
Ihre Konversation war von etwas längerer Dauer, weshalb der Lehrer sie irgendwann fragte: „Was hat er jetzt gesagt?"
„Dass Zion-...", sie stockte, fügte kurz angebunden hinzu,: „Wirklich tot ist."
Das war kein geeigneter Zeitpunkt für soetwas wie ‚Habe ich doch gesagt'.
Er hatte Mitleid mit ihr. Auf irgendeiner zwischenmenschlichen Ebene.
Nachdem sie sich gedanklich wieder gefangen hatte, führten beide ihr Gespräch fort, wobei sie immer aufgedrehter und ungehaltener wurde.
Irgendwann trat sie ein wenig vor, zeigte auf den Mann, erhob einmal mehr ihre Stimme, woraufhin Ivan sich wieder einmischte: „Was beredet ihr jetzt?" Ihm stand definitiv zu, das zu erfahren. Glaubte er zumindest.
„Keine Zeit.", sie winkte hektisch ab,: „Es geht um Fester."
Und was gab dieser ihr für einen Grund, wieder aus ihrer Haut zu fahren?
War etwa was passiert?
Sie schüttelte den Kopf nach einer Weile und drehte sich ihrem irdischen Mitstreiter zu: „Er weiß, dass etwas gemunkelt wird, was genau aber nicht."
„Und wieso bepöbelst du ihn dann wie eine wahnsinnige?", erkundigte er sich trocken und schaute den Möchtegern-Menschen vor sich an.
„Weil er es herausfinden kann, aber keine Lust hat."
Verständlich einerseits. Wenn Ivan keinen Ansporn hatte, Tests zu korrigieren, tat er es auch nicht und erfand lieber Lügen vor seinen Schüler. Er hatte dann meistenteils ‚zu viel anderes zutun'. Was sie ihm auch mehr oder weniger abkauften, da er nur sehr selten Dinge auf die lange Bank schob.
Dennoch genügte es, um sich in die Lage des alten Alien–Wesens vor ihnen einsehen zu können.
„Und das bedeutet?", hakte er vorsichtig nach, weil er sich selbst aus ihrer Knappheit keine Lösung bauen konnte.
„Dass ich ihn dazu zwinge und er es jetzt macht."
Damit hätte man wohl rechnen müssen, wenn man sie kannte.
***
Und wahrhaftig, der Mann wandte sich in die andere Richtung und stolzierte weg, flankiert von Aislinn, die etwas mit ihm besprach.
Der Horror dieser sonst so normal wirkenden Kreatur die ihre Gruppe anführte sollte jetzt aber doch noch kommen.
Kaum hatte Aislinn ihren Satz beendet und war hinter ihn getreten, sah man zwei dicke Wülste auf der freien Stelle am Hinterkopf des Außerirdischen hervorkommen. Allmählich verfärbten sie sich rötlich, dass es ohne viel Fantasie einsetzen zu müssen, aussah, wie zwei große Lippen.
Und tatsächlich: Sie bewegten sich auch, als er sprach.
Wie war derartiges biologisch möglich?
Das ging nicht...nicht in seiner Welt. Aber das war ja auch der Punkt, oder etwa nicht?
Ivan presste sich den Arm vor den Mund
Einmal mehr entwich ihm ein unterdrücktes Fluchen- nur hörbar als durch seinen Ärmel gedämpftes Schnauben- als er sich wegdrehte. Kein Wunder dass er hier nichts aß, Wesen wie solche verdarben einem den letzten Appetit.
„Was macht er jetzt?", fragte er Aislinn, die neben ihm schlenderte, als wäre es ein Osterspaziergang.
„Ist kompliziert zu erklären. Sie würden es auch nicht verstehen wollen."
„Ich will es verstehen.", widersprach er flüstern und strich mit der Hand über einen kleinen Baum, dessen Blätter zusammen die Form eines umgedrehten Herzens ergaben.
„Dann verstehen Sie es trotzdem nicht, weil Sie einfach nicht den Verstand dafür haben."
Genervt kniff er Mund und Augen zusammen. Überlegte sich krampfhaft, ob er tatsächlich einmal mehr ihre Beleidigungen über sich ergehen lassen sollte.
Aber selbst wenn er sich wehrte, sie würde darauf nicht eingehen, sondern ihm stattdessen wieder mitteilen, dass er gefälligst den Rand halten sollte...
Wie eine Person, die jemanden mit standfesten Gegenargumenten von etwas überzeugen konnte wirkte sie definitiv nicht.
Ivan würde es zwar bald selbst sehen, aber seine kindliche Neugier und seine neurotische Angst drängten ihn dazu nachzuhaken, damit er notfalls umkehren könnte... Auch wenn er es wahrscheinlich dennoch nicht würde, weil er sich mittlerweile viel zu verantwortlich für Aislinn fühlte- vorallem wenn Fester nicht in der Nähe war.
Klar denken konnte sie scheinbar nicht. Andererseits war es verständlich, da ihr gerade bestätigt wurde, dass ihr bester Freund tot war.
Trotzdem: er wollte nachhause und nicht die Zeit in einem Gewächshaus verbringen, mit einem halben Menschen, dessen Lippen sich gerade auf seinem Hinterkopf befanden und trotzdem Worte formen konnten.
Ivan wurde urplötzlich schlecht zumute, weshalb er ein wenig angestauten Druck durch den geschlossenen Mund ausstieß und den Kopf in den Nacken legte, dabei spüren konnte, dass an seiner Nase kalte Luft wie ein Schleier im Wind unregelmäßig vorbeizog.
Es fühlte sich mulmig an, wenn man bedachte, dass diese ‚Wände' um sie herum reine, unklare Fenster waren.
Man hatte die Sicht auf nichts außerhalb. Konnte maximal dunkle verblörte Schatten erblicken.
Genauso gut hätte man auch gar keine Fenster einbauen können.
Er würde hier drin noch wahnsinnig wenn ihn nicht gleich irgendjemand einweihen würde.
Unbehagen ließ seine Beine pochen, weshalb er bei jedem viel zu langsamen Schritt den sie gingen die Füße schüttelte in der Hoffnung normale Gefühle wieder hineinzubringen.
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