Kapitel 3
Eine spührbare Spannung lag zwischen ihnen. Ein Kribbeln innerhalb des Klassenraumes.
Er zog scharf die Luft ein. Das war echt ein schlechter Scherz, aber als der geduldige Mensch als den man ihn kannte ließ er sich auf das Spielchen ein:"Na, dann fang mal mit deiner Erklärung an. Ich bin gespannt."
Die junge Schülerin kritzelte noch einen Moment auf dem Block herum, murmelte dabei abgelenkt:"Danke...", sie legte den Kopf schief und rollte mit den Augen,:"Nun gucken Sie doch nicht so. Ich hab' auch keinen Bock auf die ganze Sache hier."
Ivan lächelte. Das alles schien also doch nur eine öde Wette gewesen zu sein. Eine Erleichterung. Dennoch keine rechte Erklärung, wieso sie ihm an den Lippen hing wie ein wissbegieriges kleines Kind.
Sie schüttelte den Kopf: "Wahrscheinlich kaufen Sie mir die ganze Geschichte eh nicht ab, lassen Sie mich aber bitte trotzdem zu Wort kommen, vielleicht sind Sie für uns umgangsleichter als wir alle erwatet haben.", Aislinn drehte ihren weißen Kugelschreiber- der so schäbig wie ein billiges Werbegeschenk wirkte- zwischen ihren Fingern hin und zurück,:"Ich komme von Urania, direkt ausgedrückt aus Drapetomania- einer kleineren Siedlung... Mister Reid, unsere beiden Wellen sind gut kompatibel, wurde mir mitgeteilt. Wir bilden den Code der Einblicke auf die Entgültige Zerstörung meines Planeten entbehrt.", sie atmete tief durch,:"Wir wirken gemeinsam der Lacuna entgegen, sobald unsere Wissenschaftler alles richtig berechnet haben."
"Wa-....Was?", er betrachtete sie ruhig dabei wie sie wieder zum Stift griff und sich seine Worte notierte, während er überlegte. Das klang nach einer ziemlich ernsten psychischen Erkrankung wenn sie all das wirklich glaubte, wenn sie tatsächlich in dieser Traumwelt lebte, welche sicherlich aus einigen Videospielen und Filmen zusammengesetzt war. Es war an ihm sicherzugehen, ob alles in Ordnung mit ihr war, da es derzeit definitiv nicht diesen Anschein erweckte:"Das ist jetzt kein Spiel mehr, sondern eine ernste Frage: gehst du wahrhaftig davon aus, ein-... ein Außerirdischer zu sein?"
"Ja, ich weiß das, weil ich einer bin, zumindest für euch."
Er fuhr sich durch die Haare, trat von einen Fuß auf den anderen. Über soetwas konnte er wohl nicht hinwegsehen. Derartiges durfte er sicherlich nicht ignorieren. Es schien schon beinahe Zwang zu sein, jemand anderen darüber zu informieren- auch damit er nicht alleine mit einem Druck dieser Klasse leben musste. Falls ihr etwas zustieße wäre es mitunter sein Verschulden...
Bei diesem Gedanken zog es ihm eiskalt den Rücken herunter. Unbehaglich zog er die Zehen in den Schuhen ein, als er möglichst selbstsicher verkündete:"Nun gut... Ich würde gerne mit deinen Eltern reden. Wissen sie davon? Weiß die Schule von dem Problem? Das sollte man nämlich jedem Fachlehrer mitteilen eigentlich."
"Sie glauben mir also wirklich?"
Ivan wollte ihr den Gefallen erweisen und sie nicht mit aller Macht in die Realität zurückzudrücken versuchen, weshalb er trotz des Kloßes in seinem Hals antwortete:"Ja."
"Na, hallo! Das ging ja echt rasend schnell! Wann können Sie genug Zeit aufbringen?", sie strahlte ihn zufriedegestellt an.
"Es... würde mir heute oder morgen am besten passen, wenn es recht ist.", Unsicherheit hatte sich wie ein Film auf seine Stimmnbänder gelegt, ließ die Worte kratzig und leise erklingen.
"Toll! Ich hab' jetzt auch nichts mehr vor. Meine Eltern sind so gut wie immer da. Wir können jetzt gleich hin wenn Sie wollen?"
"Ähm...", er geriet in's Stocken,:"Also ich weiß ja nicht so recht... Wo wohnst du denn überhaupt? Soll ich nicht lieber später kommen? Wir können doch schlecht mit der Tür in's Haus fallen. Meinst du nicht dass es angebrachter wäre, wenn du sie ein wenig vorher davon in Kenntniss setzt?", er wollte schlicht und ergreifend nicht so voreilig handeln, traute sich jedoch nicht es ihr geradeheraus in's Gesicht zu sagen, weshalb er sich zur Aufabe gemacht hatte sie indirekt umzustimmen, worauf sie sich wiederum scheinbar nicht einlassen wollte: "Ach nö, die stört sowas doch nicht... Euch Menschen etwa?", sie deutete ihm durch eine knappe Hanbewegung dass er mit seinen nächsten Sätzen warten solle, weil sie erst zuende schreiben müsse.
Erst als sie die knochige Hand wieder herunternahm, begann er- verkniff sich dabei angestrengt ein Augnrollen-: "Deine Eltern denken auch sie sind Aliens? Verstehe ich das richtig?"
"Sie haben's nie so gesagt, aber ich denke ihnen ist das klar.", sie beäugte ihn abwartend,:"Wollen wir dann also jetzt schon gleich los? Wir können erstmal zu Fuß hingehen. Achso, Sie wollen sicher noch Sachen packen, oder?"
"N-Nein... Ich denke das wird nicht nötig sein...", eine komische Frage war es gewesen. Was sollte er schon brauchen? Nahm sie ernsthaft an, sie würden jetzt auf einen anderen Paneten fliegen?
Ihm war mulmig zumute wenn er daran dachte mit einem verrückt gewordenen Teenager- dessen Lehrer er war- durch die Straßen zu maschieren... Aber was tat man sich nicht alles für die Arbeit an?
Unbeholfen flitzte er hinter ihren zügigen Schritten hinterher. Ließ sich durch die engen Straßen führen ohne den Weg infrage zu stellen.
An der abgelegensten Ecke bekamen sie kritische Blicke von einer Hand voll Jugendlicher zugeworfen, die auf den Mülltonnen hockten und ihnen die Rauchwolken ihrer Zigaretten entgenpusteten. Der eine im dunklen Markenpullover schien im Inbegriff gewesen zu sein, Aislinn etwas an den Kopf zu werfen, doch als diese warnend die Augenbrauen hob und mit einem kurzen Nicken auf den Mann hinter sich verwies, blieb der Kerl still.
Sie entfernten sich aus der beängten Gasse, bogen scharf um, wobei sie sich leicht um eine mit Stickern beklebte Laterne drehte. Er schloss zu ihr auf, ging diekt neben ihr, als sie beiläufig erklärte:"Die Jungs und ich kennen uns schon."
Verwundert verzog Ivan den Mund, zeigte mit dem Daumen über seine Schulter zu der Richtung, aus welcher sie soeben gekommen waren:"Diese Gang dorthinten?"
Behutsam schlug sie ihr Buch auf, blätterte gemächlich in den Seiten und notierte sich etwas:"Ja, wir hatten schon die ein oder andere interessante Unterhaltung miteinander."
"Ich lege dir an's Herz, halte dich von solchen Typen fern, die bringen dir nur Ärger ein."
Sanft, dennoch beneindenswert schnell gleitete ihr Stift über das gelbliche Papier:"Das sagen alle, oder?"
"Möglich, ja, aber man sollte mir vertrauen, wenn ich sage, dass es das echt nicht wert ist."
"Vor mir haben die Respekt.", versuchte sie ihn abzuschütteln, damit sie nicht weiter schreiben müsse, doch ließ er sich nicht davon beirren:"Ein typisches Badgirl willst du sein, mh? Das macht solche Kerle nur noch aufmerksamer, ich wäre vorsichtig, an deiner Stelle."
"Reden Sie doch zukünftig ein bisschen langsamer, ja?", sie preschte vorwärts, dass er ihr wieder hinterhertrottete und kopfschüttelnd beschloss das Thema sein zu lassen, sie würde ohnehin nicht auf einen 'alten Herren' wie ihn hören. So würde sie es irgendwann von alleine lernen müssen. Hoffentlich nur nicht so wie er.
Weit konnte die Strecke nicht mehr sein, da sie begann in den Untiefen ihrer Tasche zu kramen und schlussendlich einen vereinzelten Schlüssel herauszog und führsorglich über seine Oberfläche strich.
Selbstsicher steuerte Aislinn auf ein schwarzes Haus mit flachen Dach zu.
Es passte definitiv nicht zu den restlichen cremegelben und weißen Fassaden, aber es schien auch neu gebaut. Unnatürlich schnell sogar. Vor über einem Monat erst war Ivan hier entlang gegangen und hatte die leere Baustelle begutachten können an dessen Stelle nun dieses Gebäude prankte.
Es war schon ein merkwürdiger Anblick. Die ganzen dunklen Ziegel welche sich in die Höhe zogen und die einzelnen vier Fenster umfassten vor welchen ein dunkles Rollo hing, die einen direkten, erhaschenden Blick in das Innere verhinderten.
Er konnte Aislinn gar nicht so schnell mit seinen Augen folgen, da hatte sie sich schon durch den Spalt der Eingangstür gequetscht und war somit aus seinem Sichtfeld verschwunden. Ivan überlete sich jetzt schon Sätze, wie er den Eltern das Verhalten ihrer Tochter möglichst sanft nahebringen könnte.
Ein unwohles Brummen entwich seiner Kehle, bevor er tief durchatmete und der jungen Schülerin folgte. Hinein in das Ungewisse.
Es war komplett dunkel im Zimmer, nur kurz hatte er nach vorne spähen können, zur minimalistischen Einrichtung des Flurs, ehe er den Zugang hinter sich geschlossen hatte und komplette Finsternis das Zimmer tränkte. Ein wenig panisch wurde ihm zumute, er hielt sich bereit jederzeit wieder hinauszustürmen falls Aislinn auf ihn losgehen würde. Man konnte nie wissen und vorallem er ging stets auf Nummer sicher.
Hektische Schritte waren hörbar, gefolgt von dem Kommentar:"Moment noch."
Ein dumpfes Tippen, als klopfe jemand mehrfach leicht mit seinen Fingernägeln auf einer Heizung herum, drang zu ihm durch als er die Stirn in Falten zog.
Wie eine Ewigkeit fühlte es sich an, dass er hier wartete, als mit einem weiteren, schrillen Klingen die weißen, strahlenden Lampen über ihnen aufleuchteten, erst mehrfach kurz schienen, bevor sie sich jäh zu einer stetigen Flamme bildeten, die Einblick in den schmalen Korridor gewehrte.
Die Sterilität wirkte erschlagend. Eine derart moderne Wohnung sah man wahrlich nicht alle Tage. Helles Linoleum in Holzoptik zog sich in die Länge, wirkte farblich passend zu den fliesenähnlichen Steinvertäfelungen an den hohen Wänden. Ein weißer Schrank nach dem anderen erstreckte sich rechts neben ihn. Ansonsten war er lediglich in der Lage, den Stromkasten neben sich, gefolgt von einem leeren Beistelltisch und einer anschließenden Tür zu erspähen.
Bei dieser Einrichtung war es kaum verwunderlich, dass die Kleine sich einbildete ein Alien zu sein. Vielleicht sollte er mit ihren Erziehungsberechtigten besprechen, dass sie ihr Möbiliar ändern sollten... Solange sie diesbezüglich keine Fanatiker waren, was wiederrum derzeit nach dem den Anschein erweckte... Er seufzte. Hoffentlich waren zumindest sie dann nicht der Annahme übernatürlich zu sein.
Es kam ihm vor als stecke er mitten in einem schlecht geratenen Film. Und er wünschte dennoch es wäre einer, das würde ihm eine Menge Unnanehmlichkeiten ersparen.
Ivan schritt den Gang entlang, spähte hinter die Schrankwand, bei welcher sich Aislinn versteckt hatte und gerade einen weiteren Kasten an der Wand zudrückte, mit einer Hand wieder zu ihrem Notizbuch greifend: "Wir sind schon da und können gleich rausgehen, ich will nur noch diese Sachen hier ablegen."
Er öffnete den Mund und zog die Augenbrauen zusammen. Ihm war aufgefallen dass sie schon da waren, das mussten sie nicht erwähnen. Und vorallem wieso rausgehen? In den Garten etwa?
Trotz Verwunderung wartete er geduldig, fragte sich wieso man bei diesem Herbstwetter noch draußen sitzen sollte... Aber in diesem Haushalt war scheinbar alles anders.
"Wenn Sie sich trauen können Sie schon alleine raus, Mister Reid.", sie deutete mit dem Zeigefinger über seinen Kopf hinweg- wobei sie sich auf Zehenspitzen stellen musste damit ihr das erst möglich war- zu der Tür durch die sie gerade gekommen waren.
"Hä? Wieso soll ich wieder auf die Straße?", fragte er und beobachtete sie beim Schreiben, weshalb er mit seinem Tempo wieder herunterfuhr,:"Wohnt ihr etwa getrennt?"
"Ach nein.", sie lachte auf,:"Wir sind angekommen.", als er weiterhin nur nichts verstehend dreinblickte, erklärte sie genervt:"Wir sind auf meinem Planeten. Jetzt gerade stehen wir auf uranischen Boden. Das vor der Tür ist Urania."
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