Kapitel 23

Ein Baum- erschreckend ähnlich einer normalen Eiche- hatte das Haus zum Einsturz gebracht. Hatte Balken und Träger unter sich erdrückt, dass man das Gebäude lediglich an Schutthäufchen an den Seiten erahnen konnte.

In Vollkörperanzügen gehüllte Geschöpfe gingen von einer Seite zur anderen, inspizierten den Platz.

„Nein!", brüllte Aislinn, als sie einen Meter nach vorne preschte, jedoch nicht weiter kam.
Ivan hatte sie an der Taille gepackt, zog sie zurück, hielt sie fest in seinem Griff, während sie sich verzweifelt herauszuwinden versuchte.

Ihr Freund wollte doch nachhause gehen. Zion könnte unter den Trümmern liegen. Er könnte tot sein.

„Wir dürfen dort ganz sicher nicht hin.", flüsterte Ivan ihr zu, während sie mit den Armen herumruderte, als drohte sie zu ertrinken und wüsste nicht wie man schwamm.

„Ich darf das!", schrie sie entsetzt und schlug mit den Fäusten auf ihn ein,: „Lassen Sie mich sofort los!"

Ihre Bewegungen waren so von Wut und Verzweiflung getränkt, dass sie unkoordiniert das tat, was ihrem Gehirn sekündlich in den Sinn kam.

Sie wollte niemanden verlieren.
Vor allem nicht ihren Freund. Den, mit dem sie ihr gesamtes Leben verbracht hatte. Seit dem Kindesalter an.
Seitdem sie denken konnte.

Niemand wollte Verluste eingehen. Gleichgültig welche Spezies.

Aislinn entwich ein lauter, kratziger Ton, ehe sie nach hinten ausholte und Ivan den Ellenbogen in den Bauch rammte, woraufhin dieser zurückwich, ausschließlich ein gestöhntes: „Spinnst du?", von sich brachte.

Sie unterdessen nutzte ihre neugeborene Freiheit um vorzupreschen, das alte Gartentor aufzustoßen und an die Baracke heranzutreten.

Blind vor Wut stürmte sie an all den umstehenden Personen vorbei, stellte sich direkt vor den ehemaligen Eingangsbereich des Einfamilienhauses.
Dahinter hatte der kleine beschauliche Flur gelegen, jener, in dem sie sich manches Mal versteckt hatte, nachdem sie sich hereinschlich um ihn zu erschrecken.

Die Hoffnung loderte wie eine unbändige Flamme in ihr, dass er hinter ihr auftauchen würde und einen seiner dummen Wortwitze riss, die wieder so stumpf waren, dass sie schon lustig schienen.
Er konnte nicht tot sein. Das würde er ihr nicht antun.

Als hätte diese bemitleidenswerte Person etwas an dem Geschehen ändern können, wandte Aislinn sich direkt zu dem Mann einige Schritte entfernt von ihr und keifte ihn an, fragte ihn auf ihrer Sprache was zum Teufel mit Zion geschehen war.

Ivan hatte sich derweilen beruhigt, war sogar einen Schritt vorgetreten. Beobachtete nun das blauhaarige Mädchen wild auf einen Herren- welcher abgesehen von der fahlen, grauen Haut und dem merkwürdigen Haarschnitt, der die Hälfte seines Hinterkopfes noch zeigte, einem Menschen zum verwechseln ähnlich sah- einschimpfte.

Ivan wäre tatsächlich sogar zu ihr gegangen, hätte ihn die Feststellung dass er auf einem anderen Planeten als wohl einziger Erdling war nicht davon abgehalten.
So geduldig- als warte er darauf, dass die Nachrichten anfingen- beobachtete er sie, war gespannt darauf, was sie später zu berichten hätte.

Auch er hatte Angst, dass jemand umgekommen sein könnte, er hatte diesen Riesenkäfer immerhin auch kurz davor noch gesehen. Es wäre unvorstellbar, wenn er jetzt verscholl.

 

Ruhe legte sich über die Landschaft. Ein jeder hatte sein Augenmerk auf Aislinn gelegt, die rot wie eine Tomate ungehalten gestikulierend auf das Haus und anschließend wieder auf sich zeigte. Immerhin schrie sie nicht mehr wie eine Wildgewordene herum, sondern hatte ihre Lautstärke zu einem säuselnden Flüstern heruntergefahren.

Aber dieser angenehme Zustand sollte nicht von langer Dauer sein. Eine Person die versteckt zwischen einigen Büschen stand meldete sich zu Wort, doch wurde direkt von ihrer lauten, derzeit erstaunlich schrillen Stimme unterbrochen.

Trotzdem er keinen Ton verstand, ließ sich für Ivan erschließen was sie gerade auszudrücken versuchte.
Sie wollte erfahren wo Zion war und würde nicht mit sich handeln lassen, sie würde dieses Grundstück nicht verlassen, ehe sie erfahren hatte was sie wollte.

Ivan schämte sich für sie, so sehr, dass er spürte, wie auch er errötete. Sie zu kennen, geschweige denn mit ihr gesehen zu werden, war ihm im Moment zu peinlich.
Er drehte sich weg, trat eine Stufe der Treppe hinunter, damit keiner der dort anwesenden ihn sofort sehen und mit ihrem Verhalten assoziieren konnte.

Und so schlecht wie er sich dafür auch fühlte: es reichte ihm schon wenn einer von ihnen sich bis auf das äußerste blamierte. Damit mussten sie sich nicht beide bloßstellen.

Er scharrte mit dem Hacken seines Schuhs zwischen den sauberen Fugen zweier Steine, doch keine drei Sekunden später stürmte ein Schatten um die Ecke und brachte ihn zum Zucken.
So schnell hatte er wahrlich nicht wieder mit ihr gerechnet.

„Sprechen Sie mich nicht an, wenn Sie ihre Zunge behalten wollen.", zischte Aislinn, stolperte dabei über ihre eigenen Worte, sodass der Hauptteil kaum zu verstehen war.

Verwirrt hüpfte er zur Seite, machte Platz, dass sie wieder vorhechten konnte, die Treppe zurück nahm, als habe sie zuvor nie Erschöpfung davon abgehalten.
Ein jeder der auch nur ansatzweise mitdachte könnte sich denken, was ihr durch den Kopf jagte, was vielleicht zu ihr gesagt wurde.

Jeder ging mit Trauer anders um, war es unter ihrer Spezies womöglich üblich aggressiv allem und jedem gegenüber zu werden.

Oder wussten diese Arbeiter dort gar nicht, wo Zion überhaupt war?
Je mehr man darüber nachdachte, desto mehr Theorien tauchten auf.
Durch ihr Verhalten ließ sich zwar viel schließen, gleichzeitig aber auch viel zu wenig.

Und wenn sie ihn zuvor so angiftete wollte er definitiv keine Fragen stellen, stattdessen war er gezwungen ihr- wie fast immer- hinterherzulaufen, als sei er ein Hund der keine Ahnung hatte wohin sonst mit sich.

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