Kapitel 2

Schon der nächste Start in den Tag stellte ein Paradebeispiel für die entgültige Eintönigkeit da. Nicht dass es ihn störte, er fühlte sich wohl und geborgen,  kam gut damit aus wenn nichts passierte, dennoch änderte dies nichts daran dass ab und an der Wille in ihm wach wurde etwas zu ändern. Urlaub brachte ihn nur bedingt aus diesem Trott. Kaum war er zuhause, nahm alles wieder die gewohnten Anstalten an. Aber zumindest blieb ihm unter diesen Umständen allemal genug Zeit seine Hobbs an den Wochenenden auszuleben- hätte er denn welche.
Wenn man ihn nach seinen Interessen fragte, gaukelte er jedermann vor, dass er zu beschäftigt sei- viel zu viel in seiner Freizeit unternahm- als dass er noch irgendetwas machen könnte, aber dies war die weitaus größte Lüge die er je erzählte. In Wahrheit verbrachte er freie Stunden nur eingeschlossen in seiner Wohnung vor dem Fernseher oder mit einem Buch in der Hand.

Man könnte annehmen dass er ein guter Englisch- und Philosophielehrer wäre, doch würde ein jeder seiner Schüler das komplette Gegenteil behaupten. Er war ruhig und gelassen, ja, aber anscheinend wirkte er einschläfernd. Konnte er nicht selten Gespräche anhören in denen er als 'die Langeweile in Person' bezeichnet wurde. Ihm war das ziemlich gleichgültig, selbst wenn es zu stimmen schien.

Die Jugendlichen verwendeten den Unterricht bei ihm größtenteils dafür soziale Netzwerke zu durchforsten, sich auf andere Fächer vorzubereiten, oder ihre Schulmaterialien bunt anzumalen. Einige schliefen auch, was ihn wiederrum keinesfalls störte. Es war ihre Zukunft die sie sich damit versauten, nicht seine Schuld. Er zog den Stoff durch- hatte auch kaum eine andere Wahl als das- und erfreute sich an den wenigen Meldungen von den gleichen Personen die ihm entgegenschlugen.

So musste man sich vorstellen, wie ein hagerer Mann vor einer Gruppe Heranwachsender stand und ziemlich verloren wirkte, während er der geringen Anzahl an ihm Beachtung schenkender Schülern etwas zu erklären versuchte.

Je älter die Schüler wurden, desto stiller wurden sie bei ihm. Aber keine zwölfte Klasse dieser Welt schien an die '10 d' heranzureichen. Dort waren alle sehr kreativ, hielten ihre Hefter schön verziert, andererseits änderte dieser Fakt nichts daran dass sie unter diesen Umständen einfach nichts lernen konnten. Er arbeitete mit durchschnittlich zwei Schülern und selbst die hatten nicht selbstverständlich ihre Hausaufgaben vorzuliegen. Dabei erwartete man in diesem Alter schon ein gewisses Maß an Reife und Selbstständigkeit, woran sich definitiv nicht alle hielten. Vorallem nicht sie.
Umso verheerender war es, dass er so häufig mit ihnen seine Zeit verbringen konnte. Und an diesem Tage gleich ganze zwei Stunden lang.

Zu genervt war er derzeit, hatte darum ohne große Umschweife wahllos Wiederholungs-Aufgaben zum Thema Stilmittel aufgegeben. Er hatte kein Interesse daran bloß wieder das Gefühl zu haben mit der Wand zu reden. Obwohl diese um einiges ansehnlicher war als die depressiven Gesichter der Jugendlichen vor ihm.
Ivan ließ sich auf seinen Stuhl sinken, starrte das Klassenbuch vor ihm an, bevor er den Kopf anhob um einen Blick über die Masse zu werfen.
Unwillkürlich riss er die Augen auf als er feststellte, dass ein Arm hochgestreckt wurde. Begeistert wie ein Hund wenn er zu lange sein Herrchen nicht mehr gesehen hatte fragte er:"Ja, was gibt's?"
Aber es sollte keine Frage sein, zumindest keine wie er sie sich erhofft hatte. Es handelte sich nicht um den Stoff, sondern darum, die Toilette aufzusuchen.
"Mach schon.", er winkte ihn durch und drückte seine Wange beim Aufstützen mit der Hand hoch.

Auf leisen Sohlen schlich Ivan durch die Reihen, betrachtete dabei unauffällig auffällig die Ergebnisse der Schüler. Las sich die einzelnen niedergeschriebenen Zuordungen genauestens durch um festzustellen auf welchem Wissensstand sie waren, oder was sie bei ihrem vorherigen Lehrer möglicherweise nicht behandelt hatten. Grundsätzlich zeigten sich die Ergebnisse die er erwartet hatte. Es fiel mäßig gut aus.
Trotzdem schien es vorbestimmt zu sein dass noch einer aus diesem Kurs ihn verwundern musste.

Er schaute über die zarten Schultern einer Schülerin die seit einer Woche hier war. Ließ sein Augenmerk über das kleine Heft schweifen was sie benutzte. Zog die Stirn in Falten, als er ihre kleine Schrift begutachtete.

Jeder Satz den er gesagt hatte, völlig gleichgültig ob er dem Unterrichtsstoff angehörte, hatte sie dort aufgelistet, selbst das kurze Gespräch mit dem Schüler vor einigen guten Minuten hatte sie dokumentiert. Jedes Mal wenn er geseufzt, oder sich die Schlefen gerieben hatte stand in Klammern geschrieben. Am Rande waren mit Bleistift kleine Notizen vorgenommen worden. Pfeile die zu fremden Symbolen zeigten die sich eng aneinandergedrängt hinunterzogen.
Er hatte schon viele Arten von Schmierereien gesehen, aber das hätte man- wenn er es nicht besser gewusst hätte- leicht als eine Geheimschrift ansehen können. Das war aber eher weniger sein Problem, sondern vielmehr der Fakt, dass jeder Atemzug seinerseits sprichwörtlich auf Papier niedergelegt wurde.

Er schluckte schwer, fasste ihr auf den Rücken, als er sich vorlehnte:"Ähm...", ihm fiel kaum ein wie er sich zu etwas derartigem äußern sollte. Ihm war das überaus suspekt. Sein Kopf wurde von tausenden Theorien überschwemmt. Den wildesten Ideen.
Von Verschwörungstheorien, über zu Stalking und einfachen Problemen in Englisch war so gut wie alles vorhanden.
"Wir reden in der Pause mal miteinander, ja?"
Sie nickte angedeutet und ließ ihren Stift weiter über die Linien gleiten.

Diese kleine Dame hatte er noch nie sprechen gehört. Möglicherweise kam sie aus einem anderen Land und bemühte sich deshalb alles mitzunehmen und es sich zu übersetzen... Andererseits waren jedoch alle Worte korrekt geschrieben. Sie schien ihn zu verstehen. Das musste sie rein vom logischen einfach.

Was war also mit ihr los? Hing sie ihm etwa so an seinen Lippen weil sie ihn heimlich mochte?
Ihm lief ein eiskalter Schauer den Rücken herunter und er schüttelte sich. Das wäre bedenkenswürdig. Nur sollte er keine wilden Gerüchte aufstellen, sondern auf ihre Erklärung warten.
Auch wenn sich die nächsten Minuten in das Ewige hinziehen würden...

Ivan war ziemlich hellhörig geworden, leicht paranoid, beobachtete jede Person im Raum ob sie auch derart intensiv lauschten, aber nein. Niemand schrieb, mit Ausnahme von der jungen Frau mit den tief dunkelblau gefärbten Haaren in der letzten Reihe.

Das Klingeln erlöste ihn aus seiner Anspannung und er wartete unauffällig darauf, dass die zierliche Schülerin in dem weiten, grauen Pullover zu ihm kam. Sie hatte ihre wilden Wellen in einen lockeren Dutt zurückgesteckt, in dem ein Stift befestigt war. Ihr Notizbuch hielt sie noch immer in der Hand, scheinbar bereit weitere Sätze aufzuführen.

"Ja, Mister Reid?", fragte sie sanft und schielte unschuldig zu ihm hoch. "Ich will mal direkt sein und frage gerade heraus, wieso dokumentierst du jedes einzelne meiner Wörter?"
Irritiert betrachetete er sie, wie sie es wieder tat und fügte deshalb etwas eindinglicher hinzu,:"Hallo? Aislinn?"
"Unsere Wellen sind kompatibel, deshalb."
"Ich bin vierunddreißig, das geht nicht.", er riss die Augen entrüstet auf.
"Sie verstehen das nicht."
"Allerdings, jetzt erklär es mir und leg' das Ding zur Seite." ,  Ivan wollte es ihr wegreißen, doch sprang sie einen Schritt nach hinten und murmelte hektisch:"Das geht nicht, ich werde es Ihnen gleich erklären.", Aislinn vollendete ihre Notiz und guckte ihn das erste Mal richtig an,:"Ich komme von einem anderen Planeten. Da-"
"Ja, so komm' ich mir hier auch manchmal vor. Jetzt hör auf mit den Spielchen und sag' die Wahrheit."

"Versuche ich doch gerade.", nuschelte sie wieder an ihr Heft gewandt,: "Ich bin das, was ihr Menschen als Alien bezeichnet, also lassen sie mich zum Punkt kommen, meine Güte."

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