Kapitel 12
"Wieso nur?", murmelte Fester sich selbst meckernd zu, während sein Blick über die damalige Einrichtung der Küche schweifte.
Ein Beet aus Scherben lag dort vor ihm. Alte Töpfe, ehemals hochwertiges Porzellan. All jene Erbstücke, die sonst über Generationen hinweg ihre Dienste leisteten, standen nun ihrem Ende gegenüber. Die feinste, exakte Handarbeit war vergoldet.
Ein einziges Trauerspiel lichtete sich dort vor ihm ab.
Hatte er- so sehr er in Gedanken versunken war- nichteinmal bemerkt, dass Ivan hinter ihm stand und ihn beobachtete, da dieser keine Ahnung hatte wo sonst hin mit sich, immerhin war Aislinn in das Obergeschoss verschwunden.
Die dürre, engelsähnliche Kreatur wollte jedoch- wie sie- nur Ordnung schaffen.
Er kniete also nur auf dem Boden, strich Staub und Sand von einer der wenigen Teekannen- diese ein Original aus England- die den Sturm wie auch immer unbeschadet überstanden hatte.
Unzufrieden seufzte er, ehe er sich erhob und langsam die Scherben der Fenster auf einen Haufen zu sammeln begann.
Die Verglasung auf Urania erfolgte mit dem Stoff 'Monachopsis' anstatt durch tatsächliches Glas. Dieses Material nämlich war recht billig und einer der wenigen Rohstoffe die in der Gegend sehr häufig vorkamen.
Jedoch war es alles andere als Bruchfest. Diente es auch vielmehr dazu, dass die Kälte der langen Nächte nicht in das Innere der Wohnungen kriechen konnte, als weniger zum Abschirmen gegen schlechtes Wetter.
Es gab auch kaum wirkliche Umweltkatastrophen. Regen und Gewitter ja, alles darüber hinaus nicht. Nichteinmal kleine Tornados, die über Ackerlandschaften hinwefegen könnten. Die Gegend war friedlich. Dieser Sturm kam aus dem Nichts.
Kaum hatten sich fünf Splitter auf einem Platz angesammelt, unterbrach ihn eine Stimme von hinten: "Fester...?"
Dieser wandte den Kopf herum, ließ sein Augenmerk über Ivan streifen, ehe er den Boden unter sich anschaute: "Entschuldigung, sir."
Ersichtlich musste Ivan sich selbst einen Ruck geben, einen geeigneten Satz zu äußern: "Soll ich dir helfen klar Schiff zu machen?"
Fester lächelte leicht als er mit zurückgehaltener Stimme antwortete: "Das müssen Sie wirklich nicht, trotzdem danke."
Es war nicht ganz erkennbar, ob er das gesagt hatte, weil er sich nicht aufdrängen wollte, oder weil er tatsächlich keine Lust auf Ivan hatte.
Der würde sich aber selbst dann nicht davon stören lassen.
"Bevor du dich aber wieder schneidest...", Ivan zuckte mit den Achseln und fügte mit sarkastischem Ton in der Stimme hinzu,: "Ich bin ja gezwungen mit dir klargekommen, damit ich keine Angst haben muss, dass du mich beim Schlafen umbringst."
Sein Gegenüber lehnte sich an eine Theke, schlug die Beine übereinander und verkreuzte die Arme vor der Brust, während er ihn breit angrinste und seine schneeweißen Zähne präsentierte: "Ich versuche mich erträglich Ihnen gegenüber zu verhalten."
***
Das mit dem Aufräumen ging schneller als beide erwartet haben. Kurz bevor sie am Ende dieser Aktion angekommen waren, konnte Ivan auch nur noch an einem schmalen Tisch in der Ecke sitzen und das Alien dabei beobachten, wie er außergewöhnliche Behältnisse in einen Wandschrank sortierte.
Der braunhaarige Lehrer nutzte die Ruhe geschickt aus um in ein Gespräch zu starten: "Du tust mir also wirklich nichts?"
"Keinesfalls. Ich zügle mich zukünftig und befasse mich mit den Regeln Ihrer Gesellschaft."
"Solange du mich nicht wieder von einer Klippe stürzt...", neckte er den Angestellten auf der anderen Seite, der gerade dabei war eine Schublade zu schließen und ohne sich umzukehren unzufrieden schnaufte: "Das werden Sie mir wohl ewig vorhalten, was? Keinen Grund zur Beunruhigung, sir, es kommt nicht mehr vor."
"Dann brauchst du dich nicht stundenlang mit den menschlichen Regeln zu befassen, dann bin ich schließlich schon zufrieden."
"Aber ich mit mir selbst nicht.", widersprach Fester und nahm sich die Freiheit, gegenüber von Ivan Platz zu nehmen, bevor er ergänzte: "Ich erweitere gerne meine Horizonte."
"Räumt Aislinn alleine auf?", wechselte sein Gegenüber schlagartig das Thema, weil er keine Ahnung hatte was er dem sonst beifügen könnte.
"Viel ist glücklicherweise nicht zubruch gegangen, sofern ich es sehen konnte. Lediglich eine Pflanze ist heruntergefallen und...", Fester zuckte mit den Achseln und verzog mitfühlend das Gesicht,: "Das liebste Erbstück des kleinen Fräuleins ist ebenfalls dem Wetter erlegen. Leider.", er klang schuldbewusst. Als hätte er das alles aufhalten können.
"Ohje...", aktuell brannte ihm definitiv zu viel auf der Zunge, weshalb Ivan eine Frage nach der anderen äußerte, erleichtert dabei, dass sein Gesprächspartner sich widerstandslos darauf einließ,: "Sie heißt doch bei euch nicht 'Aislinn', oder? ... Habt ihr euch Namen in meiner Sprache ausgedacht, oder wie muss ich das verstehen? Ich meine, ihr redet so...ähm... anders. Bei euch gibt es keine richtigen Worte."
"Hm...", Fester rieb die knochigen Hände aneinander,:"Nun, wir wissen nicht weshalb, jedoch bin ich in der Lage Wörter- ebenso Namen- innerhalb von Sekunden zu übersetzen ohne jemals Vokabeln gelernt zu haben. Das ist auch der Grund weshalb ich Englisch so fehlerfrei beherrsche."
Gerade als Ivan gegen den Mangel an Logik kämpfen wollte, kam Aislinn um die Ecke getrottet, weshalb Fester neben ihm gleich aufstand.
Irritation legte sich auf seine Mimik, als sie ihr humanoides Gesicht in seinen dünnen Alien-Arm drückte und sich spührbar ein Schluchzen verkniff.
Die Küche hüllte sich in Stille. Man wartete darauf dass sie etwas sagte, doch erst nach einigen unsicheren Sekunden fand sie zu verwaschenen Worten: "Ich ruhe mich aus... Weck' mich, wenn Zio sich meldet."
Fester brummte zustimmend, überlegte, wie er sie trösten könnte: "Ich schaue später, ob sich daran noch etwas machen lässt, ja?"
"Daran gibt es nichts mehr zu machen. Es ist für die Tonne.", sie löste sich von ihm, ignorierte Ivan und schlurfte hinaus, meinte noch knapp,: "Ich hab' heute keinen Hunger mehr, Fester, also gute Nacht."
"Ruhen Sie sich aus.", rief er ihr noch leise hinterher, maximal so laut, damit sie es vernehmen konnte und auch Ivan nuschelte ein knappes 'Nacht' hinterher.
Festers Stirn schlug Falten und er schüttelte den Kopf. Wohl hätte er damit rechnen müssen dass es sie so mitnahm. Sie hing an dieser alten Schatulle.
"Jetzt schon schlafen?", platzte es aus Ivan heraus. Er hatte in Fester endlich jemanden gefunden, der all seine Geistesblitze in Frieden akzeptierte, was er auch ausnutzte.
"Allerdings. Sie schläft zwölf Stunden und kann daraufhin achtundvierzig im Wachen Zustand verbringen. Aber bevor Sie beunruhigt sind, sir, wir haben Sie selbst dennoch eingeplant. Menschen schlafen ja immerhin für gewöhnlich täglich."
"Ach, es gibt also einen 'Plan'?"
Sein Gegenüber deutete ein Nicken an: "Sehr richtig. Wir müssen Sie mit verschiedenen Thematiken konfrontieren um den direkten Code herauszubekommen. Eben dies ist auch der Grund, weshalb wir als nächstes zu einem unserer Monde fliegen."
"Äh... Natürlich doch, logisch...", winkte Ivan ab und gähnte lautlos. Wo sie gerade bei dem Punkt Schlafen waren wurde er ebenfalls müde.
"Wünschen Sie, dass ich Sie zu Ihrem Zimmer führe?"
"Ich bin mir ziemlich sicher dass ich nach alldem kein Auge zumachen kann, aber ja. Das wäre nett."
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