10. Stich
❝ Manchmal hilft nur noch:
Zähne hoch und den Kopf zusammenbeißen.❞
(Heinz Erhardt)
❮ LINA ❯
Meine Augen zu öffnen war die dümmste Idee seit langem. Das grelle Licht brennt wie Feuer, mein Kopf pocht und ich fühle mich, wie von einem Laster überfahren. Ich liege auf einem unfassbar unbequemen Bett. Mir tut der Rücken weh. Meine Glieder brennen, sind gleichzeitig kalt und tonnenschwer.
Nur zu gerne würde ich mich räuspern, doch mein Rachen gleicht der Sahara. „Hier", meldet sich eine ruhige Stimme und eine kleine Schnabeltasse taucht in meinem Sichtfeld auf. „Langsam", lacht er leise und es ist mir herzlich Schnuppe, dass mir das stille Wasser das Kinn hinabrinnt. Ich fühle mich, als hätte ich seit Wochen keine Flüssigkeit mehr zu mir genommen.
Die Erinnerungen holen mich zwar nur Stück für Stück ein, doch je länger ich den Film von gestern Abend vor meinem inneren Auge sehe, umso höher steigt meine Temperatur. Und meine Gesichtsfarbe gleich mit.
„Fuck", keuche ich mehr, als das ich spreche und ziehe mir die Decke über das Gesicht. In meiner Hand befindet sich ein Zugang, den ich erst bemerke, als ich mit dem Stoff dort hängen bleibe. Die Nadel brennt sich in meinen Handrücken und ich fluche erneut.
„Du musst mir hoch und heilig versprechen, dass du das mit in dein Grab nimmst", murmle ich, das Gesicht noch immer bedeckt und auch, wenn ich ihn nicht sehe, weiß ich, dass er grinst.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst."
Neben mir senkt sich die Matratze. Er scheint sich hingesetzt zu haben und zieht mir die Decke langsam aus dem Gesicht. „Mal ehrlich. Die Dessous waren doch hot. Ich weiß nicht, ob ich das vergessen will", grinst er frech und zwinkert mir zu. „Erinnere mich doch nicht dran", seufze ich und bin versucht mir die Decke zurück zu klauen, doch er hält mich davon ab. Den Stoff fest im Griff sieht er mich an.
„Wie geht's dir? Brauchst du irgendwas?" Seine braunen Augen mustern mich besorgt.
„Irgendwas, was die Erinnerungen löscht, wäre jetzt klasse." Kurz halte ich inne, bevor ich ihn mit großen Augen ansehe. „Ui, kannst du mir das Blitzdings aus ‚Men in Black' besorgen?"
Ross lacht lediglich auf, bevor er mir erneut die Schnabeltasse gibt. Dieses Mal lässt er mich sogar alleine trinken und ich kippe mir gleich die gesamte Flüssigkeit runter. Tief atme ich durch.
„Ärzte haben ja Schweigepflicht", flüstere ich mehr vor mich hin.
Um die Schnittverletzungen an den Oberschenkeln versorgen zu können, musste ich meinen Rock loswerden und das Leder, was ich eigentlich für die Abendunterhaltung eines gewissen Arschlochs angelegt hatte, musste ebenso verschwinden. Nicht nur, weil es sich in die Haut schnitt und mir auf die Wunden drückte. Der Blick von Dr. Hyatt würde mich wohl noch eine ganze Weile verfolgen, denn er gefiel mir bei weitem nicht so gut, wie Ross's. Absolute Verurteilung war natürlich genau das, was ich gestern Nacht gebraucht hatte. Als machte ich mir selbst nicht schon genug Vorwürfe...
„Es tut mir leid", spricht Ross schließlich leise und weicht zum ersten Mal, seit ich meine Augen heute offen habe, seinen Blick von mir. „Blödsinn!" rufe ich sofort und greife nach seiner Hand. „Wenn du mich nicht wortwörtlich hergeschleppt hättest..." Den Rest meines Satzes lasse ich unausgesprochen. Die Standpauke, die wir in den frühen Morgenstunden über uns ergehen lassen musste, hallte noch genug nach. Trotzdem hasse ich den Notfallarzt dafür, dass er am Ende noch die Frechheit besaß, Ross Vorwürfe zu machen, weil wir den Fremdkörper nicht umgehend entfernt hatten. Lernte man nicht in den Erste – Hilfe – Kursen, dass man sowas nicht tun sollte? Venenverletzung, Blutungen – irgendwie sowas in diese Richtungen hörte man doch oder? Woher hätten wir wissen sollen, dass es sich mit Nadeln eben nicht verlief, wie mit Scherben oder ähnlichem?
„Trotzdem, ich hätte-" „Hör auf damit. Gar nichts hättest du." Ich verschränke unsere Finger und drücke ihm einen Kuss auf den Handrücken. „Danke. Ehrlich."
„Wenn das mal nicht zur Gewohnheit wird", lächelt er, wenn auch nur halbherzig, um mich zu beruhigen. „Vergiss es", grinse ich deutlich breiter zurück.
Ein Klopfen an der Tür nimmt uns den Moment der Ruhe gänzlich. Müde drehe ich den Kopf nach rechts, noch bevor ich ‚Herein' sagen kann, platzt sie auf und ich sehe in die hellbraunen, verheulten Augen meiner Mutter. „Was macht der denn hier?" wettert sie direkt los. Ross springt direkt auf und mein Puls steigt. Gerade, als sie Luft holt um ihn sicherlich anzubrüllen, kommt Dad hinter ihr durch die Tür und legt ihr die Hände auf die Schultern. Über ihren Kopf hinweg sieht er mit finsteren Augen in Ross' Richtung. Mit ruhiger aber bedrohlicher Stimme spricht er: „Ich glaube es wäre besser, wenn Sie gehen."
„Ross geht nirgendwo hin. Ihr setzt euch hin, hört uns zu und dann sehen wir weiter." Melde ich mich zu Wort und glaube für den Bruchteil einer Sekunde tatsächlich daran, dass sie mir auch zuhören werden.
„Dein Dad hat recht", fällt mir Ross in den Rücken. Er tritt einen Schritt auf mich zu, gibt mir einen Kuss auf den Scheitel, streicht mir einmal über den Kopf und schiebt mir unauffällig einen kleinen Zettel in die Hand. „Es war nett, Sie kennenzulernen", spricht er schließlich an meine Eltern gewandt. „Und bevor Sie mich verfluchen. Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Ich habe Sie anrufen lassen." Er schenkt ihnen ein selbstgefälliges Grinsen, für das ich ihm am liebsten applaudieren würde. Leider bekommt er nicht mehr mit, dass er sie sprachlos gemacht hat.
„Spatz", seufzt Mum schließlich, als sie aus ihrer Starre erwacht und kommt mit erneuten Tränen in den Augen auf mich zu. Sie nimmt an Ross' Stelle platz, streicht mir durch die sicherlich fettig-zerzausten Haare und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Zu gerne wäre ich wütend über ihren Auftritt. Dummerweise prasselt in dem Moment, als mein Dad es ihr auf meiner anderen Seite gleich tut, alles über mich ein. Leise beginne ich zu weinen und lasse mich von meinen Eltern trösten.
„Willst du uns erzählen, was passiert ist?" fragt Dad nach einigen Minuten der Stille schließlich ruhig. Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich tatsächlich, bevor ich schließlich mit dem Kopf schüttle. „Ross hat ehrlich nichts gemacht. Er hat mich nur gefunden und hergebracht. Ehrlich, er ist lieb."
„Wir glauben dir, Maus. Aber du kannst es Mum nicht verübeln, dass sie dich" – „Beschützen will, ich weiß. Aber mir geht's schon wieder besser", falle ich Dad ins Wort.
„Naja, so würde ich das noch nicht ausdrücken", meldet sich schließlich Dr. Hyatt zu Wort. Wann er dazu gestoßen ist, will ich lieber nicht wissen. Mich nervt schon genug, dass er nicht anklopfen konnte. Hinter ihm steht nämlich nicht nur eine noch viel erschöpfter aussehende Ela, sondern noch zwei weitere junge Damen. „Ach, die Visite", stellt Mum unnötiger Weise fest und steht auf. Sie wischt sich halbherzig die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie Dr. Hyatt die Hand schüttelt. Dad kopiert sie erneut und sie stehen mit verschränkten Armen neben meinem Bett.
Mit einem Klemmbrett in der Hand baut sich der Doktor vor ihnen auf und schaut dabei zu, wie Ela meinen Zugang kontrolliert und irgendein Rädchen an dem Tropf verdreht, der mir erst jetzt wirklich bewusst auffällt. Die einzige Brünette im Trupp läuft aus dem Zimmer und kommt wenig später mit einer neuen Wasserflasche zurück. „Danke", flüstere ich lächelnd und versuche mich ein bisschen aufzurichten.
„Ihre Tochter hatte in der Tat Glück, dass sie hergebracht wurde. Wir haben ihr sicherheitshalber ihre Impfungen aufgefrischt, weil die junge Dame uns keinen Impfpass zeigen konnte." Genervt verdrehe ich die Augen. Er konnte froh sein, dass ich meinen Fuß nicht in seinem Gesicht parkte, nachdem er mich gestern einmal in Desinfektionsmittel zu baden schien. Der Alkohol brannte wie Feuer.
Welcher normale Mensch schleppt auch Impfausweise und allerhand Unterlagen zum feiern mit? Aber auch diesen Kommentar verkneife ich mir lieber. Wer wusste schon, was mir der stoffelige Weißkittel sonst in den Tropf kippen würde.
„Ihre Sturzverletzungen und die Schnittwunden an den Oberschenkeln haben wir entsprechend gereinigt und verbunden. Was uns ein bisschen Sorge bereitet ist die Wunde an ihrem Fuß. Wir sind uns noch nicht sicher, welche Substanzen sich in der Spritze befanden, die-" Panisch reißt Mum die Augen auf. „Spatz, hast du Drogen genommen?!"
„Entspanne dich, ich bin in irgendwas reingelatscht. Lass ihn ausreden", antworte ich patziger, als ich wollte und sollte. Dad's Blick weist mich entsprechend in die Schranken und ich rutsche ein bisschen weiter in die Kissen.
„Wir müssen es dringend beobachten. Die Gefahr einer Sepsis besteht noch immer, deshalb haben wir sie hier behalten. Die Einstichstelle muss kontrolliert werden, Sie sollten auch unbedingt auf ihre Temperatur achten. Sollte sich irgendwas entzünden, wenn es juckt oder brennt oder Ihre Tochter Fieber bekommt, bringen Sie sie umgehend wieder!" Eindringlich sieht er zwischen meinen Eltern und mir hin und her. Ich warte nur noch auf den erhobenen, tadelnden Zeigefinger. „Und für die Zukunft: Nicht mehr barfuß auf öffentlichen Plätzen laufen, junge Dame", versucht er sich wohl an einem Witz. Funktioniert nur leider nicht.
„Wir warten noch einmal die Laborergebnisse von der Nadel ab, zapfen dir noch mal ein bisschen Blut ab und heute Nachmittag kannst du gehen, sollte nichts auffällig sein", meldet sich Ela zu Wort und alleine die Tatsache, dass Dr. Hyatt sich wichtigtuerisch räuspert, als wolle er sagen: Wollte ich auch grade sagen, lässt mich grinsen.
Bereitwillig lächelnd halte ich der brünetten, jungen Frau meinen Arm hin und obwohl ich wirklich kein Fan von Nadeln bin, die keine Farbe hinterlassen, lasse ich die Prozedur über mich ergehen. Mit nur einem kleinen Pieks sitzt die Kanüle und sie klauen mir gleich drei kleine Pullen. „Puh", seufze ich, als die junge Frau, die sich mir als Lucy vorstellt, zufrieden die Nadel wieder rauszieht. „Halt das nochmal drauf bitte", sagt sie ruhig und drückt einen Tupfer auf die kleine Einstichstelle.
Die dritte junge Dame im Bunde schiebt mir mit einem Lächeln ein kleines Stückchen Traubenzucker entgegen, dass ich dankend annehme. Mein Magen meldet sich in dem Moment grummelnd zu Wort. „Hast du noch kein Frühstück bekommen?" fragt Ela grinsend und ich schüttle den Kopf. Ich weiß nicht einmal wie viel Uhr es ist. „Dann kümmeren wir uns mal drum", fügt die Traubenzucker-Dame ebenso grinsend hinzu und ich nicke erneut.
„Kann ich einen Kaffee bekommen?" frage ich vorsichtig, ignoriere das Augenrollen von Dr. Hyatt und freue mich stattdessen über Elas Nicken. „Hast du irgendwelche Unverträglichkeiten? Dein Verlobter konnte uns gestern nicht mehr ganz so viel beantworten, als du geschlafen hast. Er war auch ganz schön fertig."
Während mir die Röte ins Gesicht schießt, Mum und Dad alles aus dem Gesicht fällt und ich den Zettel, den Ross mir zugesteckt hat, fester umschließe, legt der Arzt wieder seinen verurteilenden Blick auf.
„Nein, ich esse fast alles", lüge ich mit belegter Stimme und warte das Gewitter ab, was unweigerlich auf mich einprasseln wird, sobald die Visite das Zimmer verlässt.
Die Tür ist nicht einmal ins Schloss gefallen, da legt Mum schon los. „Bitte was?!" kreischt sie zunächst. „Entspanne dich bitte, hier ist niemand verlobt", sagt Dad und legt seine Hände erneut auf die Schultern meiner Mum, um sie wortwörtlich runter zubringen. Niedlicher Weise stand Mum eben noch auf den Zehenspitzen, als würde mir ihre erhabene Position irgendetwas sagen sollen.
„Richtig?" spricht er schließlich an mich gewandt. Unnötigerweise bestätige ich ihn in seiner Annahme und wedle mit beiden Händen vor mir herum. „Kein Ring, siehst du?"
Statt mich aber weiter mit dem (anscheinend) schlimmsten Albtraum meiner Mutter auseinanderzusetzen, öffne ich den Zettel.
»Morning, Wifey :D
Nachdem du ein bisschen hysterisch warst, weil dir die ganze Nummer zu peinlich wurde, hat Ela dir irgendwas gegeben, was dich anscheinend ganz schön ausgeknockt hat. Nicht wundern, in der Zwischenzeit habe ich mich mal kurz zu deinem Verlobten gemacht. Sonst hätten sie mir nicht erzählt, was mit dir los ist. Ich glaube, die halten mich immer noch für deinen Kidnapper oder so...
Naja, jedenfalls habe ich dir ein Shirt und eine Jogginghose von mir besorgt. Zum einen war meine Bude näher dran und zum anderen wollte ich irgendwie ungern bei dir einbrechen.
Tut mir leid, deine Eltern wissen auch Bescheid...wenn du das also liest, bin ich entweder aus dem Fenster „gefallen" oder tatsächlich lebend zuhause angekommen. Welcher Fall auch immer eingetreten ist, wenn du was brauchst, lass es mich wissen♡ Ich bin bestimmt ein guter Geist, der Leute heimsuchen kann...
Ich schmiere dir mal meine Nummer auf die Rückseite, der Platz wird ein bisschen eng :D
-Ross«
Lachend halte ich Mum den Zettel hin. „Was eine Sauklaue", zetert sie los, bevor sie seine Worte überhaupt gelesen hat. Ich verdrehe die Augen und schaue nach meinem Handy. Unter einem Stapel Papiere werde ich auf dem Nachttisch schließlich fündig. Schwarz. Mist, der Akku. „Hat zufällig jemand ein Ladekabel dabei?"
Eine Frage, die ich nach fünf Minuten bereue. Ganz die Mutti, ist sie vorbildlich ausgestattet. In den Untiefen ihres Koffers, wie Dad ihre schwarze Handtasche liebevoll betitelt, wird sie fündig.
Mein Handy scheint geradezu zu explodieren, sobald es genug Saft hat, dass ich es einschalten kann. Die Flut an Benachrichtigungen lässt das Teil kurz einfrieren und ich warte ab. Hätte ich die Vibration mal ausgestellt, denke ich mir, während Dad einfach nur lacht. „Tammy", sage ich lediglich und schaue meinem Vater zu, wie auch er seine Augen über Ross' Zettel fliegen lässt. „Ist ein Guter", kommentiert er lediglich und gibt mir das Stück Papier zurück.
„Kann mir einer von euch mal ins Bad helfen?" frage ich schließlich kleinlaut, während mein Handy noch immer munter vor sich hin vibriert. „Mum hilft dir, ich telefoniere kurz mit Tammy", spricht Dad und verlässt das Zimmer.
So unsicher, wie ich meine Mutter noch nicht erlebt habe, tritt sie an das Bett heran. Sie will mich unter den Armen stützen, zieht ihre Hände aber wieder zurück. Sie will mir ihre Hände reichen und tut es doch nicht. Auch ich zucke nur mit den Schultern und versuche es erst einmal mit Aufrecht sitzen. Dass mein Kreislauf nicht so richtig in Schwung kommen will, geht mir tierisch auf die Nerven. Ich bin doch nur in eine blöde Nadel gelatscht!
Geduld ist definitiv nichts, was mir ausreichend in die Wiege gelegt wurde, das muss ich mir leider eingestehen und so vollziehen wir diesen Ich-habe-keine-Ahnung-Tanz noch eine ganze Weile, bis ich schließlich aufstehe. Auftreten setze ich gleich hinter der Nummer mit dem Augenöffnen auf meiner Dummheiten-Liste. Fluchend plumpse ich, wie ein nasser Sack zurück aufs Bett.
Mum verzieht ihr Gesicht ebenfalls vor Schmerz und auch, wenn ich weiß, dass es eine gänzlich andere Art von Schmerz ist, als der Typ, der mich durchfährt, tut es mir leid.
„Entschuldigung", nuschle ich schließlich. „Ich war ganz schön dumm, die letzte Zeit."
„Stimmt", kommentiert sie nur trocken. „Ey!" empöre ich mich. „Was? Du sagst doch immer, ich soll ehrlich sein und dich nicht in Watte packen."
Damit hat sie leider recht und es nervt mich, dass ich darauf hin lachen muss. Auch über ihre Lippen zieht sich endlich ein Lachen.
Irgendwann schaffen wir es tatsächlich, dass sie mich ins Badezimmer bugsiert. Auf der Toilette lässt sie mich endlich los und als sie versucht ist, genau davor stehen zu bleiben, sehe ich sie an. Abwehrend hebt sie ihre Arme und lässt mich in Frieden.
Sich anschließend mit einem Tropf in der Hand umzuziehen, ist weder eine gute Idee, noch wirklich einfach und es nervt mich, dass ich nach Mum rufen muss. Meinen Stolz kurz bei Seite zu packen ist beinahe eine noch größere Aufgabe, als der Weg zur Toilette. Ross' T-Shirt ist riesig und die Jogginghose ist beinahe nicht nötig. Glücklicherweise kann ich sie am Bund enger schnüren und auch an den Knöcheln sind Gummizüge. So sieht es zwar aus wie eine 2000er Baggyhose aber rutscht mir immerhin nicht vom Po.
Dad muss sich das Lachen verkneifen, als wir aus dem Badezimmer kommen. Netterweise hat er mir das Frühstück gleich mitgebracht und ich stürze mich regelrecht auf den Kaffee. „Stopp, Ela hat gesagt, du sollst erst was essen. Sonst haut dich das Koffein aus den Latschen."
Erst am frühen Abend, nach einer Menge Diskussionen und einer weiteren Standpauke des Doktors, komme ich zuhause an. Mum ist gar kein Fan davon, dass ich mich nicht in meinem alten Kinderzimmer einquartiere und Dad ist der festen Überzeugung, dass ich erst selbst merken muss, dass ich nicht alleine sein will.
Beides ist mir herzlich schnuppe und ich bin wahnsinnig dankbar, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt.
Ich atme einmal tief durch, greife nach den Kopfhörern auf meinem Couchtisch, lasse meine gesamte Spotifysammlung auf shuffle laufen und zücke schließlich mein Handy. Mit dem Zettel in der Hand speichere ich mir seine Nummer ab, fahre mir kurz durch die Haare und schieße ein Foto.
»Hey Hubby♡ Muss ich dir das wieder geben?«
Bevor ich diese Nachricht irgendwie zerdenken kann, schicke ich das Bild ab und lege das Handy bei Seite.
Seine Antwort kommt schneller, als ich erwartet habe.
»Du bist wieder zuhause?«
»Ja. Dr. Frankenstein hat mich gehen lassen«
»Wie geht's dir?«
»Kurzfassung?«
»Fürs erste ja. Ich bin, sagen wir mal, verhindert.«
Ich bekomme ein Bild und ich muss mir selbst eingestehen, es gefällt mir. Zumindest im ersten Moment. Ich weiß, er hat es nicht so gemeint, es war unter gar keinen Umständen seine Intention und vielleicht interpretiere ich einfach nur zu viel in die Situation hinein aber es versetzt mir einen ganz schönen Stich. Sie sind im Studio? Direkt nachdem...ich sperre den Bildschirm, lege mein Handy neben mich und lasse meinen Kopf gegen die Couchlehne fallen.
Verdrängen. Verdrängen ist eine gute Idee.
Was keine gute Idee ist, ist nach dem Notizbuch zu greifen, dass auf dem Couchtisch liegt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top