9. Kapitel

Am nächsten Morgen stehe ich mit einem Lächeln im Gesicht auf. Summend schlendere ich ins Bad rüber, mache mich frisch, kämme meine Haare und ziehe mich an. Danach hüpfe ich mit Kopfhörern in die Küche und trällere „Last Christmas" nach.

Der Kühlschrank hat leider keine Pancakes mehr zu bieten, dafür aber Orangensaft und Toast. Grinsend mache ich mir ein Frühstück. Wo sind eigentlich die anderen? Mit einem Blick auf die Uhr, vermute ich, dass sie alle noch schlafen. Mit einem fertig geschmierten Toast und Saft drücke ich die Tür zum Wohnzimmer auf und... blieb stehen.

„Oh...", quetschte ich aus meinen Lungen. Meine Mom und mein Dad sind im Wohnzimmer und blicken mich überrascht an. Ich nehme meine Kopfhörer heraus und stelle mein Essen auf den Tisch, als ich merke, dass Mom weint. "Was ist los?"

Stille.

"Ist alles gut?" Ich räusperte mich.

Mein Dad kommt zu mir und schüttelt den Kopf." Ariel, du ... du solltest lieber wieder gehen."

Hä?...

"Nein, ... es ist schon gut, Mausi, komm mal her." Meine Mom klopft neben sich auf die Couch und ich setze mich. Wenn auch langsam und geschockt.

„Was ist los?", wiederhole ich leise und atme sachte durch. Immer ruhig bleiben, Ari! Es ist gar nichts, alles ist gut. Das werden mir die beiden gleich sagen...

„Ich, ... ich ", fängt meine Mom an. „Es ist schwer zu sagen."

„Was denn? Sagt es !", flehe ich und knete meine Hände im Schoss. "Dad?" Ich sehe zu ihm und er kommt zu mir und legte eine Hand auf meine Schulter.

„Deine Mom, sie ... ist krank."

Ich atme durch. "Ach so, ..." Ich blicke zu ihr. "Magendarm oder Grippe?"

Sie sieht zerknirscht auf und beißt sich auf die Lippe. "Nein, Maus. Ich... ich habe Krebs."

Worte. Ein paar daher gesagte Worte ... einfach so.

Ich blinzele. Meine Mom schluchzte. Mein Dad hält still und hört auf zu atmen. Ich blinzele nochmal. Und nochmal. Kann gar nicht damit aufhören.

„Sag doch was", befiehlt mir meine Mom und sucht nach meiner Hand.

Ich schüttle den Kopf. Ein Mal, zwei Mal. "Ist das ein Scherz?"

Meine Mom schaut mich flehend an. "Nein! Nein, nein, ..." Sie wiederholt es immer wieder. Flüstert es hektisch vor sich hin, bis mein Dad an ihre Seite tritt und sie in den Arm nimmt. "Sie, wir wollten es euch erst nach der Hütte sagen", erklärt er heißer.

Ich atme nicht. Ich schließe die Augen. Ich atme immer noch nicht. Meine Augen bleiben zu. Ein Hirngespenst. Sind die alle durchgedreht? Meine Mom, meine Mom, soll Krebs haben? Unmöglich! Ich springe auf und gehe durch das Wohnzimmer auf und ab. Mein Frühstück ist wie vergessen. „Das... das kann nicht sein!"

„Ari, hör zu, bitte!" Meine Mom scheint alle Kraft verloren zu haben.

Ich schüttle den Kopf und raufe mir die Haare. "Nein!", schluchze ich. "Habt-Habt ihr...?" Ich schlucke. "Sind wir deswegen auf die Hütte?"

Ich starre die beiden an. Tief. Hart. Kann meinen Blick nicht abwenden, als sich Stille im Raum ausbreitet. Stille... Das ist Antwort genug. Belogen, betrogen, ...Ich stürme mit einem Gedankenschwall aus dem Wohnzimmer, durch die Küche, hinaus in die Garderobe und ziehe meine Schuhe an.

Ich muss hier raus, nur raus. Schluchzend hate ich mir eine Hand vor den Mund und atmet zitternd durch. Als ich die Stimme meines Vaters höre, reiße ich die Haustür auf und stürme hinaus. Meine Füße überschlagen sich beinahe. Dann lande ich an einer Brust.

Es ist nicht Mal Zeit, sich zu wundern, dass Adam hier ist. Seine Hand gleitet von der Klingel und er blickt mich entgeistert an. "Ari?"

Mir rinnen Tränen die Wange hinunter. Ich spüre sie. Ich weiß es. Aber ich kann sie nicht stoppen. Ich drücke mich an ihm vorbei und will rennen, bloß weg. So weit weg wie es mir möglich ist. Immer weiter und weiter. Nicht stehen bleiben.

Aber Adams Hand, die sich um meine schlingt, hindert mich daran. „Was ist los?"

Ich schüttle den Kopf. Immer wieder. Meine Lippe beben. „Lass mich, verdammt noch Mal in Ruhe, Adam, ich kann nicht!" Damit reiße ich mich los und beginne meine Vorstellungen von stundenlangem Laufen in die Tat umzusetzen.

Er kommt mir nicht nach.

                                ♡

Irgendwann fängt es an zu schneien. Dicke Schneeflocken stürzen auf mich hinab und ich wische jede zielstrebig zur Seite. Meine Beine sind schon vor gefühlt einer halben Stunde eingeschlafen, ich kann aber trotzdem nicht aufhören zu laufen. Auch jetzt nicht, als der Schnee immer heftiger vom Himmel fällt und mir den Weg erschwert. Ich kann nicht...

Also laufe ich. Wische die Flocken, die sich mit Tränen vermischen zur Seite, und ziehe meinen Schal enger. Meine Beine laufen weiter. Immer. immer, immer. Mir kommt es so vor als würden sie nie wieder damit aufhören können. Immer, Immer wieder.

Meine Sicht verschwimmt. Ich kann nicht mehr atmen. Die Last, der Druck, alles ist zu viel für mich. Dann knicken meine Beine weg. Sie kann doch nicht wirklich Krebs haben? Sterben? Hart komme ich am Boden auf. Meine Hände sind eiskalt. So wie auch der Rest meines Körpers. Ich fange an zu schlottern und drücke mich in den Schnee hinein.

Sie darf nicht sterben! Ich brauche sie doch! Und Marc... oh Gott Marc.... Mein Schluchzen zerreißt die Stille. Das muss alles ein tiefer abscheulicher Albtraum sein. Alles.

Als ich wenige Minuten immer noch hier sitze und schlottere, kneifen auch nichts bringt und ich einfach nicht aufhören kann zu weinen, sehe ich ein, dass es real ist. Mehr als as, es geht mir unter die Haut. Drückt sich fest. Nie mehr würde dieses Gefühl verschwinden können, da bin ich mir sicher.

                                ♡

Irgendwann stehe ich auf. Zwinge mich, mich zu bewegen. Ich kann nicht ewig hier draußen sein und krank werden.

Mit schlotternden Beinen lege ich den Weg zurück zur Hütte und vermeide den Blick zu Adams Haus.

Als ich klingele und mir die Haustür aufgemacht wird, erscheint mein Papa, was sich wie ein Schlag ins Gesicht anfühlt. „Ariel, du kannst doch nicht einfach...!" Ich schalte ab, drücke mich an ihm vorbei und schäle mich aus meinen Klamotten, dann stapfe ich die Treppe hoch.

„Ariel!" Ich drehte mich zu meinem Dad um.

„Nicht jetzt!", schreie ich. Dann fliehe ich weiter hoch und schmeiße meine Tür zu. Ich verbuddele mich unter einem Haufen Decken, kuschele mich unter ihnen zusammen und schließe die Augen.

Ich muss schlafen, um diesem Albtraum namens Realität entgehen zu können.

                               ♡

Doch ich schlafe nicht ein. Den ganzen Nachmittag verbringe ich im Zimmer, schlüpfe nur dann aus der Tür, wenn mein Magen knurrt und sprinte dann wieder nach oben, ohne, dass mich jemand zu Gesicht bekommt. Meine Tür ist abgesperrt. Ich will niemanden sehen. Kann es nicht.

Das Einzige, was ich tue, ist mir meine Kopfhörer in die Ohren zu stecken und Musik aufzudrehen. So verbringe ich den ganzen restlichen Tag.

                              ♡

Am Abend plagen mich meine Schuldgefühle. Ich tappe nach unten und schiele ins Wohnzimmer. Kein Wort verlässt meine Lippen als der Blick meiner Familie auf mich trifft. Marc weiß es noch gar nicht. Und das wird auch erst mal so bleiben.

Ich wische mir eine letzte Träne weg und setze mich neben meine Mom. Dann nehme ich sie in den Arm. Ich drückte sie an mich. Verberge meinen Kopf und will sie nie wieder loslassen. Mein Dad bringt den verwunderten Marc nach draußen. Erst dann fange ich an, zu schluchzen. Liebevoll streichelt mir meine Mom über die Haare. „Es wird alles gut."

Ich drücke sie näher an mich. "Du darfst nicht sterben!", flehe ich, schluchze ich, hoffe ich.

Sie bleib still und hält mich. Wir sitzen eine ganze Weile so da. Erst als meine Arme weh tun, löse ich mich von ihr. "Es tut mir leid, ich ..."

Sie schüttelt den Kopf. "Ich weiß doch!"

Damit ist alles gesagt. Das Nötigste. Denn mehr kann ich nicht.

                              ♡

Um 9 Uhr abends schleiche ich mich aus dem Haus und zu Adams hinüber. Ich will gerade klingeln, da erblicke ich die offene Tür.

Verwundert schlüpfte ich hinein. "Ha-Hallo?", flüstere ich. Als ich keine Antwort bekomme, ziehe ich mich aus und tappe die Treppe zu Adams Zimmer hoch.

Er ist im Bett, das Licht schon aus. Er schläft schon. Seufzend lege ich mich neben ihn und drücke mich an ihn.

Er bewege sich. "Ari?"

„Ja. Ich bin's.", nuschele ich. „Ich ..." Er dreht sich zu mir um. „Ich muss mich entschuldigen."

„Nein, das musst du nicht." Gibt er zu verstehen und zieht mich an sich. Ich verberge mein nasses Gesicht an seiner Brust.

„Ich ... „, schluchze ich. „Es ..."

„Pssst." Er streichelt meinen Rücken. "Du musst es mir nicht sagen."

Ich drücke mich noch enger an ihn und versuche meine Atmung zu regulieren. Atmen, atmen, nur atmen ... Ich kann das...

„Warum war die Tür offen?", quetsche ich heraus. „Wollt ihr einen Einbrecher anlocken?"

Adam schmunzelt. "Der Einbrecher ist eben eingetroffen."

Ich erstarre. „Was?" Er hatte für mich die Tür offengelassen.

„Schlaf, kleine Meerjungfrau. Morgen reden wir." Er zieht mich noch näher an sich und schließt die Augen. Ich kann nicht anders als es ihm gleich zu tun. Der Tag hat all meine Kraftreserven verbraucht.

„Danke."

„Nicht dafür." Ich nicke.

„Adam?", frage ich kurz bevor ich einschlafe.

„Ja?" Er sucht unter der Decke nach meiner Hand und streichelt sie.

„Du bist ein wahres Weihnachtswunder..." Mit diesem Murmeln bin ich eingeschlafen. Keine Ahnung, was mich in diesem Moment dazu gebracht hat, aber es ist ein schönes Gefühl.

Und schöne Gefühle kann ich gerade wirklich gebrauchen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top