⚜️ Testosteron ⚜️
(Bild von Bang Chan)
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Ich hatte Minho nie so garstig in Erinnerungen.
Hattest du nicht...?
Okay doch. Doch schon... Ich erinnerte mich an die alten Tage, an denen er ständig zickig wurde, wenn sich jemand mal nicht so verhielt, wie er das gerne mochte. Ich musste auch daran denken, dass er alles und jeden anpampte, wenn er schlechte Laune besaß. Aber eigentlich war er nie jemand, von dem all das freiwillig kam. Jemand musste ihn schon wirklich nerven, damit er in solch eine Laune verfiel. So genervt Minho auch war... Er besaß große Geduld, bevor er den Mund aufriss. Gestern Nacht mit Felix jedoch... Wirkte es eher so, als kenne er das Wort nicht einmal.
Du hast ihn ewig nicht mehr gesehen. Vielleicht hat er sich geändert.
Oder er fühlt sich ungerechter behandelt.
Ich biss mir auf die Unterlippe, als mir eine Erinnerung durch den Kopf schoss. Ich musste an einen von vielen Momenten denken, an denen Minho und ich unsere Late Night Talks hatten...
~ 2011, September
„Sie haben mir ein Berührungsmittel gespritzt.", murmelte er, bevor er sich auf das Bett warf.
„Deshalb bist du so spät zurück?! Ich habe mir schon Sorgen gemacht."
Unsicher fasste ich nach dem Saum meines Oberteils, sobald ich Chwe erkannte. Die täglichen Inspektionen fanden statt und er verspätete sich drei ganze Stunden. Dabei dauerte eine Sitzung keine sechzig Minuten.
Durch das Gefühl vom Alleinsein, was sich über die zwei Monate nicht besserte, in denen ich mich in diesem Institut befand, hatte ich die Vorahnung, ich konnte immer weniger damit zurecht kommen, wenn jemand nicht mehr zurückkam.
Die Psychologin, die mich und all die anderen hier drinnen betreute, sagte, das lag daran, dass ich einen Großteil meiner Familie verlor, keinen Zugang mehr zu meinen Freunden hatte und keinen geregelten bzw. gewohnten Alltag mehr kannte. Dadurch versuchte ich mich an Menschen, wie Chwe zum Beispiel, zu klammern, um mir meinen Aufenthalt einfacher zu machen.
Das wusste Chwe auch. Er gab zu, dass er das selbe mit mir tat...
„Yeji", atmete er aus. „Ich habe dir doch gesagt, dass du dir keine Sorgen um mich machen sollst, richtig?"
Ich musste die Lippen aufeinander pressen, sobald er mir diese Frage stellte.
Das stimmte. Das hatte er mir gesagt. Aber hatte er vergessen, dass mein Bruder genau die selben Sachen sagte? Dennoch musste er mit dem Tod bezahlen...
„Wieso gab man dir ein Beruhigungsmittel?", ignorierte ich seine Frage und versuchte ihn abzulenken, indem ich auf seine Verspätung einging.
Da er angeschlagen war, hätte das klappen müssen.
„Die wollten mich schon wieder spritzen und ganz ehrlich? Heute wollte ich das aber nicht."
Er winkelte das linke Bein auf dem Bett an, wobei sein Blick starr auf das Bett über ihn gerichtet war.
Ich musste schlucken.
Ich konnte ihn doch verstehen. Ich konnte verstehen, was er damit gemeint hatte, wenn er sagte, dass er nicht mehr gespritzt werden wollte oder wenn er sagte, dass er keine Lust mehr hatte, wenn ihm Blut abgenommen wurde... Die täglichen Tests stiegen uns alle stark zu Kopf.
„Du weißt aber, dass sie immer das bekommen, was sie wollen?", sagte ich, weil es doch so war.
Es war egal, wie oft wir sagten, dass es uns genug wurde. Sie achteten nicht darauf, was wir sagten.
Schließlich waren sie es nicht, die getestet werden mussten. Sie verfolgten ja einen größeren Zweck. Das bedeutete, wir mussten die Klappe halten.
Nun fragte ich mich... War das nicht irgendwie eine Art Unterdrückung...?
„Nicht, wenn ich mich mal wirklich wehren würde...", murmelte Chwe plötzlich, was mich dazu brachte mich aufzurichten.
„Was meinst du damit?", fragte ich leise.
„Ach", winkte er ab, ohne mich angesehen zu haben. „Das ist nichts für deine Ohren."
Nichts für meine Ohren...? Was sollte das denn bedeuten? Dachte er etwa, ich war noch ein kleines Kind?
Er sollte bloß nicht vergessen, dass ich mit schweren Angststörungen diagnostiziert wurde, was bedeutete, dass ich mir die schlimmsten Szenarien ausmalen konnte. Wenn es also darum ging... Brutales zu erzählen, würde es nichts sein, was ich mir nicht bereits ausgemalt haben könnte...
Wenn Chwe mir sowas also sagte, bedeutete das, ich konnte mir denken, was er mir sagen wollte... Ich wusste, was er am liebsten tun wollen würde, es aber nicht tat. Und das Einzige, was das in mir auslöste, war, Angst. Angst und Unsicherheit. Gefühle, die ich so auch immer hatte.
Ich war nun mal jemand, der sich über alles und jeden zu viele Gedanken machte...
„Bist du etwa sauer?", spielte ich mit meinen Fingern.
Eine Angewohnheit, die meiner Unsicherheit zu verdanken war.
„Schon...", sah ich, wie er schlucken musste.
„Weil...?", harkte ich nach.
„Weil ich mich ungerecht behandelt fühle", schloss er die Augen. „Und... Ich hasse es mich ungerecht behandelt zu fühlen."
Mein Herz zog sich bei seiner Aussage zusammen.
Er fühlte sich ungerecht behandelt?
Ich kannte das Gefühl. Ich fand es auch immer unfair, dass ich diejenige in meinem Umfeld war, die ständig Angst haben musste. So unberechtigt Angst haben musste...
Aber was sagte mein Bruder, wenn ich solche Gedanken besaß?
„Du bist damit nicht alleine.", zitierte ich ihn.
Das sagte er, um mich aufzumuntern. Oftmals hatte das geholfen. Das gab mir nämlich das Gefühl, als... Als wäre ich nicht unbedingt anders, sondern... Sondern etwas besonders oder speziell. Das bedeutete jedoch nicht, dass ich mich groß von anderen unterschied, nein. Denn es gab viele, die mein Leid verstanden oder gar teilten...
„Ich weiß. Nur deshalb kann ich das auch einigermaßen aushalten...", sagte er leise.
In meinem Herzen machte sich ein beklemmendes Gefühl breit, weil ich mir mal wieder zu viele Gedanken machte.
„Du würdest aber niemanden töten, oder Chwe?", fragte ich leise, aber deutlich.
Da hörte ich, wie er stark ausatmete.
„Niemals. Sonst würde ich ja nicht so friedvoll hier liegen, oder?", schaute er plötzlich zu mir. „Aber... Lass mich das mal so ausdrücken... Sollte mir das irgendwann zu viel werden, packe ich einfach meine Sachen und gehe. Dann wird mich auch keiner mehr aufhalten können..."
Und er hatte tatsächlich seine Sachen gepackt und ging... Sobald er die Bestätigung bekam, dass ich nicht zurückkommen würde, verließ er das Institut. Als man nämlich herausfand, dass ich anders war, wurde ich in ein Labor verlegt. Ich hatte früh begriffen, dass das bedeuten würde, dass sich mein Leben änderte.
Als ich nach einigen Jahren dann plötzlich in meinem eigenen Palast stand, wollte ich Minho an meiner Seite stehen sehen, wie viele andere auch. Ich hatte sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet, um ihn endlich erreichen zu können und um zu sagen... Wir dürfen wieder beieinander sein.
Doch das ging nicht. Ich hatte ihn nirgends aufgespürt, noch schien er je existiert tu haben. Er war wie ausgelöscht.
Genauso wie das Institut...
Mein Gehen hatte einen guten Freund verletzt, der glaubte, er sei mir dadurch nicht mehr wichtig. Minho fühlte sich damals mit Sicherheit von mir betrogen und unfair behandelt. Da war ich mir mehr als bloß sicher.
Dabei... Hatte ich ihn nie vergessen. Ich fand ihn einfach nur nie...
Oh, Yeji...
Er war mir so wichtig gewesen... Er trug viel zu meiner Veränderung bei, wobei er mich mental stets unterstützte.
Als ich damals dachte, er sei tot, war ich zutiefst verletzt. Doch emotional befand ich mich in einer Phase, in der ich nicht trauern konnte. Ich fühlte mich innerlich leer und nahm sein Verschwinden bzw. seinen Tod einfach hin...
Aber... Wieso hatte mich Minho nie aufgesucht oder zur Rede gestellt? Weshalb ließ er sich zu den Ignis sperren...?
Ich zog meine Beine an meinen Körper und setzte mich in den Schneidersitz.
Tatsächlich erwischte ich mich dabei, wie ich darüber nachdachte, mich ihm gegenüber zu öffnen. Ich überlegte ihm zu sagen, wer ich war, um Missverständnisse zwischen uns zu beheben.
Nur dann fiel mir ein, was für eine Gefahr das für ihn bedeutete. Er könnte daraufhin sterben...
Ich sollte vielleicht nicht so eigensinnig sein...
„Hey.", hörte ich jemanden sprechen, weshalb ich direkt aufsehen musste.
In meinen Gedanken verloren, bemerkte ich gar nicht, dass ich längst nicht mehr dabei war, mich körperlich aufzuwärmen und Seungmin bereits schlapp auf dem Boden lag. Noch weniger bekam ich mit, wie sich mir ein Blondschopf näherte.
Felix...
Er setzte sich auf den Boden, sodass er auf dem weiten Trainingshof zwischen Seungmin und mir saß. Daraufhin bildete sich ein Grinsen auf seinen Lippen.
Sein Verhalten brachte Seungmin dazu sich aufzusetzen und verwirrt zu seinem Zimmergenossen zu sehen, während dieser mal wieder nur mich ansehen konnte.
Ähnlich wie gestern.
Komischerweise... Wie immer, wenn er dir begegnet.
Ich öffnete fragend eine Hand, als ich zwischen seinen Augen hersah. Da zuckte er noch immer grinsend die Achseln.
„Nichts..."
Wie von selbst schaute ich zu Seungmin, der meinen Blick empfing, wobei ihm anzusehen war, wie verstört er von Felix war. Fast so, als wäre es übernatürlich, dass Felix sich zu uns setzte.
Dabei war das für mich nicht so abwegig.
Er wollte schließlich etwas von mir. Gestern Nachmittag stellte er sich nämlich nicht umsonst an mein Bett... Ihm lag etwas auf dem Herzen, das er noch nicht los wurde.
Wieder zu ihm gesehen, sah ich ihn nun lächeln.
„Ja, okay. Ich sage euch, wieso ich hier sitze", nickte er.
Denn es war deutlich zu spüren, wie verwirrt Seungmin von seiner Erscheinung war und ich einfach nur wissen wollte, was er von mir wollte. Seit gestern!
Kritisch das Kinn gehoben, beobachtete ich, wie er sich so hinsetzte, wie ich, bevor er sich vorbeugte.
„Ich möchte gerne wissen...", spitzte er die Lippen. „Wieso du dich gestern so für mich eingesetzt hast, hm?"
„Was meinst du damit?", musste ich schlagartig die Augenbrauen zusammenziehen, da mich seine Frage verwunderte.
Doch dann fiel es mir ein.
Er sprach über den gestrigen Konflikt, den er mit seinem Zwillingsbruder körperlich austragen wollte. Er fragte, weshalb ich mich in die Auseinandersetzung der beiden einmischte.
Aber... Warum zum Teufel war das so wichtig?!
„Nimm's mir nicht übel, aber... Ich habe dich mit Changbin gesehen und...", er kratzte sich an der Stirn, um den Ton in seiner Stimme zu überspielen, der mir keineswegs entging. „Weißt du, Ehm...", fuhr er fort, was mich nur blinzeln ließ. „Sich einzumischen... Also... Das war nicht der sicherste Weg sich zwischen uns zu stellen, verstehst du das? Jeder andere hätte unter anderen Umständen sichtlich darunter gelitten."
„Oh.", gab Seungmin daraufhin bloß von sich, als er seine Lippen zu einem O formte.
Verstand ich gerade richtig? Versuchte mir Felix auf eine nicht wirklich angebrachte Weise zu sagen, dass ich... Zu schwach sei, um mich in einen Streit mit seinem Bruder vor ihm zu stellen?
Wow...
Und du dachtest, er würde glauben, ich sei die Sönigin...
Ich nehm's zurück! Er will dir indirekt gerade anscheinend sagen, dass du zu schwach bist und dich deshalb zurückhalten solltest! Hahahahaha!!!
Ach. Halt die Klappe.
„Verstehe", nickte ich vorsichtig, obwohl ich nicht wollte. Da ich aber einen Ruf zu wahren hatte, musste ich. „Ich mag es aber nicht zuzusehen."
Felix musste daraufhin leise, doch herzlich auflachen, als er sich an die Brust fasste. Ich schien ihn wohl zu erheitern, dabei wusste ich noch nicht genau, weshalb.
„Das finde ich sehr schön, aber... Ich will, dass du weißt, ich kann mich wehren, wenn ich das möchte."
„Ich weiß", ich biss mir auf die Zunge. „Ich meine. Ich kann's mir denken.", korrigierte ich mich, um nicht allzu auffällig zu klingen.
„Und trotzdem hast du dich eingemischt?", musste er eine Augenbraue heben, worauf er wieder anfing zu lächeln.
Wieso lächelte er denn jetzt so?
Ich glaube, er ist von deiner Tat berührt.
Was...?
„Bilde dir darauf nichts ein.", platzte es schließlich schneller aus mir, als ich beabsichtigte, weshalb ich mir wieder auf die Zunge biss.
Nur dieses Mal fester.
Seungmin hatte in dem Moment bemitleidend das Gesicht verzogen, weil ich Felix glasklar abblockte. Das, obwohl ich's nicht beabsichtigte!
Ich glaubte, dass es eine Angewohnheit war die Personen von mir zu stoßen, die den Eindruck machten, als fänden sie mich interessant oder ähnliches. Mit solchen Dingen konnte ich meist sehr schwer umgehen, wodurch ich eben reagierte, wie ich es bei Felix tat.
Ein unangenehmes Gefühl bahnte sich in mir an.
Ich war manchmal einfach nur peinlich.
Doch Felix lachte auf. Dieses Mal war er laut, sodass ihn auch die Mädchen hinter uns hörten. Das überraschte mich, weshalb ich aus geweiteten Augen zu ihm sah.
„Tue ich schon nicht", winkte er ab, worauf er sich aufsetzte.
Ich musste seinem Körper intuitiv mit meinem Blick folgen. Da mich die Sonne aber blendete, hielt ich mir die Hand vor's Gesicht. Seungmin tat's mir gleich.
„Das bedeutet aber nur, dass du mich von nun an nicht mehr los wirst.", zuckte er die Achseln, noch immer grinsend.
„Wie bitte?", musste ich die Augenbrauen heben.
„Ja. Schließlich muss ich dir meine Dankbarkeit doch entgegen bringen.", zwinkerte er.
Meine Augenbrauen blieben aufgeschossen, als er sich von uns drehte. Als hätte das Gespräch eben nie stattgefunden, ging er zu den Kameraden zurück, von denen er sich extra für dieses merkwürdige Gespräch von ihnen getrennt hatte. Er entfernte sich von ihnen, um mir zu sagen, dass ich ihn und seinen Bruder machen lassen sollte, wobei er zusätzlich betonte, dass er mir dafür etwas zurückgeben wollte...?
„Was war das denn gewesen?", musste Seungmin zu mir sehen, was mich nur blinzeln ließ.
Ja, genau. Was war das denn gewesen?
Dachte Felix etwa, ich verlangte für meinen Einsatz etwas zurück?
Verdammt, nein. Ich hätte mich in jeden Streit eingemischt, der so aussah, als würde er eskalieren. Das hatte mit ihm persönlich nichts zutun. Ich konnte es im Ganzen nicht ausstehen, wenn ehrenlos gekämpft wurde.
„Keine Ahnung. Lass uns das einfach vergessen und weitermachen.", sagte ich nur.
Ich wollte nicht mehr daran denken, was der Blondschopf sagte. Nicht etwa, weil ich zu faul dafür war... Ich hatte genug anderes, dass mir durch den Kopf ging und momentan Priorität besaß. Zumal ich mir nichts sagen lassen wollte.
Für mich fand das Gespräch von eben gar nicht ernst statt.
Ich streckte meine Beine also aus, um mich zu dehnen und damit aufzuwärmen. Meine Intention war mich abzulenken, doch Seungmins Stimme hielt mich davon ab.
„Einfach vergessen?", musste er kichern. „Hast du ihn denn nicht gehört?"
Wieder zu ihm gesehen, neigte ich den Kopf.
Wen denn jetzt? Felix?
Doch, natürlich. Ich hatte jedes einzelne Wort messerscharf gehört und auch verstanden. Was sollte die dumme Frage?
Ohne weiter drauf eingegangen zu sein, fuhr Seungmin bereits fort.
„Wenn Felix dir sagt, dass du ihn nicht mehr loswirst, dann meint er das auch genau so und nicht anders."
Ich musste die Stirn kraus ziehen.
Was behauptete der Junge mit den großen braunen Augen? Der Blondschopf würde mich nicht mehr in Ruhe lassen? Ich würde ihn gar mehr loswerden? Das bestätigte Seungmin gerade? All das, bloß weil ich beschloss mich in einen Streit einzumischen?
Das klang so unglaubwürdig in meinen Ohren.
„Steht auf!", wurde auf einmal gerufen. „Es geht weiter mit dem Laufen!"
Die laute Stimme von Changbin sprach zu uns, weshalb alle sich schlagartig erhoben. In Gedanken versunken tat ich es den anderen gleich. Nur blieb ich noch an Seungmins Worte hängen, die über Felix sprachen.
Er würde mich nicht mehr in Ruhe lassen...
Was bedeutete das denn eigentlich genau?
Ich vermute... Das bedeutet... Dass er sich an dich klammern wird.
Wieso sollte er?
Weiß auch nicht... Vielleicht will er sich mit dir anfreunden.
Wieso sollte er das wollen? Wieso will das Seungmin überhaupt? Er soll mich einfach in Ruhe lassen. Jeder soll mich in Ruhe lassen...
Für sowas war ich nicht hier, verdammt. Ich hatte keine Zeit für „Freunde".
Ich glaube, Yeji, hier drinnen wird dich keiner so wirklich in Ruhe lassen...
...
...
Mit verschränkten Armen auf dem Bett gesessen, schaute ich mich im Zimmer um, in dem sich gerade alle Zimmermitglieder aufhielten.
Oder sollte ich sagen... Ich schaute bloß zu Felix?
Dieser saß auf seinem Bett und las in Ruhe ein Buch, wobei er sich von der Lautstärke in diesem Zimmer nicht beirren ließ. Er schien wie in eine andere Welt verschwunden, dabei sah das so aus, als hätte ihm niemand seinen Zustand zerstören können. Er war tief und fest in an das Buch gebunden.
Ich musste die Augen verengen.
Mir kamen seine verdammten Worte nicht mehr aus dem Kopf. Das lag zum einen daran, dass sie von Seungmin und meinem Bruder unterstrichen wurden; danke dafür!
Immer doch! Haha.
Und zum anderen lag das an dem, was er mir allgemein vermitteln wollte.
Hielt er mich wirklich für so ein Schwächling, dass er sich verpflichtet fühlte, mir zu sagen, wie ich mich bei wem rauszuhalten hatte? Dachte er etwa wirklich, er müsste mir durch meinen Einsatz etwas zurückgeben? Weil... Ich zu mutig war oder alleine nicht auskommen könnte?
Das brachte mich zum nachdenken.
Vor einer Woche hätte das niemand gedacht. Nicht mit der Stärke, die in mir schlummerte und die immer noch irgendwo in mir lebte - das wusste ich.
Aber anscheinend sah sie niemand mehr...
Musste ich mich etwa tatsächlich damit zufrieden geben, dass sie endgültig verloren waren? Musste ich all die Elemente, die einst in mir lebten... Neu erlernen und erleben? Würden sie überhaupt wieder kommen? War ich nicht mehr die Sönigin, die ich einst war...?
Wieso stresste mich das eigentlich? Wollte ich das nicht immer, ganz tief im Inneren...? Den Fluch von mir binden? Wollte ich nicht, dass all die Verantwortung endlich von meinen Schultern fiel...?
Genervt von mir selber, nahm ich den Blick von Felix, nur um nebenan Jeongin zu sehen, der seine Schublade ausmistete. Aber den wollt ich mir auch nicht ansehen, somit schaute ich zum Doppelbett in meiner Reihe, auf dem Namjoon und Suga saßen. Sie schienen sich zu unterhalten; worüber genau, das wusste ich nicht. Sie waren aber vertieft in ihrer Unterhaltung gewesen, wobei sie sich von niemandem stören ließen, ähnlich wie die Brüder auf der Fensterseite und jeder andere auch. Mir schien es, als wären sie Lärmresistent.
Ich schaute zu meiner Linken, um Yeonjun auf seinem Bett zu sehen, der stumm durch die Gegend starrte, ähnlich wie ich. Rechts von mir stellte sich Chan auf, der sich nicht schämte, sich umzuziehen. Gegenüber von mir stand das Doppelbett von Seungmin und Minho. Während Seungmin seine Klamotten zusammenfaltete, war Minho an seinem Handy beschäftigt. In der gegenüberliegenden Reihe stand ganz außen ein Einzelbett, welches Han gehörte. Ich konnte sehen, wie dieser dicht beiseite gerade aktiv Sport trieb. Das verstand ich absolut nicht, da wir eben erst vom Laufen kamen, aber... Jedem das seine.
Aufgeatmet, merkte ich, dass mit mir nichts anzufangen war, weshalb ich beschloss, duschen zu gehen. Somit erhob ich mich, um auf die Badezimmertür zuzugehen. In der Sekunde steuerte zufälligerweise aber auch Han auf die Tür zu, was dazu führte, dass ich automatisch auf dem Wege dahin inne hielt. Ich wollte schließlich ungern mit ihm auf die Toilette...
Er gab natürlich einen Scheiß auf mich, was keinem erspart blieb, genauso wenig wie ihm. Mit einem unverschämten Schmunzeln wusch er sich den Schweiß von der Stirn und schritt einfach in das Badezimmer. Die ein oder anderen mussten daraufhin leise lachen.
In dem Moment musste ich nicken, doch genervt die Luft ausstoßen, wobei ich meine Hände zu Fäusten ballte.
Blödes... Arschloch.
Alles mit der Ruhe. Er will dich nur ärgern.
Damit versuchte mein Bruder mich zu beruhigen, nur brachte es nichts. Ich wusste bereits, dass die Jungs mich gerne ärgerten, weil ich die einzige Frau war. Genau das war es ja, was mich nervte.
Vorher nämlich... Vor dem ganzen hier hätte sich niemand getraut mir auch nur im Weg zu stehen, was an meinem Status lag. Daran ließ sich ganz leicht sehen, wann der männliche Ignis offensichtlich seinen Respekt verlieren konnte.
Jetzt bezieh das mal nicht gleich auf die Allgemeinheit!
Ist doch so.
Denk daran, dass sie Ignis sind... Deshalb sind sie, wie sie sind. Das weisst du. Versuch nachsichtiger zu sein.
Nachsichtiger????
Fast hätte ich meinen Bruder laut beleidigt, hielt aber ganz schnell inne, weil Han schon wieder aus der Toilette kam.
Unbeschwert ging er an mir vorbei, ohne mich nochmal angesehen zu haben. Das war für mich kein Problem. Nicht nur, weil ich erleichtert feststellte, dass er nicht duschen ging, sondern anscheinend nur seine Blase leeren wollte; es ging darum, dass ich sowieso keine Lust hatte mich mit den Proleten hier drinnen zu unterhalten. Wenn ich ehrlich war, waren sie mir alle egal, solang sie mich in Ruhe ließen.
Was mir dagegen nicht egal war...
„Upps. Jetzt muss ich auch.", stellte sich plötzlich Chan zu mir.
Mein Kopf schoss beiseite, um ihn direkt da stehen zu sehen. Mit hochgezogenen Augenbrauen konnte ich gerade nicht fassen, dass er antanzte, weil er angeblich auf die Toilette wollte.
Das wollte er nicht! Seine Intention war es mich zu provozieren. Das merkte ich daran, dass er mir mit seinem Körper aufdringlich nahe kam.
Nur ließ ich mich dieses Mal nicht von ihm abschrecken, so unangenehm mir das auch war.
Langsam genügte das.
„Ich stand zuerst hier.", kniff ich die Augen zusammen und blieb an Ort und Stelle stehen.
„Pech", musste er lachen. „Kannst ja mitkommen, wenn du so dringend musst.", zwinkerte er.
Ich musste meine Kiefer aufeinander pressen. Dabei spürte ich, wie sich schlagartig die Wut aus Scham in mir breit machte.
„Du willst dich mit mir anlegen, oder?", zischte ich, was dazu führte, dass er aufmerksam den Kopf hob.
„Super gern.", zog er scharf die Luft ein, als er sich mir noch einen Schritt näherte, was mir dann doch zu nahe war.
Er genoss das viel zu sehr.
Ich stolperte einen Schritt von ihm und spürte, wie heiß meine Wangen wurden, was bedeutete... Ich errötete. Eine Genugtuung, die ich ihm einfach nicht geben wollte.
Ich fühlte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte.
Wie rasend mich die Situation machte...
„Ey", ertönte eine weitere Stimme, was mich mit funkelnden Augen zu der Gruppe an Jungs sehen ließ. „Das ist nicht richtig so, Gentlemen"
Namjoon; einer der Männer, mit denen ich noch nicht sprach. Überraschenderweise erhob er sich, was ich einfach nicht kommen sah.
„Lass sie auf die Toilette, Chan. Du musst sowieso nicht."
„Muss ich wohl. Willst du etwa zusehen, Joonie?", fragte Chan herausfordernd.
Der kleine Austausch zwischen den Männern machte mich umso wütender. Nicht unbedingt wegen Namjoon, der offensichtlich ganz der Nette war. Es lag vielmehr an Chan - an wen auch sonst?
Was fiel ihm ein? Wo hatte er die freche Zunge überhaupt her? Wurde ihm der Respekt eigentlich nie beigebracht?
„Ich sagte, lass sie auf die Toilette.", warnte Namjoon noch einmal, was ziemlich streng klang.
„Ja, bevor ich mich ebenfalls einmische.", sprach nun auch Felix, der sein Buch zuschlug.
Scheint, als wären doch nicht alle Männer der Ignis Arschlöcher und respektlos, hm?
„Ich kann für mich selbst sprechen, danke", platzte es aus mir, weil mir allmählich der Geduldsfaden riss.
Ohne zu zögern, schubste ich Chan von der Tür. Dieser stolperte überrascht zurück, weil er meine Handlung und meine plötzliche Kraft nicht kommen sah.
„Und, wenn du mich beim Pinkeln beobachten willst, Chan, bitte sehr. Vergiss dabei nicht ohne Hose reinzukommen, dann fällt dir das Wichsen vielleicht einfacher."
Daraufhin öffnete ich einfach die Tür zum Badezimmer und trat ein, nur um sie hinter mir wieder zuzuwerfen. Ausgeatmet, lehnte ich mich mit geschlossenen Augen gegen sie, in der Hoffnung, er kam jetzt nicht wirklich rein.
Im nächsten Moment hörte ich, wie ein heiteres Gelächter ausbrach. Das sprach eindeutig dafür, dass er mir nicht folgen würde.
Ein Glück...
„Fresse!", hörte ich dann, wie Chan brüllte.
Das war... Das war viel zu viel Testosteron für mich. Zu viel an einem Tag.
Da musst du jetzt eine Weile durch, Schwesterherz.
Ich seufzte lautstark.
Ich weiß...
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Hmhmhmmmm... 9 Männer mit einer Frau in einem Raum - schon ziemlich unangenehm, oder? Vor allem, wenn sie so drauf sind wie Chan. Najaaaa... Mal sehen, wie Yeji das handhaben möchte.
Buuuut! Im Kapitel kamen ja nicht nur toxic men vor, sondern auch liebevolle, wie Felix zum Beispiel 🍂. Wie findet ihr unseren Sunshine? Hat er bereits einen Fanclub? 😏
What about Minho? Über ihn erfahren wir ein wenig mehr und so auch über Ausschnitte aus Yejis Vergangenheit. Ob sie mehr bereit hält...?
Seid gerne gespannt!
Bis zum nächsten mal😇
In love, N ❤️
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