⚜️ Entrüstet ⚜️

(Bild von Felix Yang)

- 23 -

Hi Friends! Bevor das Kapitel beginnt, erzähle ich mal kurz, was vorgefallen ist, weil ich zwei Monate verschollen war (wooooops) ☠️. Wer also mag, darf gerne am Vorspann teilnehmen:

Das ganze Zimmer kam aus dem Lager, zu dem sie als Bestrafung von Changbin geschickt wurden. Sobald sie da waren und Yeji Han um Nachhilfe im Erdbändigen bat, wurde in der Cafeteria angekündigt, dass Rosé, die Sofia, gestorben ist bzw. ermordet wurde. Das versetzte Yeji in Trance, woraufhin ein emotionaler Zusammenbruch ihrerseits folgte. Dabei konnte Hyunjin Yeji keine Unterstützung sein, weil die Zauberinnen ihn -im Auftrag des Wolfes- verstummen ließen.

An der Stelle füge ich nochmal eine Szene aus dem letzten Kapitel ein. Diese sind mit Sternchen markiert, was bedeutet, dass es ab den nächsten Sternen dann mit dem aktuellen Kapitel weitergeht.

Viel Spaß beim Lesen wünsche ich euch!!!

***              ***

Abrupt die Augen aufgerissen, atmete ich in unregelmäßigen Atemzügen aus. Meine Augen verfärbten sich schlagartig Saphir-blau, als ich mit meinem Arm ausholte. Meine Gefühle kanalisiert, schmiegte sich Wasser um meine Hände, worauf ich blindlings auf den Boden einschlug. Mit den Fäusten immer wieder ausgeholt, schlug ich auf den harten Boden ein, der mit der Wasserkraft an Rissen gewann. Ich holte aus, tat es nochmal und nochmal. Ich wurde einfach nicht müde.

Angestrengt die Zähne aufeinander gebissen, spürte ich, wie meine Tränen nicht mehr flossen, dafür der Schweiß meiner Nasenspitze hinabfiel. Die roten Haare fielen mir ins Blickfeld, wodurch ich fast schon automatisch wütend ausatmete und Feuer spuckte. Der Aqua und Ignis stritten sich um die Emotionen; gewann der Auqa, der meine Trauer, die Angst sowie die Schuld fokussierte oder der Ignis, der seine Kraft aus meiner Wut, den Enttäuschungen sowie den Rachegedanken schöpfte.

Feuer und Wasser trafen aufeinander, die all meine Extremitäten, bei jeden meiner Bewegung, verließen. Ich fühlte, wie sich meine Augenfarben wechselten, bis ich verstand, dass sich in meiner Iris eine Farbmischung aus Blau und Rot ergab. Ich schlug auf alles mögliche in dieser Höhle ein, wofür ich meine Elemente im Wechsel nutzte.

Ich machte das so lange, bis ich durch den dichten Nebel in der Höhle kaum mehr etwas sah. Ich machte das so lange, bis mein Körper schlapp zu Boden fiel. Ich machte das so lange, bis ich nichts mehr dachte. Ich machte das so lange, bis ich nur noch mein Zittern und meine heißen Tränen wahrnahm.

Ich machte das so lange, bis ich nichts mehr fühlte...

Ich machte das so lange, bis ich mit bebender Unterlippe die Augen schließen konnte, ohne tote Körper zu sehen.

Ich machte das so lange, bis...

Bis...

Bis ein Teil in mir zerbrach, der vermutlich nie wieder heilen würde.

Wie so oft, wenn bedeutsame Teile meiner Seele zerbrachen...

***              ***

~ 2014, Januar

Ich saß am großen Tisch in Segment Null. Mein Blick ging starr geradeaus, wobei mein Körper regungslos gewirkt haben müsste. In meinem Kopf ging es jedoch aktiv zu sich. Ich musste an die Lebensumstände denken, in denen ich mich zurzeit befand. Ich dachte an die Zukunft, die mich als Sönigin erwarten würde. Ich dachte an die Vergangenheit, die meine Erinnerungen nie verlassen würde.

Immer, wenn ich so vor mich hin dachte und geistig nicht mehr anwesend war, glaubte ich nicht, dass das jemandem auffiel. Manchmal kniff ich mir einfach in den Oberschenkel, um Schmerz zu fühlen und die Bestätigung zu kriegen, dass ich lebte. Wenn ich das tat, kam ich wieder in der Realität an, wodurch ich meinen abwesenden Zustand gut überspielen konnte.

Somit dachte ich erst recht, niemandem würde je auffallen, was ich dachte oder fühlte.

Aber es fiel jemandem auf. Mein Zustand fiel tatsächlich sogar mehreren auf, ohne dass mir das wirklich bewusst war.

Eine Hand fasste nach meiner Schulter, die mir im ersten Moment gar nicht auffiel. Erst als eine zarte Stimme zu mir sprach, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen; zurück in die schreckliche Realität, welche nicht besser war, als der Ort in meinem Kopf.

Unauffällig durchgeatmet, richtete ich das Kinn. Ich musste mich nicht beiseite drehen, um zu sehen, wer sich zu mir setzte. Ich wusste an dem angenehmen Duft, dass es sich dabei um Rosé handelte.

„Woran denkst du, meine Liebe?", fragte sie mit ruhiger Stimme.

Ich nahm den Blick vom Punkt, den ich bis eben fokussierte. Erneut durchgeatmet, schaute ich auf meine Hände nieder, die ich auf der Tischplatte ineinander verschränkte.

„Daran, wie die Welt auf eine Königin reagieren wird.", gab ich von mir.

Meine Krönung fand erst heute Früh statt, nachdem sie monatelang angesagt wurde. Seit Monaten fragte ich mich daher, wie die große weite Welt wohl auf eine fünfzehnjährige Königin reagieren würde.

Fünfzehnjährige Königin... Das klang wie ein Widerspruch in meinen Ohren.

Ich war noch ein Kind. Ein Kind, das weder wusste, was es machte, noch wollte es das machen, was es gerade tat.

Ich hasste meine Situation.

„Wir haben doch schon öfter darüber geredet, Yeji, dass Menschen nie mit einem zufrieden sind. Es gibt diejenigen, die das Regime lieben werden, während es andere hassen werden."

Ja, wie oft sie mir das sagte...

Ich verstand auch, was das bedeutete. Schließlich war ich nicht dumm.

Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich all das nicht wollte oder fand, ich war nicht kompetent genug gewesen. Jeder andere würde meine Position besser meistern als ich es tat oder tun würde.

Selbst Rosé wäre eine viel bessere Sönigin...

„Yeji?"

„Hm?", machte ich und drehte den Kopf so, dass ich zu ihr sehen musste.

Sobald sich unsere Augen trafen, sah ich ein gewisses Leuchten in Rosés Iris, welches sie ständig begleitete. In ihr lebte ein Licht, das sie gerne auszubreiten versuchte. Das schaffte sie in der Regel auch; sie war eine sehr charismatische und liebenswerte Person. Es gab keinen im Palast, der sie nicht mochte. Selbst das Volk verehrte sie.

Anders als mich... Mich verehrte das Volk nicht...

Wie auch? Mein Herz wurde von einer Schwärze überfallen, die ich nicht mehr loswerden konnte. Mit ihr zog ein dichter Nebel mit, der sich um mein Sein breit machte und alles um sich herum abschreckte. In meinen Augen war kein Licht, wie in denen von Rosé, nein. In ihnen befand sich ein endloses Nichts, das jeden in ihm zu ertränken versuchte.

Ich konnte den Menschen keine Hoffnung schenken, wie das Jeon-Ehepaar gerne sagte.

Ich war ihr Untergang.

„Was ist.", hakte ich nach, weil Rosé mich bloß ansah.

Zwischen ihren Augen hergesehen, bildete sich auf einmal ein Lächeln auf ihren Lippen. Sie atmete aus, als sie nickte.

„Ich bin so stolz auf dich. Habe ich dir das je gesagt?"

Automatisch die Augenbrauen verzogen, machte mein Herz ungewollt einen Hüpfer, wobei ich nicht wusste, was das zu bedeuten hatte.

Sie war stolz auf mich?

Aber... Warum?

„Sieh dich an, Yeji. Du bist ein fünfzehnjähriges Kind, sagst du, aber ich sehe in die Augen einer heranwachsenden Frau, die vor Stärke strahlt", wurde das Lächeln der Sofia breiter. „Ein Blick in dein Gesicht genügt, um an Hoffnung zu gewinnen. Mit dir fühle ich mich stark und so auch das Volk. Kannst du das denn nicht erkennen? Nicht fühlen? Wie jeder zu dir aufsieht und dich als Anker nutzt, um ein Ende in diesem Desaster zu sehen?"

Meine Augen weiteten sich leicht, da ich nicht glauben konnte, was mir Rosé sagte.

Ich solle vor Stärke strahlen? Ich schenkte ihr und dem Volk Hoffnung sowie Sicherheit? Ich wurde als Anker genutzt?

Das konnte und wollte ich nicht glauben.

„Deine Aura leuchtet so kräftig, Yeji, dass es einem Angst macht und zeitgleich die Ruhe verspricht", nickte sie, um ihre Worte zu bestärken. „Du hast alles verloren, selbst dein altes Leben, aber kämpfst dafür, weiterzuleben. Das sehe ich. Das sehen die Menschen und Signums. Du bist der lebende Beweis dafür, dass es sich zu kämpfen lohnt..."




Damals hatte ich kein Wort von dem geglaubt, was Rosé mir erzählte. Ich hielt sie für eine Lügnerin, die mir die Dinge sagte, um mich besser fühlen zu lassen oder aber, um mich zum Funktionieren zu bringen.

Doch jetzt?

Jetzt sehnte ich mich nach nichts anderes, außer ihren wunderschönen Worten, die es jedes Mal schafften, mich aus der Dunkelheit meines Herzens zu befreien.

Dafür musste sie nur fünf Wörter nutzen.

Ich bin stolz auf dich.

Das genügte in der Regel.

Aber diese Wörter würde ich nie wieder hören, denn... Rosé war tot. Sie wurde ermordet. In meinem Palast... Während ich wo anders war.

Ich lag in der finsteren Höhle und starrte an die Decke, während diese Gedanken mich überkamen. Ich konnte nur keinen Ansatz weiter ausführen, da mein Geist sich nicht anwesend anfühlte. Ich fühlte mich wie vor sieben Jahren, als ich in Segment Null saß, in eine Richtung starrte und geistig gar nicht zu erreichen war. Mir fehlte jegliche Energie zum Denken und zum Fühlen.

Ich war so...

Erschöpft.

Müde.

Träge.

Zugleich konnte ich meine Emotionen nicht mehr sortieren. Mein Körper fühlte sich taub, genauso wie mein Herz. Ich nahm kein Gefühl mehr wahr. Jeder Gedanke prallte daher an mir ab, ähnlich wie jedes Gefühl.

Ich fühlte mich seit meinem emotionalen Ausbruch, als wäre ein Teil in mir gestorben; der Teil, der meine eigenen Gefühle oder die von anderen sowohl trennen als auch wahrnehmen konnte. Es war fast wie, als fühlte ich nichts. Aber fühlte sich das Nichts wirklich so an?

Ich wusste es nicht. Die Frage überforderte mich...

Demzufolge blieb ich regungslos liegen. Mit der Leere und der Stille zurückgelassen, gewährte ich meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele den Abstand zu der Realität.

Wie immer, wenn ich Zeit zum Realisieren benötigte...

Ich versuchte den Moment zu verarbeiten - auf meine ganz eigene und für mich typische Art.

Die letzten Tränen flossen über meine heißen Wangen und trockneten nach einer Zeit, sodass ich mich nur noch auf meine Atmung konzentrieren konnte. Ich schloss die Augen, was sich anfühlte, als wäre ich in einem Rausch. Mein Zustand fühlte sich wie ein Traum an, in dem ich auf Wolken lag, die mich durch die schweren Stunden zu tragen versuchten.

Am liebsten hätte ich so lange im schmerzhaften Frieden dagelegen, bis mich der Tod endlich erlöst hätte. Der Tod, für den ich zu feige war, um ihn selber zu wählen. Daher wartete ich in Situationen wie diese hier sehnsüchtig auf ihn - auf den Tod, der mich überwältigen sollte, auf seine grauenvolle und doch befreiende Art.

Bloß gab es da ein Teil in mir, das immer kämpfen musste, sobald der Tod an der Tür klopfte und das Teil? Ich verfluchte es. Denn... Das Teil in mir sorgte dafür, dass ich wachsam wurde, obwohl ich mir vorher abschwur, dies zu tun.

Ähnlich, wie jetzt...

Sobald ich ein Knistern wahrnahm, war es, als wäre ich von den Wolken gefallen, die mich bis eben trugen - ich fiel ganz tief, um schmerzhaft aufzuprallen. Die Augen weit aufgerissen, hielt ich den Atem an. Ich hielt ihn an, da mein erster Gedanke sich um meinen Feind kreiste, der sich vielleicht bemerkbar gemacht haben könnte.

Nur leider war es nicht mein Feind. Er war es nicht... Ich konnte leider nicht um mein Überleben kämpfen. Ich durfte niemanden rächen.

Solch widersprüchliche Gedanken... Sie würden noch der Grund für mein Ende sein.

„Okay...", hörte ich eine tiefe Stimme sprechen.

Vorsichtig ausgeatmet, regulierte ich meine Atmung. Den Blick wieder an die Decke gerichtet, sagte ich nichts. Ich musste mich auch nicht beiseite drehen, um zu schauen, wer die Höhle betrat. Die Stimme verriet mir bereits, dass es Felix war.

Ehrlicherweise war mein Geist nicht bereit für irgendwelche Gesellschaften gewesen, nur wehrte er sich auch nicht dagegen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass ich nicht kommunizieren konnte. Ich konnte einfach nicht...

„Was machst du hier? Ich meine...", ergriff Felix wieder das Wort.

Ich nahm vom Blickwinkel wahr, wie er näher auf mich zukam und sich in der Höhle umsah. Ich vermutete mal, dass er sich einen Eindruck verschaffte, bis er verstand.

„Du...", räusperte er sich. „Möchtest du alleine sein?"

Die Frage war an mich gerichtet. Mir war das bewusst, weshalb ich ihm dementsprechend antworten wollte. Andererseits konnte ihm aber keine Antwort geben. Dazu fehlte mir jegliche Kraft. Mein emotionaler Ausbruch raubte mir all die Energie, die ich vorher hatte.

Ich gab es daher auf, bevor ich es überhaupt versuchte.

„Ich merke. Dir ist nicht nach reden...", stellte Felix fest.

Er trat vorsichtig vor. Er begutachtete mich, wofür er seinen Oberkörper vorneigte, dennoch Abstand zu mir hielt. Sobald er sich mein Gesicht ansah, presste er die Lippen aufeinander. 

„Du hast geweint..."

Das war noch zu sehen?

Ich dachte, nach dem ich mich beruhigte, war von meiner Trauer nichts mehr zu sehen.

Die Wahrheit war aber, dass meine Trauer tief saß. Sie saß so tief, dass sie vermutlich jeder gesehen hätte. Ähnlich, wie mein Palast es immer tat...

„Ist es wegen dem Tod der Sofia?", hakte er nach. „Ich glaube... Die ganze Welt wird einige Tage um sie trauern. Sie wurde sehr geliebt. Wenn du mich fragst, ist das sehr traurig. Vor allem, weil von der Sönigin kaum was zu sehen ist"

Überlegend schaute er beiseite.

Vor allem, weil von der Sönigin kaum was zu sehen ist...

Dieser Satz blieb kurz bei mir hängen.

Wie enttäuscht musste das Volk bloß sein? Zu wissen, ich würde mich darüber nicht äußern, obwohl es kein Geheimnis war, welch eine Bedeutung die Sofia für mich hatten. Welch ein Licht warf das auf mich? Für welchen Chaos wird mein Schweigen sorgen? Inwiefern würde meine Abwesenheit die Trauer bestärken?

Der Palast hatte es mit Sicherheit am Schlimmsten... Und das war alles meine Schuld.

„Möchtest du darüber reden? Hattet ihr irgendwie eine Verbindung zueinander oder so?", ertönte Felix' Stimme erneut. „Hat der Tod dich an irgendwen erinnert?"

Intuitiv die Augen geschlossen, durchzog mein Brustkorb ein blitzartiger Schmerz, der meinen ganzen Körper erreichte.

Wenn er wüsste, welch eine Beziehung Rosé und ich doch hatten...

Wenn er nur wüsste, was der Tod eines geliebten Menschen in mir auslöste und welche Erinnerungen das in mir hervorrief... Ich verband in der Tat nichts Positives mit dem Tod, wie sonst kein Mensch. Der Unterschied zwischen mir und einigen anderen war vermutlich aber der, dass ich nie lernte den Schmerz der Vergangenheit loszulassen.

Seit dem Tod meiner Familie versprach ich mir daher keinen einzigen Menschen mehr in mein Herz zu lassen. Ich würde meinen, daran hielt ich mich bislang auch.

Was ich jedoch nicht vermeiden konnte, waren all die Schuldzuweisungen. Rosés Tod war meine Schuld. Dass sie ihren Mann und kleine Schwester sowie ganze Welt zurücklassen musste, das war meine Schuld.

Meine alleinige Schuld; dank meinen dummen und naiven Gedanken.

Das bedeutete nicht, dass ich Rosé nicht auch schätzte. Sie machte einen wichtigen Teil meines Dasein aus, seit ich gekrönt wurde.

Doch ihr Tod versetzte mich nicht ansatzweise in den selben Augenblick zurück, wie, als meine Familie um's Leben kam.

Sie bedeutete mir etwas, ja. Aber mein Herz hatte sie nie bewohnt.

Ihr Tod bewohnte es jedoch. Ihr Tod und die Schuld darum.

„Weißt du, Yeji...", fing Felix wieder an, den ich beinahe vergessen hatte. „Dazu fällt mir tatsächlich etwas ein, das ich dir mitgeben kann"

Die Augen langsam geöffnet, lauschte ich seiner dunklen Stimme, die kurz nach Luft schnappte. Dabei wusste ich nicht einmal, weshalb ich ein offenes Ohr für ihn hatte...

„Manchmal... Manchmal nimmt uns Gott die Menschen, die wir lieben, um uns zu zeigen, dass wir auch ohne sie können. Verstehst du das, wenn ich das sage? Wir denken immer, wir könnten nicht mehr weiterleben, wenn gewisse Menschen nicht mehr Teil unseres Lebens sind, aber... Das geht. Wir wissen das nur nicht, weshalb Gott uns daran erinnern möchte. Wir können das... Wir haben eine ganze Genveränderung und Revolution überlebt - Tode überleben wir auch..."

Ich musste unkontrolliert die Augenbrauen zusammenziehen.

Diese Sätze kamen mir bekannt vor. Das sagte mir mein Bruder auch gerne. Immer, wenn er über seinen Tod sprach oder über den unserer Eltern, sagte er mir, dass ich ohne sie alle konnte. Ich lernte es über die Jahre und musste. Schließlich würde mir Gott nichts zumuten, was ich nicht tragen hätte können. Hyunjin sagte stets, Gott hätte ihn nicht getötet, wenn ich ohne ihn nicht leben könnte.

Aber ich konnte.

Das wusste ich auch.

Die Frage war aber, ob ich das wollte. Wollte ich ohne Hyunjin leben? Wollte ich ohne meine Eltern weitermachen? Wollte ich Rosés Tod hinnehmen?

Wollte ich es akzeptieren, dass mein Bruder auf einmal nicht mehr sprach?

Ich biss mir auf die Zunge.

Ich war so scheiße schwach. Mein Gefühlszustand eskalierte doch bloß, weil ich meinen Zwillingsbruder nicht wahrnahm. Ich wusste, dass ich die Kontrolle über mich verlor, was den Tod meiner Sofia anbelangte, weil er mich anschwieg.

Ich war alleine und wollte das nicht sein.

Deshalb ging es mir so, wie ich mich fühlte.

Und zwar... Alleine... Ich fühlte mich alleine.

Rosés Tod erinnerte mich nur wieder daran, dass ich jeden Augenblick alleine gelassen werden konnte...

„Okay...", atmete Felix ein.

Ich ließ von meiner Zunge ab, wissend, der Blondschopf bekam von meinen Gesten rein gar nichts mit.

„Ich verstehe und respektiere, dass du nicht mit mir reden möchtest. Du siehst sehr erschöpft aus", erkannte er und sah sich um. „Von der Höhle mal ganz zu schweigen, die du wohl verunstaltet hast..."

Kurz geschwiegen, um die verkohlten Stellen der Höhlenwände zu betrachten oder die Wasserpfützen auf sich wirken zu lassen, nickte er anschließend.

„Ich werde aber nicht gehen", sprach er. „Ich..."

Er schnalzte mit der Zunge. Daraufhin nickte er und schritt auf mich zu. Mein Körper wollte verkrampfen, sobald er Felix' Nähe wahrnahm.

Nur blieb ich locker.

Selbst als er sich auf den Boden legte, um dicht neben mir ebenfalls an die Decke zu gucken, blieb mein Körper entspannt.

Mir fehlte es noch immer an Kraft. 

„Ich... Kenne das... Wenn man einfach nicht reden möchte, liegt und an die Decke starrt", seufzte er. „Ja, ich kenne das... Das ist auch völlig in Ordnung, nur... Ich weiß, dass eine emotionale Stütze manchmal genug sein kann", nickte er. „Bzw. wenn man weiß... Jemand sitzt mit einem im Raum oder jemand liegt mit einem in einer Höhle"

Er drehte den Kopf in meine Richtung.

Zwischen uns hätte noch eine Person liegen können, wofür ich sehr dankbar war. Felix gewährte mir meinen Freiraum -meinen emotionalen Freiraum-, aber blieb dennoch bei mir.

Sein Blick fokussierte mein Gesicht, als ich hörte, wie er schlucken musste.

„Ich sag jetzt nichts mehr. Gar nichts, versprochen", sagte er mit ruhiger Stimme. „Aber wenn du reden möchtest, habe ich ein offenes Ohr, okay? Du bist nicht alleine."

Du bist nicht alleine.

Eine eiskalte Gänsehaut machte sich auf meinem Körper breit.

Als wüsste er, was ich hören musste...

Er drehte den Kopf wieder weg, sodass er an die Decke gucken konnte.

Ich biss mir intuitiv auf die Unterlippe.

Er sagte, er würde mich nicht alleine lassen. Das hatte Hyunjin auch gesagt... Aber er ließ mich alleine und ich hörte keinen Ton mehr von ihm. Ich konnte ihn nicht einmal mehr spüren.

Als wäre er nie da gewesen.

Felix wollte mich trösten, das war mir schon bewusst. An jedem anderen Tag hätte ich seine Mühen sicherlich geschätzt und wäre dafür sehr dankbar.

Aber jetzt gerade? Jetzt gerade erinnerte er mich nur daran, wer nicht bei mir war. Ich brauchte nun mal niemanden, außer meinen Bruder. Das war schon immer so, wobei ich nicht glaubte, dass sich das jemals ändern würde.

Hyunjin war meine Stütze, seit ich mit acht Jahren meine Therapie machte. Er war derjenige, der mich durch jede Phase meines Lebens begleitete, selbst nach seinem Tod.

Bei dem Gedanken wurde mir immer klarer, dass es nicht die Tatsache war, dass Rosé starb, weshalb ich außer Kontrolle geriet - es war das Schweigen von Hyunjin.

Nach meinem Elementenraub, dem Kontinentenwechsel, meinem Gedächtnis- sowie Kontrollverlust und meinem Gefühlschaos nahm mich seine plötzliche Abwesenheit noch mehr mit, als es das unter anderen Umständen vielleicht getan hätte.

Eigentlich hätte er nie weg sein dürfen... Mein Zustand konnte es ihm nicht gewährt haben.

Aber er war weg...

Er ließ mich alleine...

Einfach alleine...

Ich spürte, wie eine heiße Träne über meine Wange rollte. Den Mund geöffnet, fühlte ich, wie meine Lippen rissig wurden.

Das hinderte mich aber nicht daran die nächsten Worte zu sprechen.

„Ich höre meinen Bruder nicht mehr.", sagte ich mit kratziger Stimme.

Es überkam mich. Ich verzweifelte so sehr, dass es mich einfach übernommen hatte; den Drang, darüber zu sprechen...

Felix' Kopf schoss in der Sekunde in meine Richtung. Die Augen leicht weit gemacht, blinzelte er mehrmals.

„Deinen...", unterbrach er sich.

Er brauchte einen Moment, um sich meinen Worten bewusst zu werden. Doch dann schloss er von selber, was vor sich ging und nickte.

„Du hast einen verstorbenen Bruder, der mal ein Signum war?"

Ich hielt es nicht für nötig ihm auf diese Frage eine Antwort zu geben. Ich glaubte vielmehr, dass er seine Vermutungen bestätigt haben wollte, dessen Bestätigung er mit Sicherheit durch meine Körpersprache bekam.

Felix war ein intelligenter Mann, der Situationen gut einordnen konnte.

„Daher weht der Wind...", schaute er überlegend beiseite.

Genau...

Denn es würde immer um Hyunjin gehen.

„Weißt du... Ich kenne das Gefühl", drehte er den Kopf weg. „Wenn man die Stimme von jemandem nicht mehr hört, den man sehr liebt. Ich höre meine Mutter auch seit Jahren nicht mehr..."

Plötzlich schien Felix in Gedanken zu versinken. Das kam mir gut gelegen, vor allem das, was er sagte. Dadurch nahmen meine Gedanken an Form an und wechselten die Richtungen. Ich konnte endlich vom Thema Schuld, Tod und Trauma ablassen, um an jemand anderen zu denken.

Felix sprach über seine Mutter. Das ließ mich automatisch auch an Jeongin und Changbin denken, da sie dieselbe Mutter hatten. Sie war wohl ein Signum, die verstarb. Nun sagte Felix, dass er sie bereits seit Jahren nicht hörte.

Wie hielt er das bloß aus?

Ich würde alles dafür tun, um meine Mutter nur ein einziges Mal wieder hören zu können...

„Manchmal erdrückt mich das", bestätigte er mir meine Sorgen oder das Gefühl, was ich hatte und ständig habe, wenn ich Hyunjin nicht hörte. „In anderen Moment bin ich aber sehr erleichtert darüber..."

Ich musste, wie so oft heute, die Augen schließen.

Wie gut ich das nachvollziehen konnte...

Natürlich würde ich alles dafür geben, um meine Mutter zu hören. Genauso wie für meinen Vater oder Hyunjin.

All die Jahre, in denen ich meinen Bruder aber wahrnahm, hasste ich es. Ich verabscheute und liebte es zugleich. Einerseits konnte ich nämlich mit meinem Lieblingsmenschen sprechen, wobei ich andererseits ständig an den schlimmsten Tag meines Lebens erinnert wurde.

Es war eine Qual, aber auch eine Erlösung...

„Manchmal... Yeji... Müssen wir Dinge alleine durchdenken, um das Große und Ganze zu sehen", räusperte sich Felix. „Deshalb sind sie weg oder schweigen."

„Und wenn ich das nicht will.", fragte ich geradewegs heraus.

Dabei spürte ich, wie ich langsam meinen Körper und mein Geist vereinigen konnte. Ich fing an mich selber wieder in der Realität wahrzunehmen.

Ich gewann die Macht über mich zurück.

„Dir bleibt keine andere Wahl", sprach Felix, dem das Thema wohl selber nahe zu gehen schien.

Ich konnte fühlen, dass er selber öfter über das Thema nachdachte, über das wir gerade sprachen.

„Eleanor Roosevelt hat mal gesagt...", überlegte er für Sekunden. „Du gewinnst an Stärke, Mut und Selbstvertrauen durch jede Erfahrung, bei der du der Gefahr wirklich ins Gesicht siehst. Du musst das tun, wovon du denkst, dass du's nicht tun kannst..."

Ohne dabei ständig auf andere angewiesen zu sein, flüsterten meine dunklen Gedanken.

Ich schloss müde die Augen.

Ich wusste es doch auch nicht...

...
...

Ich erinnerte mich unbewusst an den Tag zurück, an dem ich dachte, Minho bzw. Chwe sei gestorben. Ich dachte daran, dass ich mich fühlte, als würde mich ein Boot auf dem weiten Meer umher treiben. Meine Gefühle wurden von den Fähigkeiten meiner Elemente erstickt und verdrängt. Ich hatte dies beabsichtigt, um als Sönigin funktionieren zu können, denn das war schon immer mein Ziel gewesen; zu funktionieren.

Heute sah das nicht anders aus. Ich wollte funktionieren. In dem Augenblick mehr denn je. Ich wollte verdammt nochmal meine Emotionen ausknipsen, um nach draußen zu laufen und anschließend mit all der Kraft, welche in mir lebte, meinen Palast zurückzuholen. Den Tod von Rosé, den wollte ich nämlich rächen.

Komme, was wolle.

An mein Wort würde ich mich auch halten, das wusste ich.

Demnach blieb mir keine andere Wahl, als meine Augen zu schließen und den Ignis in mir zu fokussieren; die Persönlichkeit in mir, die den Aqua an Ketten legte, damit dieser mich mit seinen negativen Gefühlen nicht kontrollierte. Die Schwierigkeit war, dass der Ignis vor Wut nicht klar denken konnte. Ihn alleine gegen den Aqua ankämpfen zu lassen, wäre nicht unbedingt sinnführend - zumindest nicht immer. Mir fehlte der kluge Aerea, der genau wusste, wie er mich zur Ruhe bringen konnte. Zudem brauchte ich die Rationalität des Terras, der auch nicht da war. Dadurch konnte sich der Aqua gut wehren. Er wollte seine Emotionen nicht verstecken, wie er sonst immer gezwungen war. Die Tatsache, dass ich ihn immer zu unterdrücken versuchte, obwohl er mein Grundelement darstellte, belastete ihn und mich sehr.

Aber manchmal musste ich Opfer bringen.

Bitte Ignis... Bekämpfe den Aqua...

Ich war sehr erleichtert darüber, dass der Ignis in mir am aktivsten lebte. So konnte dieser in seiner Wut die Emotionen des Aquas zerquetschen und eliminieren. Zumindest nur für die Zeit, bis sie mich wieder einholten.

Eine heiße Träne verließ mein Augenwinkel, sobald ich wieder die Augen öffnete. Ich versuchte einmal durchzuatmen, worauf ich mir vorsichtig zunickte.

Für Rosé. Ich tat das für Rosé. Für sie und für alle, die heute leiden mussten. Ich tat das für mein Palast, der auf mich wartete. Ich tat das für mein Volk, welches auf mich baute. Ich tat das für mich... Für mich, weil ich es nicht mehr aushielt...

In der Dunkelheit der Höhle aufgesetzt, zog ich die Knie an meinen Körper.

Es war mitten in der Nacht. Mittlerweile waren Stunden seit der Bekanntgabe über Rosés Tod vergangen. Die Pläne für den heutigen Tag fielen aus, da es den Ignis nicht besonders gut ging. Schließlich war ihr Sofia gestorben, zu dem jeder Signum eine Verbindung hatte. Jungkook und Rosé waren über ihr Geist mit uns verbunden. Wir nahmen sie zwar nicht wahr, wie die Stimmen unserer verstorbenen Familienmitglieder, aber sie machten einen Teil unserer Existenz aus. Ihr Tod nahte sehr dem Tod eines Familienmitgliedes.

Daher wirkte meine Niedergeschlagenheit auf niemanden suspekt. Das gesamte Volk trauerte nämlich.

In die Leere gesehen, schwirrten meine Gedanken um alles und nichts. Ich dachte vor allem an meinen Bruder, der mir heute kein Lebenszeichen gab. Müsste er nicht auch trauern? Er kannte Rosé. Hatte er zu dem Vorfall etwa gar nichts zu sagen? Zu meiner Lage? Meiner Reaktion? Wollte er Felix nicht kommentieren, der mich besuchte?

Ganz offensichtlich nicht...

„Hyunjin...?", versuchte ich es flüsternd, doch nichts.

Mein Bruder blieb stumm.

Die Knie noch näher an meinen Körper gezogen, spürte ich, wie sich eine Angst in mir freisetzen wollte, die nur mein Bruder in mir auslöschen oder stoppen könnte. Die Zähne fest aufeinander gebissen, versuchte ich meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, als ein Knistern in meinen Ohren zu hören war.

Es war das selbe Knistern, welches ich vor Stunden wahrnahm, als Felix die Höhle betrat. Ein Knistern, von dem ich dachte, es könnte mich von meinem Leid befreien, obwohl ich zeitgleich wollte, dass es sich bei dem Knistern um mein Feind handelte, damit ich ihm zeigen konnte, wie wütend ich war.

Die Augen abermals aufgeschlagen, richtete ich mich. Fast schon intuitiv meine Arme aufgeschlagen, bildete sich eine Flamme auf meinen Händen, die mir Licht spendeten; wie, als würde ich mich für einen Kampf fertig machen. Da der Aqua in mir verstummte und der Ignis bereitwillig arbeitete, war meine Reaktion keineswegs ungewöhnlich gewesen.

Aufmerksam das Kinn gehoben, schaute ich mich in der Höhle um.

Ich hatte etwas gehört.

Ich hatte jemanden gehört...

Meine Gedanken waren nicht mehr von Emotionen betrübt. Ich konnte zwar nicht behaupten, dass ich dadurch rational handelte, da nur die Gefühle fort waren, die mit Schuld, Trauer und Angst zusammenhingen. Meine Wut, mein Kampfgeist sowie meine Impulsivität strahlten kräftiger als für gewöhnlich. Daher suchte ich gerne nach der Person, die meinte, sich bemerkbar zu machen. Ich wollte, dass es sich hierbei um jemanden handelte, der sich als Feind rausstellte. 

Urplötzlich fiel mir ein, dass es da jemanden gab, der mich beschattete.

Die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, nickte ich.

Stimmte... Nach meiner Theorie arbeitete dieser mit meinem Feind zusammen und erstattete ihm Bericht über mich. Das letzte Mal bereitete mir dieser Gedanke Sorgen, während ich zu dem Augenblick bereit war, diese Person in Flammen aufgehen zu lassen.

Vielen lieben Dank, Ignis.

„Zeig dich...", schritt ich vorsichtig hervor.

Ich entfernte mich von der Tiefe der Höhle und steuerte auf den Ausgang zu. Die Fähigkeiten des Terras fehlten mir, die mir in solchen Momenten ermöglichten zu fühlen, wo genau sich mein Feind aufhielt oder ob dieser überhaupt noch in meiner Nähe war.

„Den Job als Stalker machst du ziemlich schlecht", blickte ich beiseite, worauf ich stark Luft nahm, um anschließend mit meinen Händen in die Richtung zu lenken, in die ich sah.

Ein Feuerstrahl verließ meine Fingerspitzen und erhitzte mit schlagartiger Wirkung die Atmosphäre der Höhle.

„Wenn ich bedenke, dass ich dich in 9 von 10 Fällen immer wahrnehme und höre...", nahm ich erneut Luft, worauf ich die andere Seite der Höhle fokussierte und anschließend sogar die Mitte ins Visier nahm.

Die Höhle wurde so heiß, dass ich nicht glaubte, irgendwer könnte es länger hier drinnen aushalten, es sei denn, man hatte eine Resistenz, wie ich sie besaß.

Natürlich wollte ich das Geheimnis um meine Resistenz nicht aufdecken, weshalb ich am Ausgang stand; genau da, wo mich die frische Luft erreichen konnte, in die ich außerdem jederzeit flüchten könnte.

„Schade...", richtete ich mich auf, wodurch sich die Flammen um meine Hände auflösten. „Du bist nicht hier... Aber keine Sorge", nickte ich garantierend. „Beim nächsten Mal erwische ich dich und dann gibt es kein Entkommen mehr."

Mit diesen Worten machte ich Kehrt. Ich verließ die Höhle und trat auf den Trainingshof. Die Hoffnung, dass ich noch jemanden erwischen könnte, zertrat ich mit Füßen. Stattdessen atmete ich durch, als ich voraus schritt.

Innerlich überraschte es mich, dass mir die Situation in der Höhle offensichtlich nichts ausmachte. Weder das, noch beschäftigte sie mich. Ich würde zwar lügen, wenn ich nicht behauptete, dass sie mich etwas verärgerte, da ich noch immer nicht wusste, wer es auf mich abgesehen hatte, aber... Das war's dann auch.

Das lag vermutlich an meinem seelischen Zustand.

Mir ging es nicht besonders gut.

Es lag aber auch daran, dass ich den Ignis die Oberhand über meine Gefühle überließ.

Daher sollte ich vielleicht nicht auf den Kupferpalast zusteuern, indem Changbin seine Zeit verbrachte...

Nur ließ ich mich leiten. Ich konnte nicht anders. Ich musste zu ihm. Ich musste mich mit ihm unterhalten. Etwa nicht aufgrund meines Beschatters, nein. Ich hatte das Verlangen danach mit ihm über Rosé zu sprechen...

Als würde ich schlafwandeln, betrat ich den Palast. Nachdem ich das schwere Tor öffnete, schloss ich es leise hinter mich, was jedoch nicht viel brachte, da die Läuferinnen direkt auf mich aufmerksam wurden.

„Hey! Raus mit dir!", rief einer, der an den Treppen stand, die hinauf führten.

Durch ihn wurden die Läuferinnen an der Tür aufmerksam auf mich. Auf der Stelle nahmen sie ihre großen Gewehre hervor, die sie in Sekunden in meine Richtung lenkten. Die Augen gerollt, spürte ich, wie sie Saphir-blau leuchteten.

Die Hand gehoben, legte sich eine große Wassermenge um sie, die ich über die Läuferinnen gleiten lassen wollte, bevor ich mich hinter dem Element schützen würde. Das war aber nicht von Nöten, da eine rauchige Stimme mich davon abhielt.

Das war vermutlich auch besser so.

Ein Palast wurde strengstens überwacht. Ich vermutete nicht, dass ein einzelner Signums die Gewalt von Schusswaffen ausweichen könnte. Ohne meine sechs weiteren Elemente wäre das ein leichtsinniger Akt gewesen.

Das hätte ich in Kauf genommen.

Etwa nichts dazu zu sagen, Bruder?

„Schon okay", sprach Changbin, der all die Läufer und Läuferinnen besänftigte und mich damit zu ihm sehen ließ. „Nicht wahr, Yeji?"

Er stand am Schnittpunkt der Treppenstufe, die in den Ost- und Westflügel des Palastes lenkte. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute er zu mir. Er schien nicht überrascht von meinem Besuch, was an seiner Präsenz und Statue zu sehen sowie an der Tonlage zu hören war.

Changbin ahnte, nein, er wusste, ich würde ihm einen Besuch abstatten.

Umso besser...

„Wir müssen reden.", kam ich zur Sache, ohne groß drum herum zu sprechen.

Er nickte, bevor sich ein leichtes Schmunzeln um seinen Mund spielte.

Ich kniff die Augen leicht zusammen, während er voraus ging, um die Treppenstufen hinab zu steigen. Dabei ruhte sein Blick auf mir.

„Immer, wenn du das sagst, enden wir damit, einander töten zu wollen...", neigte er den Kopf, sobald er am Boden ankam, sodass wir auf Augenhöhe voreinander standen.

Seine Stimme wurde von einer Ironie begleitet, die ich durch den aktuellen Vorfall mit Rosé nicht dulden wollte. Daher spannten sich meine Körpermuskeln wie von selber an, wobei in meinem Gesicht abzulesen sein müsste, dass ich keinen Nerv für solch einen Kram besaß.

Ein Glück begriff Changbin, in welch einer Verfassung ich mich befand. Zumal er durch meine Resistenz kaum mehr eine Chance gegen mich hätte, wenn wir aneinander geraten würden. Das wussten wir beide...

„Na, gut. Was möchtest du?", seufzte er schlussendlich.

Nachdem er mich das fragte, schaute ich mich bloß um. Die Läuferinnen und Läufer standen noch immer um uns herum. Sie beobachteten uns beide - gerade mich. Ich stellte für sie eine Bedrohung dar, weshalb ich nicht einfach sagen konnte, was ich wollte. Erst recht nicht, wenn Changbin und ich unsere Geheimnisse hatten.

„Du hast Recht...", sagte er nur, als er sich mit dem Rücken zu mir drehte.

Ohne weiteres hob er die Hand, um mich mit einem leichten Winken dazu aufzufordern, hinter ihm her zu gehen. Die Augenbrauen kritisch verzogen, konzentriere ich mich auf meine Umgebung, um bloß nicht unvorsichtig zu werden. Ich wusste schließlich nicht, ob mich ein Angriff erwartete.

Dennoch ging ich voraus, um hinter Changbin hergehen zu können. Er zielte auf die Segmente unter der großen Treppe. Ohne mir das durch den Kopf gehen zu lassen, wusste ich bereits, dass er sich mit mir in Segment Null unterhalten wollte.

Was sich die Anwesenden in der Halle dabei dachten, war ihm offensichtlich egal.

Changbin ging als Erster durch die schwere Tür, nachdem ich ihm folgte. Das familiäre Gefühl, was mich dabei überkam, weil das Segment sich nicht groß von dem im goldenen Palast unterschied, fühlte sich auf einmal fremd an. Als wäre es viel zu lange her gewesen, dass ich dieses Segment betrat...

„Jetzt sind wir alleine.", sagte Changbin.

Er ging um den großen Tisch und blieb hinter dem Stuhl stehen, auf dem ich grundsätzlich immer saß.

Bevor ich mich in Gedanken verlieren konnte, die mit dem familiären, aber doch fremden Gefühl zusammenhingen, zuckte ich die Achseln und fokussierte nur noch den Ignismeister. In seine schwarzen Augen gesehen, die meist nie sagen konnten, was sie fühlten, überkam mich eine Gänsehaut.

Rosé war tot...

„Wusstest du, dass er sie töten wollte?", fragte ich direkt, doch mit ruhiger Stimme, obwohl ich so voller Emotionen war.

Changbin legte seine Hände auf dem Tisch ab, weshalb er sich leicht mit dem Oberkörper vorbeugte. Eine Falte legte sich zwischen seinen Augenbrauen.

Selbstverständlich wusste er, worüber ich sprach, ohne dass ich den Kontext oder Namen erwähnen musste. Seine Körpersprache verriet ihn, genauso wie seine Antwort.

„Ja.", kam es aus ihm.

Obwohl ich diese Antwort erwartete, brachte sie mich dazu die Luft anzuhalten. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, wodurch ich die Augen für einen Moment schließen musste. Diese wieder geöffnet, schaute ich beiseite.

Ich konnte ihn nicht mehr ansehen. Ich konnte demjenigen nicht in die Augen sehen, der bei dem Mord einer gemeinsamen Freundin Beihilfe leistete...

„Dir macht das nichts aus?", fragte ich, während ich versuchte, den Aqua in mir zu kontrollieren, der sich wieder an die Oberfläche kämpfen wollte.

„Was glaubst du?", stellte er mir eine Gegenfrage.

Was ich glaubte...?

Ich glaubte, dass mir schlecht werden würde, wenn ich nach der Antwort suchte.

Ich wollte mir nicht vorstellen, welche Gefühle ihn dabei überkamen oder welche Rechtfertigungen er für ihren Tod hatte. Ich wusste auch gar nicht, ob ich die Antwort dazu hören wollte, da ich sie mir erahnen konnte.

Changbin war ein Verräter. Während der Palast ihn mit offenen Armen empfing und akzeptieren wollte, plante er unsere Todeszeitpunkte.

Ich hatte ihm vertraut, trotz unserer Differenzen.

Was bekam ich dafür zurück?

Eine Leiche...

„Dass es dir scheißegal ist.", biss ich nach der Antwort die Zähne stark aufeinander.

„Und was ist mit dir, Yeji?", kam es aus ihm geschossen.

Das klang beinahe wie ein Vorwurf, als hätte er jedes Recht dazu..

Aufmerksam den Kopf gehoben, ohne mich zu ihm gedreht zu haben, überlegte ich. Weshalb stellte er mir die Frage? War es etwa nicht eindeutig, dass mir der Todesfall viel zu nahe ging?

„Was meinst du damit?"

„Muss ich weinen, um zu zeigen, dass es mir weh tut?", kam es fragend aus ihm, was nur wieder dafür sorgte, dass sich die Räder in meinem Kopf drehten.

Die Antwort lautete; nein. Nicht jeder musste weinen, um seinen Schmerz zum Ausdruck zu bringen. Jeder Mensch ging mit seinen Gefühlen anders um. Wenn ich meine vergangenen Tage reflektierte, würde ich nicht behaupten, dass ich viel weinte, was nicht bedeutete, dass ich nie trauerte.

Aber Changbin und ich waren nicht zu vergleichen. Er wusste, dass Rosé sterben würde. Wie lange er das bereits wusste, wollte ich gar nicht in Erfahrung bringen. Das bedeutete, dass er ihr in de Augen sah, wissend, sie würde sterben. Er spielte ihr sowie allen anderen eine Beziehung vor, welche er nie zu uns hatte.

Er brauchte mich nicht zu manipulieren. Die Wahrheit war, er litt nie unter dem Druck, der Lügen und der Todesfälle.

„Wir waren dir nie wichtig gewesen.", stellte ich fest.

Vom Blickwinkel erkannte ich, wie sich der Ignis aufgrund meiner Aussage vom Tisch abstützte. Er richtete sich auf, worauf er den Kopf schüttelte.

„Das stimmt nicht."

Diese drei Wörter brachten mich dazu aufzulachen.

Ja, klar. Die Zugehörigen des Palastes waren Changbin wichtig gewesen. Deshalb stellte er sich auch gegen sie.

„Dann erzähle mir mal, wieso, hm", drehte ich mich schlussendlich doch wieder zu ihm. „Erzähl mir, warum solltest du den Tod einer Freundin herbeirufen wollen, wenn sie dir so wichtig ist?"

Ich schaute ihm herausfordernd ins Gesicht. Von seiner Belustigung war kein Funke mehr zu sehen. Seine dunklen Augen sahen in die meine, während ich auf eine Antwort seinerseits wartete.

Die Wahrheit war aber, dass nie eine folgte. Mein alter Verbündeter war nämlich ein Heuchler, was ich wusste, ohne eine Antwort zu bekommen.

„Du bist ein Lügner und feige noch dazu, Seo Changbin. Macht dein Boss dir solch eine Angst, dass du dich als Ignis nicht auflehnen möchtest?"

An der Stelle winkte mein Gegenüber schnalzend ab, als er den Kopf leicht schüttelte.

„Du weißt vor lauter Frustration gar nicht, was du redest."

„Ach, nicht?", hob ich eine Augenbraue. „Ich glaube, ich liege exakt richtig mit dem, was ich rede."

Meine Fäuste geballt, regte sich in Changbins Gesicht noch immer nichts. Auch nicht, nachdem wir uns eine Weile stumm ansahen. Ich konnte ihn bloß seufzen hören, als er den Blick abwandte. Er entfernte sich von dem Tisch.

Ohne mich nochmal angesehen zu haben, ging er an den Stühlen vorbei, bis er auch an mir entlang ging. Hinter mir befand sich die Tür, die er nehmen wollte, um hinaus zu gehen. Sein Verhalten verärgerte mich, weshalb ich mich weder regte, noch etwas sagte. Die Situation zwischen uns würde ansonsten eskalieren.

Aufmerksam den Kopf beiseite gedreht, als Changbin nach der Türklinke griff, hörte ich, wie er ausatmete.

„Yeji?", verließ mein Name seine Lippen, weshalb ich den Kopf einen kleinen Stück mehr zur Seite drehte, sodass er mein halbes Gesicht sehen konnte.

Er drehte sich zu mir, weshalb ich gespannt nickte; als Zeichen dafür, dass ich ihm zuhörte.

„Jungkook ist der Nächste auf seiner Liste.", schoss es aus ihm.

Abrupt aus meiner Position gekommen, fuhr ich herum.

„Was?"

Mein Herz machte einen Hüpfer, wobei mir schlagartig übel wurde.

Also hatte ich recht behalten... Mein Feind würde es nicht bei einem Todesfall belassen. Er würde versuchen meinen Palast von innen zu zerstören, wie ein kleiner Parasit...

„Das wird sehr schwer, aber er ist sein nächstes Ziel.", bestätigte Changbin nochmals.

Sein nächstes Ziel...

Also würde es noch einige Ziele zu erreichen geben.

Die Unterlippe zwischen meine Zähne gezogen, spürte ich, wie die Wut des Ignis sich an die Oberfläche kratzen wollte. Mein Feind fing an das Feuer in mir zu entfachen. Ein Feuer, welches bereits angezündet wurde, doch mittlerweile drohte alles mit sich zu reißen.

Ich würde ihn töten; für jede Seele, die er auf seiner Liste hatte...

„Wieso erzählst du mir das?", richtete ich den Blick, um Changbin anzusehen.

„Und ein Ratschlag...", ignorierte er meine Frage gekonnt. „Stell keine Fragen. Handle endlich."

Die Hände zu Fäusten geballt, spürte ich die kupferrote Farbe in meinen Augen.

„Wieso. Erzählst. Du. Mir. Das.", wiederholte ich mich mit gedämpften Atem.

In meinem Brustkorb machte sich ein leichtes Zittern breit. Ein Zittern, das meinem Zorn zu verdanken war und aus dem Impuls heraus handeln wollte.

Changbin hatte jedoch anderes vor, als sich mit mir zu streiten. Ohne mich aus den Augen zu lassen, ging er einen Schritt zurück. Bereits nach der Türklinke gegriffen, nickte er sanft.

„Weil mir sehr wohl etwas an Rosé lag..."


____________________________________

Hi ☺️.

I'm back... Nach einer viel zu langen Zeit, aber besser als nie! Oder? Ich hoffe doch sehr, dass ihr mich bzw. die Geschichte vermisst habt, so, wie ich das getan habe! Ich hatte aber irgendwie total viel zutun, wodurch ich nicht zum Schreiben kam... Und, wenn ich ehrlich bin, ging es mir mental auch nicht besonders gut. Aber jetzt habe ich endlich mal meinen Sh*t together bekommen und wünsche mir, dass ich den zweiten Teil des Buches damit rocken kann, trotz einiger Komplikationen in der Planung 🥲...
Wir bleiben optimistisch 💪🏼!

An der Stelle... Wie geht es euch 🤍?

Nun zum Kapitel, in dem etwas mehr passiert ist...

Wir hatten! Dunkle Gedanken von Yeji, ein Gespräch mit Felix, eine Begegnung mit dem Stalker und dann ein Gespräch mit Changbin, hmhmmm... Ich stelle bewusst keine Fragen, außer... Was hält ihr vom Kapitel oder der momentanen Lage? Was meint ihr, wird uns erwarten?

Langsam kommen die Dinge ins Rollen... Ich sag's euch...

Bin gespannt, was ihr zum Kommenden sagt. Jetzt fängt nämlich die schwere Phase des Buches an (für mich schwer) und joa... Hab bisschen Angst davor 😅

Jedenfalls wünsche ich euch sehr viel Spaß beim Weiterlesen! Hoffentlich erwischt mich kein erneutes Tief!

Ich wünsche euch einen wundervollen Tag/ eine wundervolle Nacht 🐥

Bis zum nächsten mal!

In love, N ❤️


Ps Nummero Uno; ich wünsche all meinen muslimischen LeserInnen, dass sie einen wundervollen und segensreichen Ramadan genießen konnten 🌙. Ich hoffe, ihr hattet ein wunderschönes Fest mit der Familie/ mit euren Freunden! Mögen eure Gebete angenommen werden ✨.


Ps Nummero Dos; WIE FINDET IHR DAS ALBUM ODDINARY? Ich finde es fiiiiireeee 🥹🔥. Meine Lieblingstracks sind Charmer, Waiting for Us und Muddy Water - was sind eure? 😏

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top