⚜️ Aus Prinzip ⚜️

(Bild von Yang Jeongin)

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Mir über die Stirn gewischt, schaute ich über den Platz, an dem wir standen. Es war ziemlich heiß, was meine Schweißausbrüche erklärte und weshalb ich in einem weißen Top saß, wobei die Jungs sich halb ausgezogen hatten. Ein Hingucker, wenn man mich fragte, aber nichts, das mich ablenkte.

Ich ließ mich eher von der Frage ablenken, weshalb das Wetter für uns Ignis zu heiß war, bis es mir einfiel. Wir befanden uns auf einem Gebiet, an dem Signums hingeschickt wurden, um sie zu bestrafen. Das bedeutete, dass das Wetter simuliert wurde. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor Jahren mit einigen anderen Signums daran arbeitete. Ich vergaß es jedoch beinahe, da das viel zu lange her war.

Wenn ich das so reflektierte und selber vor Ort war, um irgendwelche Arbeiten zu verrichten, fand ich die Strafe natürlich total beschissen. Dabei gab ich zu, dass es am Lager schon ziemlich human zu sich ging. In der damaligen Debatte diskutierte der goldene Palast darüber, ob ein Lager oder eine Isolationskammer als Bestrafung am sinnvollsten wäre. Ich persönlich fand, dass sich eine Isolationskammer sehr schädlich auf die Psyche eines Individuums auswirken könnte, da nicht jeder mit dem Gefühl des Alleinseins klarkam. Aufgrund dessen setzte ich mich für ein Lager ein, der als vorübergehender „Verbannungsort" dienen sollte, an dem man regelmäßig mit anderen in Kontakt trat und praktisch etwas tun konnte, um die Zeit vor Ort totschlagen zu können...

Wie auch immer... Das war der Gedanke dahinter.

Den Kopf gehoben, strich ich mir die feuerroten Strähnen beiseite, welche sich aus meinem Zopf lösten.

Die wüstenartige Gegend schien sehr trocken, wobei die Tiere, die hier lebten, ihren Dreck überall hinterließen. Ausserdem lag viel Müll herum, was mit Sicherheit von den Menschen her gebracht wurde oder aber von den Trainingslagern stammen musste. Wieso auch immer - ich wusste, wir sollten die Überreste wegräumen.

Ich erinnerte mich an Minhos Worte, der sagte, wir würden in Teams zusammengetan werden, um gemeinsam zu arbeiten. Innerlich musste ich daher mit den Augen rollen. Ich hoffte innig, dass ich mit keinem zusammenarbeitete, den ich nicht leiden konnte. Das bedeutete, ich akzeptierte nur Namjoon oder Seungmin als meine Partner- obwohl ich mich auch mit Chan zufrieden geben würde.

Dass ich das mal sagte...

Von dem Stein gestützt, an dem ich bis eben ruhte, spürte ich, wie trocken mir der Mund wurde.

Ich sollte etwas trinken.

Doch noch bevor ich an die Truhe konnte, welche unsere Getränke kühlte, wurde ich von einer großen Unruhe unterbrochen. Den Blick gerichtet, konnte ich sehen, wie Han grob geschubst wurde. Ich hatte nicht einmal realisiert, was geschah, da verlor der Terra bereits jeden Nerv. Wütend ausgeatmet, schlug dieser mit seinen Fäusten am Boden auf, sodass derjenige, der ihn schubste, abermals über den ganzen Platz flog.

Natürlich war Minho derjenige, der unter den Kräften des Terras leiden musste. Wer auch sonst...

Die Augen aufgerissen, konnte ich nicht anders als dabei zuzusehen, wie Minho durch den Schwung aus der Erde zurückgeschleudert wurde, ähnlich wie in der letzten Nacht. Dieses Mal landete er aber nicht in irgendeinem Kastenabteil, sondern flog soweit zurück, bis er auf dem Boden aufprallte, in dem ein Schlagloch entstand. Daraufhin stieß er noch einige Meter zurück, wobei bei jedem Aufkommen ein weiteres Schlagloch in der wüstenartige Erde entstand. Sobald er am Boden blieb, rollte sein Körper beiseite, was mich die Kinnlade fallen ließ.

„Jisung!", rief Namjoon Han bei seinem Vornamen.

Weder Namjoon noch Han wurde jedoch die Beachtung geschenkt, die sie gerade verdienten. Stattdessen schauten wir allesamt zu Minho, der sich keuchend versuchte zu erheben.

Ich hatte zwar nicht die Sorge, dass er das nicht überlebte, da das für ein Signum ziemlich unwahrscheinlich war, nur wollte ich gerne wissen, inwiefern er sich verletzte. Schließlich hatte Han soeben beabsichtigt seinem Gegner bewusst weh zu tun, wodurch die restlichen Anwesenden etwas erschrocken waren.

Sobald Minho sein Gesicht hob, konnte ich sehen, dass er viele Schrammen abbekam und eine Menge Dreck an ihm hängen blieb. Seine Hände waren ganz wund, da er mit Sicherheit versuchte sich beim Zurückfallen zu halten, was ihm sehr schwer gelang. Ich konnte erkennen, wie er die Hände schlagartig zu Fäusten ballte. Außerdem sah ich, dass seine linke Wange blutete.

Einen Schritt vorgemacht, beobachtete ich auch, wie Minhos Wangen mit einem Mal rot anliefen. Das sprach für seine Wut...

Sobald er sich über die Nase wusch, erhob sich der Rotschopf. Zwar schwenkte er leicht beiseite, aber das hielt ihn noch lange nicht auf.

An der Stelle wusste ich... Es würde gleich anfangen zu brennen...

„Möge der Stärkere gewinnen...", knurrte Minho bloß, was bei jedem angekommen sein müsste.

Möge der Stärkere gewinnen... Diese Worte erinnerten mich an Changbin, der das ständig sagte, wenn sich zwei Signums für den Ringkampf bereit erklärten. Ich verstand daher, dass Minho das sagte, weil er nun beabsichtige Han zu bekämpfen, vermutlich sogar ernsthaft zu verletzen.

Wie bereits geahnt, breitete Minho die Arme, als ein Feuerball vor seiner Brust aufleuchtete, den er ohne zu zögern abwarf. Daraufhin schlug er sich die Arme an die Seiten seines Körpers und ballte seine Fäuste für die Stabilität, worauf seine Augen anfingen weiß aufzuleuchten. Mit der Kraft des Windes, die aus seinen Fäusten schoss, trieb er seinen Körper voran, wodurch er anfing auf direktem Wege in Hans Richtung zu fliegen. Seine Beine standen vom Boden ab, die er bei der Schwungkraft des Windes auch nicht benötigte. Tief eingeatmet, spuckte er dabei Feuer aus der Lunge, was mit der Luft, die er nutzte, mit jeder Sekunde an Gewalt zunahm.

Den Feuerball, den er zuvor abwarf, konnte Han ausweichen, indem er mit seinen Händen in die Erde fasste. Das tat er, weil er sich vornahm die Erdmasse aufzuziehen. Tatsächlich gelang es Han die wüstenartige Erdfläche aus ihrer Position zu reißen und mit sich zu ziehen, indem er sich erhob. Die Erde fing dabei an ihn zu tragen, sodass der Terra in der Luft fliegen konnte, ähnlich wie Minho es tat. Der Unterschied war nur, dass Han unter sich eine große Fläche besaß, die jeden Feuerball von Minho abwehren könnte, wenn er die Erde richtig bändigte. Unabhängig davon konnte Han aber das Feuer bändigen, was bedeutete, es fiel ihm einfach die Gewalt, die sein Gegner ausspuckte, in Luft aufzulösen. Dabei stellte ich fest, dass der Terra seine Füße nutzte, um die Erde unter sich zu kontrollieren, die ihn noch immer durch die Luft trug.

Mir fiel auf dem ersten Blick auf, dass Han ein schwacher Ignis war. Sehr schwach, wenn ich ihn mit Minho verglich. Zumal Minho alle vier Elemente beherrschte, während Han bloß zwei bändigen konnte.

Dafür kontrollierte Han die Erde jedoch besser als jeder Terra, der mir bisher begegnete, fiel mir ein...

„Nicht der Scheiß wieder...", konnte ich Chan sagen hören, bevor ich ihm näher kam.

Dennoch standen wir mit einem Sicherheitsabstand zu den Kämpfenden. Während ich mit dem Gedanken spielte mich einzumischen, eskalierte der Kampf schneller als ich dachte...

Minho hob einen Arm, wobei es nur noch der andere war, der ihn durch die Lüfte rasen ließ. Mit einem wütenden Gesichtsausdruck holte er mit der Kraft des Aereas in ihm aus. Er lenkte die Luft auf Hans Erdfläche, welche den Terra trug. Das Feuer, das er spuckte, zielte ebenfalls auf die große Erdfläche. Beide Elemente krachten auf Hans Tragfläche ein, wodurch sie zu bröckeln anfingen. Doch der Terra konnte sich noch gut halten.

Bloß beließ es Minho nicht dabei. Er flog auf direktem Wege auf Han zu und hörte dabei nicht auf Feuer zu spucken. Während Han versuchte den Flammen zu entkommen, hob der Rotschopf die Arme, sobald er seinem Gegner näher kam. Das tat er, damit er aufhörte zu fliegen. Er wollte nämlich mit den Händen auf der Erde landen, die von Han gebändigt wurde.

Sobald er landete, riss er eine Menge aus der Erde, wie zuvor der Terra, um sie wuterfüllt auf Han zu zielen. Dabei spuckte er noch immer Feuer. Er holte zudem mit den Händen aus, um den Terra mit der Luft zu peitschen und ließ sogar Wasser aus seinen Fingern kommen.

All diese Elemente konnte Han nicht handhaben, wodurch er schnell aufgab. Er versuchte nicht mehr sie abzublocken, sondern warf sich beiseite, worauf er seine Hand in die Erde schlug. Er wollte seine große Erdfläche abrupt zum Stillstand bringen, was Minho kommen sah.

Damit reagierte der Rotschopf geschickt sowie schnell.

Mit einer Wassermenge auf Hans Hand gezielt, ließ er diese durch die Luft erfrieren.

Trotz der Entfernung konnte ich sehen, wie Hans Augen sich schlagartig weiteten. Mir entging nicht, dass er sein Leben an sich vorbeiziehen sah.

So schnell würde dieser jedoch nicht aufgeben.

Er hob die andere Hand an, mit der er ausholen wollte. Auch diese schlug Minho aber auf die Erde, bevor er sie durch den Aqua und dem Aerea gefror. Han wollte nun mit seinen Beinen arbeiten, welche der Rotschopf unter die Erde grub und anschließend mit Wasser sowie Luft gefror. Daraufhin verzog er angestrengt das Gesicht, um einmal auszuholen und mit beiden Fäusten auf die große Tragfläche aus Erde aufzuschlagen, die abrupt in sich zusammenfiel, ohne die beiden Jungs dabei zu verletzen.

Gefesselt von dem Kampf gewesen, konnte ich erst jetzt aufatmen. Ich realisierte, dass ich vergessen hatte, wie mächtig Minho war...

Sobald die wüstenartige Erde am Boden lag, genau da, wo sie hingehörte, wollte ich einen Schritt vormachen, um den Streit endgültig zu beenden. Ich hatte nämlich schon lange genug zugesehen...

Doch dann griff eine Hand nach meinem Arm, was mich schlagartig dazu brachte, stehenzubleiben. Zurückgesehen, schaute ich in die Augen von Chan. Die Augenbrauen zusammengezogen, sah ich, wie er sachte den Kopf schüttelte, als er wieder von mir abließ.

Für einen Moment fragte ich mich, was zum Teufel er mir sagen wollte, sobald es mir einfiel.

Ich sollte mich unauffällig verhalten...

Vorsichtig wieder zu Minho gesehen, der sich schweratmend erhob, musste ich die Zähne aufeinander beißen. Ich musste dabei zusehen, wie der Rotschopf die Hand in Hans Gesicht hielt. Mit der Kraft des Aereas in ihm zwang er Hans Kopf unten zu bleiben, indem er den Druck des starken Windes nutzte, gegen den der Terra sich nicht wehren konnte. Hätte Minho das nicht getan, könnte sein Gegner die Erde noch immer mit dem Kopf bändigen.

Das begutachtete Minho solange, bis ihm der Anblick ausreichend beglückte. Um den Kampf schließlich endgültig zu beenden, hob der Ignis seine freie Hand. Diese Handlung sorgte dafür, dass seine Augen kupferrot aufblitzten.

In meiner Magengegend machte sich ein ungutes Gefühl breit. Ich schloss daraus nämlich, dass Minho Han eine Flamme ins Gesicht feuern wollte...

„Reicht jetzt, Lee", trat Felix jedoch hervor, was mich fast schon erleichtert aufatmen ließ. „Lass ihn gehen. Wir hatten alle genug für heute."

„Du hast mir gar nichts zu sagen.", sagte Minho bloß, ohne zu Felix gesehen zu haben.

Den Blick gerichtet, ließ ich ihn über die Menge schweifen. Überraschenderweise musste ich feststellen, dass sich die Körper der Jungs anspannten, da sie bereit waren, sich einzumischen. Eine Tatsache, die ich selten beobachten konnte oder gar nicht.

Sie hatten vor den Rotschopf aufzuhalten...

Wie kam das denn? Etwa, weil es mit ihm ernst wurde und dieser sich tatsächlich dafür entscheiden wollte, Han zu verletzen oder gar zu töten? Konnte ich etwa Teamgeist sehen, den sie alle aus irgendeinem Grunde oftmals zu verstecken versuchen?

Das war interessant...

„Lass ihn gehen, habe ich gesagt", meldete sich Felix' tiefe Stimme wieder zu Wort. „Siehst du nicht, wie unfair der Kampf war? Wenn du ihn verletzen solltest, spricht das nur für deine Schwäche."

„Oder für seine.", zog sich Minhos linker Mundwinkel auf.

Ironie... Ein Zug, den der Ignis in jedem Streit zum Vorschein brachte.

„Ach? Wieso bekämpfst du ihn dann nicht nur mit der Erde? Angst davor, er könnte stärker sein als du? Nimm es mit jemandem auf, der dir ebenbürtig sein kann, Minho. Allmählich wird es peinlich.", sprach Felix und versuchte die Situation noch immer vernünftig zu klären.

Bedauerlicherweise war Minho niemand, bei dem einige ruhigen Worte etwas bewirken konnten. Dafür war er viel zu hass- und wuterfüllt, zumal das Feuerelement ihn bereits vor viel zu langer Zeit übernommen hatte... Es dominierte schon über sein Gefühlsleben, worüber mein alter Freund jegliche Kontrolle verlor...

„Du willst wohl der Nächste sein, der danach schreit, auf die Fresse zu kriegen, was.", schaute Minho endlich zu Felix auf.

Nun war der Blondschopf derjenige, der den Mundwinkel hochzog.

„Weißt du, was gerade nur fair ist?"

Da legte der Rotschopf den Kopf schräg; gespannt darauf, was sein Zimmergenosse zu sagen hatte.

Keine Sekunde später hob Felix die Hand, diese er für einen Moment anspannte, wodurch Minho, wie so oft zurzeit, einige Meter zurückflog. Das war der Erde zu verdanken, die Felix bändigen konnte.

Mit seiner anderen Hand winkte er fast schon unbemerkt ab, sodass das Eis um Hans Gliedmaßen zu schmelzen anfing. Dieser drehte sich daraufhin auf den Rücken und seufzte überangestrengt aus. Dennoch hob er einen Daumen, um zu zeigen, dass es ihm gut ging.

Minho wäre aber nicht für sein Temperament bekannt, wenn er nicht wieder auf den Beinen stehen würde, richtig?

Das hatte Felix aber mit einberechnet, weshalb er bereits handelte, noch bevor der Rotschopf etwas tun konnte. Seine Augen färbten sich Smaragdgrün, als er beide Fäuste anspannte, um diese vor sich hinaufzuziehen. So konnte er durch den Terra in ihm einen Erdkasten um Minho bilden. Felix sperrte ihn soeben in eine Zelle aus Erde, um diese er dann eine Wasser- und Eisschicht baute.

Anschließend drehte er sich abwinkend zu dem Rest.

„Das wird ihn eine Zeit lang beschäftigen, bis die WächterInnen von ihren Raucherpausen zurück sind."

Er schritt auf Han zu, nach dem er eine Hand ausstreckte. Dieser hatte zwar noch keine Lust vom Boden zu kommen, nahm dennoch Felix' Hand an, bevor er hochgehievt wurde.

Gleich daraufhin beschäftigten sich die Anwesenden wieder mit sich selber. Als wäre nichts vorgefallen, worüber sie reden müssten. Die Tatsache, dass Minho im Hintergrund aggressiv gegen die Erdmauern um sich schlug, ignorierte ebenfalls jeder.

Nur ich nicht.

Ich schaute zur Eisschicht, hinter dieser sich der Erdkasten befand. Ich fragte mich, weshalb sich der erste Signum, nach Hwang Hyunjin, nicht aus den Mauern befreien konnte, obwohl er sehr stark war. Nur, damit mir im nächsten Moment einfiel, dass der Blondschopf seinen Erdkasten in Gedanken noch aufrecht erhielt. Felix hatte nie aufgehört zu bändigen, sondern konzentrierte sich noch immer auf das, was er erbaute. Daher konnte Minho die Erde um ihn herum auch nicht zerstören...

Verstanden den Blick abgewandt, begriff ich, dass das für eine mentale Stärke sprach... Felix war nicht nur körperlich ziemlich fortgeschritten, sondern besaß eine stabile Psyche und einen starken Geist. Das ließ mich schließen, dass er zu den Wenigen gehören würde, dessen Gedanken ich mit all meinen acht Elementen niemals lesen könnte, ähnlich wie die seines Bruders.

Das hätte ich nicht erwartet...

Aber wer wusste schon, ob die Jungs, mit denen ich zusammenlebte, nicht noch stärker waren, als ich dachte, nicht?

Vorsichtig stellte ich mich wieder zu ihnen und bemerkte, dass ich anfing ihr Verhalten anzunehmen, ohne es mir bewusst zu machen. Während sie allesamt über den Konflikt zwischen Minho und Han hinwegsahen, versuchte ich ihn ebenfalls zu vergessen.

Bedauerlicherweise funktionierte das nicht allzu gut. Ich hatte eine emotionale Bindung zu Minho, die mir das erschwerte und dadurch meine Stimmung beeinflusste.

Minhos Verhalten veränderte sich über die Jahre bzw. sah ich, dass er es lernte, sich von seinen Aggressionen leiten zu lassen. Ich bemerkte im allgemeinen, dass er sich von seinen Gefühlen leiten ließ, was mich nicht wirklich überraschte, mich unter solchen Umständen aber enttäuschte. Sein Verhalten enttäuschte einen Teil von mir, auch wenn ich seine Wut bis zu einem gewissen Ausmaß nachvollziehen konnte.

Diese Gedanken abgeschüttelt, weil ich mindestens einhundert mal daran gedacht habe, versuchte ich mich auf das wesentliche zu konzentrieren; meine Arbeit. Das besserte meine Laune aber zu keinem Stück.

Noch schlimmer wurde sie, als ich mit Jeongin in eine Gruppe kam, um Holz zu hacken. Unabhängig davon, dass ich die Partnerauswahl beschissen fand, konnte ich viel weniger etwas mit der Aufgabe anfangen.

Wieso sollten wir Holz hacken? Weshalb hatten wir dafür bloß eine Axt zur Verfügung gestellt bekommen? Es war ja nicht so, als würden wir nicht in einer Zeit leben, in der ein Holzspalter in Form einer Maschine aushelfen könnte!

Die blöde Hitze brachte mich hinzukommend um.

Mir mit dem Unterarm über die Nase gefahren, um mir den Schweiß von der Oberlippe zu wischen, fing ich an die Axt zu schwingen. Erst dachte ich, würde ich mich erbärmlich anstellen, da mir die Kraft zum Holz hacken fehlen könnte, aber ein Glück tat ich mich ganz gut. Ich merkte mir, dass meine Stärke aus den Beinen kam und nicht aus meinen Armen.

Dennoch lag ich zurück, wenn ich mich mit Jeongin verglich, was ich vielleicht nicht tun sollte, doch tat.

Manchmal hasste ich es, dass ich die Eigenschaft hatte, mich herausgefordert zu fühlen oder das Gefühl hatte, mich beweisen zu müssen.

Ändern konnte ich diese Tatsachen aber auch nicht. Aus irgendeinem Grunde waren diese Eigenschaften sowie Gefühle tief in mir verankert.

Nach einiger Zeit seufzte ich lautstark auf, als ich die bescheuerte Axt beiseite warf. Um genau zu sein tat ich das, sobald die WächterInnen ihre Pause machten. Das sah ich als meine Chance, um mich etwas zu erholen. Ausgeatmet, lehnte ich mich an einen der vielen Felsen, von denen es auf dem Wüstengebiet zu viele gab.

Ich konnte sehen, wie Jeongin mir einen Seitenblick zuwarf.

Als läge ihm etwas auf der Zunge...

Dabei hoffte ich innig, er würde seine Klappe halten. Bisher war ich nämlich sehr froh darüber, dass wir uns beide anschwiegen. Schließlich kam nie etwas Gutes dabei heraus, wenn Jeongin und ich uns unterhielten. Zumal vergaß ich all die Aktionen nicht, welche zwischen uns vorfielen. Ich vergaß nicht, wie er mich im Ring bloßstellte und wie er sich die Frechheit erlaubte, mich abzuweisen, nachdem ich ihn um Hilfe bat.

Fast schon automatisch die Hand zur Faust geballt, dachte ich erneut an den Moment. Ich dachte an den Augenblick, an dem wir uns zusammen setzten und er mir zwar erläuterte, wie die Energieflüsse aufeinander aufbauten oder wie sie ineinander eingingen, er es aber nicht für nötig hielt, sie praktisch mit mir durchzugehen.

Schließlich hielt sich Jeongin für jemand ganz wichtigen - und das? Das konnte ich einfach nicht ab.

Daher vertraute ich darauf, dass jede Konfrontation mit ihm lieber gemieden werden sollte. Vor allem, wenn ich an meine Resistenz dachte, die ich in seiner Nähe anwenden würde, um es ihm mal so richtig zu zeigen.

Das sollte ich mit Sicherheit nicht tun, das war mir klar. Jedoch wusste ich nicht, wie ich aus dem Impuls heraus handeln würde, wenn er die Wut in mir entfachte.

Demzufolge entschied ich mich dazu ihn schlichtweg zu ignorieren.

Sobald ich den Kopf anhob, um auf Jeongins Augen zu treffen, die nicht von mir ablassen wollten, fiel mir auf, dass es nicht so einfach war, ihn zu ignorieren. Ich zog genervt die Augenbrauen zusammen. Auf seinen Lippen bildete sich aber ein leichtes Grinsen.

Nicht verstanden, schüttelte ich fragend den Kopf.

Schien, als wollte nur ich jede Konfrontation mit ihm meiden.

„Und? Yeji?", legte er seine Axt beiseite.

Während er sich dafür von mir wegdrehen musste, konnte ich nicht anders, als ihn mit angespannten Muskeln anzustarren.

„Erzähl schon", fing er mit einem ironischen Unterton an, der mich provozierte. „Wie lief es mit den Energieflüssen? Bist du eigentlich erfolgreich gewesen?", drehte er sich nun wieder zu mir, wobei das leichte Grinsen noch immer seine Lippen schmeichelte.

Wohingegen mein Gesicht eine gewisse Neutralität ausstrahlte. Wobei ich meinen würde, ich zeigte vielmehr, in welch einer emotionalen Verfassung ich mich befand...

Er machte mich so wütend. Zum einen, aufgrund seines Verhaltens, und zum anderen, weil er mich in meinen Gedanken bestätigte. Das Arschloch ließ mich tatsächlich zurück, als ich ihn um Hilfe bat, damit ich alleine mit meinen Problemen zurechtkam. Er hatte sich bewusst dafür entschieden, mir nichts von den Energieflüssen beizubringen- was ich mir dachte, aber nicht bestätigt haben wollte.

Erneut die Hände zu Fäusten geballt, versuchte ich ruhig auszuatmen.

„Hm?", harkte er absichtlich nach.

Ich atmete nochmal durch, wobei ich spürte, dass das nichts brachte.

Beruhig dich, Yeji... Lass dich nicht erneut von einem hochmütigen Ignis provozieren, versuchte ich mir einzureden.

Erfolglos...

Obwohl ich es wusste! Ich wusste, er verärgerte mich bewusst. Ich fühlte es regelrecht.

Aber aus irgendeinem Grunde beruhigte mich das nicht. Stattdessen entfachte er in mir einen Zorn, der eigentlich andere Ursprünge hatte, ich aber ständig mit ihm (oder anderen Situationen) koppeln musste...

„Was willst du hören, huh?", konnte ich es mir nicht sparen.

Er zuckte mit den Achseln.

„Na, wie es lief, als du die Theorie in die Praxis umsetzen wolltest, Möchtegern-Sönigin."

Die Zähne fest aufeinander gebissen, stieß ich mich vom Felsen ab, während er sich erst locker an einen lehnte. Die Augenbrauen gehoben, war es, als würde er regelrecht darauf warten, dass ich ausflippte.

Vielleicht bekam er auch seinen Willen...

„Wie soll es gelaufen sein?! Als wüsstest du nicht, dass es beschissen lief!", warf ich einen Arm auf.

In dem Augenblick erwartete ich, dass sich mein Bruder zu Wort meldete, um mir einzureden, ich solle nicht überreagieren, damit meine Identität bloß nicht aufflog... Doch... Dieser blieb stumm.

Vermutlich wollte er, dass ich an die Decke ging, wozu ich ja auch jedes Recht hatte! Jeongin hatte irgendwelche Probleme mit mir, die er bei jeder Gelegenheit provozieren musste.

Auch jetzt!

Sein Grinsen wurde mit jeder Sekunde größer. Er hob belustigt die Brauen zu meiner Aussage, was mich erst recht rasend machte.

Er tat das absichtlich...

„Was?! Wieso grinst du schon wieder dumm? Etwa, weil ich erfolglos war? Ja, wow! Das ist zum totgrinsen! Oder was ist so lustig?", rief ich aufgebracht.

„Na, du.", deutete er in meine Richtung und lächelte nun breit.

Aufgrund der ganzen Arbeit, des langen Tages und meiner gereizten Laune müsste mein Gesicht mit Sicherheit rot angelaufen sein. Meine Wangen wurden fleckig, wobei es kein Geheimnis war, dass ich schwitzte.

Ich würde ja meinen, niemand hatte mich so wütend gemacht, wie er das tat, aber das wäre gelogen.

Was nicht gelogen war; er gehörte zu den Leuten, die mich in innerhalb von Sekunden auf die Palme bringen konnten.

„Aha. Und warum?!", fragte ich neugierig sowie angriffslustig.

„Belassen wir's lieber dabei.", wandte er den Blick ab, nur ließ ich nicht locker.

Wie sagte man so schön? Nun war die Katze aus dem Sack. Ich wollte wissen, was so lustig war und weshalb der Blauschopf es immer auf mich abgesehen hatte.

„Nein! Sag schon. Was an mir ist so lustig, huh?", harkte ich nach. „Ich will's wissen!"

Nachdem ich das sagte, trafen seine grünen Augen wieder auf meine Tiefbraunen. Das Kinn leicht angehoben, ließ er die Schultern sacken.

„Yeji...", seufzte er lächelnd aus, als er es sich am Felsen gemütlich machte. „Sag nicht, ich hätte dich nicht davor bewahren wollen..."

„Jeongin...", knurrte ich gereizt.

Er musste knapp lachen, als er die Augen verdrehte.

Das provozierte mich umso mehr.

„Fein... Ich frag mal direkt", schnalzte er mit der Zunge, während er mich ansah. „Wieso sagst du mir nicht einfach, dass du Hilfe von mir brauchst, weil du die Sönigin bist?"

Nach dieser Frage veränderte sich schlagartig alles in mir. Mein Zorn löste sich plötzlich in Luft auf, mein Körper lockerte sich und mein Gesicht fiel.

Mein Herz machte einen Hüpfer, wobei sich in mir auf einmal eine Angst breit nachtete. Eine Angst, die nicht länger als Sekunden anhielt.

Was... Hatte er gefragt? Wollte er gerade die Bestätigung, dass ich die Sönigin war?

„Was.", kam es unkontrolliert aus mir.

Die Stirn ungewollt kraus gezogen, konnte ich meinen überraschten Blick nicht kontrollieren.

Warum fragte er mich das wie aus dem Nichts? Weshalb ging er auf einmal davon aus, ich sei die Sönigin, nachdem er mich wochenlang als Schauspielerin abstempelte, die gerne die Sönigin sein wollen würde?

„Hm? Das würde einiges zwischen uns einfacher machen, meinst du nicht.", hob er wartend die Brauen.

Was faselte er denn jetzt da? Die Wahrheit würde was zwischen uns einfacher machen? Wieso sprach er überhaupt so, als wäre er sich sicher, wer ich war?

Mein Herzschlag verlangsamte sich, doch ich spürte das Pochen noch stark in meinem Brustkorb.

Es genügte, dass einer bereits von meinem Geheimnis wusste. Von einem Geheimnis, vor dessen Enthüllung Changbin glasklar warnte... Weitere Wissende würde bedeuten, dass ich unvorsichtiger wurde... Damit wäre meine Angriffsfläche größer. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit für Tode höher. Damit wäre ich schwächer...

Also hatte ich keine andere Wahl. Ich musste mich mit all meiner Kraft dagegen wehren. Ja, ich musste. Wenn ich nichts riskieren wollte, war ich dazu verpflichtet.

„Ich bin nicht die Sönigin", schüttelte ich erst den Kopf, bevor ich eine Härte annahm, die eben aufgrund der Überraschung verloren ging. „Ich weiß nicht, woher du das auf einmal herhast, aber... Nein. Ich bin nicht die Sönigin. Weder das, noch bin ich jemand, die gerne sein wollen würde, wie sie."

„Nicht?", stieß er sich von dem Felsen ab. „Okay... Merkwürdig...", schob er die Unterlippe hervor. „Ich war mir so sicher..."

Plötzlich fasste er sich ans Kinn. Als wäre er gedankenverloren, wobei ich ihm ansah, dass das eher eine Masche war...

Kritisch blickte ich seinem Körper entlang.

Den gespielt-nachdenklichen Gesichtsausdruck nicht losgeworden, kam er zwei Schritte auf mich zu, als er mich ansah. In seine Augen gesehen, wusste ich bereits, was er vorhatte, noch bevor er sich regte oder ich handeln konnte.

Es geschah in Sekunden...

Seine Hand abgeschüttelt, entstand ein Feuerball in seiner Handfläche, den er selbstsicher anhob. Ich machte die Augen groß und wollte automatisch ausweichen, als er seine Gewaltquelle bereits in meine Richtung lenkte.

Intuitiv griff ich nach seinem Unterarm, damit ich seinen Schlag abwehren konnte, wobei seine Handfläche bereits mit meinem Bauch in Berührung kam. Um die komplette Stärke des Feuers zu nutzen, schlug er grob zu, wodurch die Flamme sich in meinem Bauch zersetzte. Sein Schwung und die Kraft, welche er dabei nutzte, sorgten dafür, dass ich keuchend zurück stolperte.

Erschrocken die Luft eingeatmet, obwohl ich das kommen sah, fasste ich mit beiden Händen nach meinem weißen Top. Wie von selber zu der Stelle hinab gesehen, auf die er einschlug, erkannte ich noch den Rauch der Flamme, aber ich konnte keine Brandwunde erkennen oder ein aufgerissenes Kleidungsstück. Ich spürte hinzukommend keine Schmerzen in der Bauchregion, wie es bei der Intensität eines Feuerballs normalerweise gewöhnlich war. Auch nahm ich keine Hitze wahr, die bei dem Schlag jede Zelle meiner Haut aufreißen hätte müsste.

Ähnlich, wie mit Changbin, spürte ich eine angenehme Kälte, die mir gar nichts anhatte. Ich nahm eine leichte Windbrise wahr, welche mich sogar wohl fühlen ließ.

Von Gewalt, Schmerz, Blut und Wunden war nichts zu sehen...

Aus großen Augen zu Jeongin aufgesehen, lockerten sich meine Hände, sodass meine Arme baumelten. Er hingegen richtete sich aus seiner Kampfposition, indem er seine Hand runter nahm. Er stellte sich aufrecht und ging die zwei Schritte zurück, die er auf mich zumachte.

Er hob den Kopf. Plötzlich schien sein Gesicht wieder ernst, wie ich es eigentlich von ihm kannte. Von seinem ironischen Grinsen war vorerst nichts mehr zu sehen. Ich erkannte, wie er hart schluckte, bevor er mit den Achseln zuckte. Anschließend nickte er mit seinem Kinn in meine Richtung.

„Ich wusste, dir geschieht nichts."

Geblinzelt, musste ich in Gedanken verarbeiten, was hier gerade passierte.

Jeongin hatte das Feuerelement gegen mich benutzt...

Bewusst.

Dabei wusste er, konnte mir die Gewalt des Feuers nichts anhaben. Er ging davon aus, sie könnte mich nicht verletzen. Es war nicht einmal eine Vorahnung, die er hatte, nein. Der Blauschopf wusste mit Sicherheit, dass mir nichts passieren hätte können.

Doch... Woher nahm er sich diesen Gedanken? Das Gefühl? Diese Bestätigung...?

Ein mulmiges Gefühl überkam mich. Eines, das bei mir für enorme Magenschmerzen sorgte. 

Hatte er Changbin und mich etwa gesehen...?

„Wie...?", fragte ich nach, um sicher zu gehen.

„Oh, komm schon, Yeji. Glaubst du, ich bin so doof, wie Chan es ist?", fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen, als würde ich ihn beleidigen. „Ich habe es gesehen. Nur habe ich nicht dumm dagestanden, wie er das tat."

Wie von selber musste ich mit meinen Hände nach meiner Stirn fassen. Schließlich wollte ich realisieren, ob das hier gerade wirklich passierte. Ob das, was ich hier gerade mit Jeongin besprach, der Realität entsprach.

Es wurden immer mehr Leute... Ich konnte meine Identität nicht länger verbergen.

Ich wurde unvorsichtig.

Mein Geheimnis war bald kein Geheimnis mehr, sondern eine offizielle Tatsache.

Wegen meiner nicht vorhandenen Vorsicht würden Signums sterben. 

Oder sie würden gegen mich verwendet werden...

Ich konnte erpresst werden.

Ich verlor erneut die Kontrolle.

„Du hast alles gesehen...", wiederholte ich.

Und... Wenn er es sah... Wer hatte uns noch dabei zugesehen?

Der Aqua in mir wollte mir jegliche Schuld aufbürden, während der Ignis in mir sich aktivierte und schlagartig an meiner Vernunft appellierte.

Konnte ich denn etwas dafür...? Ich hatte nicht freiwillig mit Changbin kämpfen wollen...

Okay, doch... Wollte ich. Aber, dass zwei Personen (aktuell zwei Personen) mitbekamen, wer ich nun war, das konnte nicht meine Schuld sein. Changbin hatte mich angegriffen und er war unvorsichtiger als ich, wenn es darum ging, meine Identität zu verbergen.

Der Feuermeister trat nicht einen einzigen Schritt zurück, wenn es darum ging, unser Geheimnis zu wahren. Nein...

Als wolle er es nicht.

Es war seine Schuld. Nicht die meine...

Dann wusste es Jeongin eben. Wieso kümmerte mich das noch? Er wird wohl nicht so dumm sein, um das jedem zu erzählen, richtig?

Der Ignis in mir nickte stolz, als er den Aqua auf die Knie zwang.

Und dafür? Dafür war ich sehr dankbar... Denn Zeit für Schuldgefühle, die hatte ich nicht...

„Ich habe alles gesehen, ja. Und auch davor war es kaum zu übersehen, wer du bist. Dein Temperament hat für sich gesprochen.", schnalzte Jeongin mit der Zunge, dessen Stimme mich wieder in die Realität brachte.

Obwohl ich innerlich aufgrund meiner Gefühlslage noch sehr zerrissen war, sprangen meine Gedanken auf Jeongins Aussage an.

Mein Temperament? Er behauptete, dass meine explosive Art für die Sönigin sprach?

Nicht, dass es nicht stimmte... Ich konnte mich in vielen Situationen oder Augenblicken schwer verstellen. Ich war nun mal Hwang Yeji, das konnte ich nicht ändern.

Vermutlich koppelte der Blauschopf jede meiner Reaktionen mit dem Tag, an dem wir uns das erste Mal trafen. Dadurch machte er sich ein Bild von mir und hielt daran fest, dass ich die Sönigin war.

Aber...

Das konnte er so schnell feststellen??? Wie lange wusste er denn dann schon, dass ich die Sönigin war? Hatte er mich etwa beobachtet? War er derjenige, der mich beschattete?

Abrupt einen Schritt zurückgewichen, platzte es regelrecht aus mir.

„Deshalb warst du zu den späten Zeiten immer wach gewesen... Du hast mich beobachtet", ich machte die Augen groß bei der Erkenntnis. „Du bist doch derjenige, dem ich auf den Fluren hinterher lief!"

„Nicht ganz...", neigte Jeongin den Kopf, dabei die Augenbrauen verzogen, wodurch sich meine Vermutungen direkt in Luft auflösten. „Wie gesagt... Ich musste dich nicht beobachten, um meine Bestätigungen zu kriegen. Ich bin nicht der Geist gewesen, den du auf dem Flur gejagt hast."

Er war nicht derjenige, der mich beschattete...?

Okay.

Auf der einen Seite beunruhigte mich das, weil ich nicht wusste, um wen es sich dann handeln könnte. Andererseits erleichterte es mich... Das würde bedeuten, dass der Blauschopf nicht für meinen Feind arbeitete, wie ich annahm.

„Das war kein Geist, Idiot.", zischte ich, sobald ich mich gefangen hatte.

Meine Haare beiseite gestrichen, konnte ich freier atmen. Ich hatte wieder den Zugang zu mir und meinen Gedanken.

Dennoch hatte ich viele Fragen im Kopf, die sich nicht klären konnten. Ich vermutete jedoch, ich bräuchte einen ruhigen Ort, zu späten Stunden, ein Gespräch mit Hyunjin und Zeit für mich selber, um mir diese zu beantworten.

Ich benötigte Ruhe.

Doch erstmal schaute ich wieder zu dem Blauschopf auf, der mich erst kritisch musterte, bevor er die Achseln zuckte.

„Ja, sicher", gab er ironisch von sich. „Wie auch immer; ich musste dich nicht beobachten."

Wie ich aus Jeongins Worten entnehmen konnte, ahnte er bereits seit geraumer Zeit, dass ich die Sönigin war. Unabhängig davon, dass ich mich fragte, wie er das wissen konnte, hing ein anderes, viel wichtigeres Detail in meinem Kopf.

„Wenn du's die ganze Zeit wusstest...", fing ich fragend an. „Wieso hast du mich bei dem einen Mal, als ich es dir sagte, wie ein Trottel dastehen lassen? Hm?"

Ich erinnerte mich an den einen Tag, an dem ich draußen stand und er dazu kam. Das war in den ersten drei Tagen, als ich zu den Ignis verfrachtet wurde. Ich wusste ganz genau, dass ich ihm aus Verzweiflung sagte, ich sei die Sönigin, während er mich wie eine Lügnerin darstellte. Wenn ich mich recht erinnerte, dann betitelte er mich seither bereits als Möchtegern-Sönigin.

Wie konnte das angehen, wenn er doch wusste, um wen es sich bei mir handelte?

„Ich glaube, die Antwort wird dir nicht gefallen", setzte Jeongin sein typisches Grinsen auf.

Als er das sagte, wurde ich ungeduldig. Den Kopf schief gelegt, ließ ich ihn nicht mehr aus den Augen.

Er drückte sich die Zunge in die Innenseite seiner Wange, woraufhin er den Blick arrogant abnahm.

„Ich empfand deine Entschlossenheit nicht ausreichend...", argumentierte er spitz.

Die Augenbrauen zusammengezogen, zog sich in mir schlagartig alles zusammen.

Moment mal... Was?

„Ist das dein Ernst?", schoss es ungläubig aus mir.

Er fand... Ich war nicht entschlossen genug gewesen? Klang nicht überzeugend?

Wollte er mich etwa auf den Arm nehmen?

Was war das bitte für ein Argument!

Er gab mir das Gefühl, als würde mein Volk mich nur nach meinen Kräften messen, weil er mich für unentschlossen hielt? Der hochmütige Ignis vor mir, der für sein Verhalten von mir getadelt wurde, erlaubte sich aus einer ernsthaften Situation... Einen Spaß zu machen? Während es hier um Leben und Tod ging?

Weil... Ich... Ihm... Zu... Unentschlossen klang?

Das konnte doch nicht wahr sein, oder?

„Aber klar!", zuckte er die Achseln. „Lebt das Feuerelement etwa nicht am Aktivsten in dir? Wo bleibt deine Dominanz?", trat er einige Schritte vor. „Ich wollte, dass du's mir um die Ohren wirfst. Mir sagst, wer du wirklich bist und mich so ansiehst, wie du's am Tag gemacht, als du meinen Schatten am Trainingshof kontrolliert hast. Ich habe darauf gewartet, dass du mich packst, um mir zu sagen, dass ich gefälligst nicht vergessen soll, wo mein Platz ist, wie du es mit Chan und Han getan hast", kam er mir mit seinen Schritten immer näher. „Ich wollte es einfach nur hören..."

Zwischen seinen Augen hergesehen, während Jeongin auf mich einredete, versuchte ich zu verstehen, was er mir sagen wollte. Dafür nutzte ich jede einzelne Gehirnzelle, wodurch mein Kopf beinahe zu qualmen begann.

Ich wurde kaum schlau aus meinem Gegenüber.

Er wollte es von mir hören...

Er wollte es bestätigt bekommen...

Er wollte, dass ich ihm die Wahrheit um die Ohren warf...

Er wollte, dass ich ihn zurechtwies...

„Warum...?", fragte ich verwundert, aber interessiert zugleich.

„Aus dem selben Grund, aus dem du mich für die Auswahl der MeisterInnen nicht weiter begutachten wolltest.", zog er die Lippen zu einer Gerade.

Die Augenbrauen noch immer verzogen, dachte ich an seine Worte. Ich brauchte tatsächlich einen Moment, um ihn zu verstehen, doch begriff es dann.

Es ging ihm um's Prinzip.

So, wie mir ganz oft.

Am Tage meiner Inspektion begegnete ich dem Blauschopf zum allerersten Mal. Mein ganzer Körper wehrte sich dagegen ihn zu begutachten, da er sich mir auflehnte. Ich begründete das mit seiner Überheblichkeit, wusste aber, ich tat es aus Prinzip. Aus Prinzip, weil er mich nicht respektierte.

Das wusste Jeongin. Daher trat er mir mit dem selben Argument entgegen; er wies mich aus Prinzip ab.

Welch eine Ironie...

„Also wolltest du mir eins auswischen?", realisierte ich, was ich beinahe albern fand, obwohl ich ihn unterbewusst nachvollziehen konnte. „Sehr gut, Yang. Ich habe ja auch ganz sicher keine anderen Probleme.", rollte ich die Augen und drehte mich mit dem Körper leicht von ihm.

„Zumindest können wir jetzt sagen; es steht eins zu eins.", hörte ich ihn regelrecht grinsen.

Dass er sich daran erfreute... Das war doch krank, oder? Dass er es so lange wusste... Nur nichts sagte...

Das klang ziemlich unglaubwürdig, doch es war die Wahrheit. Schließlich stand Jeongin vor mir und berichtete mir davon, indem er seine Vermutungen bestätigt haben wollte.

Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln.

„Du wusstest einfach die ganze Zeit, wer ich war... Das erklärt dein Verhalten.", sprach ich, wobei das eher an mich selber gerichtet war.

„Tjah..."

„Tjah?", drehte ich mich erneut zu ihm. „Deine Überheblichkeit kannst du dir sparen. Es ist gut, dass du's weißt. So spricht nichts dagegen, dass du mit mir die Energieflüsse nochmal durchgehst, nicht?", kniff ich die Augen zusammen.

Wie sagte mein Bruder so schön? Es gibt Dinge im Leben, die mussten passieren. Vielleicht war der Fakt, dass Chan und Jeongin mich dabei beobachteten, wie ich resistent war, gar kein Zufall, sondern eine vom Schicksal bzw. von Gott geplante Sache. Vielleicht musste es passieren, damit ich genau hier stehen konnte und Jeongin sagte, er solle mir gefälligst helfen.

Immer noch ziemlich ironisch, wenn ich an unsere erste Begegnung dachte...

„Du fragst mich wieder", nickte er selbstgefällig und hob die Augenbrauen. „Da sehe ich die Initiative, nach der ich bei Euch suchte, Sönigin", fuhr er fort und verwendete zum ersten Mal die Anrede, die mir zustand. „Aber..."

„Aber- was?"

Ich seufzte lautstark, womit ich ihn unterbrach. Allmählich verlor ich meine Geduld mit ihm. Das durfte ich mittlerweile auch ohne zu zögern, da er wusste, wer ich war. Ich wüsste nicht, was also gegen meine wahre Natur sprechen könnte.

Ich musste ihm nichts mehr vorspielen.

„Aber...", trafen seine grünen Augen wieder auf die meine. „Ich will's nochmal hören.", hob sich sein linker Mundwinkel, wobei ein Funkeln in seiner Iris zu sehen war.

Eines, das für seine Missgunst sprach. Für Missgunst, Arroganz sowie Hochmut.

Er genoss den Moment mit jedem Atemzug.

Die Stirn in Falten gelegt, neigte ich den Kopf.

„Was genau? Dass ich die Sönigin bin...?"

„Ja. Als Gegenzug für die Tage mit dir, denn... Richtig gehört. Das werden definitiv Tage sein, um dir beizubringen, wie die Energieflüsse funktionieren.", nickte er.

Ich seufzte daraufhin erneut lautstark.

War ich etwa im Kindergarten oder was? Stand ein Kind vor mir, das unbedingt eine Entschuldigung verlangte, wobei anderes wichtiger sein sollte?

Das klang doch absurd.

Nur wirkte der junge Feuerbändiger nicht wie jemand, der Witze machte. Obwohl ich schon vermutete, dass ihn all das erfreute.

Wie auch immer...

„Fein, Jeongin. Auch, wenn es albern ist", biss ich für einen Moment die Kiefer aufeinander. „Ich bin die Sönigin. Okay? Freust du dich nun, das gehört zu haben? Du hast richtig beobachtet."

„Oh, ich musste eigentlich nichts beobachten, um das zu sehen", blitzen seine Zähne auf. „Aber schön, dass du's endlich sagst."

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Das war kaum zu fassen.

Jetzt begab ich mich auch noch auf sein Niveau, damit sein Ego sich besser fühlen konnte. Anstelle die beiden Männer, die mich beobachteten, zurecht zu weisen, ließ ich mich von ihnen leiten.

Ich sollte mich schämen.

„Aber... wenn wir schon dabei sind", meldete sich Jeongin zu Wort, weshalb ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit schenkte. „Ich möchte auch hören, dass du meine Hilfe brauchst.", biss er sich auf die Unterlippe.

Meine Schultern sackten, als ich ungläubig zu ihm aufsah.

Er wollte, dass ich sagte, ich sei auf seine Hilfe angewiesen?

„Das ist zu viel verlangt.", schüttelte ich direkt den Kopf.

Das konnte er vergessen! Wieso sollte ich das sagen? Wusste er es nicht bereits? Ich war seit Tagen auf ihn angewiesen! Was ich ihm jedes Mal auch bewies.

Weshalb musste er das hören?

„Ist es das? Steht nicht irgendwie, du weißt schon. Die Sicherheit der Welt auf dem Spiel, oder so? Da musst du jetzt abwägen.", gab er besserwisserisch von sich.

Dabei schweifte sein Blick beiseite, um mich genau da zu treffen, wo er mich haben wollte. Das Problem war, dass es ihm auch noch gelang.

Der Blauschopf bekam mich weich, da ich sehr wohl abwägen konnte, wollte und musste; hierbei ging es um etwas viel größeres als um mich oder ihn. Selbstverständlich würde ich über meinen Schatten springen.

Dieses Arschloch...

„Du...", knurrte ich, riss mich aber zusammen, bevor ich ihn beleidigen konnte. „Ich...", atmete ich ein. „Ich brauche deine Hilfe, Jeongin."

Das sagte ich für meine Verhältnisse etwas viel zu schnell, aber... Dem jungen Feuerbändiger schien das wohl gereicht zu haben.

Sein Lächeln vergrößerte sich, während ich nicht glauben konnte, was ich hier tat. Er nahm einen tiefen Atemzug, als er seine Arme abschüttelte.

„Ich muss sagen... Klingt wie Musik in meinen Ohren."

„Und für mich ist es, als hätte ich mir die Zunge aus dem Munde gerissen.", gab ich brutal und ehrlich von mir.

Wie ich es hasste auf andere angewiesen zu sein...

Das wusste der Blauschopf. Ich vermutete, dass er genau deshalb darauf herum hackte. Er genoss es doch nur!

Sobald er mit der Zunge schnalzte und ich bedauerlicherweise erneut zu ihm sehen musste, wartete ich nur darauf, dass wieder einmal etwas dummes, sinnloses aus seinem Munde kam.

„Du musst lernen...", fing er an, was mich provozierte, mich dennoch dazu brachte, aufmerksam hinzuhören. „Dass eine wahre Königin für das, was sie möchte, nicht über Leichen gehen muss. Die Stärke liegt nämlich nicht in ihren Kräften, sondern in ihrem Kopf", deutete er auf seine Stirn. „Über seinen Stolz zu springen, um Hilfe zu bitten und einen Schritt zurückgehen, für andere... Das beweist an Stärke und Wille."

Oh, wow. Auf einmal landete ich in einer Lehrstunde, in der ich nicht sitzen wollte.

Glaubte er etwa, ich wusste all das nicht? Ich regierte bereits seit 7 Jahren. Ich wusste, was ich opfern musste und was nicht. Auch war mir bewusst, weshalb ich mich überhaupt mit ihm unterhielt.

Er sollte sich damit nicht anstellen...

„Was du nicht sagst...", murmelte ich nur.

„Ich glaube, unsere gemeinsame Zeit wird lustig, Hwang Yeji.", kommentierte Jeongin, der heute wohl ganz witzig unterwegs war.

Ich beließ es jedoch dabei. Wenn ich etwas lernte, das die Ignis betraf, dann, dass man ihnen das Gefühl geben sollte, sie hatten die Oberhand, obwohl ich diejenige war, die sie hatte.

Tatsächlich... Konnte ich es oft nicht dabei belassen. Der Drang in mir, dass ich jedem klar machte, wer ich war, der konnte sich weit ausprägen.

Daher nahm ich kein Blatt mehr vor dem Mund. Nicht vor ihm...

„Setz dich hin.", kam es unkontrolliert in einem befehlerischen Ton aus mir.

Ihm einen Seitenblick zugeworfen, sah ich, wie er grinste.

„Warum?"

„Wir lernen jetzt, darum.", gab ich bestimmt zurück.

Verlangte er nicht die Königin in mir? Die, welche ihn zurechtwies und ihm sagte, was nun folgen sollte?

Verdammt. Dann sollte er jetzt auch mit meiner dominanten Art auskommen. Was Jeongin nämlich betraf, würde ich keinen Schritt mehr zurück gehen. Nun hieß es Frieden oder Feindschaft.

Aus ernsten Augen zu ihm gesehen, beobachtete ich bloß, wie er zwinkerte, als er einige Schritte von mir ging. Das Kinn leicht gehoben, breitete er die Arme.

„Ay, Ay, Sönigin.", neigte er sich leicht vor.

Daraufhin setzte er sich harmoniebedürftig auf den wüstenartige Boden.

Die Arme vor der Brust verschränkt, seufzte ich.

Das war das erste mal, dass er mich nicht Möchtegern-Sönigin nannte, kam es von einen der Stimmen in meinem Kopf.

Diese schüttelte ich auf der Stelle wieder ab.

Ach, halt die Klappe, Yeji. Jetzt hieß es... Augen zu und durch.


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Hi 🌚...

Bin Back... Mit einem Weiteren, den ich aufs Boot geholt habe hahahah 😂.
Ich bin zwar total unzufrieden, WIE ich das gemacht habe, aber irgendwie passt das zu Jeongin und Yeji. Oder denkt ihr anderes? Wenn ja, gerne her damit 😇.

Wie sich das mit den beiden wohl noch entwickelt... bzw. mit den Dreien 🤡. Ob's auch nur bei den Dreien bleibt LOL-

Wie habt ihr eigentlich auf den Streit zwischen Han und Minho reagiert? Irgendwie haben die beiden bad blood 🥲.

Mal sehen, was uns noch alles erwartet... Ich leite zurzeit Phase zwei des Buches ein, obviously 👀.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Weiterlesen! Außerdem einen angenehmen Abend/ eine gute Nacht oder einen guten Morgen!

In love, N ❤️.

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