Die Ankunft
Mit einem lauten Knartschen öffnete sich die schwere Eichenholz Tür und gab einen Blick auf das Innere der Hütte frei. Sie war größer als man das von Außen erkennen konnte. Wahrscheinlich entstand diese Illusion durch die spärliche, wenn auch gemütliche Einrichtung. Ein großer rot gemusterter Teppich, der über die Jahre hinweg an Farbe verloren hatte, bedeckte einen Großteil des Bodens. Darauf stand ein massiver Holztisch von der gleichen Farbe wie die Wände, um den widerum weisse Stühle gereiht waren. Ansonsten gab es in dem Raum nicht wirklich viel beachtenswertes, nur eine kleine Küche an der rechten Seite, wo sich übrigens auch das einzige Fenster in diesem Raum befand und was die Couch in der Ecke anging, so hätte Anouk sie fast gar nicht bemerkt, hätte Bela sich nicht mit voller Wucht darauf fallen lassen. ,,Ich bin fix und fertig! Sarah, komm' doch rüber, auf dem Sofa ist Platz für zwei." Sarah schleppte sich zum Sofa, wo sie sich neben Bela setzte. Anouk sah die Beiden an. Es war nicht zu übersehen, dass Bela das Mädchen mit den wilden roten Haaren und den Sommersprossen im Gesicht mochte, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als nur das und obwohl keiner es aussprach, schienen sie es doch alle zu wissen. Alle, bis auf Sarah. Anouk war sich noch nicht einmal sicher, ob Bela selbst wusste was er von Sarah wollte. Doch so wie sie da saßen, aneinander gelehnt mit müden Augen, aber einem zufriedenen Lächeln auf ihren Lippen, wirkten sie nicht, als hätten sie sich heute zum ersten Mal gesehen. Nun gut, streng genommen kannten sie sich schon seit Jahren, aber eben nur über das Internet, nicht persönlich. Anouk dachte an die gemeinsamen Chats der Gruppe zurück. Schon da hatten sie sich gut verstanden, wenn auch im freundschaftlichen Sinne.
Anouk räusperte sich: ,,Wollen wir uns nicht erst unsere Zimmer ansehen, bevor wir es uns hier unten gemütlich machen? Dann wären wir auch endlich dieses schwere Gepäck los." Ohne auf eine Antwort zu warten ging Anouk in den nächsten Raum. Er grenzte direkt an das Wohn- und Esszimmer an, sodass man ihn bereits beim Eintreten gesehen hatte. Auch war keine Tür vorhanden, nur ein einziger goßer Durchgang durch den nun Alle hindurch schritten. Von hier aus konnte man insgesamt acht Türen ausmachen, vier im unteren Bereich und die anderen vier lagen am Ende einer stark verzierten hölzernen Treppe, die in den oberen Teil des Bauwerk's führte.
Nach einer kurzen Absprache wer in welchem Zimmer wohnen würde, bezogen Riccardo, Sarah, Bela und Hanna die unteren, Vega, Jan und Anouk die oberen Zimmer. Anouk wählte das Erste, welches direkt an der Treppe lag. Sie öffnete die Tür und sah-... nichts... Dunkelheit umgab sie und Anouk tastete die Wand ab, auf der Suche nach einem Lichtschalter. Ihre Finger stiessen auf einen Widerstand, und mit einem kurzen Handgriff kippte sie den Schalter und Licht durchflutete das Zimmer. Unter einem grossen Fenster mit Blick auf die verschneiten Berggipfel, das von weinroten Gardinen umrahmt war stand ein altes Bett aus dunklem Holz, daneben ein schlichter Nachttisch und davor lag ein gigantisches Fell. In der Ecke befand sich ein kleiner Schreibtisch mit einer Klemmlampe darüber, die zusätzliches Licht spenden sollte und auf der anderen Seite war ein Kleiderschrank, der mit seinem neuen gepflegten Zustand und dem moderneren Aussehen überhaupt nicht zu der restlichen alten Einrichtung passen wollte. Anouk liess die Tür hinter sich ins Schloss fallen und erblickte den ausgestopften Kopf eines Hirsches über der Tür. Erschöpft liess das Mädchen ihr Gepäck auf den Boden fallen und sank in die weiche Matratze. Eigentlich hatte sie vorgehabt ihre Sachen einzuräumen, aber bevor sie das tun konnte war sie schon eingeschlafen.
,,Wach auf, oder willst du das Abendbrot verpassen?" Es war Sarah's Stimme, die Anouk aus ihren Träumen riss. Wie lange hatte sie geschlafen? Sie sah auf ihre Armbanduhr, die auf dem kleinen Nachtschränkchen lag. Eine Stunde. ,,Was gibt es zu essen?", rief Anouk Sarah hinterher, die gerade dabei war den Raum zu verlassen. ,,Find's doch raus!", trällerte sie aus dem Flur und am Knarren der Treppe hörte Anouk, dass sie ausser Reichweite war. Anouk verlor keine Zeit und folgte ihr. Die anderen sassen bereits am Tisch, in ein reges Gespräch vertieft. ,,Ach, auch schon da?" Meinte Riccardo und klopfte ihr auf den Rücken. Er stand auf und machte ihr per Handzeichen verständlich, sie solle ihren Teller nehmen und ihm folgen. ,,Also..." ,begann er und hob den Deckel von einem ziemlich großen Topf. ,, Hier gibt es Currysuppe. Nimm, so viel du willst. Auf dem Tisch stehen auch Brot und Brötchen von der Tankstelle. Bedien dich!".Das liess Anouk sich nicht zwei mal sagen und begann sofort ihren Teller aufzufüllen und kehrte hungrig und voller Vorfreude auf ein gutes Essen zum Tisch zurück. Kaum dort angekommen ergriff Bela das Wort: ,,Junge, schmeckt das gut! Wer hat das gemacht?". Jan zeigte auf Sarah, die rot anlief. ,,Das ist wirklich lecker!", wiederholte Bela seine Aussage. ,,Hey, warum krieg ich kein Kompliment? Ich hab Beihilfe geleistet!", beschwerte sich Jan und Sarah sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. ,,Weil Brötchen schneiden leider nicht als kochen durchgeht.". Alle lachten, bis auf Hanna, die mit zusammengekniffenen Augen in die Gegend starrte. ,,Hanna, was ist los?", fragte Bela. ,,Ich weiss nicht, irgendwie ist dieser Ort unheimlich. Ich fühle mich die ganze Zeit beobachtet, dabei sind wir hier doch mitten im nichts...", antwortete sie. Für einen Moment kehrte Stille ein, dann brach Jan das schweigen indem er Hanna nachäffte: ,,Oh Gott, wir werden alle sterben! Jetzt mach dich mal locker. Wir sind hier um Spass zu haben, nicht um uns einzupissen. Stimmt's Leute?". Bejahendes Gejubel ertönte vom Tisch. Hanna zuckte nur mit den Schultern, räumte ihren Teller ab und ging wortlos auf ihr Zimmer. Etwas komisch war das schon- in den Chats, auf der Fahrt und auch die sonstige Zeit hatte Hanna ganz anders gewirkt, nicht wie jemand der so schnell Panik schob. Nun ja, vielleicht war Hanna einfach nur gestresst und erschöpft von der langen Wanderung, so wie sie alle. Anouk seufzte und fuhr fort ihre Suppe zu essen, die anderen taten es ihr gleich. Sie redeten noch eine Weile, dann räumten sie den Tisch ab und gingen auf ihre Zimmer zurück, um die Sachen auszupacken und sich ein wenig wohlverdienten Schlaf zu gönnen. Anouk wünschte den anderen eine gute Nacht und kehrte auf ihr Zimmer. Sie blieb einen Moment stehen und blickte in den dunklen Raum, bevor sie eintrat, das Licht anknipste und auf das Fenster zusteuerte. Schnee fiel in großen Flocken auf den strahlend weißen Boden vor der Scheibe hinab und ließ die Eisdecke immer weiter steigen. Anouk war froh unter diesen Umständen nicht im Zelt schlafen zu müssen, sie hatte besseres zu tun als sich den Hintern abzufrieren. Es war ein wahrlich schöner Anblick, so weit weg von der Stadt, dem Lärm, den vielen Menschen. Anouk's Atem beschlug das Fenster, als sie gähnte und sich weiter nach vorne lehnte. Ihre Nase berührte jetzt fast das kalte Glas. Sie fragte sich, was wohl ihre beiden Geschwister, Johanna und Anthony gerade taten und ob sie in diesem Moment auch an sie dachten. Seit dem Tod von Anouk's Vater hatte sie mit ihrer Mutter und den beiden jüngeren Geschwistern in einer Wohnung gelebt. Ihre Mutter hatte die ganze Zeit mit der Arbeit zu tun, ging morgens unausgeschlafen aus dem Haus, kam Nachts erst zurück und war somit fast nie Zuhause. Damit waren sämtliche Pflichten an Anouk hängen geblieben. Zugegeben, sie hatte sich das weder so vorgestellt, noch hatte sie es sich gewünscht. Wohlmömglich hatte sie deshalb diesen merkwürdigen Drang alles in die eigene Hand zu nehmen, die Anführerin zu spielen, wobei sie nicht wusste, ob sie das jetzt gut oder schlecht fand.
Sie räkelte sich und ließ sich auf ihr Bett fallen. Wenn es jemanden gab der dringend Schlaf brauchte, dann war das Anouk. Sie spielte noch einmal den Ablauf des heutigen Tages vor ihrem inneren Auge ab ,dann schlossen sich langsam ihre Augenlieder.
Das knartschen der Holzdielen riss Anouk gewaltsam aus ihren Träumen. Es war mitten in der Nacht. Sie blinzelte und wartete, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bevor sie auf die Leuchtziffern des kleinen Weckers auf dem Nachttisch sah: Vier Uhr früh. Anouk verdrehte Augen. Musste diese Person ausgerechnet jetzt auf's Klo gehen? Um diese Uhrzeit? Konnte das nicht bis Morgen warten? Während sie sich innerlich mehr und mehr in Rage versetzte fiel ihr etwas merkwürdiges auf. Wer auch imner da im Haus herum schlich wäre schon längst im Badezimmer angelangt, doch Anouk hörte keine Tür, stattdessen nur weiterhin Schritte. Sie horchte auf, befürchtete schon ihr eigener Atem wäre zu laut. Sie überlegte kurz nachzusehen, ließ es dann aber sein. Da konnte sich wer auch immer herum treiben. Oder was auch immer. Oh man! Dachte Anouk. Warum mussten einem die gruseligsten Ideen immer dann kommen, wenn man allein um Vier in seinem stockdüsteren Zimmer an einem abgelegenen Ort mitten in den Bergen war? Konnte das nicht passieren, wenn man bei Sonnenschein im Disneyland die Attraktionen begutachtete? Vermutlich machte sie sich eh viel zu große Gedanken um nichts. Und so schlief sie ein, nicht wissend, dass sie um haaresbreite einer großen Gefahr entgangen war, größer, als sie in diesem Moment vermutete.
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